Titel: | Ueber die neuesten Fortschritte in der Galvanoplastik, insbesondere der Eisengalvanoplastik; von Dr. Volger in Frankfurt a. M. |
Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. LX., S. 362 |
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LX.
Ueber die neuesten Fortschritte in der
Galvanoplastik, insbesondere der Eisengalvanoplastik; von Dr. Volger in Frankfurt a. M.
Volger, über die neuesten Fortschritte in der Galvanoplastik,
insbesondere der Eisengalvanoplastik.
In der am 30. August im physikalischen Vereine zu
Frankfurt a. M. abgehaltenen Schlußsitzung des Sommersemesters hielt Dr. Volger einen
interessanten Vortrag über die neuesten Fortschritte in der auf Ablagerung von
regulinischen Metallen aus ihren Lösungen beruhenden Galvanoplastik, insbesondere über Eisengalvanoplastik und mit Rücksicht auf das Auftreten gediegener Metalle in
der Erde. Derselbe bemerkte einleitend, er habe gerade dieses Thema gewählt, weil er
in der Lage sey, Proben der jüngsten wichtigen Vervollkommnung der
Eisengalvanoplastik vorzulegen, sodann aber, weil an der Ehre der Geschichte der
Galvanoplastik überhaupt Frankfurt und das Laboratorium des physikalischen Vereines
durch die Verdienste des Prof. Dr. Boettger auf wissenschaftlichem und durch die Leistungen des Hrn. G. L. v.
Kreß, des Vaters, auf künstlerisch-praktischem
Gebiete einen so rühmlichen Antheil habe.
Schon frühzeitig sey die Zersetzung von Flüssigkeiten in ihre Bestandtheile durch den
elektrischen Strom der Volta'schen Säule bekannt
geworden. Die Metalle scheiden bei diesem Vorgange aus ihren Salzlösungen in
eigenthümlichen Gruppirungen aus, welche zwar von Krystallisationsgesetzen bestimmt
werden, aber auf den ersten Anblick so sehr an pflanzliche Gestaltungen erinnern,
daß man sie als galvanische Bäume oder Metallvegetationen bezeichnet habe. Mit der
Darstellung solcher Vegetationen verschiedener Metalle beschäftigte sich Prof. Boettger mit besonderer Liebe. Die Benutzung dieser
Metallausscheidungen zu Kunstzwecken ward ursprünglich
durch eine bloß gelegentliche Wahrnehmung veranlaßt. In der zweiten Hälfte der
dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts beschäftigten sich nämlich unser verdienstvoller
Physiker, Hr. J. P. Wagner dahier und Prof. Jacobi in Petersburg mit der Aufgabe, den
Elektromagnetismus als bewegende Kraft zum Ersatze der Dampfkraft zu benutzen. Jacobi bediente sich zu seinen Versuchen der Becquerel'schen oder Daniell'schen Batterie, welche sich durch ihre langsame und gleichmäßige
Wirksamkeit auszeichnet. Dieselbe besteht aus einem äußeren Kupfergefäße und einer
inneren Thonzelle, worin sich der Zinkblock befindet. Der Zwischenraum ist angefüllt
mit einer gesättigten Lösung von Kupfervitriol in Wasser. Aus dieser Lösung nun
scheidet sich unter der
Arbeit der Batterie allmählich metallisches Kupfer aus, welches endlich hinderlich
wird und entfernt werden muß. Als nun Jacobi einst einen
solchen Anwuchs aus seinem Kupfergefäße herauszubrechen bemüht war, bemerkte er an
demselben mehrfache Kupferlagen, welche genau die Form des Kupferblechgefäßes hatten
und warf, in der Meinung daß letzteres sich aufgeblättert habe, dem Anfertiger
desselben vor, daß dieser schlechtes, blätteriges Kupferblech verwandt habe. Jedoch
zeigte sich bei näherer Prüfung, daß die Blätterlagen nicht der Gefäßwandung,
sondern der neuen Metallablagerung angehörten und nur die Form der Oberfläche dieser
Wandung in erstaunlich vollkommener Weise wiedergaben. Hierdurch kam Jacobi auf den Gedanken, daß man den belästigenden
Nachtheil zu einem Vortheile machen könne, wenn man die Ablagerung zur Abformung von
Gegenständen verwende. Im Jahre 1838 gab er der Petersburger Akademie Kenntniß von
seiner Entdeckung, die galvanische Wirkung zur Herstellung von Abformungen zu
Kunstzwecken zu verwenden. Kaiser Nicolaus beauftragte
den bei der kaiserlichen Staatspapierdruckerei angestellten deutschen Chemiker Klein mit der Prüfung der Anwendbarkeit und
Ausbildungsfähigkeit der Erfindung und setzte, auf günstigen Bericht, den Erfinder
in den Stand, seine neue Kunst zum Gemeingut aller Welt zu machen. Die
Galvanoplastik besteht nun darin, daß man den abzuformenden Gegenstand zum negativen
Gliede einer einfachen Daniell'schen Kette macht. Ist
derselbe leitend, z.B. metallisch, und soll nur theilweise Ablagerungen empfangen,
so macht man die zu verschonenden Stellen nichtleitend, indem man sie mit einem
Nichtleiter, z.B. Stearinsäure, Firniß u.s.w. deckt. Ist er ein Nichtleiter, so
macht man seine Oberfläche leitend, indem man eine hauchfeine Decke des zartesten
Graphit- oder Silberpulvers darauf pinselt. Der Graphit, nach Murray's Erfindung, hat sich am besten bewährt. Der
Vorgang beruht alsdann in der Scheidung des Kupfervitriols in Schwefelsäure
einerseits und Kupferoxyd andererseits, sowie des lösenden Wassers in Sauerstoff
einerseits und Wasserstoff andererseits. Die der Anode sich anschließende
Schwefelsäure verbindet sich mit dem durch den Sauerstoff des zersetzten Wassers
oxydirten Zink dieses Poles zu Zinkvitriol, welcher in Lösung übergeht, während der
an der Kathode freiwerdende Wasserstoff sich sofort wieder zu Wasser oxydirt, indem
er dem Kupferoxyde, mit welchem er hier zusammentrifft, den Sauerstoff entzieht. Es
ist also eigentlich der Wasserstoff, durch welchen die Reduction des Kupferoxydes an
der Kathode zu Kupfer vollzogen wird. Noch im Jahre 1840 stellte man durch die neue
Kunst nur kleine Abformungen z.B. von Münzen und dergleichen Gegenständen dar und
diese kamen oft unganz oder zerbrochen bei der Abnahme von der Form zum Vorschein. Professor Boettger stellte damals schon hübsche Reliefkupferplatten
dar und verfolgte außerdem die Anwendung des Galvanismus auch zur Erzielung von
Metallüberzügen auf metallischen Gegenständen, z. N. Vergoldung auf Silber, Kupfer,
Messing u.s.w. In demselben Jahre kam Hr. v. Kreß, damals
Kupferstecher, nach Petersburg und lernte durch Klein die
Galvanoplastik, so hatte Jacobi seine Kunst genannt, und
letzteren selbst kennen. Jacobi machte ihm bemerklich,
daß er mittelst der Galvanoplastik von seinen geätzten oder gestochenen
Kupferplatten vollkommene Abformungen nehmen, auf diesem Wege die Originalplatten
vervielfältigen und sich somit eine große Zahl von Abdrücken vorzüglichster Güte
sichern könne, während bekanntlich eine einzelne Platte sich bald abzunutzen und
Abdrücke von immer geringerer Güte zu liefern beginnt. Seit dieser Anregung wurde
Hr. v. Kreß Galvanoplastiker und brachte es bis 1844 zu
einer großen Vollkommenheit in dieser Kunst, welche er auf die verschiedensten
Gebiete ausdehnte. Indessen hatte Prof. Boettger
selbstständig auch bereits im Jahre 1841 eine Kupferplatte des Kupferstechers Prof.
J. Felsing in Darmstadt (Christus nach Guido Reni, 12
1/2'' hoch 9 1/2'' breit) so vollkommen abgeformt, daß Felsing die Abdrücke von der Nachformung mit denjenigen von der
Originalplatte für identisch und gleichwerthig erklärte. Der Vortragende legte diese
betreffende Reliefabformungsplatte, welche im hiesigen physikalischen Cabinete
aufbewahrt wird, sowie einen der ersten Felsing'schen
Abdrücke, welcher noch die Wand des Hörsaales schmückt, zur Ansicht vor; die
vertiefte Abformung wird im Berliner Museum aufbewahrt. Die Galvanoplastik hat sich
nun nach drei verschiedenen Richtungen ausgebildet, nämlich 1) für das Verfahren der
Metallüberzüge (Vergoldung, Versilberung,
Verkupferung, Verstählung, Vernickelung u.s.w.); 2) für die bildende Kunst, wo sie an die Stelle des bisherigen Metallgusses tritt
– hier ist sie durch Hrn. v. Kreß, welcher im
Jahre 1845 von Petersburg nach Frankfurt übersiedelte und hier, später in Offenbach,
Carlsruhe, Darmstadt, jetzt in Mainz, seine Kunstwerkstätte aufschlug, zur höchsten
Vollkommenheit gebracht, für die kleinsten Naturgegenstände, wie für die größten
Kunstwerke, vor allen die drei Kolossalfiguren des Buchdruckerdenkmals hier in
Frankfurt, sowie für landwirthschaftliche Reliefbilder nach einer eigenthümlichen
Erfindung dieses Künstlers –; 3) die vervielfältigende
Kunst, zumal zur Vervielfältigung von Stichplatten, Anfertigung von
Clichés u.s.w. In letzterer Beziehung waren noch große Fortschritte zu
machen. – Péligot hatte schon im Anfange
der Vierziger Jahre Eisenchlorür durch darüber geleitetes Wasserstoffgas reducirt und auf diese
Weise regulinisches Eisen in oktaëdrischen Krystallen und schmiedbaren
Plättchen dargestellt. Prof. Boettger machte 1846 die
ersten Versuche das Eisenchlorür durch Galvanismus zu
zerlegen und hatte sofort den besten Erfolg, fand aber auch alsbald, daß ein Gemisch
von schwefelsaurem Eisenoxydulammoniak und Ammoniumeisenchlorür sich zur
Eisengalvanoplastik besser eigne, und lehrte dieses Gemisch einfach durch gemeinsame
Solution von 2 Gewichtstheilen Eisenvitriol und 1 Gewichtstheil Salmiak in Wasser
bereiten. Als Anode benutzte er ein Eisenblech; die Kathode belegte sich sofort
spiegelblank mit metallischem Eisen. So formte Prof. Dr.
Boettger alsbald eine Guldenmünze in Eisen vollkommen
nach. Dr. Volger legte
mehrere derartige Eisenabsonderungen aus damaliger und späterer Zeit vor. Das Eisen
war von äußerster Härte, stahlartig, aber leider sehr spröde, so leicht
zerspringend, daß es oft bei der Abnahme von der Form schon zerbrach. Eine
technische Verwendbarkeit war zunächst nicht abzusehen. Erst im Jahre 1859 fand Jacquin eine solche, indem er die sogenannte Verstählung der Kupferstichplatten erfand, welche darin
besteht, daß man auf der Kupferplatte eine äußerst feine Schicht von Eisen
niederschlägt, welche die Vollkommenheit der Abdrücke nicht beeinträchtigt, dagegen
dem Kupfer durch ihre Härte einen solchen Schutz verleiht, daß letztere sich fast so
dauerhaft wie eine Stahlstichplatte erweist. Auch für dieses Verfahren erwies sich
bisher die Vorschrift des Prof. Boettger als die beste
und wurde allgemein angewandt. Boettger'sche verstählte
Kupferplatten wurden zur Ansicht vom Vortragenden vorgelegt. – Neuerdings hat
der Chemiker Klein in Petersburg gerade das Gebiet der
Eisengalvanoplastik außerordentlich vervollkommnet. Bereits im Jahre 1868 konnte
derselbe der Petersburger Akademie großartige Ergebnisse vorlegen, welche er durch
Anwendung einer Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul-Ammoniak, einer Meidinger'schen Batterie und Benutzung von Eisenblech als
Anode erzielt hatte. Klein stellt aus Eisenniederschlägen
nicht allein ganze Stahlplatten, von den zartesten bis zu den derbsten, als
Abformungen von Kupferstichplatten dar, welche nun vollends die Vorzüge des milden
Kupfers als Plattenmaterial für den Stecher mit denjenigen des stahlharten Eisens
für den Drucker vereinigen, sondern auch plast:sche Werk- und Eisenmassen zur
Verarbeitung. Allerdings ist auch Klein's
Eisenniederschlag an sich sehr spröde und brüchig; Hr. Klein fand, daß demselben Wasserstoff beigebunden sey; daher auch das
spec. Gewicht nur = 7,675 d.h. etwas höher als dasjenige des Walzeisens. Aber durch
Ausglühung gelang es, diesen Wasserstoffgehalt zu beseitigen, worauf das Eisen sich auf 7,811
verdichtete, also hierin das Schmiedeeisen übertraf und nun vollkommen schmiedbar,
höchst elastisch biegsam, wie Stahlblech, zur Schweißung fähig, kurz ein
untadelhaftes Schmiedeeisen war. Dr. Volger legte Proben vor, welche er Hrn. Klein's Güte verdankte: Stahlbleche nach
Kupferstichplatten, einen aus zusammengeschweißten Abfällen erzeugten geschmiedeten,
gefeilten und polirten Block und einen tellergroßen Schild, eine Amazonenschlacht in
getriebener Arbeit in höchster Vollkommenheit darstellend. Hr. Klein hat einen solchen von 15 Pfund Gewicht dargestellt. Die größte
Bedeutung wird die Eisengalvanoplastik zunächst erhalten durch ihre Anwendbarkeit
für Stereotypen, besonders solche zu den farbigen
Staatspapier- und Stempel- (z.B. Postmarken-) Drucken, indem
das Eisen auch die hierbei vielfach in Anwendung kommenden, dem Kupfer- wie
dem Letterngut und anderen Metallen sehr nachtheiligen Quecksilberfarben ohne allen
Schaden erträgt.
Zum Schlusse warf der Vortragende noch einen Blick auf das Auftreten regulinischer
Metalle in der Erde und auf die vor drei Jahrzehnten sehr beliebte Vergleichung des
Schichtenbaues der Erde mit einer Volta'schen Säule.
Nachdem der auch im Mineralreiche stattfindende Stoffwechsel erkannt und besonders
durch die stofflich umgewandelten Krystalle, die
„Pseudomorphosen,“ nachgewiesen worden war, zeigte Haidinger in Wien, daß man die mineralischen Umwandlungen
sämmtlich entweder als anorgane, in oxydirender Richtung geschehene, oder als
katogene, reducirte, betrachten könne. Er glaubte nun nachweisen zu können, daß
wirklich die Erdoberfläche der Anode, die Tiefe des Erdbodens der Kathode einer Volta'schen Säule entspreche. Demgemäß hätte man die
gediegenen Metalle in der Tiefe zu suchen. Allein das einläßlichere Studium der
Mineralvorkommnisse, besonders die Verhältnisse der Vergesellschaftung und
Erzeugungsreihe der natürlichen Mineralkörper habe dahin geführt, jene Anschauung
gänzlich zu verlassen. Es sey vielmehr die Einwirkung der sich zersetzenden
organischen Verbindungen, welche im Erdboden die Reduction der Metalle bewirken.
Dieß gelte insbesondere für das Kupfer, zumal aber für das nur höchst selten
gediegen vorkommende tellurische Eisen. Von letzterem wurde gezeigt, daß der
demselben eigene Graphitgehalt unmittelbar als Residuum zersetzter organischer
Verbindungen zu betrachten sey. Im Rotanger-See in Smaland (Schweden) hat man
gediegen Eisen sogar als Petrificationsmittel von Holz gefunden, welches letztere
theilweise noch mikroskopisch nach der Beschaffenheit seiner Zellen als Nadelholz
erkannt werden konnte, während die inneren Zellenräume gleichsam galvanoplastisch
mit Eisenabscheidungen erfüllt waren. Hierbei sey nun aber in keiner Weise an
Mitwirkung einer galvanischen Batterie
oder Volta'schen Säule zu denken, sondern der
Vergleichungspunkt liege nur in der chemischen Wirkung des Wasserstoffes, welcher
auch in diesem Falle, indem er aus den sich zersetzenden organischen Verbindungen
sich ausscheide, den Eisensalzen ihren Sauerstoff entziehe und so sie zu Metall
reducire.