Titel: Ueber die combinirte Luftdampf-Maschine.
Fundstelle: Band 207, Jahrgang 1873, Nr. II., S. 3
Download: XML
II. Ueber die combinirte Luftdampf-Maschine. Ueber die combinirte Luftdampf-Maschine. Die Anwälte dieser Maschinen haben neuerdings eine Unterstützung an Professor W. J. Marquorn Rankine erhalten, der in einem über diesen Gegenstand veröffentlichten Artikel sagt, daß die Luft den Principien der Thermo-Dynamik gemäß das Bestreben hat, unabhängig von der Wärmemittheilung des Brennstoffes die Wirkung des Dampfes zu erhöhen, indem sie die Wärme in Arbeitskraft umsetzt. Er sagt ferner: „Es ist wohlbekannt, daß die Wirksamkeit jeder durch Wärme bewegten Maschine begrenzt ist durch die Temperaturen, innerhalb deren sie wirkt, wobei der größtmögliche Nutzeffect, d.h. das Verhältniß zwischen gethaner Arbeit und verwendeter Wärme innerhalb gegebener Temperaturgrenzen ausgedrückt wird, indem man den Temperaturgrad durch die absolute Temperatur der oberen Grenze dividirt. Um dieses theoretische Erforderniß zu erzielen, ist es nöthig, daß alle Wärme die von der arbeitenden Substanz aufgenommen wird, bei der obersten Temperaturgrenze aufgenommen und bei der niedrigsten abgegeben wird. Jede Abweichung von diesen Regeln veranlaßt einen Wärmeverlust, ohne die den gegebenen Temperaturgrenzen entsprechende Arbeit zu erzeugen. Daher sollten, um sich dieser theoretischen Anforderung so viel wie möglich zu nähern, alle Temperaturveränderungen in der Arbeitssubstanz so viel als möglich bloß mechanisch hervorgebracht werden: die Erhöhung durch Compression, die Erniedrigung durch Expansion.“ Man kann nun damit einverstanden seyn, daß die Luft unter den angegebenen Bedingungen mehr (der Theorie nach) leistet, als Dampf innerhalb derselben Temperaturgrenzen, ohne doch mit Professor Rankine in der Annahme übereinzustimmen, daß es deßhalb vortheilhaft sey, eine große Menge Luft (ungefähr 1 1/3mal mehr als Wasser dem Gewichte nach) in den Dampfkessel einzupumpen. Thatsächlich ist die Lufttemperatur welche durch die Compression entsteht, die nöthig ist um Luft in einen Dampfkessel bei 60–80 Pfund Druck per Quadratzoll einzubringen, nicht bloß höher als jene des Dampfes, sondern nahezu gleich jener der Verbrennungsproducte welchen die Heizfläche ausgesetzt ist. Daher ist die Aufnahme von Wärme beim Streichen der Luft über die Heizfläche, folglich auch der Betrag bis zu welchem die Luft der früheren Compression entsprechend sich ausdehnt, daher auch der Ueberschuß an. Arbeit über jene der Compression, sehr gering. Außerdem sind die Bedingungen unter welchen die Ausdehnung der Luft in einer Luft-Dampfmaschine erfolgt, nicht günstig. Die Luft ist bei dem Eintritte in den Kessel höher temperirt als der Dampf und gibt daher an letzteren Wärme ab, statt sie nach der Theorie zu empfangen, ohne Arbeit zu leisten. Und im Cylinder nimmt die Temperatur der Luft rascher ab als jene des Dampfes, und nimmt daher von diesem Wärme auf und dehnt sich überdieß bei Ausnutzung im Cylinder einer gewöhnlichen Dampfmaschine beträchtlich weniger aus als sie vorher zusammengedrückt wurde, was eine neue Ursache von Kraftverlust ist. Nach Professor Rankine soll eine so bedeutende Menge Luft in den Kessel gepreßt werden, daß der Dampf gewissermaßen überhitzt und so ein größerer Abstand der oberen und unteren Temperaturgrenze der ein- und austretenden Luft erzielt wird. Es ist aber schwer anzunehmen, daß eine Mischung von Luft und Dampf von höherer Temperatur als bisher angewendet werden könnte, ohne dem Cylinder, Kolben etc. zu schaden, und wir sehen daher keinen Gewinn bei dieser Art von Ueberhitzung. In der Praxis wird der Aufwand an Arbeit zur Comprimirung der Luft in einer Luftdampfmaschine durch Reibung in der Luftpumpe u.s.w. vergrößert, während der Nutzeffect den die Luft bei ihrer Expansion gibt, verringert wird durch Reibung an den Kolben u.s.w. Es soll noch gezeigt werden, welchen Einfluß die Annahme des Arbeitssystemes nach Professor Rankine auf die Dimensionen der Maschine haben würde. Wird atmosphärische Luft comprimirt, ohne Wärmezuleitung oder Ableitung, so ist die Zunahme der Temperatur während der Compression gegeben durch die Formel: t = (R0,29 × T₀) – T⁰, oder besser behufs allgemeiner Anwendung: t = (R 2/7 T₀ – T₀), wo t = die Temperaturzunahme in Graden Fahrenheit, T₀ = die absolute Temperatur vor der Compression (= + 461° Fahr.) und R = das Verhältniß ist zwischen Anfangs- und Enddruck, letzteren getheilt durch ersteren; die Drücke sind daher absolute, d.h. vom Vacuum an gemessen. Professor Rankine gebt in seinem Beispiele von Luft von 212° und seiner Compression von 5 Atmosphären aus. T₀ ist daher 212 + 461 = 673° und R = 5. Daher erhält man aus obiger Formel mit Hülfe der Logarithmen eine Endtemperatur von 1066° absolut. Davon die Anfangstemperatur 673° abgezogen gibt 393° Temperaturerhöhung während der Compression, oder rund 390°. Ferner solle die Maschine arbeiten zwischen 212° (obgleich es schwer seyn dürfte, diese Temperatur zu erhalten) und jener Temperatur von etwa 319°, die dem Dampf vermöge der zugeführten erhitzten comprimirten Luft entspricht, letztere dem Gewichte nach 1 1/3mal mehr als Dampf angenommen, oder 23° mehr als nicht überhitzter Dampf bei einem Drucke von 5 Atmosphären. Diese Temperaturerhöhung durch Ueberhitzung ergibt sich durch Berechnung der Wärmemenge welche von jeden: 1 1/3 Pfund Luft abzuziehen wären, um sie von der Temperatur von 212 + 390 = 602°, mit der sie in den Kessel tritt, auf die Anfangstemperatur des Dampfes (212°) zu reduciren, und Vertheilung derselben auf 1 1/3 Pfund Luft und 1 Pfd. Dampf. Da der Unterschied zwischen der Temperatur der comprimirten Luft und der des Dampfes 602 – 212 = 390° beträgt und die specifische Wärme der Luft 0,238 ist, so sind 390 × 0,238 × 1 1/3 = 124,8 Wärmeeinheiten verfügbar, um eine Mischung von 1 Pfund Dampf und 1 1/3 Pfund Luft auf 212° zu bringen. Nimmt man die specifische Wärme des Dampfes = 0,85, so erhält man 124,8/(1 1/3 × 0,238 – 0,85) = 107°; die obere Temperaturgrenze ist daher 212 + 107 = 319° und dieß stimmt mit der Annahme Rankine's überein, welcher angibt daß 3/4 der ganzen aus der Compression stammenden Wärme zur Erhitzung des Dampfes verwendet wird. Er berechnet die obere Temperaturgrenze zu 309 1/2°. Bei 212° verhalten sich die specifischen Dichten von Luft und Dampf wie 1 : 0,646, daher das Volum von 1 1/3 Pfund Luft zu jenem von 1 Pfund Dampf wie 0,861 : 1, und die Capacität der Luftpumpe zu jener des Dampfcylinders wie 0,462 : 1 (beide doppeltwirkend). Zu dieser enorm großen Compressionspumpe gehörte eine noch viel größere Luft- (Vacuum-) Pumpe, wenn Condensation in Anwendung kommen sollte. Nimmt man die geringste Größe einer Luftpumpe für ein Vacuum, nämlich 25 Zoll Quecksilber bei einem Barometerstande von 29 Zoll an, so würde die Luft im Condensator bis ungefähr 100° reducirt und wir hätten: Textabbildung Bd. 207, S. 6 oder eine (doppeltwirkende) Luftpumpe müßte das 2,78fache der Capacität des Dampfcylinder haben! Bei einer so bedeutenden Größe der Luft- und Compressionspumpen kann (abgesehen von der Schwerfälligkeit) der Luft-Dampfmaschine kein wahrer Vortheil durch Einführung einer großen Masse Luft in den Dampfkessel erwachsen, und solche Maschinen bringen daher, wenn sie praktisch ausgeführt werden, den Eigenthümern nur Schaden. (Engineering vom 8. November 1872; Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines, 1872 S. 415.)