Titel: | J. Anderson's Bericht über die bis jetzt gelegten unterseeischen Kabel. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. XXXI., S. 120 |
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XXXI.
J. Anderson's Bericht
über die bis jetzt gelegten unterseeischen Kabel.
Auszug eines Vortrages in der Statistical Society zu London. – Aus dem Telegraphic Journal November 1872, S. 5.
Anderson, über die bis jetzt gelegten submarinen Kabel.
Schon vor 11 Jahren wurde in einem Berichte der mit Untersuchung der submarinen Kabel
beauftragten (brittischen) Commission die Aufmerksamkeit auf die beachtenswerthe
Thatsache hingelenkt, daß dünne Kabel in der Regel zu Grunde gehen, während je
schwerer das Kabel, desto größer seine Dauerhaftigkeit ist. Der Verlust an Kabeln
wurde folgenden Ursachen zugeschrieben: vor allen Dingen der unvollkommenen
Fabrication. Man hatte eben in Betreff der zur Isolirung des Kupferdrahtes dienenden
Materialien noch keine Erfahrung, und kannte die von Prof. Thomson um das Jahr 1856 entdeckte Thatsache noch nicht, daß gewisse
Sorten von Kupferdraht hinsichtlich ihrer Leitungsfähigkeit nicht besser als Eisen
sind, und daß nur eine sorgfältige Auswahl des Kupfers das gewünschte normale
Verhältniß darbietet, welches durch einen Kupferdraht von 1/10 Zoll Durchmesser,
gleichbedeutend mit einem Eisendraht von 1/3 Zoll Durchmesser, für elektrische
Zwecke dargestellt werden kann. Alle vor der genannten Zeit angefertigten Kabel
entbehrten des Vortheiles dieser Entdeckung.
Es schien mit mechanischen Schwierigkeiten verbunden zu seyn, den kupfernen Leitungsdraht im
Centrum des isolirenden Mediums zu erhalten, so daß das Kupfer öfters unter der
dünnen Gutta-percha-Hülle beinahe zum Vorschein kam. Der elektrische
Strom trug zur Schwächung dieser Hülle bei. In der Absicht, den matter werdenden
Signalen nachzuhelfen, bediente man sich stärkerer Ströme, und das Kabel war bald
zerstört. Um diese Zeit machte man die Erfahrung, daß ein Kabel, vom Beginn seiner
Anfertigung bis zu seiner Legung, unter Wasser und unter Druck geprüft werden, und
so weit als thunlich, allen Bedingungen seines künftigen Dienstes unterworfen
bleiben sollte.
Als eine weitere Quelle von Mängeln sind die Versuche zu bezeichnen, die Kabel von
Segelschiffen aus, welche von Dampfern geschleppt wurden, zu legen. Die Schiffe
hatten bei starkem Winde nicht den nöthigen Spielraum zum Steuern und das Seil lief
zu schnell ab. Es war schwierig, unter solchen Umständen in geradem Curs zu steuern,
und Segelschiffe konnten bei vorkommenden Fehlgriffen oder Unfällen nicht rasch
angehalten werden. Manche Unfälle ereigneten sich aus Mangel an Erfahrung in der
Methode das Kabel zu versenken. Es ist ein Wunder, daß die Procedur bei den
damaligen rohen Methoden und dem Mangel an Erfahrung mit so glücklichen: Erfolg von
statten ging, auf der anderen Seite aber kein Wunder, daß dabei allerlei Versehen
mit unterliefen, und mancher Tadel ausgesprochen werden mußte. Das Resultat aber
steht wenigstens fest, daß alle Schwierigkeiten auf die eine oder die andere Weise
bewältigt worden sind, und daß ein Unfall bei einem sorgfältig angefertigten Kabel
den Verlust desselben nicht mehr nach sich zieht.
Die Mangelhaftigkeit des ersten atlantischen Kabels ist hauptsächlich der
unvollkommenen Fabrication, der übertriebenen Eile, zum großen Theil aber auch der
ungenügenden Erfahrung zuzuschreiben. Das Kabel wurde aus Furcht, der dünne
Stahldraht der Umhüllung möchte rosten, nicht unter Wasser probirt. Seit jener Zeit
hat man die feinen Drähte fallen lassen und an ihrer Stelle dicke Drähte, je dicker
um so besser, adoptirt. Das Kupfer war nicht durchgängig gut; dasselbe war öfters
auf- und abgewunden und starker Sonnenhitze und manchem Temperaturwechsel
ausgesetzt worden. Jeder dieser Umstände würde heut zu Tage als hinreichend erachtet
werden, um ein selbst auf das Sorgfältigste angefertigtes Kabel zu verdammen.
Den Kabeln des rothen Meeres und der indischen Gewässer sagt man nach, sie seyen
unvollkommen angefertigt und zu straff gelegt. Sie waren aber vom Zeitpunkt ihrer
Fabrication bis zum Zeitpunkt ihrer Versenkung in das Meer nicht unter Wasser
geprüft worden, und diese Unterlassung allein reicht schon hin, dem Kabel den Stempel der Fehlbarkeit
aufzudrücken. Auch die Kabel zwischen Cagliari und Malta, sowie zwischen Malta und
Corfu, werden als mangelhaft in Folge unvollkommener Fabrication geschildert.
Der Mangel einer beständigen Ueberwachung durch Ingenieure, im ausschließlichen
Interesse der Besteller, ist eine Hauptursache fehlerhafter Kabel. Es können hin und
wieder ganz kleine Fehler im Kern selbst vorkommen, oder eine kleine fehlerhafte
Splitze, welche die elektrische Bedingung auf einer verhältnißmäßig kurzen Strecke
beeinträchtigen. So winzig diese Fehler auch seyn mögen, so machen sie doch das
Kabel in kürzerer oder längerer Zeit unbrauchbar. Es muß daher im Verlauf der
Fabrication grundsätzlich jeder Zoll geprüft und ausgeschossen werden, wenn irgend
eine verdächtige Unregelmäßigkeit sich zeigen sollte. Mit einem Worte, die
Unternehmer sollten es nicht versäumen, die Fabrication des Kabels durch ihre
Ingenieure beständig auf das Sorgfältigste überwachen und sämmtliche mit dem Kabel
angestellten Versuche registriren zu lassen, und zwar vom Beginn des Contractes an
bis zur Vollendung des Kabels und darüber hinaus.
Die Hauptquellen der Beschädigung des Kabels sind zunächst bewegtes Wasser,
Strömungen oder Ebbe und Fluth, in deren Folge das Kabel auf felsigem Grunde sich
reibt. Aus der Erfahrung haben wir über die Wirkungen des bewegten Wassers manche
schätzbare Belehrung geschöpft. Noch vor 10 Jahren glaubte man allgemein, daß das
Wasser in einer Tiefe von mehr als 50 Faden (300 Fuß) nur sehr geringe Bewegung
zeige, und eine Tiefe von 100 Faden wurde für ganz sicher gehalten. Jetzt wissen
wir, daß unter gewissen, allerdings ausnahmsweise örtlichen Verhältnissen das Wasser
noch in einer Tiefe von 500 Faden (3000 Fuß) eine Bewegung zeigt. In einer solchen
Tiefe nämlich wurde das Falmouth-Kabel durch Reibung zerstört. Das
Channel-Island-Kabel ging aus derselben Ursache zu Grunde. Das erste
Kabel, welches unter Berücksichtigung des Principes einer sorgfältigen Ueberwachung
angefertigt, unter Wasser probirt und in diesem Zustande bis zu seiner Legung ruhig
liegen gelassen wurde, war das im Jahr 1861 zwischen Malta und Alexandria gelegte.
Dieses Kabel wurde in zu seichtes Wasser versenkt, und zwar viele Meilen desselben
in einer Tiefe von weniger als 20 Faden. Die Folge waren häufige Brüche, indem das
Kabel durch die Brandung hin- und hergerollt wurde; und dennoch wurde
dasselbe erst vergangenes Jahr aufgegeben, nicht etwa, weil es fernerhin nicht mehr
durch Reparaturen zu erhalten gewesen wäre, sondern weil die Instandhaltung zu
kostspielig war. Diese und manche andere Beispiele haben das Princip festgestellt, daß kein
Kabel gelegt werden sollte, ohne vorherige genaue Untersuchung der Strecke bis zur
Küste und den Landungsstellen, sowie ohne genaue Sondirung der beabsichtigten Route
und möglichste Kenntniß der Beschaffenheit des Meeresgrundes. Strömungen und
Ankergrund sollten vermieden, und wo dieses unmöglich ist, das schwerste Kabel
genommen werden. Bei Tiefen von 400 Faden sollte man da wo Fluthgrenzen vorkommen,
schwere Kabel legen und den Strömungen so weit wie möglich aus dem Wege gehen. Eine
Hauptursache der Beschädigung ist ferner die Corrosion der äußeren Drähte in Folge
bewegten Wassers oder der Meeresvegetation u.s.w., worauf die allgemeine Praxis
gegründet wurde, den äußeren Drähten einen Ueberzug von getheertem und mit einer
Mischung von Pech und Kieselerde gesättigtem Garn zu geben. Die gegenwärtigen
Methoden, die Kabelhülle zu schützen, bieten noch ein weites Feld für Verbesserungen
dar, und ich empfehle dieselben den Telegrapheningenieuren als einen Gegenstand von
großer Tragweite zum ferneren sorgfältigen Studium.
Ein anderer Feind der unterseeischen Kabel ist die Bohrmuschel (teredo). Eine Gattung derselben hat sich, da sie den
Kern durchbohrt, als verderblich bewiesen; diese kommt jedoch nur in seichtem Wasser
vor. Es gibt eine andere Gattung, welche den Hanf in wenig Monaten zerstört, und
sich dann auf der Gutta-percha festsetzt. An Kabeln welche aus einer Tiefe
von 1200 Faden geholt wurden, zeigte sich aller Hanf weggefressen und der Kern mit
diesen Seethieren wie gespickt.
Eine andere Quelle der Beschädigung von Kabeln ist der Blitz. In dieser Hinsicht
lassen sich jedoch so leicht Sicherheitsmaßregeln treffen, daß von derartigen
Beschädigungen kaum noch die Rede ist. Man sagt, es seyen drei Kabel durch den Blitz
zerstört worden. Hr. W. Siemens zeigte der Kommission ein Stück vom Kern des durch
den Blitz zerstörten Corfu-Kabels. Der Blitz hatte in der Landstrecke des
Kabels eingeschlagen und, da es an Blitzableitern fehlte, dasselbe beschädigt. Auch
das Jersey-Kabel wurde durch den Blitz zerstört, und man schreibt die
Zerstörung des Toulon-Algier-Kabels, welches ohne Vorkehrungen gegen
den Blitz mit den Landlinien verbunden war, der nämlichen Ursache zu.
Es ist zu unserem Erstaunen die Behauptung ausgesprochen worden, daß leichte Kabel
dem gegenwärtigen mit Eisendraht überzogenen vorzuziehen seyen. Wenn aber, wie
bereits oben erwähnt wurde, die Commission die Aufmerksamkeit auf die wichtige
Thatsache hingelenkt hat, daß beinahe in allen Fällen dünne Kabel sich als
unzuverlässig erwiesen haben, während, je schwerer das Kabel, desto größer seine
Dauerhaftigkeit ist, so
dürfte dadurch die Frage, welche Umstände es rechtfertigen, der einen oder der
anderen Form den Vorzug zu geben, bereits entschieden seyn.
Hr. Newall behauptet bei seinem hanfüberzogenen Kabel,
welches er im Jahr 1859 zwischen Candia und Aegypten legte, sey der Hanf von den
Bohrwürmern in sehr kurzer Zeit abgefressen worden, und es sey zu schwach gewesen,
um behufs der Reparatur wieder gehoben werden zu können. Dieselbe Firma legte ein
Kabel mit ungeschütztem Kern von Varna nach der Krim, welches bis zum Eintritt des
Winters aushielt. Die öfters ausgesprochene Behauptung, dieses Kabel sey auf Befehl
des französischen Oberbefehlshabers durchgeschnitten worden, entbehrt des Beweises,
und ich bin nicht geneigt, derselben Glauben zu schenken. Der Ingenieur Woodehouse, welcher das Kabel legte, sagt in seinem
Berichte: „er möchte Niemanden rathen, ein so leichtes Kabel quer durch
den atlantischen Ocean zu legen, weil eine geringe Spannung es zerreißen würde.
Wenn es einmal sicher auf dem Meeresgrund liege, so könne es vielleicht sich
halten.“ Hr. Newall hielt es jedoch damals
noch für eine Thorheit, ein anderes Kabel als mit ungeschütztem Kern zu legen. In
dieser Ueberzeugung legte er im Jahr 1869 auf mehreren Linien ungeschützte Kabel mit
Kautschukkern, welche die griechischen Inseln mit dem Hauptlande verbanden; nur in
der Nähe der Küste waren sie mit einer schützenden Hülle bekleidet. In diesen
Gegenden ist die See ruhig und ohne Ebbe und Fluth; es konnte demnach kein besserer
Ort für das Experiment gewünscht werden; nichtsdestoweniger war jedes dieser Kabel
binnen zwei Jahren unbrauchbar.
Das Kabel im rothen Meer, welches einen Ueberzug von leichtem Draht hatte, ohne durch
eine bituminöse Composition geschützt zu seyn, war in kurzer Zeit so verrostet, daß
es behufs der Reparatur nicht mehr gehoben werden konnte.
Sämmtliche Kabel dagegen, welche nach den im Jahre 1859 aufgestellten Principien
angefertigt und gelegt worden sind, befinden sich jetzt noch in gutem Stande, und
jede Abweichung von diesen Principien hat sich als ein verfehltes oder im
günstigsten Falle kostspieliges Experiment erwiesen. Es ist kein Beispiel vorhanden,
daß ein gut gearbeitetes schweres Kabel in tiefem Nasser gerissen oder aufgegangen
wäre, nachdem es sorgfältig und fehlerfrei gelegt worden ist. Dieses ist aber
vorzugsweise der äußeren Hülle zu verdanken. Auf der anderen Seite gibt es keine
Erfahrung, welche die Annahme rechtfertigt, daß ein Kabel mit ungeschütztem Kern von
Dauer sey.
Man hat den Einwurf erhoben, daß ein mit Draht überzogenes, zwischen zwei Punkten hängendes
Kabel nach und nach schwächer wird, daß Rost, Seegewächse und Ablagerungen sich am
Kabel anhäufen und dasselbe schließlich durch ihr Gewicht zerreißen. Es ist mir
jedoch kein Fall bekannt, welcher diese Annahme unterstützt hätte, noch ist es
überhaupt ausgemacht, daß ein einfacher ungeschützter Kabelkern auf die Dauer
Bestand hat, oder auf irgend eine Weise den angenommenen Bedingungen besser
entspricht. Hr. Latimer Clark sagt: „Das Kabel
muß ein gewisses Gewicht haben, um stetig zu Boden zu sinken, insbesondere wenn
es sich in Vertiefungen legen und nicht lose über denselben hängen
soll.“
Man hat ferner hervorgehoben, daß in den Fabriken Versuche mit leichten Kabeln
angestellt wurden und als Resultat sich viele Vortheile zu ihren Gunsten
herausgestellt haben. Ich bin jedoch der Ansicht, daß die mit dem Kabel auf dem
festen Lande angestellten Versuche keineswegs einen hinreichenden Maaßstab zur
Beurtheilung seines Verhaltens während eines mehrtägigen Seesturmes abgeben, und
noch weniger den Beweis liefern daß solche Kabel den unbekannten Bedingungen
entsprechen, welche in großen Tiefen des Oceans auftreten. Ich habe alle Achtung vor
der Meinung der Männer, welche leichte Kabel so dringend empfehlen, glaube aber aus
sorgfältigen Untersuchungen und aus der Erfahrung der letzten 30 Jahre den Schluß
ziehen zu dürfen, daß alle leichten Kabel nur eine kurze Existenz haben, während
alle schweren Kabel von Dauer sind und zwar öfters unter sehr ungünstigen
Bedingungen. Es ist meine eigene Ansicht, sowie die meines Freundes, des Capitäns
Halpin, welcher außer dem französischen atlantischen
Kabel sämmtliche Kabel von Suez nach Australien (11000 engl. Meilen) gelegt und die
Kabel aus sehr verschiedenen Tiefen gehoben und reparirt hat, daß ein Kabel so
schwer seyn sollte, als es sich mit der Sicherheit des Legens verträgt, und es die
Wiederhebung in Folge eines Unfalles gestattet. Man treffe alle Vorkehrungen, um die
Stärke desselben zu erhöhen und dieselbe so lange wie möglich unversehrt zu
erhalten.
Mit der Ueberwachung einer Gesammt-Kabellänge von 10000 engl. Meilen
beauftragt, fühle ich mich durch die tägliche Erfahrung in der Ansicht befestigt,
daß man bei der Anfertigung und Legung eines Drahtes, welcher dem Auge für immer
entzogen werden soll und dazu bestimmt ist, durch Bewahrung seiner vollkommenen
Leitungsfähigkeit Dividenden einzubringen, nie zu vorsichtig seyn kann. Seit dem vor
11 Jahren erstatteten Berichte der (brittischen) Commission sind über 30000 Meilen
Kabel gelegt worden; man hat hinsichtlich der Einsenkung, Ergreifung, Hebung und
Reparatur mancherlei Erfahrungen gemacht, aber aus keiner einzigen derselben geht hervor, daß irgend eine
der in jenem Berichte empfohlenen Vorsichtsmaßregeln überflüssig gewesen wäre,
wogegen auf der anderen Seite manche Vorfälle den Beweis liefern, daß jeder Versuch,
eine einzige derselben zu umgehen, stets von bedeutenden pecuniären Verlusten oder
gänzlichem Mißerfolg begleitet gewesen ist. Das jetzige submarine Kabel ist
keineswegs eine auf's Gerathewohl ausgeführte Idee, sondern eine Construction welche
unter mancherlei Mißgeschick aus tausend Versuchen sich herangebildet hat.
Die Gesammtzahl der bis jetzt gelegten unterseeischen Kabel beträgt 213 mit einer
Totallänge von 45783 1/2 engl. Meilen.