Titel: | Ueber die Darstellung des Thalliums im Großen; von Max Schaffner in Aussig. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XIX., S. 55 |
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XIX.
Ueber die Darstellung des Thalliums im Großen;
von Max Schaffner in Aussig.
Schaffner, über Darstellung des Thalliums im Großen.
Als Rohmaterial diente der Flugstaub, welcher bei der Röstung von Schwefelkiesen in
der Aussiger chemischen Fabrik entstanden war. Die Schwefelkiese, welche zum Zwecke
der Schwefelsäurefabrication abgeröstet wurden, kamen von der Grube Sicilia bei
Meggen in Westphalen. Die Gase vom Kiesofen wurden nicht, wie es häufig geschieht,
direct in die Bleikammer geführt, sondern mußten erst eine geräumige gemauerte
Kammer passiren, und hier fand der Flugstaub Gelegenheit, sich abzulagern. Die zur
Oxydation der schwefligen Säure nöthige Salpetersäure wurde erst in der Bleikammer
zugefügt, so daß also der Flugstaub den Einflüssen der Salpetersäuregase nicht
ausgesetzt war. Der Flugstaub ist durch Eisenoxyd roth gefärbt, enthält viel
arsenige Säure, schwefelsaures Eisenoxyd, kleine Mengen von Zinkoxyd, Bleioxyd,
Spuren von Antimon und Silber, schwefelsaures Thalliumoxydul etc. An den Wänden der
Kammer saßen ferner Krystalle, welche man anfangs für arsenige Säure hielt, die sich
aber als die von Reich in Freiberg entdeckte Verbindung
von arseniger Säure mit wasserfreier Schwefelsäure herausstellten.
Um aus diesem Material das Thallium darzustellen, wählte man die von Köhler und W. Crookes
vorgeschlagenen Methoden, und zwar wurde dasjenige, was von diesen Methoden für die
Darstellung im Großen am geeignetsten erschien, combinirt. Der Chemiker der Fabrik,
Hr. Dr. Henkel, verarbeitete
auf diese Weise in kurzer Zeit etwa 25 Centner Flugstaub. Der Flugstaub wurde in
einen geräumigen Holzbottich gebracht, mit Wasser übergossen und mittelst Einleitens
von Dampf ausgekocht. Besser ist es, nach dem Wasser gleich ein wenig Schwefelsäure
zuzusetzen, weil sonst ein Theil des Thalliums ungelöst bleibt. Es scheint nämlich,
daß ein Theil des Thalliums als basisch-schwefelsaures Salz vorhanden ist.
Man läßt die Flüssigkeit sich klären und zieht sie mit dem Heber ab, oder filtrirt
durch Baumwollzeug. Der Rückstand wird nochmals auf gleiche Weise ausgekocht, und
die klare Flüssigkeit abgezogen und mit der ersten vereinigt.
Man fällt nun das Thallium mit Salzsäure als Chlorür aus. Der Niederschlag, welcher
noch sehr unrein und röthlich gefärbt ist, wird mit kaltem Wasser ausgewaschen und
sodann durch Eintragen in heiße concentrirte Schwefelsäure in schwefelsaures Salz
verwandelt; das Erhitzen setzt man so lange fort, bis alle überschüssige
Schwefelsäure verjagt ist. Das schwefelsaure Salz wird in Wasser gelöst, filtrirt
und nun abermals mit Salzsäure versetzt, die jetzt ziemlich reines Chlorthallium
fällt. Sollte das Chlorthallium noch nicht rein genug seyn, namentlich noch viel
Arsen enthalten, so muß die Operation nochmals wiederholt werden. Will man die
letzte Spur Arsen entfernen, so muß man Schwefelwasserstoff mit zu Hülfe nehmen. Man
leitet in die saure Auflösung des schwefelsauren Thalliumoxyduls
Schwefelwasserstoff; es fällt dann das Arsen mit geringen Mengen von Thallium aus,
und der Schwefelwasserstoffniederschlag hat eine orangerothe Farbe. Die von dem
Niederschlag abfiltrirte Flüssigkeit versetzt man mit Salzsäure und erhält dann
reines Chlorthallium, welches auf oben angefühlte Weise in schwefelsaures Salz
verwandelt wird.
Das schwefelsaure Salz wird mit metallischem Zink reducirt; die Reduction ist in
wenigen Stunden vollendet. Zu diesem Zwecke bringt man die Lösung des schwefelsauren
Salzes in eine Porzellan- oder Thonschale und stellt Platten von reinem Zink
hinein. Der erhaltene Metallschwamm wird mit ausgekochtem Wasser ausgewaschen,
zwischen Filtrirpapier gepreßt und sodann in einem eisernen oder Porzellantiegel
über der Gaslampe eingeschmolzen, indem man zur Verhinderung der Oxydation
Wasserstoffgas oder Leuchtgas einleitet. Man muß sich natürlich vor zu starkem Erhitzen hüten, indem
sich sonst Thallium verflüchtigen würde. Das geschmolzene Metall, welches ein dem
des Quecksilbers ähnliches Aussehen hat, wird sodann in Stängelchen gegossen, damit
es ein elegantes Aussehen erhalte; die Formen hierzu können von mehrfach
aufgerolltem Papier seyn.
Sehr schöne Krystalle von Thalliummetall, die namentlich einen prächtigen Metallglanz
zeigen, erhält man nach dem Verfahren von Wöhler. Man
hängt in die Thalliumlösung einen weiten Glascylinder, etwa ein Becherglas, von dem
man den Boden abgesprengt hat, bindet denselben an einem Ende mit Blase zu, und
hängt diesen Cylinder in die Thalliumlösung; man füllt den Cylinder bis zum Niveau
der äußeren Lösung mit angesäuertem Wasser; in dieses wird eine Zinkplatte gehängt;
man verbindet die Zinkplatte mit einem Platindraht, der in die Thalliumlösung
taucht, führt diesen Platindraht bis unter die Blase und biegt ihn hier
spiralförmig.
Das Thallium wird in luftfreiem (ausgekochtem) Wasser aufbewahrt; es hält sich darin
ziemlich gut; man schließt das Glas, während das Wasser noch kocht. Nach kurzer Zeit
reagirt aber das Wasser dennoch etwas alkalisch. (Wagner's Jahresbericht über die Leistungen der chemischen Technologie für
1871, S. 1.)