Titel: | Notizen aus der Londoner internationalen Ausstellung 1872; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman. |
Autor: | Prof. Johann Zeman [GND] |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XCIII., S. 393 |
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XCIII.
Notizen aus der Londoner internationalen
Ausstellung 1872; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman.
Mit Abbildungen auf Tab.
IX.
Zeman, Notizen aus der Londoner internationalen Ausstellung
1872.
Die zweite der für mehrere Jahre projectirten internationalen Ausstellungen in
London, welche in South Kensington am 1. Mai d. J. eröffnet wurde, umfaßt folgende
drei Gruppen:
I.
Schöne Künste und deren Anwendung auf die Industrie
(Kunstindustrie).
II.
Baumwollspinnerei und Weberei.
Papierfabrication und Verarbeitung des Papieres (Buchbinderei, Druckerei
etc.).
Juwelen, musikalische Instrumente, akustische Apparate.
III.
Wissenschaftliche Entdeckungen und neue Erfindungen.
Im vorigen Jahrgang des polytechnischen Journales hat der Verfasser eine Reihe von
technologischen Notizen über die erste dieser
Ausstellungen (betreff. Thonwaarenindustrie und Schafwollmanufactur) nach englischen
Quellen veröffentlicht. Heuer ist es ihm vergönnt, einen Bericht aus eigener
Anschauung erstatten zu können, wobei er nur bedauert, daß die Maschinenausstellung
großentheils hinter allen Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Baumwollebranche ist
schwach vertreten, auch die Betheiligung in der Papierfabrication eine geringe, und
die Gruppe der wissenschaftlichen Entdeckungen und neuen Erfindungen weist außer
bereits Bekanntem nicht viele neue bedeutende Objecte auf, so daß es dem Referenten
nicht sehr leicht gemacht ist, interessante Notizen über die dießjährige Ausstellung
– soweit sie industrielle Maschinen und Apparate betrifft –
zusammenzustellen.
A. Baumwollspinnerei-Maschinen.
Von den Spinnereimaschinen finden sich nachstehend nur verschiedene Egrenirmaschinen
und ein erwähnenswerthes Constructionsdetail der Strecke von Dobson und Barlow skizzirt.
Sind auch die Gins im Principe schon länger bekannt, so dürfte doch die Kenntniß der
näheren Einrichtung dieser für die erste Bearbeitung der rohen Baumwolle so
wichtigen Maschinen mehrseitig Interesse gewähren.
PlattBrothers and Comp. haben eine sehr schöne achtköpfige Baumwoll-Kämmmaschine nach Heilmann's System ausgestellt. Sofort fällt der sehr
compendiöse Triebstock auf, ferner die Vorkehrung zum selbstthätigen Abstellen der
Maschine für den Fall des Bruches eines der Bänder. Die Kämmmaschine ist vorzüglich
gebaut und wir bedauern daher sehr, daß uns die Erlaubniß zu eingehenderen
Mittheilungen nicht ertheilt wurde. Vielleicht kommen wir aber bei einer anderen
Gelegenheit in die Lage, über diese Maschine sowie über den von Barlow und Dobson
ausgestellten Selfactor einige Bemerkungen nachzutragen.
1. Chaufourier's
Egrenirmaschine. (Fig. 1.)
Dieselbe gehört in die Classe der Walzen-Gins und concurrirte im December
v. J. bei den hier in London stattgehabten Egrenirversuchen, über deren
Schlußresultate wir bis jetzt keine Information erlangt haben.
Figur 1
zeigt einen Längsschnitt durch diese „Churka“, wie die Einwohner von Indien die
Baumwoll-Entkörnungsapparate benennen. Die Stahlwälzchen A, denen die rohe Baumwolle durch das endlose
Kardentuch B zugeführt wird, müssen, um ein
Heißlaufen hintanzuhalten, continuirlich gekühlt werden, wozu der Ventilator C angebracht ist. Die Schlagwalze D streift etwa zuviel von dem Zuführtuch erfaßte
Baumwolle zurück, unterstützt also die gleichförmige Speisung der Wälzchen A. Damit dieselben die Baumwollfasern leichter
erfassen können, wird die Baumwolle durch den Hacker E etwas aufgekämmt.
Die Walze F fördert endlich die entkörnte Baumwolle
aus der Maschine, während die Samenkörner durch das Schüttelsieb G zu Boden fallen.
2. Platt's doppeltwirkende
Egrenirmaschine. (Fig. 2 und 3.)
Die nähere Einrichtung dieser constructiv gut erdachten und ausgeführten Maschine
ist in Figur
2 und 3 im Querschnitt und in der Seitenansicht – jedoch nur nach
dem Gedächtniß – dargestellt und ohne Weiteres zu verstehen, da ja die
Wirkungsweise der Maccarthy-Gin überall
bekannt ist. Auch die Art des Antriebes der einzelnen Theile läßt sich aus Figur 3
ohne besondere Erklärung entnehmen.
Um die regelmäßige Zuführung der rohen Baumwolle vom Arbeiter weniger abhängig zu machen,
oder besser gesagt um eine größere Anzahl solcher Maschinen von einer Person bedienen lassen zu können, ist auf die
Maschine ein großer Zuführtrichter T aufgesetzt,
dessen Boden a auf beiden Langseiten einen Spalt
freiläßt. Auf diesem Boden gleitet das Vertheilungsbret b hin und her, und schiebt Baumwolle abwechselnd zu den beiden
Abzugsspalten, von wo die Rechen c, c' die Baumwolle
herabziehen und in den eigentlichen Entkörnungsapparat fallen lassen. d, d' bezeichnen zwei feststehende Kämme, welche die
von den schwingenden Rechen c, c' erfaßte Baumwolle
auf dem Rückwege vollends abstreifen.
Die Ingangsetzung des so eben beschriebenen Speiseapparates erfolgt von der
Kurbelwelle e aus vermittelst der Zugstangen f und g, ferner durch
die Zugstange h und die Getriebe i, i' welche letztere die oscillirende Bewegung der
Rechen c, c' vermitteln, wie dieß in Figur 3 deutlich genug
angedeutet wurde.
3. Entkörnungsmaschine von Dobson
und Barlow. (Fig. 4.)
Bei dieser ebenfalls nach Maccarthy's System gebauten
Egrenirmaschine ist das rasch auf- und abbewegte gerade Lineal durch eine
rotirende Schlagwalze A ersetzt, bei welcher ein
Stahlstreifen schraubengangförmig um einen cylindrischen Kern gewunden ist.
Diese Schlagwalze streift bei ihrer raschen Drehung die vom festen Lineal B zurückgehaltenen Samenkörner ab, welche sodann
durch das Sieb C herabfallen.
4. Ashworth's Kardenbeschlag aus
Flachdraht. (Fig. 5.)
Die Firma Ashworth
Brothers in Manchester ließ sich vor einiger Zeit
die Anwendung von flach geplättetem Stahldraht an
Stelle des für Kratzbeschläge zumeist benutzten Runddrahtes patentiren.
Die Spitzen dieser Beschläge ragen in der aus der Skizze Fig. 5 ersichtlichen
Weise aus der Lederfläche hervor.
Abgesehen von zwei allerdings tadellosen Vließproben von einer Vor- und
Feinkarde, welche 6 Monate ohne Nachschleifen im Betriebe gewesen seyn sollen,
fand Referent bisher noch keine Gelegenheit die Wirkung der Ashworth'schen Kratzbeschläge zu studiren. Die
Erfinder geben als Vortheile u.a. an: größere Schärfe der Spitzen; längere
Erhaltung der Schärfe, daher selteneres Schleifen der Karden; geringere
Inanspruchnahme der Beschläge wegen der Dünne der einzelnen Drahtblättchen;
breitere Zwischenräume für Ablagerung der aus der Baumwolle sich abscheidenden
Unreinigkeiten, welche durch Bürsten der Kratzwalzen bequem entfernt werden
können.
5. Selbstthätige Abstellvorrichtung
für Streckmaschinen von Dobson und Barlow. (Fig. 6.)
Zur Erläuterung dieser in Figur 6 nur der
Wesenheit nach skizzirten Selbstabstellvorrichtung für Strecken ist zunächst zu
bemerken, daß die Arretirungswelle h durch den Arm
i mit dem Gelenkstück a verbunden ist, an welchem die winkelförmig abgebogene Excenterstange
b bei m angebolzt
ist. Durch das Gewicht d wird bei normalem Gang der
Maschine das Gelenkstück a und die Stange b zusammengehalten, um auf die Welle h vom Excenter e aus die
bekannte oscillirende Bewegung übertragen zu können.
Reißt aber ein Band an der Vorder- oder Hinterseite des Streckwerkes, so
wird durch den bezüglichen Bandleiter zunächst der Bewegung der Welle h Einhalt gethan und durch die fortschreitende
Excenterbewegung die Scharnierverbindung bei m
aufgeklappt. Hierbei geht die Excenterstange b
soweit in die Höhe, daß der Schieber c eine kleine
Verrückung nach aufwärts erfährt, und der Schlitz am unteren Ende vor die Stange
s gelangt. Diese Stange steht mit dem
Riemenführer in Verbindung und erhält durch eine Spiralfeder das Bestreben den
Riemenleiter zur Leerscheibe hinzuzuziehen, was in der That nach Hebung des
Schiebers c erfolgen kann.
Um die selbstthätig abgestellte Streckmaschine wieder in Gang zu setzen, führt
man den Riemenleiter und damit die Stange s zurück,
worauf der Schieber c wieder vor dieselbe rückt und
der Mechanismus die frühere Stellung einnimmt.
Noch ist zu erwähnen, daß beim Reihen eines Bandes an der Vorderseite der Strecke
der freigewordene Bandführer mit dem unteren Ende in einen Schlitz der
hin- und hergehenden Stange f eingreift,
worauf dieselbe durch Anschlag des Bandführers gegen ein festes Stück in ihrer
Bewegung unterbrochen wird, mit dem gleichen Erfolg als wenn die Welle h durch einen der hinteren Bandleiter arretirt
worden wäre.
B. Webereimaschinen.
Wenn wir die kleineren, in genügender Anzahl ausgestellten Spinnereiinstrumente
übergehen, da uns nichts Besonderes aufgefallen ist, so gelangen wir sofort zur
Besprechung der Baumwoll-Webmaschinen, von welchen wir in Allem nur drei
Exemplare aufzuzählen im Stande sind.
Zunächst haben Davies und Yates
aus Manchester einen Calicostuhl mit neuer, patentirter Kettenspannvorrichtung
aufgestellt, welchem wir jedoch die zugeschriebenen großen Vortheile nicht
zuzuerkennen vermögen, daher wir von einer näheren Vorführung derselben absehen
wollen.
Der von J. Cochrane ausgestellte Patterson'sche Patent-Netzstuhl – es wird uns gestattet
seyn, diese Maschine unter diesem Abschnitt anzuführen – ist bisher noch
nicht complet montirt, daher auch nicht in Betrieb gesetzt worden; vielleicht läßt
sich eine allfällige nähere Mittheilung als Anhang nachtragen.
So bleibt uns nur der Webstuhl mit pneumatischer Schützentreibvorrichtung von C. Richardson in London zu beschreiben übrig. Wenn wir auch
zweifeln, daß diese Construction eine allgemeinere Verbreitung wie die vielen bisher
schon aufgetauchten atmosphärischen Webstühle finden werde, so ist die vorliegende
Anordnung doch soweit interessant, um näher angeführt werden zu können.
6. Richardson's pneumatischer
Schützenantrieb. (Fig. 7 und 8.)
Die Schützenbewegung erfolgt durch Luft, welche auf jeder Seite der Lade L in nach hinten zu gelegenen Cylindern a comprimirt und durch den Canal c und das Rohr d nach
dem Schützenkasten geführt wird.
Der Kolben b wird im Cylinder a durch die vereinigte Wirkung der Ladenbewegung und der rotirenden
Nuthscheibe g vor- und zurückgeschoben, indem
letztere gegen eine Rolle am Kolbenhebel f wirkt,
welcher auf die Ladenachse drehbar aufgesetzt ist. Die Nuthscheibe dreht sich
einmal um, während die Hauptwelle k zwei Umgänge
zurücklegt oder die Lade zwei Schläge gibt. Hierbei wird das eine Mal der
Kolbenhebel mit der Lade gleichmäßig vor- und zurückgeführt, der Kolben
also im Cylinder nicht verrückt; das andere Mal aber wird der Kolbenhebel durch
seine Nuthscheibe verhindert der rückschwingenden Lade zu folgen, weßhalb der
Kolben im Cylinder vorwärtsschreitet und die Luft verdichtet, vorausgesetzt daß
die Schütze in den betreffenden Schützenkasten regelrecht eingelaufen ist.
Da nun die Schütze abwechselnd von beiden Seiten abgeschossen werden muß, so ist,
wie eingangs erwähnt, an beiden Schützenkästen die Luftverdichtungsvorrichtung
angebracht und die beiden Nuthscheiben für die Kolbenhebel g sind um 180° gegen einander versetzt.
Um den Stoß der ankommenden Schütze aufzunehmen und um einen dauerhaften
luftdichten Verschluß des Luftrohres d durch die
Schütze zu erzielen, steckt in derselben ein kurzes Rohrstück e, welches mit einem Kautschukring armirt ist und
durch eine Spiralfeder nach außen hin gepreßt wird (Fig. 8).
Fährt also die Schütze in einen Schützenkasten ein, so stößt sie mit der Spitze
in die Oeffnung des Kautschukringes und schiebt das Rohrstück e entgegen der Wirkung der Spiralfeder zurück, um
die Mündung des Luftcanales dergestalt vollkommen abzuschließen. Zur Verhütung des Rückpralles
der Schütze und um deren vorzeitiges Abschnellen durch die comprimirte Luft zu
vermeiden, ist die in der Abbildung angedeutete Sperrvorrichtung für die Schütze
vorhanden. Wird die Sperrfalle o durch Anschlag der
Schiene h gegen die schiefe Fläche am Hebel i ausgerückt, so fliegt die Schütze in den
gegenüberliegenden Schützenkasten, wo dasselbe Spiel der Mechanismen sich
wiederholt.
(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)