Titel: Bericht über Explosionsversuche mit Locomotivkesseln; von der Pennsylvania-Eisenbahn-Gesellschaft.
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XC., S. 354
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XC. Bericht über Explosionsversuche mit Locomotivkesseln; von der Pennsylvania-Eisenbahn-Gesellschaft. Aus dem Journal of the Franklin Institute at Philadelphia, April 1872, S. 268. Ueber Explosionsversuche mit Locomotivkesseln. I. Im April 1868 wurde in der Nähe von Altoona auf der Pennsylvania-Eisenbahn mit der Locomotive Nr. 101 ein Versuch angestellt. Diese Maschine war im Jahr 1854 von Smith und Perkins zu Alexandria, Virginia, gebaut worden; sie hatte einen kupfernen Feuerkasten, einen 57 Zoll langen und 42 Zoll breiten Rost, eine 25 Zoll lange Verbrennungskammer und einen im Ganzen 21 Fuß 10 Zoll langen und 42 Zoll im Durchmesser haltenden Kessel. In Anbetracht ihres hohen Alters sollte die Maschine auseinander genommen und umgebaut werden. Da man sich jedoch aus den mit ihr anzustellenden Versuchen nützliche Aufschlüsse bezüglich der Dampfkessel-Explosionen versprach, so entschied man sich für die experimentelle Prüfung der Frage, ob wohl ein niedriger Wasserstand im Kessel bei hohem Dampfdruck, und die plötzliche Zuführung von kaltem Wasser während der Heizung, die Ursache einer Explosion sey oder nicht. Man wollte daher unter dem Einflusse eines wirksamen Feuers den Wasserstand bis zur Entblößung der Feuerkastendecke sich senken lassen, so daß letztere rothglühend würde, dann kaltes Wasser in den Kessel pumpen und den Erfolg abwarten. Die Maschine wurde hierzu auf ein nach einem Kohlenbergwerke führendes Zweiggeleise geschafft, und ein auf 150 Pfund Druck per Quadratzoll berechnetes Richardson'sches Sicherheitsventil auf den Kessel geschraubt. In einer Entfernung von circa 1000 Fuß wurde eine Dampffeuerspritze aufgestellt und mit der Locomotive durch einen gewöhnlichen Feuerschlauch verbunden. Ein besonderer Wasserstandshahn wurde in gleicher Höhe mit der Feuerkastendecke angeordnet und ein starkes Feuer angemacht. Jedoch schon bei 110 Pfd. Druck fing das Richardson'sche Ventil an, den Dampf abzublasen, zum Beweis daß es nicht gehörig justirt worden war; dasselbe wurde daher niedergeschraubt, aber wie der Erfolg lehrte, ein wenig zu weit. Man öffnete sodann den Ausblashahn und ließ den Wasserspiegel bis zu 1 Zoll oberhalb des Feuerkastendeckels sich senken, öffnete den in gleicher Höhe mit dem letzteren befindlichen Probirhahn, schloß den Feuerkasten und drehte den Ausblashahn zu. Hierauf verließ der Beobachter die Maschine und zog sich 83 Yards von derselben in gedeckte Stellung zurück. Von hier aus konnte er mittelst eines Opernglases die Dampfspannung und die Wasserstände, überhaupt jeden Vorgang vollkommen genau beobachten und notiren. Der Dampfdruck nahm sehr rasch zu, und man entdeckte bald, daß das Sicherheitsventil nicht auf den richtigen Druck gestellt worden war, da es keinen Dampf abblies. Etwas über 1 Minute, nachdem der letzte Mann die Maschine verlassen hatte, explodirte der Kessel bei 175 Pfd. Druck. Im Momente der Explosion war die Feuerkastendecke mit Wasser bedeckt, denn man konnte dasselbe ganz deutlich aus dem erwähnten besonderen Wasserstandshahn welchen man offen gelassen hatte, hervorströmen sehen. Die Maschine ward etliche 90 Fuß weit von ihrem Standort über einen Damm geschleudert, der Kessel und die äußeren Platten des Feuerkastens zeigten sich unbeschädigt. Die Explosion war dadurch entstanden, daß die linke Seitenplatte des Feuerkastens aus den Stehbolzen gerissen und umgestülpt wurde. Da die Decke von dieser Seite ihres Haltes beraubt war, so hatten die Stehbolzen, durch welche sie mit der Kesseldecke versteift war, nachgegeben, so daß sie nun, an die gegenüberliegende Seitenplatte sich lehnend, herabhing. Die Seitenwände bestanden aus 5/16 Zoll dickem Kupfer, die Decke selbst war unbeschädigt. Der Mißgriff in der Justirung des Sicherheitsventiles war Schuld, daß der beabsichtigte Versuch nicht vollständig zu Stande kam, indem es sich darum gehandelt hatte, kaltes Wasser in einen Kessel zu pumpen, in welchem die Decke des Feuerkastens von Wasser entblöst und rothglühend war. II. Mit der Locomotive Nr. 17 wurde am 7. October 1868 bei Kittanning Point ein Versuch angestellt, um die Wirkung zu constatiren, welche das Einpumpen von kaltem Wasser in einen Dampfkessel mit rothglühender Feuerkastendecke haben mag. Das Sicherheitsventil wurde auf 120 Pfund Druck justirt, und mit der Heizung der Maschine 8 Uhr Morgens begonnen. Um 10 Uhr betrug die Spannung 40 Pfund per Quadratzoll. Der Ausblashahn wurde nun geöffnet. Bei 90 Pfund Druck kam Wasser aus dem 1 Zoll oberhalb der Feuerkastendecke angeordneten Wasserstandshahn. Die Beobachter verließen hierauf die Maschine, nahmen an einem sicheren Orte Stellung und beobachteten von dort mittelst Fernröhren den Vorgang. Nach ungefähr 20 Minuten strömte Dampf aus dem erwähnten Wasserstandshahn; dieser und ein anderer, 2 Zoll unterhalb halb der Feuerkastendecke angebrachter Hahn waren offen geblieben. Kurz darauf hörte das Ausströmen des Dampfes aus dem oberen Hahn, vermutlich in Folge einer Verstopfung desselben, auf. Nach einer weiteren halben Stunde strömte auch aus dem unteren Hahn Dampf aus. Nun wurde durch die Dampfspritze Wasser in den Kessel gepumpt. Unmittelbar darauf sah man Dampf aus dem oberen Hahn, welchen man verstopft geglaubt hatte, entweichen. Das Pumpen wurde fortgesetzt, bis das Wasser aus beiden Hähnen zum Vorschein kam, und dann der Versuch eingestellt. Bei der Untersuchung zeigte der Dampfkessel keine sichtbare Beschädigung. Hierauf wurde derselbe von Neuem gefeuert und die Beobachter begaben sich wieder auf ihren Sicherheitsposten. Bald fing der Dampf an, aus dem Sicherheitsventil zu entweichen; er blies ungefähr 15 Minuten lang ununterbrochen aus, und dann intermittirend. Dampf kam aus dem unteren Probirhahn und aus dem Sicherheitsventil. Nach weiteren 15 Minuten wurde, da die Decke des Feuerkastens offenbar rothglühend seyn mußte, abermals Wasser in den Kessel gepumpt. Das Resultat war, daß die Dampfspannung auf einmal abnahm. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, daß die Stehbolzen Wasser durchließen. Die Feuerkastendecke zeigte sich verbrannt und etwas bauchig. Die Temperatur des eingepumpten Wassers betrug ungefähr 16° C.