Titel: | Zur Geschichte der Radzähne; von Ehr. Trunk, Ingenieur in Eisenach. |
Autor: | Ehr. Trunk |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XXVII., S. 111 |
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XXVII.
Zur Geschichte der Radzähne; von Ehr. Trunk, Ingenieur in
Eisenach.
Trunk, über Geschichte der Radzähne.
Es ist mir stets ein Gegenstand des Bedauerns gewesen, daß in Schriften im Gebiete
der exacten Wissenschaften die schriftstellerischen Werke der Vorarbeiter selten,
meistens gar nicht erwähnt werden, während doch solche und zwar öfter als
Monographien oder als Abhandlungen in Zeitschriften oder Sammelwerken existiren. In
anderen Wissenschaften begehen die Schriftsteller diese Unterlassungssünde
regelmäßig nicht, und wäre zu wünschen daß auch die Schriftsteller im Bereiche
exacter Wissenschaften ihre Leser durch Erwähnung der Werke solcher Vorarbeiter, die
der Wissenschaft und
Technik Vorschub geleistet haben, erfreuet: und dadurch den Vorarbeitern die ihnen
gebührende Anerkennung zollen.
I. Zum Gegenstand der Ueberschrift übergehend, hat Leibnitz in den „Miscellaneis
Berolinensibus de anno 1710“ gesagt, daß der Däne Olaus Römer zuerst erwähnt habe, die Epicycloide sey die
zur Gestaltung der Radzähne geeignete Curve. Hierzu bemerkt Kästner in seiner Abhandlung „De rotarum
dentibus (enthalten in den Commentationes
Societatis regiae scientiarum Göttingensis per annum 1781, Göttingae 1782, 4°, Vol. IV)“: er könne sich nicht erinnern etwas Schriftliches
hierüber von Römer gelesen zu haben.
Dagegen befinden sich in den „Mémoires de
l'Académie royale des sciences, depuis 1666 jusque 1699 (à
Paris 1730, 4°, Tom. IX)“
die Oeuvres diverses de M.
de la Hire, de
l'Académie royale des sciences, und darin ist S. 341–447
enthalten: „Traité des
epicycloides,“ worin de la Hire
nachweist, daß die Epicycloiden die Curven seyen, welche die Radzahnformen
bestimmten. Aus dem Inhalte der Abhandlung ergibt sich, daß de
la Hire unter dem Worte Epicycloiden nicht die Epicycloide im Sinne der
neueren Wissenschaft, sondern überhaupt cyclische Curven, über deren Theorie und
praktische Verwendung Dr. Hermann Weißenborn im Jahre 1856 eine Schrift herausgegeben hat, verstanden
habe.
Es waren de la Hire, Olaus Römer und Leibnitz Zeitgenossen. Es könnte
daher der Fall seyn, daß Olaus Römer die Arbeit von de la Hire gelesen und dann dem Leibnitz eine Mittheilung gemacht hätte, ohne die Quelle seines Wissens
anzugeben. Doch könnte Olaus Römer auch selbst diese
Wahrheit entdeckt haben. Würde aber keine Schrift des Olaus Römer über den Gegenstand existiren, welche älter als die des de la Hire wäre, so müßte man die Erstigkeit der
Entdeckung dem Letzteren zusprechen.
II. Nachdem Monge die descriptive Geometrie geschaffen
hatte, machte davon Hachette in seinem Traité élémentaire de Machines (edit. 2, Paris 1819) eine
Anwendung auf die Construction der Winkelräder und gab diejenige Constructionsweise
dieser Räder an, welche noch heute in Anwendung ist und auf die Theorie der
Darstellung der cyclischen Curven auf der Kugelsphäre bezüglich auf dem Kegelmantel
gestützt ist, worüber man Näheres in der Weißenborn'schen
Schrift findet.
Buchanan hat in seinem Essay of
Millwork für Verzahnung der Winkelräder dieselbe Hülfsconstruction wie Hachette gegeben. Letzterer hat sein Verfahren
wissenschaftlich begründet, Buchanan nicht, und deßhalb
scheint dem Hachette die Erstigkeit zuzustehen.
III. Ferner machte sich zu Anfang dieses Jahrhunderts das scharfsinnige Theorem der
Evolventenverzahnung geltend und half dazu, nunmehr eine Reihe von Satzrädern bilden
zu können.
Robertson Buchanan sagt in seinem Essay of Millwork (herausgegeben von Tredgold)
und zwar im Cap. III, worin von der Evolventenverzahnung gehandelt wird, er habe
vernommen daß Professor Robison in Edinburg den ersten
Wink zur Evolventenverzahnung gegeben habe.
Dagegen sagt Theodor Olivier in seiner
„Geometrischen Theorie der Zahnräderwerke (übersetzt von Dr. C. H. Schnuse,
1844),“ und zwar im Cap. IV Folgendes:
„Die cylindrischen und conischen Räderwerke mit rollender Reibung sind zum
erstenmale von dem (engl. Mechaniker) White
ausgeführt, und zwar sind dieselben Präcisionsräderwerke, weil zwei einander
ergreifende Zähne sich nur in einem einzigen Punkte berühren;“
man s. White's Brochüre (1816?)
über die cylindrischen und conischen Räderwerke mit rollender Reibung.
IV. Außerdem tauchten die von Hook erfundenen Stufenräder
auf, und diese erweckten die Idee der Schraubenräder (helicoidischen Räder), als
deren Erfinder wiederum White (man s. White's
Century of inventions, 1822) genannt wird.
V. Auch fand White die Form der Umfänge zweier Räder,
deren Achsen nicht in einer Ebene liegen (hyperboloidische Schraubenräder).
VI. Vaucanson erfand die Bandkette aus Draht zur
Transmission der Bewegung des einen zur Kette passenden Zahnrades auf ein anderes
deßgleichen. Nach ihm gab Lemoine der Kette eine andere
Form, welche es möglich machte, die Ketten für zwei Räder, die nicht in einer Ebene
liegen, zu gebrauchen. Man hat auch leiterartige Ketten gemacht, deren
Verbindungsglieder die Form von Uhrketten haben und sich sehr verstärken lassen
durch Vermehrung der Verbindungsglieder. Wer gab zuerst diese Form von
Bandketten?
Ein Verfertiger chirurgischer Instrumente in Würzburg fertigte an Trepanirapparaten
Ketten von der Form von Uhrketten, welche einerseits Glieder hatten, die die Form
von Zähnen eines Innenrades hatten und in ein Rad eingriffen, um welches sich die
Kette schlang. Gleichzeitig hatte die andere Seite der Kette Sägezähne, so daß die
Kette eine laufende Trepanirsäge bildete. Wer war der Erfinder dieser Kette und wann
lebte er?
VII. Gerstner (man s. dessen Mechanik) war der Erste,
welcher aus der zur Bestimmung der Größe des Krümmungshalbmessers für jeden
beliebigen Punkt einer Epicycloide dienenden Formel ein graphisches Schema
construirte, mittelst dessen man zeichnend die betreffenden Krümmungshalbmesser für
jeden Punkt einer Epicycloide findet. Dr. Weißenborn hat eine für die Krümmungshalbmesser aller
Punkte aller gemeinen cyclischen Curven gültige Formel in seiner citirten Schrift
entwickelt und daraus nicht bloß ein, sondern mehrere graphische Schemata
construirt, von denen jedes für alle gemeinen in der Ebene liegenden cyclischen
Curven gültig ist; ebenso eine allgemeine Formel und daraus allgemeine graphische
Schemata für alle ebenen verschlungenen cyclischen Curven.
Ich glaube, daß es nicht allein für die Theoretiker, sondern auch für höher stehende
Praktiker von Interesse seyn wird, wenn die Thatsachen in der Geschichte der auf
Radzähne Bezug habenden Lehre festgestellt werden und deßhalb bitte ich Gelehrte des
In- und Auslandes, in dieser Zeitschrift ihre Wissenschaft über vorstehende
unsichere Thatsachen nebst den Quellen ihres Wissens mitzutheilen, die Redaction
aber um Zusammenstellung der eingehenden Nachrichten in einer späteren
Abhandlung.
Hierbei bemerke ich noch, daß ich die citirten Schriften von White selbst nicht gelesen habe. White war
schon vor dem Jahre 1808 bei Hachette in Paris. Wann Robison lebte, wie und wann er die ihm beigelegte
Mittheilung machte, wäre ebenso Gegenstand der Ermittelung, wie die mir unbekannten
Namen der Erfinder oben erwähnter Transmissionsketten.