Titel: Ueber Rosenöl; von Dr. R. Baur, Professor der Chemie an der k. t. Artillerie-Schule in Constantinopel.
Autor: R. Baur
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXIV., S. 253
Download: XML
LXIV. Ueber Rosenöl; von Dr. R. Baur, Professor der Chemie an der k. t. Artillerie-Schule in Constantinopel. Baur, über Rosenöl. Als vor einer Reihe von Jahren und während meiner Anstellung als Chemiker in dem früheren hiesigen Droguen Export-Geschäfte Matthieu frères et Comp. (jetzt Ihmsen und Comp.) die Rosenölfrage für mich von hervorragendem Interesse war, drängte sich zunächst und natürlicher Weise die Frage auf über die Constitution des Rosenöles, das Verhalten des Elaeoptens und des Stearoptens (Rosenölcamphers) für sich, zu einander etc. Abgesehen davon, daß die Sache ein hohes wissenschaftliches Interesse zeigt, ist sie auch noch von nicht geringerer praktischer Bedeutung. Die Gefrierfähigkeit des Rosenöles bildet nämlich ein handelsübliches Kriterium und dieß zwar in sofern mit großem Unrecht, als nur das Elaeopten den specifischen Geruch besitzt, dagegen aber das die Erstarrungsfähigkeit bedingende Stearopten geruchlos ist. Andererseits jedoch hat diese Gefriermethode doch wieder deßhalb eine Art innerer Berechtigung, als dadurch die die Gefrierfähigkeit herabdrückende Mischung mit Geranium-Oel (vielleicht richtiger Andropogon oder Limon Gras-Oel) in gewisse Grenzen zurückgewiesen wird, so lange nämlich das fragliche Oel nicht mit einem anderweitigen Gefriermittel versetzt ist. Ein dem Rosenölcampher sich eng anschließendes Präparat ist abereben trotz vielfacher Nachforschung meines Wissens noch nicht gefunden, und die noch hier und da zu groben Verfälschungen benutzten Verbindungen, wie Wallrath, Paraffin, Stearin etc. lassen sich sehr leicht auffinden.Eine von mir in jener Zeit stets angewendete kurze und sichere Probe auf Wallrath (abgesehen von anderweitigen Erscheinungen wie Krystallisation, spec. Gewicht etc.) ist folgende: Man übergießt in einem Proberöhrchen etwa 1 Kubikcentim. Rosenöl mit ca. 5 K. C. Weingeist von 75 Proc., schüttelt auf, filtrirt ab. wäscht den Rückstand mit wenigen Tropfen Weingeist nach, trocknet zwischen Filtrirpapier und erwärmt ein Stückchen davon auf einem Cigarettenpapierblättchen vorsichtig. Rosenölstearopten verdampft vollständig, Wallrath etc. hinterläßt durchscheinende Fettflecke.Daß man unter Umständen statt des verdächtigen Oeles selbst, das daraus abgeschiedene verdächtige krystallinische Depot direct in angegebener Weise untersuchen wird, versteht sich von selbst. Um nun auf reines Rosenöl zurückzukommen, so glaube ich, daß dessen Elaeopten und Stearopten in den Beziehungen eines Aldehyds zum betreffenden Kohlenwasserstoff einander gegenüber stehen, und die geringe Menge des bei der Verbrennung des Camphers gefundenen Wasserstoffes kann wohl mit größerem Rechte auf einen Rückhalt an Elaeopten, als auf Wasserstoffgehalt des Stearoptens selbst bezogen werden, worauf auch andere Reactionen (mit NatriumNatron etc.) hinweisen. Reiner und geruchloser Rosenölcampher nimmt an der Luft, oder unter Einwirkung sehr milder Reagentien, sehr bald den Rosenölgeruch an, sein Wasserstoffgehalt steigt und der Schmelzpunkt sinkt: ein Beweis daß derselbe einem Oxydationsproceß unterliegt und sich in Rosenöl verwandelt. Würde nun dieser Proceß im Großen sich leicht ausführen, also der geruchlose Campher sich in fein riechendes Oel verwandeln lassen (woran gar nicht zu zweifeln ist), so wäre damit für die Ausgiebigkeit dieses theuren Productes sehr viel gewonnen, – aber ein solches Oel würde von den meist nur auf Erstarrung prüfenden Droguisten ganz sicher ohne Weiteres verworfen werden, wie mir denn auch Beispiele genug vorgelegen haben, wo europäische Waarenkenner von wirklichem oder eingebildetem Rufe in vollständig ungerechtfertigter Weise Beschwerde führen zu dürfen glaubten. Eine Verwandlung wie die eben angeführte würde also im gegebenen jetzigen Standpunkte zu Nichts führen, wenngleich eine solche Neuerung von einsichtsvolleren Käufern freudig begrüßt zu werden verdiente. Gegentheilig hiervon läßt sich nun die Frage auch umkehren, in der Weise daß man sucht das natürliche Elaeopten in den Campher zurückzuverwandeln, oder mit anderen Worten daß man aus schwach frierendem (an Stearoplen armem) Rosenöl (welches unsinniger Weise schlechter bezahlt ist) durch Zusatz eines aus dem Elaeopten künstlich erzeugten Stearoptens ein höher frierendes, campherreicheres und höher verkäufliches Product herstellt. Die bejahende Beantwortung dieser letzteren Frage ist sehr wohl möglich und wenigstens von hohem finanziellen Interesse für die Engros-Verkäufer, und es war deßhalb auch s. Z. wünschenswerth, hierüber Versuche anzustellen. Längere Zeit hindurch blieben dieselben aber vollständig erfolglos, d.h. die angewendeten Reductionsmittel schienen weit weniger wirkungslos, als vielmehr zu heftig eingreifend, es entstanden, wohl in Folge schädlicher höherer Temperatur, stets schmierige, übelriechende Producte, wie man sie in so störender Weise in der Familie der Fettsäuren oft findet. Dagegen kam ich einmal auf folgende Weise zum Ziele: Es wurde in den Wintermonaten, und außerdem noch unter Beihülfe von Kältemischungen, reines Normalöl (d.h. solches unter meinen Augen in Kisanlik im Balkan destillirtes Oel, welches mir von da an stets als Basis für alle späteren Versuche diente), in möglichst vollständiger Weise dadurch von allem Stearopten befreit, daß der durch allmählich gesteigerte Kältegrade jeweilig auskrystallisirte Campher in der Centrifuge vom Elaeopten getrennt, darauf das abgezwungene flüssige Oel abermals und zwar stärker erkältet, wieder centrifugirt etc. wurde, bis sich schließlich ein Elaeopten abgeschieden hatte, welches bei – 15° C. keine Spur von Krystallisation mehr zeigte und in 75procentigem Alkohol klar löslich war. Nun wurden einige Körner reines Zink mit starkem Alkohol abgewaschen, noch feucht in ein Schälchen gegeben und mit einer schwach sauren Lösung von concentrirter Salzsäure in Alkohol übergossen, und in diese Mischung sodann einige Kubikcentimeter stearoptenfreies Oel (so viel sich im Alkohol lösen kann) tropfenweise eingeführt. Hierauf überließ ich das Ganze ein paar Tage in der Zimmertemperatur sich selbst. Schon nach ganz kurzer Zeit hatte sich ein dichter, an der Oberfläche erstarrender Schaum entwickelt, welcher abgenommen und die Mischung wieder zur Fortsetzung der Reaction bei Seite gestellt wurde, und so fort, bis durch Verbrauch aller in der Flüssigkeit befindlichen Salzsäure die Einwirkung beendigt und eine genügende Quantität des neuen Productes erhalten schien, um dessen Untersuchung vorzunehmen. Zu dem Zwecke gesammelt, wurde es mit 75procentigem Alkohol gewaschen, bis Wasser keine Trübung mehr hervorrief, vorsichtig geschmolzen und über Chlorcalcium getrocknet. Der erhaltene Körper bildete eine dem Rosenöl-Stearopten äußerlich ganz gleiche Masse in Betreff der Krystallisation, Lösungsverhältnisse, Flüchtigkeit etc.; zu vollständiger Eruirung der Identität schien mir aber hauptsächlich eine Schmelzpunkts-Bestimmung schlagend zu seyn. Dieselbe, im Capillarröhrchen vorgenommen, ergab als mittleres Resultat + 33° C., also die absolut gleiche Zahl wie ächtes, d.h. natürliches Rosenölstearopten. Es war also der Beweis geliefert, daß auf diesem Wege das Elaeopten sich wirklich und zwar mit Leichtigkeit in das Stearopten zurückverwandeln läßt, daß es also keine Schwierigkeit mehr haben wird, Rosenöl gewissermaßen aus sich selbst heraus auf höhere Gefriergrade und höheren Handels- (nicht aber inneren) Werth zu bringen, ohne gerade eine Fälschung im strengeren Sinne zu begehen. Leider mußte ich, in Folge Veränderung meiner Stellung, darauf verzichten, die Sache weiter zu führen und in's Praktische zu übersetzen, will aber jetzt, wo mir nach Jahren die Sache beim Durchblättern alter Notizbücher wieder begegnet, doch nicht versäumen, dieselbe hier mitzutheilen und Fachgenossen zum weiteren Studium eines Gegenstandes aufzufordern, dessen Charakter von meinem jetzigen Berufe zu weit abliegt. Hierbei sind aber zwei Dinge hauptsächlich im Auge zu behalten: 1) Die Beschaffung eines reinen Oeles, ohne welches alle Versuche begreiflicherweise illusorisch sind, und in dessen Mangel auch der Grund der früheren so sehr abweichenden Mittheilungen über Rosenöl zu suchen ist. Zur Beschaffung desselben würden wohl die HHrn. Ihmsen und Comp. hier, welche während der Rosen-Saison in Kisanlik ihren Vertreter haben, der die Einsammlung, Destillation etc. autoptisch überwachen kann, die beste Quelle seyn. 2) Bei allen deßfallsigen Reactionen vermeide man Erhöhung der Temperatur, gegen welche das Rosenöl äußerst empfindlich ist. Schon während der Entwickelung und Einsammlung der Blüthen ist der Einfluß der Witterung, Sonnenschein oder bedeckter Himmel etc., den Eingeborenen ebensowohl bekannt, als maaßgebend in Beziehung auf die hierdurch entstehenden Variationen in Betreff des Geruches und damit zusammenhängend der Gefrierfähigkeit und des Handelswerthes. Im Uebrigen verweise ich hinsichtlich der Geschichte des Rosenöles auf frühere Mittheilungen in diesem Journal.