Titel: | Ueber den Widerstand welchen verschiedene Bausteine dem Feuer gegenüber leisten; von Dr. Adolph Ott in New-York. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. LXXXIII., S. 311 |
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LXXXIII.
Ueber den Widerstand welchen verschiedene
Bausteine dem Feuer gegenüber leisten; von Dr. Adolph Ott in
New-York.
Aus dem Engineering and
Mining Journal, December 1872, S. 355.
Ott, über die Widerstandsfähigkeit verschiedener Bausteine gegen
das Feuer.
Die neuerliche große Ausdehnung von Bränden in nordamerikanischen Städten drängt die
Frage hinsichtlich des zum Bau zu verwendenden feuerfesten Materiales wieder in den
Vordergrund; denn obgleich es bekannt ist, daß die schnelle und weite Verbreitung
der Flammen hauptsächlich durch die engen Straßen und hohen Mansarden veranlaßt
wurde, so dürfte es doch von Wichtigkeit seyn, etwas Bestimmtes über den Werth der
Steine, die dem Feuer ausgesetzt sind, zu erfahren. Zwei große Unglücksfälle haben
uns über den Irrthum des alten Glaubens belehrt, daß Steine überall feuerfest sind,
oder doch zu Gebäuden verwendet, als unzerstörbar angesehen werden können; vielmehr
werden sie nach den neuesten Vorgängen für nicht viel sicherer gehalten, als
verbrennliche Materialien.
Wenn wir in den Zeitungen lesen, daß bei dem Feuer in Boston „Blöcke von
Granit, mehrere Tonnen wiegend, wie durch Pulver zersplittert und in die Straßen
geschleudert wurden“, oder daß „aus dem vierten Stockwerke
Granitsteine wie Schaum verschwanden“ und daß „Vorderseiten
von Marmor völlig zerstört worden sind, so daß kaum einige Spuren davon übrig
blieben,“ so erstaunen wir und werden, gegen die frühere Zuversicht,
irre geführt.
Und doch hat es sich wirklich so zugetragen; nachdem nun viele dieser Vorkommnisse in
die Oeffentlichkeit gedrungen sind, dürfte es Werth haben zu beweisen, daß das
einzige Mittel gegen die großartige Zerstörung der Städte darin liegt, sie aus
feuerfestem Material zu erbauen. Wenn meine Bemerkungen über diesen Gegenstand dahin
führen, das allgemeine Interesse auf die Construction der Gebäude zu lenken, so
werde ich mich für meine Arbeit reichlich belohnt fühlen.
Erst seit dem großen Brande von Chicago ist die Aufmerksamkeit des Publicums auf den Widerstand
der Gebäude, wenn sie dem Feuer ausgesetzt sind, gerichtet. Wir besitzen eine
vortreffliche Arbeit über die Wirkungen des Feuers auf Ziegelsteine und auf
natürliche Bausteine, von Hrn. Wight, welche von ihm in
derselben Stadt, deren Schicksal wir ein Jahr später so sehr zu beklagen hatten, an
das American Institute of Architects gerichtet wurde.
Seine werthvolle Belehrung läßt uns aber doch noch über manche Punkte in
Unsicherheit.
Es ist constatirt, daß überall kein Kalkstein der Hitze
des Feuers völlig widerstehen kann, obgleich einige dieser Gesteinsarten sich
schlechter, andere besser zeigen. Der Illinois-Kalkstein wurde in sehr vielen
Fällen gänzlich in gebrannten Kalk verwandelt, so daß kaum etwas von den Gebäuden
übrig blieb, wenn die Mauern aus solchem Stein bestanden. In Bezug auf diesen Stein
sagt Hr. Wight: „es wird allgemein angenommen,
daß da, wo die Hitze plötzlich kommt und sehr heftig ist, eine Explosion
erfolgt, daher das Calciniren mit großer Schnelligkeit vor sich gehen
muß.“
Gegenwärtig bin ich mit den einzelnen Ergebnissen des letzten Feuers bei den davon
betroffenen Steingebäuden noch nicht bekannt, erwarte aber über die verschiedenen
Bausteine, welche in Boston angewendet waren, nähere Mittheilungen.
Die Kalksteine, welche als Bausteine verwendet werden, bestehen wesentlich aus
kohlensaurem Kalk, und enthalten zuweilen Magnesia. In der Rothglühhitze werden sie
zersetzt, die Kohlensäure entweicht und der Kalk bleibt in krümeligem Zustande
zurück.
Kalksteine welche Magnesia enthalten, sogen. dolomitische Kalksteine sind noch
weniger zu Bauzwecken geeignet, als gewöhnliche Kalksteine, weil die Magnesia die
Kohlensäure leichter fahren läßt, in Folge dessen schon bei 600° Fahrh.
(315° Cels.) die Zerkrümelung eintritt, während derselbe Hitzegrad die aus
reinen: kohlensauren: Kalk bestehenden Steine noch unverändert läßt.
Daß die verschiedenen Sandsteine welche in Chicago
gebraucht werden, am besten der Hitze widerstanden, und daß dieses auch in Boston
der Fall gewesen ist, ließ sich auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung
voraussehen. In der That sind die Sandsteine ganz ausgezeichnet für die
Bau-Constructionen brauchbar, welche dem Feuer widerstehen sollen. In Chicago
war das einzige Gebäude in den: Branddistricte an der Südseite, welches dem Feuer
Widerstand geleistet hatte, aus Cleveland-Sandstein hergestellt, und in
diesem Gebäude war kein Riß zu sehen, Nichts gesprungen oder zerbrochen.
Bezüglich der vorwaltenden Bestandtheile der Sandsteine ist der Quarz wegen seiner
Unschmelzbarkeit als besonders ausgezeichnet hervorzuheben; der Gehalt desselben in
dem Sandstein variirt etwa zwischen 80 bis 97 Procent. Die übrigen Bestandtheile
sind hauptsächlich Eisenoxyd, Thonerde, Kalk und Magnesia.
Granit, Gneis, Glimmerschiefer und andere Felsarten
welche zum Urgebirge gehören, werden zwar im Allgemeinen als im Feuer beinahe
unzerstörbar betrachtet, aber es ist bekannt, daß sie sehr leicht Risse bekommen und
bersten, selbst dann, wenn sie nur der Hitze eines benachbarten brennenden Gebäudes
ausgesetzt sind.
Wie die Zeitungen berichteten, sind in Boston Granitsteine, aus denen die Mauern
eines benachbarten Vorrathshauses bestanden, schon beim Beginn des Brandes geborsten
und die Fragmente nach allen Richtungen geschleudert worden. Diese bemerkenswerthe
Thatsache wird leicht dadurch erklärt, daß der Granit Wasser enthält. Den
Steinbrucharbeitern ist es namentlich bekannt, daß die Bruchstücke des gebrochenen
Granits, Syenits etc. mehr oder weniger feucht befunden werden, und daß diese
Feuchtigkeit nicht etwa nur als ein Bestandtheil der äußeren Fels-Partien zu
betrachten ist, sondern daß sie selbst im Inneren von dicken Blöcken oder durch das
Sprengen gewonnenen Massen gefunden wird.
Was nun den Kunststein aus Portland-Cement
betrifft, so kommt derselbe jetzt außerordentlich in Gebrauch; wir besitzen in ihm
ein Material, welches in jeder Beziehung für bauliche Zwecke sehr geeignet
erscheint. Da die Kalk- und Thonerdesilicate, aus welchen er besteht, das
Wasser chemisch gebunden enthalten, so wird er der Hitze beinahe, wenn nicht ganz
so, wie der Sandstein widerstehen.
Hinsichtlich der Gebäude, welche in Chicago aus künstlichen
Steinen hergestellt waren, erfahren wir von Hrn. Wight, daß sie überall kaum beschädigt gefunden wurden. Manche behaupten
sogar, daß sie die Probe, dem Feuer gegenüber, besser bestanden als irgend ein
anderes Baumaterial der Stadt. Jeder Stein der in den Mauern stehen geblieben war,
wurde in einem so vollkommen unversehrten Zustande gefunden, daß es Bauleute gab,
welche dieselben ohne Weiteres wieder zu anderen Bauzwecken benutzten.
Schließlich noch einige Worte über Backsteine (Bernsteine
oder gebrannte Steine). Wir wissen, daß sie nicht leicht durch Feuer zerstört
werden, und Manche nehmen sogar an, daß, weil sie gebrannt sind, kein besseres
Baumaterial gefunden werden könne. Diese übersehen aber, daß Barnsteine sehr geneigt
sind Feuchtigkeit einzusaugen und zurückzuhalten. Allerdings entweicht diese
Feuchtigkeit sehr leicht, sie macht aber die Barnsteine porös, und wenn sie nochmals
gebrannt und dabei verglast werden, was öfters der Fall ist, so verlieren sie ihre
Festigkeit und zerbrechen leicht. Wäre es nicht Thatsache, daß (in Amerika) die
Mauern gewöhnlich sehr dünn im Verhältniß zur Höhe aufgeführt werden, und daß oft
die weichen Barnsteine, Füller genannt, in großer Ausdehnung zur Anwendung kommen,
so dürfte die Einwirkung der Hitze auf Barnsteine in den Mauern weniger zerstörend
seyn, als es jetzt der Fall ist.