Titel: Ueber die Veränderung einer Bronze durch langes Liegen in der Erde; von E. Priwoznik, Hauptmünzamts-Chemiker in Wien.
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXXXVI., S. 484
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CXXXVI. Ueber die Veränderung einer Bronze durch langes Liegen in der Erde; von E. Priwoznik, Hauptmünzamts-Chemiker in Wien. Vorgetragen in der kais. österr. Akademie der Wissenschaften am 14. März 1872.Anzeiger der kais. Akademie der Wissenschaften, Jahrg. 1872, S. 50. Priwoznik, über die Veränderung einer Bronze durch langes Liegen in der Erde. Unter den vom Herrn Ministerialrathe v. Schrötter in den alten Kelten-Gräbern am Salzberge bei Halstatt aufgefundenen antiken Gegenständen, von welchen der größte Theil bereits wissenschaftlich untersucht ist, befanden sich auch einige Stücke, welche schon ihres auffallenden Aussehens wegen geeignet erschienen, einige Aufmerksamkeit zu erregen und mir von demselben zur chemischen Untersuchung gütigst überlassen wurden. Es sind dieß Bruchstücke eines nieren- oder traubenförmigen Ueberzuges einer Haue oder Streitaxt aus Bronze, von vorherrschend indigblauer Farbe, im Gewichte von nahe 100 Grammen und einer Dicke von 5–7 Millimeter; nur an den Enden der Haue beträgt dieselbe gegen 2 Centimeter. Die Bruchstücke sind an nur wenigen Stellen der inneren Seite mit einem schwachen, hellgrünen Ueberzuge von basisch-kohlensaurem Kupferoxyd bedeckt und zeigen, genau besehen, an mehreren Stellen eine ungleichartige Schichtung. Die erste, äußere und zugleich dickste Schicht ist sehr spröde und besitzt eine am Bruche, der im frischen Zustande unvollkommen metallglänzend ist, deutlich erkennbare, strahlige Textur. Der Strich ist tief dunkelblau, beinahe schwarz. Eine Probe hiervon gibt beim Erwärmen etwas Wasser ab, welches sauer reagirt; später entweichen geringe Mengen empyreumatisch riechender Dämpfe und endlich entweicht Schwefel. Bei rascher Erhitzung entwickelt sich auch Schwefelwasserstoffgas, eine Erscheinung welche schon bei vielen Schwefelmetallen beobachtet wurde. Wie das durch Fällung dargestellte Schwefelkupfer, oxydirt sich auch diese Schichte, theilweise mit Wasser bedeckt, und gibt an dasselbe beständig geringe Mengen von schwefelsaurem Kupferoxyd ab, nur geschieht dieß, wegen der Dichte der Masse, langsamer als bei jenem. Es ist dieß ein Umstand welchen man mit dem verhältnißmäßig seltenen Vorkommen von Einfach-Schwefelkupfer in der Natur in Zusammenhang gebracht hat. Bei der quantitativen Analyse geschah die Auflösung der möglichst gereinigten Substanz in schwach verdünnter Salpetersäure und zur Bestimmung des Schwefels, wie üblich, unter öfterem Zusatz von Salzsäure und chlorsaurem Kali. I. 0,5718 Grm. Substanz gaben 1,3388 Grm. schwefelsauren Baryt oder 0,1838 Grm. Schwefel und 0,461 Grm. Kupferoxyd entsprechend 0,368 Grm. Kupfer. Bei vorsichtigem Erwärmen in einem kleinen Glasröhrchen über der kleinsten Flamme des Gasbrenners verloren 0,5405 Grm. Substanz 0,0165 Grm. Wasser. II. 0,4995 Grm. Substanz gaben 0,4055 Grm. Kupferoxyd oder 0,3239 Grm. Kupfer und 0,0029 Grm. Eisenoxyd, d. i. 0,002 Grm. Eisen. 0,4655 Grm. Substanz verloren beim Erwärmen 0,014 Grm. Wasser. 100 Theile dieser Verbindung enthalten daher: I. II. Schwefel 32,14 Kupfer 64,35 64,84 Eisen   0,40 Wasser   3,05   3,00 oder nach Abzug der unwesentlichen Beimengungen vom Mittel aus I und II gefunden die Formel CuS verlangt Schwefel 33,22 33,54 Kupfer 66,77 66,46 Die Verbindung ist daher Kupferindig oder Covellin, mit welchen sie in allen Eigenschaften übereinstimmt. Bekanntlich findet sich derselbe meistens als höchst lockerer, poröser und dünner Ueberzug auf Kupferglanz, Kupferkies oder Buntkupfererz, und nur selten in derben Massen. Berechnet man aus der Analyse des krystallisirten Covellins von Leogang in Salzburg die von C. v. HauerSitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, math.-naturw. Classe, 1854, Bd. XII S. 23. gefundenen Zahlen, nach Abzug des von der Substanz nicht entfernbaren Chalkopyrites, auf 100, so erhält man die mit den letztangeführten gleichfalls hinreichend genau stimmenden Zahlen: 34,38 für Schwefel und 65,72 für Kupfer. Die Bestimmung der Dichte, welche an den schönsten und reinsten Stücken mittelst des Pyknometers vorgenommen wurde, ergab bei 28° C. 4,675. Zepharovich Dieselbe Abhandlung. fand die des krystallisirten Covellins vom letztgenannten Fundorte mit 4,636. Die zweite Schichte findet sich nur an wenigen Stellen des Ueberzuges und läßt sich nur schwer von der äußeren Schichte trennen. Sie ist von schwarzgrauer Farbe, nur 0,5 Millimeter dick und gibt beim Erwärmen weder Wasser, noch Schwefel ab. Sie besteht, der Hauptmasse nach, aus Halb-Schwefelkupfer (Kupferglanz, Cu²S) und enthält 15 Proc. Zinn beigemengt, welches auffallender Weise in der ersten Schichte nicht vorkommt. Die dritte Schichte endlich, welche ebenfalls nur an wenigen Stellen und in sehr kleiner Menge vorhanden war, ließ sich, da sie aus einem feinen schwarzen Pulver bestand, leicht von der zweiten trennen. Sie gab beim Erwärmen anfangs Wasser, später Spuren von Arsen und gleichfalls keinen Schwefel ab. Diese Schichte enthält 59,8 Proc. Halb-Schwefelkupfer, 23,2 Proc. Zinn, 3,4 Proc. Wasser, Spuren von Antimon und Nickel, und überdieß noch, was gewiß nur zufällig ist, nicht unbedeutende Mengen von schwefelsaurem Kalk und etwas Magnesia. Blei, Zink und Silber, von welchen sich zuweilen geringe Mengen in alten Bronzen finden, waren in keinem Theile der Kruste enthalten. Wegen der, an einzelnen Bruchstücken anhaftenden Knochenreste, mußte auch auf Phosphorsäure besondere Rücksicht genommen werden; es waren indeß nur geringe Spuren von derselben nachzuweisen. Nach den von A. v. Schrötter Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Classe, Bd. XXXVII S. 177. veröffentlichten Analysen der in den alten Gräbern bei Halstatt gefundenen Bronzen enthalten dieselben: Kupfer 90 92 Proc. Zinn   6,5   9    „ und noch überdieß in kleinen Mengen Eisen, Arsen, Nickel, Silber, Kobalt, Blei und Schwefel. Wie aus den soeben angeführten Untersuchungen ersichtlich ist, enthält die in Rede stehende Kruste nicht bloß die wesentlichen Bestandtheile der antiken Bronze, sondern auch noch von den zufälligen Beimengungen derselben, in kleinen Mengen: Eisen, Arsen, Antimon und Nickel. Aus diesem Umstande muß man schließen, daß die Kruste durch eine chemische Veränderung der Bronze selbst, nicht aber durch Ablagerung von außen entstanden ist. Offenbar fand eine Wanderung des Zinnes und der Nebenbestandtheile von außen nach innen statt, da es nicht wahrscheinlich ist, daß umgekehrt das Kupfer nach außen gedrängt wurde, um sich mit dem Schwefel zu verbinden. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß die Umwandlung der antiken Bronze durch den directen Einfluß von löslichen Sulfiden oder Schwefelwasserstoff enthaltenden Gasen bewirkt wurde, mithin auch die Bildung des Covellins hier auf einem anderen Wege erfolgte, als in den Erzlagerstätten. Diese Ansicht ist auch durch das häufige Auftreten von Schwefelwasserstoff unter der Erdoberfläche gerechtfertigt. Derselbe entwickelt sich aus faulenden, schwefelhaltigen organischen Substanzen, und wo diese mit schwefelsauren Salzen vorkommen, entstehen auch lösliche Sulfide. Diese umwandeln metallisches Kupfer, auch wenn sie direct auf dasselbe einwirken, in Schwefelkupfer, welches, wenn die übrigen Umstände hierzu günstig sind, auch in der blauen Modification erscheinen kann. Versuche, welche ich hierüber angestellt habe, ergaben daß kupferreiche, der antiken Bronze ähnlich zusammengesetzte Legirungen, bei andauernder Einwirkung von gelbem Schwefelammon, sich mit indigblau gefärbtem Einfach-Schwefelkupfer überziehen. Auch hat sich dabei gezeigt, daß die Legirungen des Kupfers widerstandsfähiger gegen dieses Reagens sind, wenn sie Zink enthalten, und daß die Widerstandsfähigkeit mit dem Gehalte an diesem Metalle zunimmt. Gelbes Messing z.B., welches viel Zink enthält, erleidet, selbst wenn es lange Zeit mit den Lösungen der alkalischen Supersulfurete in Berührung bleibt, keine wesentliche Veränderung. Bisher lag über die Bildung von Covellin nur die von Knop gegebene Erklärung vor. Nach dieser bildet er sich in den Erzlagerstätten aus dem Kupferkiese, welchen Sauerstoff und Kohlensäure enthaltendes Wasser etc. in kohlensaures Eisenoxydul und Kupferglanz, umwandelt, von denen der letztere unter dem weiteren Einflusse der genannten Agentien in Covellin und Kupferoxydul zerfällt. Die Erklärung über die Bildung von Covellin an der Bronze steht daher mit jener von Knop in keiner Beziehung. Aehnliche Beobachtungen, wie an der Bronze, hat man auch an den antiken Silbergeräthen gemacht, welche im Jahre 1868 bei Hildesheim aufgefunden wurden. Auch sie waren mit dreifach geschichteten Krusten bedeckt, von welchen SchertelJournal für praktische Chemie, 1871, Bd. III S. 317; polytechn. Journal Bd. CCI S. 52. die äußere als Hornsilber, die mittlere als Halbchlorsilber, und die letzte als aus einer geringen Menge Gold bestehend erkannte. Wir finden also auch hier den, gegen die einwirkenden Stoffe den größten Widerstand leistenden Bestandtheil der Legirung, von dem anderen, dem Silber, getrennt und in die innerste Schichte des Ueberzuges gedrängt, indem das Gold, wie bei der hier besprochenen antiken Bronze das Zinn, eine Ortsveränderung erfuhr. Church Polytechnisches Centralblatt, 1871 S. 916. gibt an, daß ein in alten Gräbern auf der Insel Cypern gefundener Gegenstand aus Silber nur mit einer dünnen Schichte überzogen war, in welcher er Schwefelsilber, Chlorsilber und Jodsilber nachwies. Brüel Bischof, chemische Geologie, Bd. II S. 9. fand in alten Münzen von verschiedenen Fundorten neben Chlorsilber auch Bromsilber.