Titel: | Untersuchungen über das Safranin, von A. W. Hofmann und A. Geyger. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CX., S. 450 |
Download: | XML |
CX.
Untersuchungen über das Safranin, von A. W. Hofmann und A. Geyger.
Hofmann und Geyger, über das Safranin.
Seit mehreren Jahren kommt unter dem Namen Safranin ein
schöner rother Theerfarbstoff im Handel vor, der sich als Surrogat für Safflor in
der Baumwoll- und Seidenfärberei eingebürgert hat. Dieses Safranin, das bis
jetzt einer eingehenden Prüfung nicht unterworfen wurde, ist neuerdings von A. W.
Hofmann und A. Geyger
näher untersucht worden, welche die Resultate ihrer Arbeit in den Berichten der
deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1872 Nr. 11, mitgetheilt haben.
Das Safranin kommt im Handel entweder in fester Form oder als Pâte vor. In
fester Form bildet es ein gelbrothes Pulver, in welchem die Untersuchung neben
reichlichen Mengen von kohlensaurem Kalk und Kochsalz das Chlorhydrat einer
färbenden Base zu erkennen gibt. Aus dem rohen Safranin läßt sich mit Leichtigkeit
der eigentliche Farbstoff abscheiden. Man braucht nur das Handelsproduct mit
siedendem Wasser zu erschöpfen; beim Erkalten des Filtrates scheidet sich eine
undeutlich krystallinische Substanz ab, welche nach mehrfachem Umkrystallisiren aus
kochendem Wasser beim Verbrennen keinen feuerbeständigen Rückstand mehr hinterläßt.
Bei diesen Operationen erleidet aber das Salz zusehends Veränderung; mit jeder
Krystallisation wird es löslicher und minder krystallinisch. Diese Veränderungen
werden durch das Austreten von Salzsäure aus dem Salze bedingt. In der That zeigten
die in successiven Krystallisationen erhaltenen Producte einen sich stetig
verringernden Chlorgehalt; so enthielt das Product der dritten 8,48 Proc., das der
vierten Krystallisation nur 7,46 Proc. Chlor. Auch entstand auf Zusatz von Salzsäure
zu den Mutterlaugen alsbald wieder eine krystallinische Fällung. Diese
Unbeständigkeit des Chlorhydrats und der Safranin-Salze im Allgemeinen, hat
der Untersuchung dieser Körper große Schwierigkeiten in den Weg gelegt.
Chlorhydrat des Safranins. – Beim Erkalten der mit
Salzsäure versetzten Lösung scheidet sich das Chlorhydrat in feinen Krystallen von
röthlicher Farbe ab; eine nicht unerhebliche Menge aber bleibt in der Flüssigkeit
gelöst. Wie in reinem Wasser löst sich das Salz auch in Alkohol, in der Wärme viel
reichlicher als in der Kälte; in Aether ist es unlöslich, ebenso in concentrirten
Salzlösungen. Die Alkohollösung hat wie die wässerige eine intensiv rothgelbe Farbe;
sie zeigt eine eigenthümliche Fluorescenz, welche einigermaßen an die des
Magdalaroths erinnert. Auf Zusatz von Aether wird die alkoholische Lösung
gefällt.
Die Analyse des bei 100° C. getrockneten Salzes führte zu Zahlen, aus denen
sich zwei Formeln berechnen, nämlich
C²⁰H²¹N⁴Cl und
C²¹H²¹N⁴Cl
deren berechnete Werthe nahezu gleich gut mit den gefundenen
Mittelzahlen übereinstimmen, wie aus folgender Zusammenstellung erhellt:
Berechnet
Berechnet
Mittel der Versuche
C²⁰
68,09 Proc.
C²¹
69,14 Proc.
68,52
Proc.
H²¹
5,96 „
H²¹
5,76 „
6,15 „
N⁴
15,88 „
N⁴
15,36 „
15,17 „
Cl
10,07 „
Cl
9,74 „
9,98 „
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00 Proc.
100,00 Proc.
99,82
Proc.
Die Werthe der zweiten Formel fügen sich offenbar den Versuchszahlen besser an, zumal
die niedrigen Stickstoffzahlen (während doch die volumetrische Methode stets einen
Ueberschuß ergibt), welche die Wahl der zweiten Formel geboten haben würden, selbst
wenn spätere Versuche über die Darstellung nicht weitere Anhaltspunkte für dieselbe
geliefert hätten.
Freie Base. – Hofmann
und Geyger versuchten zunächst, im Hillblick auf die
Eigenschaften der aromatischen Farbammoniake im Allgemeinen, die Base durch Alkalien
aus dem Chlorhydrat zu fällen. Allein Ammoniak bringt unter keinerlei Bedingungen
einen Niederschlag hervor; Natronlauge bewirkt nur in concentrirtester Lösung eine
Fällung, welche sich auf Zusatz von Wasser alsbald wieder auflöst; diese Fällung ist
offenbar nichts Anderes, als durch entstandenes Kochsalz oder concentrirte
Natronlauge unlöslich gewordenes Chlorhydrat. Das freie Safranin ist in Wasser
löslich und es blieb daher nichts Anderes übrig, als die Base durch Behandlung des
Chlorhydrats mit Silberoxyd in Freiheit zu setzen. Man erhält auf diese Weise eine
tief gelbroth gefärbte Flüssigkeit, welche beim Eindampfen und Abkühlen rothbraune,
im feuchten Zustand von denen des Chlorhydrats kaum zu unterscheidende Krystalle
liefert. Bei 100° C. getrocknet, nimmt die freie Base einen schwachen, in's
Grüne spielenden Metallglanz an. Das freie Safranin löst sich leicht in Wasser und
Alkohol; es ist unlöslich in Aether. Die wässerige Lösung liefert auf Zusatz von
Salzsäure alsbald wieder das krystallisirte Chlorhydrat. Hofmann und Geyger sind nicht im Stand gewesen,
das freie Safranin im Zustand vollendeter Reinheit zu gewinnen; die Lösung hält
immer etwas Chlorsilber zurück, welches sich mit dem krystallisirenden Product
ausscheidet. Man erkennt diese fremde Beimischung beim Verbrennen der Base, wobei
eine kleine Menge feuerbeständigen Rückstandes hinterbleibt. Wird das Chlorhydrat
aus der freien Base zurückgebildet, so ist dem sich ausscheidenden Salze so viel
Chlorsilber beigemischt, daß sich bei der Analyse ein etwas vermehrter Chlorgehalt
herausstellt. Für die Darstellung anderer Salze, des Nitrates z.B., kann aber das
freie Safranin ohne Schwierigkeit benutzt werden.
Mit Uebergehung der übrigen Versuche über die Safraninsalze heben wir aus dem Berichte von Hofmann und Geyger nur noch
Folgendes hervor. – Sämmtliche Salze des Safranins zeigen eine sehr
charakteristische Reaction. Auf Zusatz von concentrirter Salzsäure und besser noch
von Schwefelsäure zu den Lösungen derselben verwandelt sich die rothbraune Farbe der
Flüssigkeit in eine schön violette, die mit der Vermehrung der Säure tiefblau wird,
um alsdann in Dunkelgrün und schließlich in Lichtgrün überzugehen. Beim langsamen
Verdünnen der sauren Flüssigkeit mit Wasser beobachtet man diese Farbenerscheinungen
in umgekehrter Reihenfolge. –
Die Versuche über Darstellung des Safranins lieferten nur
spärliche Ergebnisse. Ueber die fabrikmäßige Gewinnung des Safranins liegen bis
jetzt nur wenige Angaben vor. Nach einer von Mène
veröffentlichten Vorschrift erhält man das Safranin durch successive Behandlung von
Anilin mit salpetriger Säure und Arsensäure. Nach Girard
eignen sich zur Darstellung des Safranins vorzugsweise die hochsiedenden Aniline.
Nach einiger Uebung haben Hofmann und Geyger das Safranin mit allen Eigenschaften des im Handel
vorkommenden nach diesem Verfahren erhalten. Die Ausbeute ist aber immer eine sehr
geringe gewesen, indem stets große Mengen unerquicklicher Nebenproducte entstanden.
Am Befriedigendsten waren noch die Ergebnisse, wenn als Oxydationsmittel Chromsäure
angewendet wurde. Wenn nun aber auch die Versuche bis jetzt eine zweckmäßige
Darstellungsmethode nicht ergeben haben, so scheinen sie doch über die eigentliche
Quelle des Safranins Aufschluß zu liefern. Aus reinem Anilin ließ sich bei Anwendung
der oben angedeuteten Methode Safranin nicht erhalten, ebenso wenig aus starrem
Toluidin. Auch eine Mischung von reinem Anilin und starrem Toluidin lieferte kein
Safranin, wohl aber wurde dasselbe jedesmal erhalten, wenn reines flüssiges Toluidin
vom Siedepunkte 198° C. verwendet wird. Das Safranin erscheint demnach
unzweifelhaft als Toluidinderivat, und die Formel
C²¹H²⁰N⁴, zu welcher die Analyse geführt hat,
steht, was zumal die Zahl der Kohlenstoffatome in dem Safraninmolecüle anlangt, mit
der Bildung dieses Körpers in erwünschtem Einklange. Ein Blick auf diese Formel mit
ihren 4 Stickstoffatomen erinnert lebhaft an die Zusammensetzung, welche Perkin dem von ihm entdeckten Mauvein zuschreibt.
Safranin C²¹H²⁰N⁴,
Mauvein C²⁷H²⁴N⁴.
Man könnte sich versucht fühlen, das Mauvein für phenilirtes Safranin zu halten:
C²⁷H²⁴N⁴ =
C²¹H¹⁹ (C⁶H⁵) N⁴.
Thatsache ist, daß Safranin beim Kochen mit Anilin einen violetten Farbstoff liefert,
und daß Safranin und Mauvein unter dem Einflusse concentrirter Säuren nahezu
dieselben Farbenreactionen zeigen. Ferner soll sich nach einer von Perkin schon vor mehreren Jahren veröffentlichten Notiz
Safranin als Nebenproduct bei der Darstellung von Mauvein erzeugen. Annäherungen,
wie sie sich in den angeführten Formeln darstellen, dürfen indessen nur mit großer
Vorsicht aufgenommen werden. Bis jetzt ist der aus dem Safranin entstehende violette
Farbstoff nicht näher charakterisirt worden. Auch auf die gleichen Farbenreactionen,
welche beide Basen mit Säuren zeigen, dürfte nicht allzu viel Gewicht gelegt werden,
da auch die methylirten Rosaniline bei der Behandlung mit Säuren zunächst blau und
dann grün werden. Ferner ist es zweifelhaft, ob die von Perkin bei der Mauveinbereitung als Nebenproduct erhaltene Base wirklich
dasselbe Safranin ist, welches Hofmann und Geyger untersucht haben, insofern ihn die Analyse zu
einem wesentlich anderen Ausdruck, nämlich zu der Formel
C¹⁸H¹⁸N⁴, geführt hat. Endlich dürfte auch die
Mauveinformel noch keineswegs über allen Zweifel festgestellt seyn; wenigstens
scheint Perkin in neuester Zeit der Formel
C²⁶H²⁴N⁴ vor der früher von ihm veröffentlichten
C²⁷H²⁴N⁴ den Vorzug zu geben. (Deutsche
Industriezeitung, 1872, Nr. 28.)