| Titel: | Ueber die in Steinkohlen eingeschlossenen Gase; von Ernst v. Meyer. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXXX., S. 462 | 
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                        CXXX.
                        Ueber die in Steinkohlen eingeschlossenen Gase;
                           								von Ernst v.
                              								Meyer.
                        v. Meyer, über die in Steinkohlen eingeschlossenen
                           								Gase.
                        
                     
                        
                           Der Verf. hat auf Veranlassung des Hrn. Prof. Kolbe in
                              									Leipzig die in den Steinkohlen mechanisch eingeschlossenen Gase untersucht und seine
                              									Resultate in einer ausführlichen Abhandlung im Journal für praktische Chemie, 1872,
                              									Bd. V S. 144–184 veröffentlicht.
                           Bei der unzweifelhaften Analogie der fortwährend stattfindenden Gasansammlungen im
                              									Inneren der Kohlen mit den gewaltsam hervorbrechenden Grubengasen dürfte es
                              									angemessen seyn, vor der Mittheilung der Ergebnisse dieser Untersuchung einen Blick
                              									auf das zu werfen, was man über die Zusammensetzung der Grubengase weiß. Die
                              									ältesten Analysen derselben, von Henry, Davy und Thomson nach höchst unvollkommenen Methoden ausgeführt,
                              									sind nicht brauchbar. G. Bischof
                              									Edinburgh new philosophical Journal, vol. XXIX
                                    												p. 309 und vol.
                                    											XXX p. 127. hatte im Jahre 1840 drei Grubengase der Analyse unterworfen und in ihnen
                              									ölbildendes Gas gefunden. Betrachtet man aber den damaligen Stand der Gasanalyse und
                              									speciell Bischof's Methoden näher, so kann man nicht
                              									umhin, dessen Angaben mit Vorsicht aufzunehmen. Sonst enthielten die von ihm
                              									untersuchten Gase geringe Mengen von Kohlensäure und Stickstoff, und hauptsächlich
                              									Grubengas.
                           Das Vorkommen von ölbildendem GasIn einer vorläufigen Notiz (polytechn. Journal, 1871, Bd. CCI S. 461) hat der
                                    											Verf. zwei Analysen von Gasen, die in Kohlen eingeschlossen waren,
                                    											mitgetheilt; nach ihnen waren in dem einen Gas 7,7 Proc., in dem anderen 3,2
                                    											Proc. schwere Kohlenwasserstoffe enthalten. Da aber vor der Absorption mit
                                    											Schwefelsäure keine eudiometrische Bestimmung gemacht wurde, so kann aus
                                    											diesen Analysen die Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffe nicht abgeleitet
                                    											werden. wies später Bunsen in einem dem
                              									Naphta-Berge auf der Halbinsel Taman entströmenden Gase nach; er fand in demselben 4,26
                              									Proc. Auch C. Schmidt hat ölbildendes Gas in zwei
                              									Gas-Emanationen der Halbinsel Apscheeron aufgefunden. In beiden Fällen
                              									entstammten die untersuchten Gase einem mit Erdöl reich getränkten Boden, welcher
                              									ununterbrochen der Schauplatz vulcanischer Thätigkeit ist.
                           Graham, Playfair und Bunsen,
                              									welchen wir die übrigen Analysen von Grubengasen verdanken, haben stets die
                              									Abwesenheit von ölbildendem Gas constatirt. Die untersuchten Gase bestanden
                              									vorwiegend aus Grubengas und enthielten außerdem geringe Mengen von Kohlensäure,
                              									Sauerstoff und Stickstoff; in keinem derselben ist mit Bestimmtheit Kohlenoxyd und
                              									Wasserstoff nachgewiesen worden, deren Bildung auch durch die Natur des
                              									Verwesungsprocesses ausgeschlossen wäre.
                           Bei den Versuchen des Verf. wurden die Gase auf folgende Weise aus den Kohlen
                              									gewonnen. Diese wurden in etwa nußgroßen Stücken mit siedendem, ausgekochtem Wasser
                              									benetzt und dann sofort in einen mit heißem, ebenfalls luftfreiem Wasser gefüllten
                              									Kolben eingetragen. In diesen wurde ein Gummistopfen eingesetzt, welcher das untere
                              									Ende einer offenen Glasröhre umschloß, deren oberes Ende mittelst eines zweiten
                              									Gummistopfens in den verengten unteren Theil einer oben offenen, mit ausgekochtem
                              									Wasser gefüllten Schale mündete. (Diese Schale war wie ein umgekehrtes kurzhalsiges
                              									Kochglas nach Absprengung des Bodens gestaltet.) Die aus den Kohlen, indem man das
                              									Wasser im Kolben in gelindem Sieden erhielt, entweichenden Gase wurden in einer in
                              									der Schale umgestürzten Röhre gesammelt und nach der Füllung derselben sofort über
                              									Quecksilber aufbewahrt oder eingeschmolzen. Bei dieser Art des Operirens mußte man
                              									allerdings darauf verzichten, die gesammte in den Kohlen enthaltene Gasmenge zu
                              									gewinnen; aber man konnte die adhärirende Luft vollständig beseitigen und trotz des
                              									Verlustes eines Theiles der eingeschlossenen Gase deren Zusammensetzung kennen
                              									lernen.
                           Handelte es sich um vergleichende Bestimmungen der eingeschlossenen Gasmengen, so
                              									wurden gewogene, annähernd gleiche Mengen der verschiedenen Kohlen trocken in
                              									ausgekochtes und schnell abgekühltes Wasser eingetragen, und die Gase durch Erwärmen
                              									bis zur Erschöpfung der Kohlen ausgetrieben, gesammelt und gemessen. Diese Versuche
                              									geben natürlich nur annähernd richtige, aber vergleichbare Werthe.
                           Versuche mit Zwickauer Kohlen. – Durch Hrn.
                              									Director Menzel (vom Zwickauer Brückenberg
                              									Steinkohlen-Bau-Verein) war der Verf. in den Stand gesetzt, Kohlen aus
                              									bestimmten Flötzen und bekannter Tiefe auf ihre Gase zu prüfen. Die ihm zur
                              									Verfügung gestellten Kohlen waren theils frisch gebrochen, theils Jahre lang dem
                              									Wetterstrom ausgesetzt gewesen; sie stammten aus drei Flötzen: dem Schichtenkohlen-, dem
                              									Zachkohlen- und dem Lehkohl-Flötze.
                           I. Schichtenkohle aus 700 Met. Tiefe. Frischer Anbruch.
                              									Sehr dichte, ausgezeichnet schieferige Kohle.
                           II. Schichtenkohle aus 690 Met. Tiefe, 5 Jahre lang dem
                              									Wetterstrom ausgesetzt gewesen. Das Aussehen dieser Kohle dem von I höchst
                              									ähnlich.
                           III. Zachkohle aus 680 Met. Tiefe. Frischer Anbruch.
                              									Schieferige, aus glänzenden und matten Schichten bestehende Pechkohle.
                           IV. Zachkohle aus 656 Met. Tiefe. Dem Wetterstrom 1 1/2
                              									Jahre ausgesetzt gewesen. Diese Kohle trägt Spuren der Verwitterung an sich; im
                              									Inneren glänzender Bruch.
                           V. Lehekohle aus 560 Met. Tiefe. Frischer Anbruch. Harte,
                              									unregelmäßig schieferige Kohle mit glänzendem Bruch.
                           VI. Lehekohle aus 690 Met. Tiefe, dem Wetterstrom 5 Jahre
                              									lang ausgesetzt gewesen. Dieselbe hatte ein verwittertes Aussehen, war bröcklich.
                              									Schieferung undeutlich.
                           Die Analysen der aus diesen Kohlen ausgetriebenen Gase – hinsichtlich deren
                              									Details wir auf unsere Quelle verweisen – ergaben folgende procentische
                              									Zusammensetzung derselben:
                           
                              
                                 
                                 CO²
                                 O
                                 N
                                 CH⁴
                                 
                              
                                   I.
                                 2,42
                                 2,51
                                 23,17
                                 71,90
                                 
                              
                                 III.
                                 4,02
                                 0,62
                                 50,36
                                 45,00
                                 
                              
                                 IV.
                                 2,25
                                 0,70
                                 23,89
                                 73,16
                                 
                              
                                  V.
                                 0,60
                                 Spur
                                 48,00
                                 51,40
                                 
                              
                           Die Gase aus den Kohlen II und VI zeigten eine eigenthümliche Zusammensetzung,
                              									weßhalb die Analysen derselben nachstehend gesondert aufgeführt sind.
                           
                           
                              
                                 
                                 CO²
                                 O
                                 N
                                 CO
                                 CH⁴
                                 C² H⁶ Die Voraussetzung, das verbrannte Gas sey ein Gemenge von Grubengas
                                          													und Aethylwasserstoff (C²H⁶), ist hier allerdings eine
                                          													willkürliche, da die eudiometrische Analyse eines aus mehreren
                                          													unbekannten Kohlenwasserstoffen bestehenden Gases nicht über die
                                          													Natur der einzelnen Bestandtheile Auskunft gibt; sie ermöglicht nur
                                          													die Aufstellung der Formel des Gases, indem aus der durch die
                                          													Verpuffung entstandenen Kohlensäure die Menge des Kohlenstoffes, aus
                                          													der Contraction der Wasserstoffgehalt bestimmt werden kann. Die
                                          													Annahme, daß diese Gase nur aus Grubengas und Methylwasserstoff
                                          													bestehen, ist übrigens die einfachste und wohl auch die
                                          													wahrscheinlichste. Von der Gegenwart freien Wasserstoffes konnte
                                          													abgesehen werden, da dessen vorkommen in analogen Gasen niemals mit
                                          													Bestimmtheit beobachtet ist.
                                 DurchSchwefelsäureabsorbirbar
                                 
                              
                                 II.
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 a) Sogleich ausgetriebenes
                                    											Gas
                                 16,70
                                 4,90
                                 55,15
                                 –
                                   3,17
                                 18,61
                                 1,47
                                 
                              
                                 b) Gas, eine Woche
                                    											später    aufgefangen
                                 11,40
                                 3,80
                                 60,98
                                 –
                                   3,44
                                 18,88
                                 1,50
                                 
                              
                                 c) Gas, zwei Wochen nach b    gesammelt
                                 12,10
                                 1,10
                                 65,16
                                 –
                                   3,19
                                 16,85
                                 1,60
                                 
                              
                                 VI.
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 a) Sogleich ausgetriebenes
                                    											Gas
                                   7,62
                                 2,44
                                 50,75
                                 –
                                 15,88
                                 22,35
                                 0,96
                                 
                              
                                 b) Gas, eine Woche nach a    aufgefangen
                                 10,10
                                 2,6  
                                 50,53
                                 1,82
                                 10,18
                                 23,32
                                 1,45
                                 
                              
                                 c) Gas, zwei Monate nach b    aufgefangen
                                 11,18
                                 2,82
                                 67,99
                                 –
                                 –
                                 16,36
                                 1,65
                                 
                              
                           Versuche mit Kohlen aus der Plauen'schen Formation.
                                 										– Durch Hrn. Professor Krutsch in Tharand
                              									standen dem Verf. Kohlen aus drei Flötzen zu Gebote; sie stammten, frisch gebrochen,
                              									aus dem Schacht von Burgk und wurden sofort auf die in
                              									ihnen eingeschlossenen Gase verarbeitet. Alle drei Sorten waren reich mit
                              									Schwefelkies durchwachsen; ihnen fehlte der Glanz und die Schwärze der ächten
                              									Steinkohlen; sie zeigten eine grauschwarze Farbe. Die Zusammensetzung der Gase war,
                              									wie die folgenden Analysen zeigen, sehr einfach.
                           I. Harter Schiefer. Die Gasentwickelung war sehr
                              										reichlich.Menge der Gase wurde hier nicht bestimmt; für die übrigen Kohlen ist sie auf
                                    											Seite 467 angegeben.
                              								
                           II. Weicher Schiefer. Gasentwicklung ebenfalls sehr
                              									lebhaft.
                           III. Maschinen-Schiefer. Bei dieser Kohle war die
                              									Gasentwickelung am reichlichsten.
                           
                              
                                 
                                 CO²
                                 O
                                 N
                                 
                              
                                   I.
                                 48,7
                                 1,8
                                 49,5
                                 
                              
                                  II.
                                 38,2
                                 1,2
                                 60,6
                                 
                              
                                 III.
                                 54,9
                                 1,2
                                 43,9
                                 
                              
                           Grubengas fehlte in den drei Gasen oder war nur spurenweise in III enthalten.
                           
                           Untersuchung westphälischer Kohlen. – In der
                              									Erwartung, daß die Fettkohlen Westphalens in Betreff der von ihnen eingeschlossenen
                              									Gase sich eigenthümlich verhalten würden, unterwarf der Verf. zwei Kohlen aus der
                              									Essener Gegend einer Prüfung in dieser Richtung. Die eine Kohle stammte aus der
                              									Zeche „Zollverein“, die andere aus der Zeche
                              										„Consolidation“. Beide waren ächte Fettkohlen, bei der
                              									Leuchtgasfabrication sehr beliebt. Die Gasmengen welche beide enthielten, waren
                              									gering.
                           Die Gase hatten die nachstehend angegebene Zusammensetzung. I. Zollverein, II. Consolidation.
                           
                              
                                 
                                 CO²
                                 O
                                 N
                                 CH⁴
                                 
                              
                                  I.
                                 7,50
                                 2,59
                                 89,91
                                 –
                                 
                              
                                 II.
                                 2,56
                                 4,11
                                 58,48
                                 24,85
                                 
                              
                           Versuche mit Bochumer Kohlen. – Durch Hrn.
                              									Director Dach (der Zeche Constantin der Große bei Bochum)
                              									erhielt der Verfasser Kohlen aus einer Reihe von Flötzen der Fettkohlenpartie. Von
                              									jeder Sorte – es waren deren sechs – standen ihm frisch gebrochene und
                              									Jahre lang dem Wetterstrom ausgesetzt gewesene Kohlen zur Verfügung. Die
                              									nachstehende Aufzählung der Kohlen beginnt mit denen des ältesten Flötzes und steigt
                              									dann zu den jüngeren Kohlen auf.
                           I. Sonnenschein (Name des Flötzes). Deutliche Schichtung;
                              									hin und wieder Schwefelkies vorhanden. Die alte Kohle war der frisch gebrochenen
                              									Kohle sehr ähnlich, nur leichter zerfallend. Diese vollkommene Aehnlichkeit mit den
                              									frischen Kohlen aus demselben Flötze erstreckt sich auf alle übrigen Bochumer
                              									Kohlen.
                           II. Dickebank. Der Kohle I sehr ähnlich.
                           III. Präsident. Undeutlich schieferige, leicht zerfallende
                              									Kohle; nähert sich der Rußkohle.
                           IV. Wilhelm. Kohle mit undeutlicher Schieferung, hin und
                              									wieder faserig; zeigt Graphitglanz.
                           V. Franzisca. Deutlich schieferige, an Schwefelkies reiche
                              									Kohle.
                           VI. Leonhard. Diese Kohle zeigt deutliche Schieferung und
                              									ist ebenfalls schwefelkieshaltig.
                           Die Analysen der aus diesen Kohlen ausgetriebenen Gase ergaben folgende
                              									Zusammensetzung derselben.
                           
                           
                              
                                 
                                 CO²
                                 O
                                 N
                                 CH⁴
                                 
                              
                                   I, frisch   
                                   4,87
                                 2,66
                                 75,82
                                    16,65   
                                 
                              
                                   I, alt
                                    11,12   
                                    2,88   
                                    78,60   
                                   7,40
                                 
                              
                                  II, frisch
                                   2,18
                                 2,12
                                 70,5
                                 25,19
                                 
                              
                                  II, alt
                                 15,84
                                 3,06
                                 74,53
                                   6,57
                                 
                              
                                 III, frisch
                                   5,82
                                 1,99
                                 60,62
                                 31,57
                                 
                              
                                 III, alt
                                   7,68
                                 2,24
                                 86,77
                                   3,31
                                 
                              
                                 IV, frisch
                                   1,30
                                 1,60
                                 66,85
                                 30,25
                                 
                              
                                 IV, alt
                                   4,35
                                 3,35
                                 81,18
                                 11,12
                                 
                              
                                  V, frisch
                                   2,02
                                 0,90
                                 86,43
                                 10,65
                                 
                              
                                  V, alt
                                   2,15
                                 3,14
                                 91,28
                                   3,43
                                 
                              
                                 VI, frisch
                                   3,72
                                 0,39
                                 90,19
                                   5,70
                                 
                              
                                 VI, alt
                                   8,49
                                 3,57
                                 87,94
                                 Spur
                                 
                              
                           Schließlich möge die Zusammenstellung der Gasmengen folgen, welche 100 Gramme der
                              									resp. Kohlen lieferten.
                           
                              
                                 
                                    Zwickauer Kohlen
                                    
                                 
                                    Westphälische
                                    
                                    (Bochumer) Kohlen
                                    
                                 
                              
                                 Sorten
                                 100 Grm. gabenKubikcentimeter
                                 Sorten
                                 100 Grm. gabenKubikcentimeter
                                 
                              
                                    I, frisch
                                 38,0
                                 
                                 
                                 
                              
                                   II, alt
                                 18,2
                                    I, frisch
                                 50,6
                                 
                              
                                  III, frisch
                                 25,5
                                    I, alt
                                 43,2
                                 
                              
                                  IV, alt
                                 18,6
                                   II, frisch
                                 43,3
                                 
                              
                                   V, frisch
                                 54,8
                                   II, alt
                                 41,2
                                 
                              
                                  VI, alt
                                 13,6
                                  III, frisch
                                 59,2
                                 
                              
                                 
                                 
                                  III, alt
                                 43,6
                                 
                              
                                 Westphälische (Essener)
                                  IV, frisch
                                 54,4
                                 
                              
                                 
                                    Kohlen
                                    
                                  IV, alt
                                 39,2
                                 
                              
                                 Sorten
                                 100 Grm. gaben
                                   V, frisch
                                 54,5
                                 
                              
                                 
                                 Kubikcentimeter
                                   V, alt
                                 39,6
                                 
                              
                                  I
                                 22,5
                                  VI, frisch
                                 42,0
                                 
                              
                                 II
                                 17,4
                                  VI, alt
                                 36,4
                                 
                              
                           Aus den mitgetheilten Analysen ergibt sich, daß mit Ausnahme der Zwickauer Kohlen II
                              									und IV alle übrigen untersuchten Kohlen durch die in ihnen eingeschlossenen Gase
                              									keine auffallenden Eigenthümlichkeiten verrathen.
                           Die Gase der meisten Kohlen zeigen sich analog zusammengesetzt den sorgfältig
                              									untersuchten Grubengasen. Während bei diesen der Stickstoffgehalt mehr zurücktritt,
                              									erreicht er in vielen der von dem Verf. untersuchten Gase eine beträchtliche Höhe,
                              									ohne daß der Sauerstoffgehalt zunähme.
                           Die Frage nach dem Ursprung des Stickstoffes in den Grubengasen ist vielfach erörtert worden. G.
                              										Bischof
                              									Bischof, Lehrbuch der chemischen und
                                    											physikalischen Geologie, Bd. I S. 732. glaubt annehmen zu müssen, daß derselbe in solchen Emanationen, welche mit
                              									Ueberwindung des Atmosphärendruckes hervorbrechen, nicht aus der Luft herrühren
                              									könne, sondern Product der Verwesung seyn müsse. Da jedoch der freie Stickstoff
                              									niemals mit Sicherheit in den beim Verwesungsproceß auftretenden Gasen nachgewiesen
                              									ist, so liegt die Annahme viel näher, dieser Stickstoff sey schon bei der Bildung
                              									der Steinkohlen eingeschlossen worden.
                           Was den in den eingeschlossenen Gasen enthaltenen Stickstoff betrifft, so ist nach
                              									der Ansicht des Verf. ebenfalls die Annahme gerechtfertigt, daß ein Theil desselben
                              									noch aus der Bildungsperiode der Kohlen herrühre. Der übrige Stickstoff stammt
                              									unzweifelhaft aus der Luft, die später zugetreten ist. Der hohe Stickstoffgehalt in
                              									den meisten der von dem Verf. untersuchten Gase ist deßhalb interessant, weil sich
                              									in ihm auf's Deutlichste die bekannte Eigenschaft der Steinkohlen zu erkennen gibt,
                              									Sauerstoff an sich zu fesseln und zur Oxydation zu verwenden. Diese Function des
                              									Sauerstoffes, welche so bedeutungsvoll bei der Verwitterung ist, hat neuerdings Richters
                              									Richters, Beiträge zur Kenntniß des Verhaltens
                                    											der Kohle zum Sauerstoff, im polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIII S. 51 und
                                    											264; Untersuchungen über die Veränderungen welche die Steinkohlen beim
                                    											Lagern an der Luft erleiden, im polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 315 u.
                                    											449, Bd. CXCVI S. 317. gründlich studirt; derselbe hat nachgewiesen, daß der Sauerstoff vorwiegend
                              									zur Oxydation des von ihm so genannten disponiblen Wasserstoffes verwendet wird,
                              									während nur wenig Kohlensäure entsteht. Daß der Proceß in der That so verläuft,
                              									zeigt die Zusammensetzung der meisten Gase, welche der Verf. analysirt hat; in
                              									denselben ist die Kohlensäuremenge bedeutend geringer, als sie seyn würde, wenn
                              									aller Sauerstoff, welcher dem Stickstoffgehalte entspricht, zur Bildung von
                              									Kohlensäure verbraucht wäre.
                           Einer scheinbaren Ausnahme begegnen wir bei Betrachtung der Zusammensetzung der aus
                              									den Burgker Kohlen gewonnenen Gase; in denselben steigt der Gehalt an Kohlensäure
                              									bis auf 54,9 Proc. Richters hat ebenfalls constatirt, daß
                              									schwefelkiesreiche Kohlen im höchsten Grade das Vermögen besitzen Sauerstoff zu
                              									absorbiren. Da diese Kohlen besonders reich an Schwefelkies sind, so liegt die
                              									Vermuthung nahe, daß bei der größeren Energie der Oxydation auch der Kohlenstoff zu
                              									Kohlensäure oxydirt wurde.
                           Diese Betrachtungen zeigen, wie wichtig es ist, zur weiteren Aufklärung des
                              									Verwitterungsprocesses der Steinkohlen die Veränderung der in ihnen eingeschlossenen
                              									Gase zu verfolgen.
                           Wenn dem Verf. auch bei seinen Versuchen verwitterte Kohlen im eigentlichen Sinne nicht zu
                              									Gebote standen, da der Proceß der Verwitterung mit Hülfe der atmosphärischen
                              									Niederschläge viel energischer verläuft, als wenn die Kohlen dem Wetterstrom
                              									ausgesetzt sind, so zeigen sich doch zwischen den von dem Verf. untersuchten
                              									frischen und alten Kohlen durchgängig Unterschiede. In allen Fällen enthielten die
                              									frischen Kohlen mehr Gas, als die alten; bei den Zwickauer Kohlen ist diese
                              									Differenz am auffallendsten. Bei den westphälischen zeigte sich außerdem constant
                              									eine Abnahme des Gehaltes an Grubengas, während eben so gleichmäßig die Kohlensäure
                              									zugenommen hat, wenn auch nicht entsprechend dem verschwundenen Grubengase. Die
                              									Analyse der Zwickauer Kohle IV (alt) zeigt eine Vermehrung des Gehaltes an
                              									Grubengas; dieselbe ist jedoch nur relativ, da die eingeschlossene Gasmenge geringer
                              									ist, als die der Kohle III, welche demselben Flötze angehört.
                           Regelmäßige Verschiedenheiten, welche durch die geognostische Lagerung der Kohlen
                              									bedingt sind, konnten in den eingeschlossenen Gasen nicht gefunden werden. Der
                              									Gedanke liegt nahe, die Kohlen der jüngsten Flötze müßten die reichlichsten
                              									Gasmengen enthalten. Wie die obige Zusammenstellung zeigt, wird diese Vermuthung
                              									nicht bestätigt.
                           Daß dagegen bedeutende Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der Gase auftreten,
                              									auch wenn diese von Kohlen eines und desselben Flötzes eingeschlossen waren,
                              									beweisen die Untersuchungen der aus den Zwickauer Kohlen II und VI gewonnenen Gase,
                              									welche durch die Anwesenheit des Aethylwasserstoffes ausgezeichnet sind. Es ist
                              									sicherlich nicht zufällig, daß in den Gasen beider Kohlen als constanter Begleiter
                              									des Aethylwasserstoffes ein durch Schwefelsäure absorbirbarer höherer
                              									Kohlenwasserstoff auftritt. Sollte dieser, wie aus einigen Analysen hervorzugehen
                              									scheint, Butylen seyn, so wird man kaum umhin können, dasselbe als Product der
                              									trockenen Destillation der Steinkohlen anzusehen. Dasselbe ist auch in dem Petroleum
                              									aufgefunden worden, welches vorwiegend Kohlenwasserstoffe der Reihe CnH2n + 2, zu
                              									welcher auch der Aethylwasserstoff gehört, enthält. Wenn man für die Entstehung des
                              									Erdöles die Einwirkung einer höheren Temperatur voraussetzt, so muß man ähnliche
                              									Bedingungen annehmen, um das Auftreten von Aethylwasserstoff und Butylen zu
                              									erklären.
                           Ist diese Annahme richtig, so ist ferner die Vermuthung nicht zu gewagt, daß das von
                              									den Kohlen II und VI eingeschlossene Gas einst vorwiegend aus Aethylwasserstoff, der
                              									vielleicht mit Stickstoff gemengt war, bestanden habe. Bei Nachlassen der höheren
                              									Temperatur konnte wieder ein normaler Umsetzungsproceß stattfinden, durch welchen
                              									Grubengas gebildet wurde. Die Kohlen waren sodann Jahre lang dem Wetterstrom ausgesetzt in einer
                              									Tiefe, in welcher eine weitere Veränderungen begünstigende Temperatur herrschte.
                              									Nehmen wir an, daß diese Umwandlungen nicht bis in die innersten Hohlräume, welche
                              									Aethylwasserstoff enthielten, vordringen konnten, so wäre eine Erklärung der
                              									Analysen möglich, welche der Verf. von den aus der alten Lehekohle gewonnenen Gasen
                              									mitgetheilt hat (S. 464). Bei diesen wurde constatirt, daß mit der Zeit eine
                              									fortwährende Abnahme des Grubengasgehaltes stattfand, während Aethylwasserstoff in
                              									geringem Maaße sich verminderte. Nach zwei Monaten war das Grubengas vollständig
                              									verschwunden. Die Kohle bot während dieser Zeit der Verwitterung eine große
                              									Oberfläche dar; so wurde allmählich das im Anfang noch vorhandene Grubengas
                              									entfernt, während das weniger zugängliche Aethylwasserstoffgas zum Theil erhalten
                              									blieb.
                           Sind diese Betrachtungen richtig, so könnte man, geleitet von der Zusammensetzung der
                              									eingeschlossenen Gase, einen Einblick in die geologische Vergangenheit mancher
                              									Kohlen gewinnen, und so würde man sich die Kenntniß von Verhältnissen verschaffen,
                              									welche uns bei der chemischen Gewichtsanalyse der Kohlen vollständig entgehen.
                              									(Polytechnisches Centralblatt, 1872 S. 526.)