Titel: Ueber das Färben der Baumwollgewebe in Anilinschwarz; von Jul. Persoz.
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXLI., S. 491
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CXLI. Ueber das Färben der Baumwollgewebe in Anilinschwarz; von Jul. Persoz. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, t. XLII p. 47; Januar 1872. Persoz, über Färben der Baumwollgewebe in Anilinschwarz. Man weiß seit langer Zeit, daß die Reaction des zweifach-chromsauren Kalis auf gewisse Anilinsalze in concentrirter Lösung eine sehr kräftige Oxydation und die rasche Bildung eines reichlichen schwarzen Niederschlages veranlaßt. Die HHrn. Paraf-Javal in Thann haben vor beiläufig sechs Jahren diese Erscheinung zu benutzen versucht, um Baumwollgewebe in Anilinschwarz zu färben, nämlich durch bloßes Passiren des Stoffes in einer Lösung welche ein Anilinsalz und zweifach chromsaures Kali enthält. Indem sie eine hinreichend concentrirte Flüssigkeit anwandten, begann das Schwarz sofort beim Herauskommen des Stoffes aus dem Bade sich zu bilden, und gelangte bald zu seiner vollständigen Entwickelung. Leider bot diese, in der Theorie vortreffliche Verfahrungsweise, in der Praxis unübersteigliche Hindernisse dar. Waren nämlich die Flüssigkeiten sehr verdünnt, so konnte man nicht zum Schwarz gelangen; waren sie hingegen concentrirt, so schlug sich das Schwarz sehr bald im Bade nieder. Die HHrn. Paraf-Javal versuchten deßhalb den Farbetrog abzukühlen und auf einer Temperatur von nahe 0° zu erhalten. Dabei zeigte sich aber ein anderer Uebelstand; wenn nämlich die Flüssigkeiten hinreichend concentrirt waren (was eine nothwendige Bedingung für die Erzeugung des Schwarz ist), so krystallisirte bald chromsaures Anilin im Bade, wodurch dasselbe abgeschwächt wurde. Ueberdieß verursachten diese Krystalle, welche vom Gewebe bei seinem Passiren im Troge aufgenommen wurden, später Flecke, und wurden sogar manchmal zu einer wirklichen Gefahr; denn das chromsaure Anilin, welches sich in der Kälte unverändert erhalten hatte, konnte, sobald es dem Einflusse derselben entzogen war, eine starke Temperaturerhöhung in Folge der gegenseitigen Reaction seiner Elemente veranlassen, wodurch oft eine Entzündung des Gewebes auf verschiedenen Stellen und sogar eine Entflammung desselben entstand. In der letzten Zeit wurde unsere Aufmerksamkeit neuerdings auf diese als unpraktisch betrachtete Methode gelenkt. Wir fragten uns, ob es nicht möglich wäre, das Anilinschwarz mittelst derselben Substanzen zu erhalten, aber ohne sie vorher zu mischen. Beim Nachdenken hierüber erkannten wir, daß die Pulverisirung der FlüssigkeitenIndem man nämlich die Flüssigkeit mittelst einer schnell rotirenden Bürste in Staubform überführt und von dem so erzeugten Sprühregen das vorübergezogene Gewebe treffen läßt. A. d. R. uns gestatten müsse diese Bedingung in sehr glücklicher Weise zu realisiren, was auch der Versuch bestätigte. Indem wir die Pulverisirung der Lösungen benutzten, vermochten wir das zweifach-chromsaure Kali und das Anilinsalz bei der Temperatur und dem Concentrationsgrade anzuwenden, welche für die Erzeugung des Schwarz die vortheilhaftesten sind, ohne einen der erwähnten Uebelstände befürchten zu müssen. Krystalle von chromsaurem Anilin konnten sich hierbei auf dem Gewebe nicht mehr bilden. Die beiden Flüssigkeiten konnten successiv oder gleichzeitig pulverisirt werden, und die Mischung hiernach sich auf dem in Bewegung befindlichen Gewebe bilden. Obgleich die Reaction sehr rasch eintrat, konnte sie doch die Erzeugung des Schwarz nicht veranlassen, bevor die Flüssigkeiten sich auf der Faser innig gemischt und dieselbe gut befeuchtet hatten. Es handelte sich nun darum, unsere Idee anzuwenden und praktisch zu machen. Hierzu mußte ermittelt werden: 1) welche Anilinsalze für die Erzeugung eines schönen Schwarz die vortheilhaftesten sind; 2) bei welchem Grade von Concentration und Säuerlichkeit man sie anwenden muß. Die Anilinsalze betreffend, war das essigsaure Salz nothwendig auszuschließen, weil sich mit demselben das Anilinschwarz nicht erzeugen läßt. Andere Anilinsalze mit organischen Säuren, das weinsteinsaure, oxalsaure, citronensaure, mußten ebenfalls verworfen werden, weil sie entweder der Erzeugung des Schwarz wenig günstig, oder zu theuer sind. Man mußte sich an Anilinsalze mit kräftigen und wohlfeilen Säuren halten; unsere Versuche beschränkten sich daher auf das schwefelsaure, salzsaure und salpetersaure Anilin. Wenn man diese drei Anilinsalze in vollkommen neutralem Zustande darstellt, indem man 1 Aequivalent Anilin in 1 Aeq. der Säure (Schwefelsäure, Salzsäure oder Salpetersäure) auflöst, so kann man die Lösung dieser Salze mit dem zweifach-chromsauren Kali in der Kälte mischen, ohne daß sofort eine Reaction eintritt; die Mischung erhält sich sogar eine verhältnißmäßig sehr lange Zeit ohne Veränderung. Ein mit diesem Gemisch getränktes und der Luft ausgesetztes Gewebe trocknet aus, ohne schwarz zu werden. Setzt man aber diesen neutralen Salzen einen schwachen Säureüberschuß zu, so findet man daß ihre Mischung mit dem zweifach-chromsauren Kali sich nicht mehr wie vorher conservirt, sondern daß in dem Maaße als die Säuremenge zunimmt, die gegenseitige Reaction der zwei Salze schneller erfolgt, und daß sie eine fast augenblickliche wird, wenn die Säure in großem Ueberschuß ist. Aus dieser Beobachtung ergibt sich, daß man die Bildung des Schwarz nach Belieben beschleunigen oder verzögern kann, indem man dem Anilinsalz mehr oder weniger Säure beimischt. Man muß sich jedoch stets innerhalb gewisser Grenzen halten, welche sich nicht ohne Nachtheil überschreiten lassen. Wenn man nämlich eine zu neutrale Lösung anwendet, so entwickelt sich die Farbe nur schwierig oder gar nicht. Bei einem zu großen Säurezusatz bildet sich hingegen das Schwarz so schnell, daß den zwei Flüssigkeiten nicht Zeit bleibt sich gut zu mischen und in die Poren, des Gewebes zu dringen; und wenn man dabei unter dem Einfluß einer gewissen Wärme operirt, ist man auch der Gefahr ausgesetzt die Faser zu verbrennen. Anfänglich wundert man sich über die Säuremenge welche erforderlich ist damit die Reaction vollständig eintritt; man muß aber die Thatsache berücksichtigen, daß in dem Maaße als die Oxydation des Anilinsalzes auf Kosten des zweifach-chromsauren Kalis bewirkt wird, letzteres Salz basische Elemente liefert, welche viel Säure sättigen. Bei einem schwachen Verhältniß von Säure muß daher in einem gegebenen Moment zwischen den angewandten Substanzen eine Art Gleichgewicht bestehen, wobei die Reaction ganz unterbrochen wird. Die Oxydation würde folglich, wenn die Säure nicht im Ueberschuß vorhanden wäre, nur theilweise erfolgen und könnte in ihrer Entwickelung plötzlich innehalten. Dieß hatten wir Gelegenheit im Verlauf unserer Versuche zu sehen. Wenn man jedoch, nachdem die Reaction zum Stillstand gekommen ist, auf einige Stellen des Gewebes Säure aufträgt, so bemerkt man daß an diesen Stellen die Oxydationserscheinung und Entwickelung des Schwarz wieder beginnt. Das Schwarz, welches wir in diesem Aufsatz studiren, unterscheidet sich hinsichtlich seiner Erzeugungsweise wesentlich von dem im Zeugdruck benutzten Anilinschwarz. Während das letztere sich langsam durch Oxydation des salzsauren Anilins mittelst chlorsauren Kalis und eines Kupfersalzes (in Gegenwart von Salmiak) bildet, entsteht ersteres durch die directe und rasche Wirkung zweier Salze, des zweifach-chromsauren Kalis und eines Anilinsalzes. Vorläufige Versuche hinsichtlich des Säuerlichkeits-Grades der anzuwendenden Anilinsalze haben uns gezeigt daß man auf die neutralen Salze ganz verzichten und Anilinlösungen bereiten muß, welche wenigstens 2 Aequivalente Säure auf 1 Aeq. Base enthalten. Der Concentrationsgrad der Lösungen ist ebenfalls von Wichtigkeit. Aus Ersparnißgründen muß man die Flüssigkeiten so verdünnt als möglich anwenden, ohne jedoch den Verdünnungsgrad zu erreichen welcher für die Bildung des Schwarz nachtheilig seyn könnte. Aber ganz abgesehen von der ökonomischen Frage ist die Anwendung concentrirter Anilinlösungen auch mit einem Uebelstand verbunden; denn in diesem Falle erscheint die Farbe nicht mehr schwarz, sondern bildet an der Oberfläche des Gewebes eine dicke Schicht mit violettem oder braunem Reflex. Mit Berücksichtigung dieser verschiedenen Beobachtungen haben wir die Zusammensetzung der anzuwendenden Anilinlösungen bestimmt, welcher wir die Zusammensetzung der als neutral betrachteten Salze zur bloßen Uebersicht voranstellen. Salzsaures Anilin. neutral zweifach-sauer dreifach-sauer Salzsäure des Handels       10 Grm.                20 Grm.              30 Grm. Anilin       10   „                10   „              10   „ Wasser     200   „              200   „            200   „ Schwefelsaures Anilin. neutral zweifach-sauer dreifach-sauer Schwefelsäure des Handels         5 Grm.                10 Grm.              15 Grm. Anilin       10   „                10   „              10   „ Wasser     200   „              200   „            200   „ Salpetersaures Anilin. neutral zweifach-sauer Salpetersäure des Handels       15 Grm.                30 Grm. Anilin       10   „                10   „ Wasser     200   „              200   „ Wir haben auch das folgende Doppelsalz versucht, welches reicher an Anilin ist: Schwefelsäure 20 Grm. Salzsäure 20 Anilin 20 Wasser 200 Dieses sehr saure Salz kann man benutzen um das Braunroth auf Geweben zu erzeugen. Die allgemeinen Folgerungen, welche wir aus unseren Versuchen ziehen konnten, sind nachstehende: 1) die Anwendung der neutralen Anilinsalze ist ganz zu verwerfen; 2) die zweifach sauren Anilinsalze, besonders das zweifach-schwefelsaure, geben genügende Resultate; vom salzsauren Anilin gibt jedoch das dreifach-saure Salz bessere Resultate als das zweifach-saure; 3) die schwefelsauren Anilinsalze haben das Bestreben ein röthliches Schwarz zu geben, hingegen die salzsauren und salpetersauren ein Schwarz mit violettem oder blauem Reflex; 4) ein Gemisch aus gleichen Raumtheilen von zweifach-schwefelsaurem und zweifach-salzsaurem Anilin, wobei diese zwei Bestrebungen sich das Gleichgewicht halten können, liefert vortreffliche Resultate; 5) es ist nothwendig, das zweifach-chromsaure Kali als ziemlich concentrirte Lösung anzuwenden; die von uns benutzte enthielt nicht weniger als 80 Grm. Salz per Liter. Wir haben versucht, das zweifach-chromsaure Kali sowohl vor, als auch nach den Anilinsalzen anzuwenden, und auch gleichzeitig mit denselben, ohne einen auffallenden Unterschied in den Resultaten wahrzunehmen. Man kann also das Gewebe auf der Grundirmaschine mit der Lösung von zweifach-chromsaurem Kali vollkommen imprägniren und unmittelbar nachher die Anilinsalzlösung pulverisiren, oder die beiden Salzlösungen in umgekehrter Ordnung anwenden, indem die Pulverisirung ebenfalls zuletzt geschieht, ohne daß sich im Resultate merkliche Unterschiede zeigen, vorausgesetzt daß die Flüssigkeiten recht gleichförmig aufgetragen werden und das Gewebe gleichmäßig durchdringen. Um diese Bedingungen zu erfüllen, mühte man nach unserer Ansicht auf das gut gespannte Gewebe eine horizontale Bürste wirken lassen, welcher eine hin und her gehende Bewegung in verticalem Sinne ertheilt wird. Es ist fast überflüssig beizufügen, daß das Schwarz, so wie wir es direct erhalten, anfangs nicht die verlangte Farbe hat, sondern dunkel grün ist, in Folge des Einflusses der sauren Mischung womit das Gewebe getränkt ist. Um die Farbe in reines Schwarz überzuführen, braucht man nur (wie es für das gedruckte Anilinschwarz geschieht) das Gewebe in Wasser zu waschen und es dann in einem heißen Seifenbad zu passiren. Wir haben im Eingang gesagt, daß man die Erzeugung des Schwarz beschleunigen kann, indem man das Verhältniß der Säure erhöht. Dieß kann auch, und vielleicht vortheilhafter geschehen, indem man das Gewebe der Wirkung der Wärme unterwirft. Zu diesem Zweck dürfte es sich empfehlen, das Gewebe zuerst über heißen Platten circuliren zu lassen und hernach in einer Art Dampfkasten, um es unmittelbar darnach waschen und in Seife passiren zu können. Es ist sehr wahrscheinlich, daß wenn man vorher auf das Gewebe harzige oder fette Reservagen druckt, man leicht weiße Muster auf schwarzem Grunde für Trauerartikel erhielte. Das beschriebene Verfahren zum Schwarzfärben der Baumwollgewebe dürfte mit geringen Abänderungen hinsichtlich der anzuwendenden Substanzen auch gute Resultate auf Wollenstoffen geben.