Titel: Locomotiven mit Gasheizung für unterirdische Bahnstrecken.
Fundstelle: Band 209, Jahrgang 1873, Nr. II., S. 14
Download: XML
II. Locomotiven mit Gasheizung für unterirdische Bahnstrecken.Nach den Anales de Génie, civil September 1872, S. 609 mitgetheilt vom Ingenieur Keck in der Wochen-Versammlung des Architekten- und Ingenieur-Vereines zu Hannover am 29. Januar 1873. Ueber Locomotiven mit Gasheizung für unterirdische Bahnstrecken. Auf Bahnen mit vielen und längeren Tunnelstrecken ist, namentlich bei starkem Personenverkehr, eine möglichste Vermeidung des Locomotivrauches und Dampfes im Interesse der Reisenden sowie des Fahrpersonals von großer Wichtigkeit. Auf der unterirdischen Eisenbahn in London, die offenbar in erster Linie zu solchen Bahnen zu rechnen ist, heizt man die Locomotiven mit Kohks, schreibt aber dem Locomotivführer vor, in jeder Tunnelstrecke Schornstein und Aschenklappe vollständig geschlossen zu halten, also die Verbrennung zu unterbrechen, und gleichzeitig den Dampf im Tender zu condensiren. Ersteres hat offenbar große Uebelstände im Gefolge: Wird die Verbrennung plötzlich unterbrochen, also dem Kessel neue Wärmemenge nicht mehr zugeführt, so arbeitet die Maschine lediglich auf Kosten der vorher aufgesammelten Wärmemenge, und der Dampfdruck muß also continuirlich abnehmen. In der Tunnelstrecke darf aber auch kein neues Brennmaterial aufgeschüttet werden, weil dabei Qualm aus der Feuerthür dringen würde; auch eine Speisung des Kessels wird unterbleiben müssen, da diese die Dampfspannung noch mehr herabdrücken würde. Ist dann die Tunnelstrecke endlich überwunden, so muß nun Alles aufgeboten werden, um dem Kessel wieder in Gang zu bringen, eine größere Menge Brennmaterial muß eingeschaufelt werden, der Kessel muß gespeist werden, und endlich muß auch der sogenannte Hülfsexhaustor in Thätigkeit gesetzt werden, um einen energischen Zug hervorzubringen, der aber wiederum Dampf kostet. Eine so unregelmäßige Bedienung des Kessels ist aber sehr unvortheilhaft, der Qualm wird außerhalb des Tunnels um so stärker, und es wird viel Brennmaterial vergeudet. Möglich ist ein solches Verfahren überhaupt nur bei Anwendung eines sehr großen Kessels mit viel Wasser- und Dampfraum und großer Heizfläche, der die Locomotive in unbequemer Weise schwer macht. Zuweilen ist es aber den Führern, wenn sie nicht Verspätungen veranlassen wollen, gar nicht möglich, die Vorschrift ganz inne zu halten, daher entsteht in den Tunnels doch zuweilen Rauch. In Paris wird nun auch der Bau einer unterirdischen Eisenbahn beabsichtigt, und für diese hat der Ingenieur Charpentier ein Verfahren in Vorschlag gebracht, welches eigentlichen Rauch und Dampf überhaupt ganz beseitigt, indem die Heizung durch Gas erfolgen, der Dampf aber condensirt werden soll. Statt Kohks wird auf dem Tender ein Kessel von 33,36 Kubikmeter Inhalt mitgeführt, welcher das für eine Fahrt erforderliche Gas in comprimirtem Zustand enthält. Das Gas strömt an der Stelle, wo sonst der Rost befindlich ist, durch 20 Löcher aus in einen Raum, welchem Luft zugeführt wird, mischt sich mit dieser und tritt als Flamme in die Feuerbüchse. Die Verbrennungsgase ziehen durch die Heizröhren in die Rauchkiste, werden durch Seitencanäle in Wasserbehälter zu beiden Seiten der Locomotive geleitet, müssen durch das Wasser hindurch und strömen nach unten aus, nur aus Kohlensäure, Stickstoff und etwas Wasserdampf bestehend, die in so geringen Mengen durchaus unschädlich sind. Ein Schornstein ist nicht vorhanden; die zur Verbrennung erforderliche Luftmenge (0,115 Kubikmeter für jede Secunde) muß also, da jeder Zug wegfällt, in die Luftkammer gepreßt werden und zwar durch einen Ventilator an der Seite der Locomotive, der direct durch eine kleine Dampfmaschine getrieben wird. Das Innere des Heizraumes steht nicht unter einfachem Atmosphärendruck, sondern unter einem Ueberdruck von 0,21 Meter Wassersäule. Mit dieser Pressung treten Gas und Luft in den Heizraum. Ein Druckregulator am Gaskessel, bestehend aus einer in Wasser eintauchenden beschwerten Glocke, an der ein Ventil aufgehängt ist, bezweckt das Ausströmen des Gases unter constantem Druck. Ebenfalls zu beiden Seiten der Maschine befinden sich Wasserbehälter mit 3,693 Kubikmeter Inhalt, die von 32 Röhren durchzogen, einen Oberflächencondensator mit 15 Quadratmeter Abkühlungsfläche bilden. Das darin befindliche Wasser kann an den Stationen genügend oft durch frisches Wasser aus der städtischen Wasserleitung ersetzt werden, so daß von dem gebrauchten Dampf möglichst viel condensirt wird. Im Winter kann das heiß gewordene Wasser zum Heizen der Personenwagen benutzt werden. Die projectirte Bahn wird zunächst nur ungefähr 6 Kilometer Länge erhalten. Wird das Gas auf 3 1/4 Atmosphären Ueberdruck comprimirt, so reicht eine Kesselfüllung zum Durchfahren von 10 Kilometer aus. An jedem Ende der Bahn wird der Tender gegen einen frischgefüllten ausgewechselt. Jede Endstation ist mit einer Gasanstalt versehen, die aber nicht Leuchtgas, sondern sogenanntes Generatorgas bereitet. Setzt man voraus, daß stündlich zwölf Locomotiven von jeder Endstation abfahren, so sind dazu stündlich 1190 Kubikmeter Gas (von einfachem Atmosphärendruck, bei 0° C. Temperatur gemessen) erforderlich. Diese können durch drei Gasgeneratoren mit Sicherheit geliefert werden. Diese Generatoren haben eine ähnliche Form wie Hohöfen, sind aber unten mit einem Rost versehen, durch welchen mit Wasserdampf gemischte Luft eingeblasen wird. Werden dieselben von oben gefüllt gehalten und unten entzündet, so strömt oben Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoff und Stickstoff aus, gemischt mit Theer, der daraus durch einfache Wasserreinigung entfernt wird. Das Gas wird dann in einen Gasometer geleitet und von dort mittelst einer Compressionspumpe in den Tender gepreßt. Diese Pumpe erfordert bei Annahme obiger Zahlenwerthe eine Betriebsmaschine von 84,5 Pferdestärken. Da bei der Gaserzeugung in so großem Maaßstabe nur wenig Wärmeverlust vorkommt, da man ferner jedes beliebige Brennmaterial benutzen kann, und da die Verbrennung des Gases in der Locomotive unter den günstigsten Bedingungen erfolgt, so glaubt der Verfasser, daß diese Heizung mit Gas sogar noch billiger sey, als die directe Heizung mit Kohlen; er stellt darüber eine vergleichende Berechnung an und findet 27 Procent Ersparniß, ohne aber auf die dabei benutzten Zahlenwerthe großes Gewicht legen zu wollen. Dieses wohldurchdachte, jedenfalls sehr interessante System würde sich auch für längere Bahnstrecken anwenden lassen, nur müßte dann eine Compression des Gases auf vielleicht 12 bis 15 Atmosphären stattfinden, damit die Auswechselung der Tender nicht zu oft erforderlich würde. Der Dienst des Locomotivpersonals würde durch diese Einrichtung sehr erleichtert werden. Die Unterhaltung des Feuers, die bei der Kohlenheizung sehr viel Erfahrung, Geschicklichkeit und körperliche Anstrengung erfordert, geschieht hier einfach durch Regulirung der zuzuführenden Luft- und Gasmenge; jede beabsichtigte Verstärkung oder Abschwächung des Feuers ist in derselben Minute hergestellt; das Auslöschen ist mit einer einzigen Handbewegung zu erreichen. (Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereines für Hannover, 1873 S. 144.)