Titel: Die neue Bunsen'sche Chromsäure-Batterie; von Joh. Müller in Freiburg i. B.
Autor: Joh. Müller
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XXXIX., S. 104
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XXXIX. Die neue Bunsen'sche Chromsäure-Batterie; von Joh. Müller in Freiburg i. B. Müller, über die neue Bunsen'sche Chromsäure-Batterie. I. Es ist bekannt, daß es kein besseres Mittel gibt, einen kräftigen galvanischen Strom zu erzeugen, als eine Bunsen'sche Zinkkohlen-Säule, bei welcher die Zinkplatten in verdünnter Schwefelsäure, die Kohlenplatten aber in concentrirter Salpetersäure stehen. Wenn aber starke Ströme durch Salpetersäure hindurchgehen, so entwickeln sich nicht unbedeutende Mengen salpetriger Säure, welche ihres stechenden Geruches wegen unangenehm sind und die Athmungsorgane angreifen. Man hat deßhalb schon längst dahin gestrebt, die Salpetersäure durch eine andere sehr sauerstoffreiche Flüssigkeit zu ersetzen und hat zu diesem Zweck vorzugsweise die Chromsäure gewählt, welche 3 Aequivalente Sauerstoff auf 1 Aequivalent Chrom enthält. Ohne von den Formen zu reden, unter welchen man früher die Chromsäure in galvanischen Säulen zur Anwendung brachte, mag hier nur der neuesten und zweckmäßigsten, von Bunsen angegebenen erwähnt werden. Um 1 Liter der Flüssigkeit zu bereiten, werden 92 Grm. saures chromsaures Kali möglichst fein pulverisirt mit 93,5 Kubikcentimetern concentrirter Schwefelsäure zusammengerieben bis ein gleichförmiger Brei von Chromsäure und saurem schwefelsaurem Kali entstanden ist. Diesem Brei werden dann unter stetem Umrühren 900 Kubikcentimeter Wasser zugesetzt, bis Alles gelöst ist. Das Eintauchen der unverrückbar befestigten Platten wird dadurch bewirkt, daß die mit der Flüssigkeit gefüllten Gläser gehoben werden; um die Batterie außer Thätigkeit zu setzen, werden dann die Gläser nur wieder niedergelassen. Im Anfang ist die Wirkung dieser Batterie allerdings überraschend. Eine Batterie von 40 bis 50 Bechern gibt schon ein glänzendes Kohlenlicht, und überhaupt lassen sich mit derselben in den ersten Stadien ihrer Wirksamkeit die meisten Vorlesungsversuche über die Wirkungen des galvanischen Stromes leicht und sicher anstellen; leider aber nimmt der Effect dieser Chromsäure-Batterie ziemlich rasch ab. Um mich über diese Verhältnisse näher zu unterrichten, bestimmte ich die galvanischen Constanten (elektromotorische Kraft und Leitungswiderstand) eines Chromsäure-Bechers nach der Ohm'schen Methode, welche hier unbedingt die zweckmäßigste ist. Der elektromotorische Becher wurde in einiger Entfernung von der Tangentenbussole aufgestellt und mit ihr durch eine ungefähr 20 Meter lange Leitung von Kupferdraht verbunden. Als weiterer Widerstand wurde dann zeitweise eine Drahtspirale eingeschaltet, deren Leitungswiderstand genau gleich dem der Siemens'schen Widerstandseinheit (Leitungswiderstand einer Quecksilbersäule von 1 Meter Länge und 1 Quadrat-Millimeter Querschnitt) war. Die Versuche wurden um 5h 15' begonnen. Als außer der erwähnten Leitung von Kupferdraht, welche den Becher mit der Tangentenbussole verband, kein weiterer Widerstand eingeschaltet war, betrug die Ablenkung der Bussole 33°. Nun wurde der Widerstand 1 eingeschaltet und die Nadel der Tangentenbussole ging zurück auf 11,2°. Nachdem der Widerstand 1 aus dem Schließungsbogen entfernt und die Kette sogleich ohne denselben wieder geschlossen worden war, ergab sich die Ablenkung der Tangentenbussole gleich 32,6°. Man kann daraus schließen, daß der elektromotorische Becher eine Ablenkung von 32,8° geliefert haben würde, wenn er ohne den Widerstand 1 zu der Zeit geschlossen gewesen wäre, wo der Widerstand 1 wirklich eingeschaltet war. Aus diesen Messungen ergaben sich dann für die elektromotorische Kraft e und den Leitungswiderstand r (den Widerstand des kupfernen Verbindungsdrahtes mitgerechnet) die Werthe e = 21      r =   0,44. Nun blieb die Kette ruhig geschlossen. Die Ablenkung der Bussole nahm langsam ab und betrug um 6h, also nach 3/4 Stunden ohne weitere Einschaltung 25°. Nach Einschaltung der Quecksilbereinheit ging die Bussolennadel zurück auf 10°. Die Ablenkung stieg aber, als die Kette von Neuem ohne die Quecksilbereinheit wieder geschlossen wurde, auf 23,5°. Zur Zeit der zweiten Beobachtung war also die mittlere Ablenkung, welche der Becher hervorbrachte, wenn er nur durch die Leitung von Kupferdraht geschlossen war 24,25°. Aus diesen Messungen ergeben sich für 6 Uhr die Werthe e = 21,3    r =   0,64. Die elektromotorische Kraft des Chromsäure-Bechers hat also in den ersten 3/4 Stunden seiner Wirksamkeit jedenfalls nicht abgenommen, während der Widerstand desselben allerdings zugenommen hat. Anders gestaltete sich die Sache in den folgenden 3/4 Stunden. Nachdem der Chromsäure-Becher von 6 bis 6h 45' nur durch die Kupferdrahtleitung mit der Tangentenbussole verbunden geblieben war, sank die Ablenkung der Bussolennadel auf 2,7° und die Einschaltung des Widerstandes 1 brachte die Stromstärke auf 2° herab. Demnach war um 6h 45' e = 9,7 r = 2,6 von 6h bis 6h 45' war also nicht allein die elektromotorische Kraft des Bechers um mehr als die Hälfte gefallen, sondern der Widerstand war in einem noch bedeutend größeren Verhältniß gewachsen. Während der Dauer dieses Versuches war die Flüssigkeit auffallend verändert worden; anfangs schön gelbroth und durchsichtig, war sie nun fast ganz schwarz anzusehen und ihre Anfangstemperatur von 24,5° C. war bis 6h auf 56° C. gestiegen, bis um 6h 45' aber, wo der Strom bereits merklich abgenommen hatte, schon wieder auf 49° C. gesunken. Anfänglich war das specifische Gewicht der Flüssigkeit 1,145; am Schluß des Versuches war es 1,255, und diese Zunahme des specifischen Gewichtes rührt gleichwie die Vermehrung des Leitungswiderstandes daher daß Zink aufgelöst und gleichzeitig Chromalaun gebildet wird. Indem nämlich die Chromsäure Sauerstoff zur Oxydation des frei gewordenen Wasserstoffes abgibt, geht sie in Chromoxyd über, welches dem sauren schwefelsauren Kali Schwefelsäure entzieht und schwefelsaures Chromoxyd bildet, welches sich dann mit dem schwefelsauren Kali zu Chromalaun (schwefelsaurem Chromoxyd-Kali) verbindet. Die dunkel braungrün gefärbte Flüssigkeit absorbirt außer den gelben und grünen Strahlen des Spectrums auch noch das blaue Ende desselben. Ersteres rührt daher, daß die Flüssigkeit eine Auflösung von Chromalaun enthält, die Absorption des blauen Endes des Spectrums beweist aber daß sie noch Chromsäure oder chromsaure Salze enthält. In der That krystallisirten aus einer solchen Flüssigkeitsmasse nach längerem Verdunsten Drusen, welche aus einer durch kleinere rothgelbe Krystalle gebildeten Grundmasse bestanden, in welcher größere schwarz aussehende Octaeder von Chromalaun eingebettet waren. Um genauer zu bestimmen, in welchem Verhältniß der Leitungswiderstand eines Chromsäure-Bechers steigt, wenn derselbe längere Zeit als Elektromotor dient, muß von dem oben berechneten Werthe von r noch der Leitungswiderstand der Drahtleitung abgezogen werden, welche bei den obigen Versuchen den Becher mit der Bussole verband. Um diesen Widerstand l zu bestimmen, wurde in folgender Weise verfahren. An die Stelle des Chromsäure-Bechers obiger Versuche wurde ein constanter Zinkkohlenbecher mit Thonzelle gesetzt. Die Kohle stand in Salpetersäure, das Zink in verdünnter Schwefelsäure. Es ergab sich nun für die weitere Einschaltung 0 die Ablenkung 32,6° 1   „          „ 10,6 daraus folgt e = 19,8   r₁ =   0,41. Gleich darauf wurde derselbe Becher dicht neben die Tangentenbussole gesetzt und durch kurze dicke Kupferdrähte mit derselben verbunden. Es ergab sich nun für die weitere Einschaltung 0 die Ablenkung 42,1° 1   „          „ 11,0° woraus sich ergibt e = 20,3 r₁₁ =   0,30. Wir haben also l = r₁ – r₁₁ = 0,41 – 0,30 = 0,11 und ferner für den wesentlichen Leitungswiderstand w des Chromsäurebechers zu Anfang der Versuche w = 0,44 – 0,11 = 0,33 nach 3/4 Stunden w = 0,64 – 0,11 = 0,53 abermals nach 3/4 Stunden w = 2,60 – 0,11 = 2,49 in den ersten 3/4 Stunden ist also der Widerstand des Bechers im Verhältniß von 0,33 zu 0,53 oder von 1 zu 1,6 gewachsen, nach 1 1/2 Stunden aber war er bereits 2,49/0,33 oder mehr als 7mal so groß geworden als er ursprünglich war. Aus Allem dem geht hervor, daß die neue Bunsen'sche Chromsäure-Batterie vortreffliche Wirkungen gibt und deßhalb vielfach zu empfehlen ist, vorausgesetzt daß man die Flüssigkeit nicht länger anwendet als bis die Stromstärke ungefähr auf 1/3 ihres ursprünglichen Werthes gesunken ist. Von da an nimmt die elektromotorische Kraft rasch ab, der Leitungswiderstand aber sehr bedeutend zu, der Effect muß also von da in rapidem Verhältniß abnehmen. Bei den nach Bunsen's Angaben in Heidelberg bei Desaga construirten Chromsäure-Batterien sind die Kohlenplatten sowohl wie die Zinkplatten 3,5 Centimeter breit und 13 Centimet. tief in die Flüssigkeit eingetaucht. Bei der Batterie mit welcher ich experimentirte, waren die Platten etwas breiter und zu der gleichen Tiefe eingetaucht, dagegen waren die Gläser des hier construirten Apparates viel kleiner als die Heidelberger. Jene enthalten nur 350, diese dagegen 1300 Kubikcentimeter Flüssigkeit. Der Vortheil größerer Glasgefäße ist aber einleuchtend, da bei größerer Flüssigkeitsmenge der Strom längere Zeit durch dieselbe hindurchgehen muß, um den gleichen Procentgehalt von Chromsäure in Chromalaun zu verwandeln. Nach diesen Versuchen ist die elektromotorische Kraft der Chromsäure-Batterie in den ersten Stadien ihrer Wirksamkeit selbst größer als die der Zinkkohlenbatterie mit zwei Flüssigkeiten. Es stimmt dieß vollständig mit früher von mir angestellten Versuchen überein, welche zum Zweck hatten, die ursprüngliche elektromotorische Kraft verschiedener Combinationen vor dem Zustandekommen eines merklichen Stromes, also frei von galvanischer Polarisation, zu erhalten (man s. mein Lehrbuch der Physik, siebente Auflage, Bd. II S. 263). Ein höchst auffallendes Resultat ergab sich, als ich dasselbe Plattenpaar, welches bei den oben besprochenen Versuchen in die Chromsäurelösung getaucht wurde, nun statt dessen in verdünnte Schwefelsäure (1 auf 16) eintauchte. Die Ablenkung der Tangentenbussole betrug nun 4,7° und diese Ablenkung ging auf 1,5° zurück, als die Siemens'sche Widerstandseinheit eingeschaltet wurde. Aus diesen Daten ergibt sich, daß unter den gegebenen Verhältnissen die elektromotorische Kraft des in verdünnte Schwefelsäure eingetauchten Plattenpaares nur noch 2,8 ist, während der wesentliche Widerstand des Bechers 0,47 betrug. Der äußerst schwache Strom welchen die in verdünnte Schwefelsäure den Zinkplatten gegenüber eingetauchte Kohlenplatte liefert, rührt also nicht etwa von dem Leitungswiderstand der Flüssigkeit, sondern lediglich von der enormen Größe der galvanischen Polarisation her. Nach derselben Einheit gemessen, nach welcher die elektromotorische Kraft eines Bunsen'schen Zinkkohlenbechers gleich 20 bis 21 ist, ist die elektromotorische Kraft eines Wollaston'schen Elementes (Zink-Kupfer in verdünnter Schwefelsäure), wenn es durch einen Kupferdraht von mäßigem Leitungswiderstand (0,1 bis 0,2) geschlossen ist, ungefähr gleich 5,2, also immer noch fast doppelt so groß als unter gleichen Umständen die elektromotorische Kraft eines Zink-Kohlenpaares, obgleich die ursprünglich nicht durch galvanische Polarisation abgeschwächte elektromotorische Kraft des letzteren gleich 20 bis 21 ist. Man sieht also daraus, daß sich die galvanische Polarisation an den porösen Kohlenplatten ungleich kräftiger entwickelt als an den metallischen Kupferplatten und daß man also auch Zink-Kohlenplatten, welche in eine Lösung von Kochsalz und Alaun eingetaucht sind, nur in solchen Fällen mit Erfolg gebrauchen kann, wo der Widerstand der eingeschalteten Drahtleitung (wie z.B. bei Telegraphenleitungen) so bedeutend ist, daß sich kein einigermaßen starker Strom, also auch keine merkliche galvanische Polarisation entwickeln kann.