| Titel: | Bergmann's Patent-Dampfkessel; von Joseph Khern. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XXII., S. 97 | 
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                        XXII.
                        Bergmann's Patent-Dampfkessel; von Joseph Khern.
                        Aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
                                 										Architektenvereines, 1872 S. 32.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									III.
                        Bergmann's Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Unter dem Namen „Bergmann's
                                 										Patent-Dampfkessel“ tauchte kürzlich in Westphalen ein neues
                              									Dampfkesselsystem auf, welches uns berufen scheint, in den Annalen der
                              									Dampfkesselconstruction förmlich Epoche zu machen.
                           Ein solcher Kessel, Fig. 1–3, besteht der Hauptsache
                              									nach aus zwei cylindrischen, verticalen Dampfkesseln von verschiedener Weite, welche
                              									senkrecht übereinander und in voller Verbindung mit einander stehen, so daß der
                              									weitere Oberkessel A dem engeren Unterkessel B als Dampfsammler dient. An dem Boden des Oberkessels
                              									ist eine, der Größe des Kessels entsprechende Anzahl von Siederöhren mit
                              									Wassercirculation C angebracht, derart daß sie in den,
                              									den Unterkessel außen concentrisch umgebenden Feuerzug mit ihrer ganzen Länge
                              									hineinragen.
                           Wir haben es demnach hier mit einem verticalen Röhrenkessel mit äußerer Feuerung zu
                              									thun, welcher die Vortheile aller ähnlichen Kesselsysteme, den geringen Raumbedarf,
                              									den niederen Brennstoff-Aufwand, die schnelle und ausgiebige Dampfproduction
                              									in sich vereinigt, selbe aber in jeder Beziehung weit übertrifft, ohne dagegen deren
                              									Nachtheile zu besitzen.
                           Als solche machen sich bei allen Röhrenkesseln geltend: das Verlegen der Röhren und
                              									Züge mit Flugasche, die Ansammlung von Kesselstein, die zahlreichen, leicht zu
                              									beschädigenden Theile verbunden mit der schweren Zugänglichkeit, somit sehr
                              									erschwerten Reinigung und kostspieligen Reparaturen.
                           Durch die Anwendung der äußeren Feuerung des Kessels sind die Röhren sowohl, wie die
                              									vom Feuer berührten Kesselwände stets leicht zugänglich und können, ohne alle
                              									Beschwerden und ohne den Kessel zu entleeren, von Flugasche u.s.w. gereinigt werden.
                              									Ebenso leicht sind auch die Reparaturen durchzuführen, welche sich in Bezug auf den
                              									Kessel selbst in Nichts von den Reparaturen an einem gewöhnlichen, einfach
                              									cylindrischen Dampfkessel unterscheiden. Uebrigens ist dadurch, daß Röhren und
                              									Kesselwände der unmittelbaren Stichflamme entzogen sind, eine lange Dauer und ein
                              									höchst seltenes Vorkommen von Reparaturen garantirt.
                           Die Röhren selbst können, sowie der Oberkessel von Wasser und Dampf frei und das
                              									Feuer entfernt ist, durch einen Hammerstreich aus ihrer Befestigung gelöst, durch
                              									das Fahrloch am Oberkessel entfernt und durch neue ersetzt werden, ein Vorgang
                              									welcher, wenn selbst alle Röhren zu erneuern seyn sollten, kaum eine halbe Stunde
                              									dauert.
                           Der Kesselstein ist fast ganz unschädlich gemacht; denn die Speisung erfolgt nahe am
                              									Fuße des Kessels und das Wasser, welches den ganzen Weg von da, durch den ziemlich
                              									hohen Unterkessel unter fortwährender Einwirkung der Feuerung, also unter
                              									beständigem Wallen und Dampfentwickeln zu machen hat, läßt auf diesem Wege den
                              									größten Theil der gelösten und suspendirten Körper fallen, und es sammelt sich am
                              									Fuße des Kessels, wo sich das Ablaßrohr befindet, sämmtlicher Schlamm. Das so
                              									gereinigte Wasser tritt dann erst, nachdem es auch bereits die volle Höhe der
                              									Temperatur erreicht hat, in die Röhren. Hier wird es nun mit außerordentlicher
                              									Heftigkeit verdampft, und eine ungewöhnlich rasche und heftige Circulation in den
                              									Röhren hervorgerufen, welche einem Festsetzen des Kesselsteines sehr ungünstig ist.
                              									Dadurch ist eine Hauptursache von Reparaturen, überhaupt eine der größten
                              									Unzukömmlichkeiten beim Dampfkessel-Betrieb, wenn nicht vollkommen, doch fast
                              									ganz beseitigt.
                           Ein, sonst bei stehenden, d.h. verticalen Kesseln mit Recht gerügter Uebelstand, der
                              									auch leicht sehr gefährlich werden kann, ist die geringe Oberfläche des
                              									Wasserspiegels und die in Folge dessen hervorgerufenen großen
                              									Wasserstands-Differenzen. Durch den großen Durchmesser des Oberkessels
                              									gegenüber dem verhältnißmäßig geringen Wasser-Inhalt ist auch dieser
                              									Uebelstand beseitigt, und zugleich ein verhältnißmäßig großer Dampfraum geschaffen.
                              									Die Gestalt dieses letzteren ist dabei eine solche, daß sie der Abkühlung möglichst
                              									wenig Oberfläche bietet.
                           Ueberhaupt ist in diesem ganzen Dampfkesselsystem das einzig richtige Princip
                              									consequent durchgeführt: überall wo eine Erwärmung durch die,
                                 										den Kessel umspülenden heißen Gase stattfindet, gestreckte Körperformen, welche
                                 										bei geringem Rauminhalt große Oberfläche bieten; an Stellen jedoch, wo eine
                                 										Abkühlung durch die äußere Luft vorhanden ist, solche Formen anzuwenden, welche
                                 										sich der Kugelgestalt nähern und bei größtem Inhalte die geringste Oberfläche
                                 										besitzen.
                           Durch die, auf unserer Abbildung angedeutete Ummauerung des Dampfraumes ist auch
                              									Gelegenheit geboten, diesen letzteren mit einer stets warmen Luftschicht zu umgeben,
                              									ein Mittel welches übrigens bei jedem stehenden Kessel anwendbar ist. Die dem Fuße
                              									des Kessels hier gegebene Construction kann auch durch andere Ausführungen, wie sie
                              									sonst bei stehenden Kesseln vorkommen, ersetzt werden; doch haben wir selbe hier als
                              									gut und in der Praxis bewährt, adoptirt.
                           
                           Ebenso wenig wie die Reparatur eines solchen Kessels, bietet auch die Neuherstellung
                              									Schwierigkeiten. Insbesondere gibt der große Druck, welcher im Betriebe stets auf
                              									den Siederöhren lastet, das Mittel an die Hand, sie vorzüglich solid und dennoch
                              									unendlich einfach zu befestigen. An jeder Röhre wird ein außen conisch gedrehter
                              									Ring a, a, Fig. 3, an deren offenem
                              									Ende angeschweißt, und dieselbe dann nur lose in das, ebenfalls conisch gebohrte
                              									Loch des Kesselbodens gesetzt, um, durch den Druck von Wasser und Dampf angepreßt,
                              									absolut dicht zu schließen.
                           Ebenso sind die Anlagekosten eines solchen Dampfkessels bei weitem nicht im
                              									Verhältniß mit den vorzüglichen Leistungen desselben. Selbst mit dem unbestritten
                              									besten aller bisher erfundenen Röhrenkessel, dem Field'schen Kessel verglichen, läßt sich derselbe, da sein Gewicht ein weit
                              									minderes, und die Herstellungsweise eine weit einfachere ist, bei gleicher oder
                              									höherer Leistung noch billiger herstellen. Der in den beigegebenen Figuren
                              									gezeichnete Kessel ist für eine feuerberührte Fläche von 48 Quadratmeter construirt,
                              									und wiegt incl. voller Gußeisen-Armatur noch
                              									keine 100 Zollcentner, wogegen ein Field-Kessel
                              									von derselben feuerberührten Fläche 170 Zollcentner wiegt.
                           Daß, den vorstehenden Erörterungen entsprechend, dieses Dampfkesselsystem alle
                              									Anforderungen welche wir gewohnt sind an einen guten Kessel zu stellen, in sehr
                              									hohem Maaße erfüllt, hat nunmehr auch die Erfahrung bestätigt.
                           Bis jetzt (Herbst 1871) sind an drei Orten solche Kessel im Betrieb, nämlich:
                           in dem neuen Stahlwerk zu Bochum, Firma Daelen, Schreiber
                              									und Comp.,
                           in der Maschinenfabrik Daelen und Comp. zu Barop bei Dortmund,
                           in der Steinhauser Hütte zu Mitten.
                           Der in dem ersterwähnten Stahlwerk, seit Ende März 1871 in Betrieb stehende Kessel
                              									wurde im Juni 1871 Verdampfungsversuchen mit genauen Messungen unterzogen, wobei
                              									sich Nachfolgendes ergab.
                           
                        
                           A. Dimensionen des Kessels.
                           Gesammthöhe 9,42 Met.; davon kommt auf den Oberkessel 4,39 Met. bei 2 Met.
                              									Durchmesser, während der Unterkessel 5,02 Met. hoch und 1,05 Met. weit ist. An dem
                              									Oberkessel befindet sich ein Dom von 730 Millimet. Länge bei 780 Millimet.
                              									Durchmesser, und an dem (ganz cylindrischen) Unterkessel ein Fahrlochstupp von 1,83
                              									Met. Länge und 520 Millimet. Durchmesser. An dem unteren Ringe des Oberkessels sind
                              										120 Stück
                              									Siederühren von 3,14 Met. Länge und 78 Millimet. äußerem Durchmesser angebracht. Die
                              									Einmauerung läßt 129,2 Quadratmeter Heizfläche frei, und hat der Dampfraum 8,66
                              									Kubikmeter über dem mittleren Wasserstande.
                           
                        
                           B. Bemerkungen.
                           1) Der Kessel war circa. 6 Stunden vor dem Versuche
                              									abgelassen und mit frischem Wasser von gewöhnlicher Temperatur bis 1,57 Met. über
                              									den obersten sichtbaren Theil des Wasserstandsglases gefüllt.
                           2) Die tiefsten Theile der Feuerzüge waren während des ersten Viertels der
                              									Versuchszeit reichlich mit einem Theil des obenerwähnten Wassers, welches nicht
                              									versunken war, erfüllt, und wurde dieses dann erst entfernt.
                           3) Mit Ausnahme zweier Karren Gaskohle und Brocken, deren Gewicht unten angesetzt
                              									ist, wurde mit besonders schlechtem Kohlengries die Verdampfung bewerkstelligt.
                           4) Die Ofenthüren an den Heizräumen schlossen durchaus nicht, und es trat durch einen
                              									Gesammtquerschnitt von mindestens 400 Quadratcentimeter schädliche Luft in die
                              									Heizräume.
                           5) Das in dem Kessel befindliche Wasser wurde nach 2 Stunden zum Kochen gebracht und
                              									nach weiteren 2 Stunden und 10 Minuten wurde die Verdampfung beendet.
                           6) Die Kesselwärter wurden angehalten, nicht forcirt zu feuern; der aus dem
                              									geöffneten 183 Millimet. weiten Sicherheitsventile ausströmende Dampf war deßhalb
                              									auch durchaus nicht mit fortgerissenem Wasser beladen, und ein
                                 										unterhalb der Siederöhre in den Feuerraum gebrachtes Bleirohr blieb
                                 										unversehrt.
                           
                        
                           C. Gesammt-Materialverbrauch.
                           a) Bis zur Verdampfung wurden
                              									verwendet:
                           
                              
                                 17 Schanzen
                                 (Reisigbündel) Brennholz,
                                 
                              
                                    230 Pfund
                                 Gaskohle,
                                 
                              
                                    275    „
                                 Stückkohle,
                                 
                              
                                  1325    „
                                 Kohlengries,
                                 
                              
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 1830 Zollpfund diverse Steinkohle.
                                 
                              
                           b) Zum Verdampfen wurden
                              									verwendet: 1580 Zollpfund Steinkohlengries.
                           
                        
                           D. Verdampfungsresultat.
                           In 2 Stunden 10 Minuten wurden verdampft: 11076 Zollpfund Wasser; diese Wassermenge wurde
                              									ermittelt, indem vor und nach dem Versuche der Wasserstand im Kessel direct gemessen
                              									wurde.
                           
                        
                           F. Resultat
                                 											pro Zollpfund Gries, resp. Kohle.
                           Nachdem der Wasserstand die vorher festgesetzte Marke erreicht hatte, wurde der Rost
                              									gezogen, die auf und unter demselben befindlichen Ueberreste abgekühlt und gewogen.
                              									Es waren
                           
                              
                                 mindestens
                                   150 Zollpfund
                                 unverbrannte Kohle
                                 
                              
                                 
                                   875        „
                                 unverbrennbare Masse
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 1025 Zollpfund.
                                 
                                 
                              
                           Es wurden somit verbrannt:
                           1580 – 150 = 1430 Zollpfund Kohlengries.
                           Damit wurden verdampft 11076 Zollpfund Wasser, also mit 1
                                 										Zollpfund Kohlengries 7 3/4 Zollpfund
                                 									Wasser.
                           Die obigen 875 Pfund Asche sind enthalten in 1830 + 1580 = 150 Pfund = 3260 Pfund
                              									verwendeter Kohle; diese enthält somit 27 Proc. Asche und die zur Verdampfung selbst
                              									verwendeten 1430 Pfund Kohlengries 386 Pfund; es gelangten also 1430 – 386 =
                              									1044 Zollpfund aschenfreie Kohle zur Verbrennung.
                           
                              
                                 1044 Pfund Kohle verdampfen
                                 11076 Pfund Wasser,
                                 
                              
                                       1 Pfund Kohle verdampft
                                    10,6 Pfund Wasser.
                                 
                              
                           Die feuerberührte Fläche beträgt 129,2 Quadratmeter. In 2
                              									Stunden 10 Minuten wurden 11076 Zollpfund Wasser verdampft, somit per 1 Stunde und per 1
                                 										Quadratmeter Feuerfläche 39,5 Zoll-Pfund
                                 										Wasser.
                           Die Leistung in Pferdekräften hängt natürlich wieder von der Construction und dem
                              									Gang der Maschine ab, aber man darf, letztere als gut vorausgesetzt, diesem Kessel
                              									eine Leistung von 120 bis 130 Pferdekräften (à 75
                              									Kilogrammmeter) zusprechen.
                           Wenn es nach dieser sachlichen Darstellung noch der Autorität bedarf, um auf die ganz
                              									außergewöhnlichen Vorzüge dieses Kesselsystemes hinzuweisen, so ist gewiß der in der
                              									gesammten Eisen- und Maschinen-Industrie hochgefeierte Name Daelen der Ersten einer, der hier zu stehen verdient. In
                              									einem Privatbriefe dieses Mannes finden wir nebst dem allgemeinen Ausdrucke großer
                              									Zufriedenheit mit der Leistung dieses Kessels noch die Thatsache speciell
                              									hervorgehoben, daß der Ansatz von Kesselstein in den Röhren weit schwächer ist, als
                              									in dem (in derselben Fabrik befindlichen) Field'schen
                              									Kessel, obschon die Röhren 2 1/2 mal so lang sind als in letzterem. Wir glauben nach
                              									mannichfachen, mit allerlei Dampfkesseln gemachten Erfahrungen, dieses Kesselsystem
                              									gerade von dem Standpunkte unserer heimischen Verhältnisse aus mit wirklicher
                              									Genugthuung begrüßen zu dürfen, denn gerade die Brennstoff-Ersparung und die
                              									Dauerhaftigkeit des Objectes ist uns noch viel werthvoller als anderen Ländern.Der Verfasser dieses Artikels, Verwalter Joseph Khern in Reichraming, erklärt sich bereit, auf specielle Wünsche
                                    											weitere Auskünfte zu ertheilen.
                              								
                           
                        
                     
                  
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