Titel: Ueber die Anwendung der Seife in der Textil-Industrie; von Dr. H. Vohl in Cöln a. Rh.
Autor: Hermann Vohl
Fundstelle: Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXI., S. 370
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LXI. Ueber die Anwendung der Seife in der Textil-Industrie; von Dr. H. Vohl in Cöln a. Rh. Vohl, über neutrale Seifen und ihre Anwendung in der Seide-Industrie. Im Anschluß an meine früheren in diesem Journal, 1872 Bd. CCIV S. 53 mitgetheilten Untersuchungen der Kali- resp. Schmierseifen im Allgemeinen, habe ich die bei der Textil-Industrie vorzugsweise in Anwendung kommenden verschiedenen Seifensorten einer Untersuchung unterworfen und zu ermitteln gesucht, zwischen welchen Grenzen der Gehalt der verschiedenen Seifen an Alkalien und Fettsäuren schwanken kann, ohne den gewünschten Effect zu beeinträchtigen und ohne auf die betreffende Faser einen nachtheiligen Einfluß auszuüben. Der Verbrauch an Seife bei der Textil-Industrie ist ein sehr großer und kann derselbe in keiner Weise vollständig surrogirt werden. Alle Versuche, welche man in dieser Richtung mit caustischen und kohlensauren Alkalien, so wie mit freiem Ammoniak und dessen Verbindungen anstellte, haben stets zur Seifenanwendung zurückgeführt. Bezüglich der Zusammensetzung der anzuwendenden Seife ist im Allgemeinen zu bemerken, daß dieselbe selbstverständlich von dem zu erzielenden Effect so wie von der Natur der zu behandelnden Faser abhängig ist. Für den Fabrikanten ist es demnach von der größten Wichtigkeit die Bestandtheile der anzuwendenden Seife, so wie das Verhältniß derselben zu kennen. Er muß ferner die Grenzen kennen zwischen welchen der Gehalt der einzelnen Bestandtheile schwanken kann, ohne daß die anzuwendende Seife den gewünschten Effect beeinträchtigt oder einen nachtheiligen Einfluß auf die Gespinnstfaser ausübt. Bei der Textil-Industrie kommen zum Theil neutrale, zum Theil alkalische Seifen in Anwendung. Bei letzterer Kategorie kann der Alkaliüberschuß entweder als freies Alkali oder als dessen kohlensaure Verbindung in derselben enthalten seyn. Nicht selten kommen auch beide Substanzen zugleich in derselben vor. Zunächst sind die sogenannten neutralen Seifen und ihre Anwendung einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen. I.Neutrale Seifen und ihre Anwendung bei der Seide-Industrie. Die bei der Textil-Industrie in Anwendung kommenden neutralen Seifen sind zum größten Theil Oelseifen und zwar Olivenölnatronseifen. Sie finden vorzugsweise ihre Verwendung bei der Seide-Industrie, werden im Allgemeinen mit dem Namen Marseillerseifen belegt und dienen zum Entschälen (Entbasten) resp. zum Degummiren und Kochen der Seide. Dieser Entschälungsproceß ist für den Fabrikanten von der größten Wichtigkeit, indem bei unrichtiger Ausführung resp. bei Anwendung nicht dazu geeigneter Seife die Seide verdorben wird und dem Fabrikanten ein erheblicher Schaden dadurch erwachsen kann. Um die geeignete Qualität der bei diesem Proceß anzuwendenden Seife feststellen zu können, ist es vor allen Dingen nothwendig die Bestandtheile der rohen Seide und deren Eigenschaften genau in's Auge zu fassen, so wie die Functionen zu kennen, welche die Seife bei diesem Proceß übernehmen soll. Nach Mulder enthalten 100 Gewichtstheile Rohseide (Bast): Gelber Bast. Weißer Bast. Fibroïn 53,37 54,04 Gelatine 20,66 19,08 Albumins (?) 24,43 25,47 Wachs   1,39   1,11 fette und harzartige Körper   0,10   0,30 Farbstoff   0,05 ––––––– ––––––– 100,00   100,00   Im Jahre 1863 ist von Cramer eine neue ausführliche Untersuchung über die Seide veröffentlicht worden (Cramer, Untersuchung der Seide und des thierischen Schleimes. Inauguraldissertation, Zürich, 1863; Journal für praktische Chemie Bd. XCIII S. 347; polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 53; Schweizerische polytechn. Zeitschrift, 1864 S. 130.) Cramer wies nach, daß das von Mulder angegebene Albumin in der Seide fehlt und die Löslichkeit des stickstoffhaltigen Körpers in Essigsäure den Irrthum herbeiführte. Der reine Seidestoff, das Fibroïn, macht 50 bis 60 Proc. der Rohseide aus. Nach Städeler bedingt ein gewisser Gehalt an Schleimstoff (Mulder's Albumin) die Elasticität der Seide und man hat bei der Entschälung derselben insofern darauf zu achten als ein vollständiges Ausziehen der Seide, bezüglich des Schleimstoffes, dieselbe spröde und brüchig macht. Im Jahre 1869 untersuchte Mène 16 Sorten roher gelber Seide und fand hierbei im Durchschnitt folgende Werthe: Fibroïn 50,0 bis 51,4 Proc. Gelatine (in Wasser löslich) 16,0 18,5 Wachs, fett- und harzartige Körper (in Aether löslich)   1,9   2,5 stickstoffhaltige, in Essigsäure lösliche Substanz    (Mulder's Albumin) 16,8 19,0 Wasser   9,0 11,7 Asche   1,7   3,7 Aus diesen Versuchen geht hervor, daß der Fibromgehalt der Seide keinen sehr großen Schwankungen unterworfen ist, dagegen diejenigen Bestandtheile welche durch die Entschälung ganz oder theilweise zu entfernen sind, in quantitativer Hinsicht mehr variiren können und daß schließlich der Aschengehalt ganz bedeutenden Abweichungen unterworfen ist. Es ist zu bedauern daß C. Mène nicht angegeben hat, ob die verschiedenen Seidesorten von einer und derselben Art der Raupe und ob dieselben von einer oder verschiedenen Ernten herstammen. (Ch. Mène, Comptes rendus t. LXIX p. 828; Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie etc. von Adolph Strecker, 1869 S. 814.) Bezüglich des Aschengehaltes der Rohseide ist noch zu bemerken, daß auch Guinon über denselben Mittheilungen machte und den Kalkgehalt der Seide als sehr erheblich und störend bei der Vorbereitung derselben annimmt. (Guinon, de Lyon, le Technologiste, 1856; polytechn. Centralblatt, 1856 S. 506; Comptes rendus t. XLII p. 239; Journal für praktische Chemie Bd. LXIX S. 124; chemisches Centralblatt, 1856 S. 238.) Im Jahre 1860 machte A. Sobrero wichtige Mittheilungen bezüglich des nachtheiligen Einflusses welchen ein größerer Gehalt an Mineralsubstanzen (Kalk, Magnesia, Thonerde, Eisenoxyd) beim Entschälen der Seide ausübt. (Sobrero : Mémoire présenté a l'Académie des sciences de Turin, 12. Februar 1860 und Répertoire de chimie appliquée t. II p. 97; Glénard: De l'influence des bases inorganiques dans le décreusage des soies; polytechn. Centralblatt, 1857 S. 1598.) Bezüglich der Art und Weise resp. der Reihenfolge der Ablagerung der die Rohseide constituirenden Körper, ist zu bemerken daß das Fibroïn den inneren Theil, gleichsam den Kern des Fadens ausmacht und die anderen Substanzen: Gelatine, Schleimstoff, Wachs, Fett, harzähnliche Bestandtheile sowie der Farbstoff die äußere Hülle des Fadens bilden. Letztere Körper haben außer ihren speciellen Lösungsmitteln: Wasser, Alkohol, Aether und Essigsäure, noch einige gemeinschaftliche Lösungsmittel, nämlich Kali oder Natron sowie fettsaure Alkalisalze (Seife). Das Fibrom ist dagegen unlöslich in neutralen Lösungsmitteln und in Essigsäure; Alkalien und alkalische Lösungsmittel sowie starke Mineralsäuren, Schwefelsäure, Salzsäure und Salpetersäure, greifen das Fibrom an und lösen dasselbe theilweise unter Zersetzung auf. Sehr verdünnte Lösungen von caustischem Kali oder Natron lösen zwar das Fibroïon nicht sogleich auf, nichtsdestoweniger aber muß man sich in der Praxis vor der Anwendung auch der kleinsten Menge freier Alkalien hüten, weil sie der Seide den schönen Glanz benehmen, ihre Haltbarkeit beeinträchtigen und sie weich, ja sogar oft völlig breiartig machen. Das einzige alkalischreagirende Lösungsmittel für die Umhüllungsstoffe der Seide, welches das Fibrom nicht angreift, ist eine neutrale Seifenlauge. Das Entschälen der Seide. Wird die Rohseide verwebt, so erhält man einen harten, steifen und wenig glänzenden Stoff. Nur für einige Zeuge, z.B. Gaze, Blonden u.s.w. ist dieser Zustand passend, weil hier eine Geschmeidigkeit und Weichheit ebensowenig wie ein schöner Glanz beansprucht wird. Soll jedoch ein zartes, weiches und glänzendes Gewebe erzeugt werden, so muß man die Faser vorher von ihrem harzigen und gummiartigen Ueberzuge befreien. Auch muß diejenige Seide welche zum Färben bestimmt ist, dieser Procedur unterworfen werden, weil diese Hülle ein Verbinden des Fibroms mit dem Farbstoff beeinträchtigt und letzterer sich nur auf der Oberfläche der Seide ablagert, so daß oft schon lauwarmes Wasser hinreicht um die Farbe von dem Stoffe zu entfernen. Diesen Reinigungs- resp. Vorbereitungsproceß bezeichnet man mit Entschälen oder Entbasten der Seide und er zerfällt in das Degummiren (décreusage) und in das Kochen (cuite). Der Seide sollen durch diesen Proceß mit Hülfe eines passenden Lösungsmittels die Gelatine, das Wachs, die Fette, der gelbe Farbstoff und ein Theil der stickstoffhaltigen Substanz (Mulder's Albumin) entzogen werden. Die Seide erleidet dadurch einen Verlust welcher durchschnittlich 25 Proc. beträgt, der aber auch bei gewissen Sorten und in einigen Jahrgängen bis zu 38 bis 40 Proc. steigen kann. Mulder gibt an, daß die Fette, das Wachs, die Gelatine und der Farbstoff in Summa 22,3 Proc. betragen, und es geht daraus hervor, daß beim Entschälen hauptsächlich diese Substanzen der Seide entzogen werden und nur ein Theil der stickstoffhaltigen Substanz in Lösung geht. Wie schon erwähnt, ist das passendste Lösungsmittel für die Umhüllungssubstanz der Seide eine siedende neutrale Seifenlösung, und wird zu diesem Zwecke vorzugsweise Olivenölnatronseife, die sogenannte Marseillerseife, in Anwendung gebracht, obgleich auch eine jede andere neutrale Seife denselben Dienst thut und es auf die Natur der Fettsäure nicht ankommt, vielmehr ein vollständig neutraler Zustand der Seife, demnach kein Ueberschuß an Alkali, unbedingt erheischt wird. So wird außer mit Marseillerseife auch mit neutraler Palmölseife derselbe Effect erzielt. Letztere verdient außerdem bezüglich des Preises den Vorzug. Auch neutrale Olëinnatronseife thut denselben Dienst, wenn das Olëin von Stearinfabriken herrührt, welche mit Kalkverseifung arbeiten. Bezüglich der Neutralität verschiedener Olivenölseifen ist zu bemerken, daß der procentische Alkaligehalt der einzelnen Sorten variiren kann, ohne daß der neutrale Zustand der einzelnen Seifen dadurch alterirt wird. Dieses Schwanken des Alkaligehaltes verschiedener Olivenölseifen rührt von der ungleichen Zusammensetzung des verwandten Oeles her. Das Verhältniß der flüssigen Fette zu den starren ist ganz erheblichen Schwankungen unterworfen, welche durch die Cultur, den Standort und die climatischen Verhältnisse bedingt sind. Die italienischen, französischen und spanischen Olivenöle variiren, abgesehen von der Qualität, nicht unerheblich in dem Gehalt der festen und flüssigen Fettsäuren und es werden demnach auch die aus denselben bereiteten neutralen Seifen Differenzen im Alkaligehalt zeigen, ohne daß dadurch die Neutralität der an Alkali reicheren Seife gestört wird. Die verschiedenen Sorten der Olivenöle bestehen aus wechselnden Mengen von Palmitin-, Stearin- und Oelsäure, wenn man nach Heintz die Margarinsäure als ein Gemenge von Palmitin- und Stearinsäure ansieht. Da nun die verschiedenen Fettsäuren des Olivenöles auch eine verschiedene Sättigungscapacität besitzen, so ist es klar, daß Oele verschiedener Zusammensetzung ungleiche Mengen eines Alkalis sättigen. So verlangen z.B. 100 Gewichtstheile wasserfreier Palmitinsäure 12,51 Gewichtstheile Natron Oelsäure 11,35 Stearinsäure 11,27 zur Sättigung resp. zur Bildung einer neutralen Seife. Es geht unzweifelhaft daraus hervor, daß die bloße Bestimmung des procentischen Alkaligehaltes einer Seife keinen Aufschluß bezüglich des neutralen Zustandes derselben geben kann. Es muß vielmehr das gebundene Alkali neben dem möglicher Weise vorkommenden kohlensauren oder freien Alkali bestimmt werden. Eine jede Seife, welche alsdann mehr wie Spuren von freiem oder kohlensaurem Alkali zeigt, ist zur Benutzung beim Entschälen oder Kochen der Seide entweder zu verwerfen oder nur mit großer Vorsicht zu verwenden. Was die Baumölsorten anbetrifft, welche zur Darstellung der Marseillerseife Verwendung finden, so ist Nachfolgendes zu bemerken. Bezüglich der Qualität und Quantität der zu erzielenden Seife steht das sogenannte Provenceröl obenan. Auch das neapolitanische Oel liefert im Allgemeinen eine vorzügliche Seife. Das sicilianische Olivenöl liefert eine gute, aber grün gefärbte und das Oel von Aix eine citronengelb gefärbte Seife. Alle diese Oele liefern wegen ihrem hohen Gehalt an festen Fettsäuren (Palmitinsäure etc.) eine neutrale Seife von verhältnißmäßig höherem Alkaligehalt wie die Oele aus Calabrien, Corsica, Sardinien und Tunis, welche einen höheren Gehalt an Oelsäure wie die erstgenannten besitzen. Die Oele der Levante und die aus Spanien liefern zwar starkgefärbte aber zur Entschälung der Seide vortrefflich anzuwendende Fabricate. Um einen Gehalt an freiem Alkali (caustischem Alkali) in der Seife nachzuweisen und quantitativ zu bestimmen, hat man mehrere Methoden in Vorschlag gebracht, welche mehr oder minder dem Zweck entsprechen und dem analog genaue Resultate ergaben. Da die Fettsäuren selbst in den neutralen Alkalisalzen die alkalische Reaction der Base nicht aufheben, so werden selbstverständlich die neutralen fettsauren Alkalisalze eine alkalische Reaction haben und es kann das Bläuen von rothem Lackmuspapier nicht als Nachweis eines Gehaltes an freiem oder kohlensaurem Alkali gelten. W. Stein hat deßhalb eine andere Methode Vorschlag gebracht um in den gewöhnlichen Seifen freies Alkali nachzuweisen, welche darin besteht, daß man die frische Schnittfläche der zu untersuchenden Seife mit einer Auflösung von Quecksilberchlorid bestreicht und aus der Menge des ausgeschiedenen Quecksilberoxydes den Gehalt an freiem Alkali zu schätzen sucht. Zum Nachweis des freien Alkalis in den Harzseifen wendet er neutrales salpetersaures Quecksilberoxydul an. Enthält die fragliche Seife ätzende Alkalien, so scheidet sich schwarzes Quecksilberoxydul aus. (Zeitschrift für analytische Chemie, von R. Fresenius, V. Jahrg. S. 292.) Diese Methode ist jedoch in vielen Fällen unzuverlässig und eignet sich ebensowenig zur quantitativen Bestimmung der freien und kohlensauren Alkalien. Zur qualitativen und quantitativen Bestimmung des freien Alkalis in einer Seife ist nur die Aussalzungsmethode zulässig; nur sie gibt zuverlässige und genaue Resultate. Zur Bestimmung werden 20 bis 25 Grm. Seife in einem Kolben in destillirtem Wasser gelöst und der Lösung so lange feingepulvertes chemisch reines Kochsalz zugesetzt, als noch eine Ausscheidung von Seife erfolgt. Man trennt nun die Lauge von der ausgeschiedenen Seife und wäscht letztere mit reinem Salzwasser aus resp. schmelzt sie in reinem Salzwasser einigemal um. Sämmtliche Flüssigkeiten werden gemischt und im Falle dieses Gemisch auf rothes Lackmuspapier alkalisch reagirt, welches einen Gehalt an freiem oder kohlensaurem Alkali anzeigt, mit Kohlensäure behandelt und gekocht und zur Trockne eingedampft oder auf ein geringes Volumen gebracht, um sie in dem Will-Fresenius'schen Apparat auf den Gehalt an Kohlensäure zu prüfen. Gleichzeitig prüft man 10 bis 15 Grm. fein geschnittene Seife in dem Will-Fresenius'schen Apparat direct auf Kohlensäure. Stimmt der Gehalt an Kohlensäure bei beiden Proben überein, so enthielt die Seife einen Ueberschuß an kohlensaurem Alkali und geben die gefundenen Mengen Kohlensäure auch die Menge dieser Beimischung an. Stimmen die bei den beiden Proben gefundenen Kohlensäuremengen nicht überein, liefert die Seife direct weniger Kohlensäure wie die Salzlauge, so enthielt die Seife neben kohlensaurem Alkali auch noch freies Alkali, welches letztere leicht aus der Kohlensäuredifferenz quantitativ zu berechnen ist. Liefert die Seife direct keine Kohlensäure, und enthielt nur die Salzlauge Kohlensäure, so war nur freies Alkali in der Seife vorhanden, dessen Menge aus der entwickelten Kohlensäure leicht zu berechnen ist. Selbstverständlich ist die Seife frei von diesen Beimischungen, wenn bei beiden Proben keine Kohlensäure-Entwickelung stattfindet. Diese Methode liefert bei einiger Uebung sehr befriedigende Resultate und läßt sich sowohl bei Natron- wie Kaliseifen anwenden, nur mit dem Unterschiede, daß in letzterem Falle statt Kochsalz reines Chlorkalium in Anwendung kommt. Kommen Natron und Kali zusammen in der Seife vor, so kann nur eine ausführliche chemische Analyse die gewünschte Auskunft geben. Letzteres ist jedoch sehr selten der Fall und kommt fast niemals bei guten Seideentschälungsseifen vor. Ich darf hier nicht unerwähnt lassen, daß schon 1853 Calvert einen Versuch gemacht hat, die Seifen, welche zu verschiedenen technischen Zwecken Verwendung finden, einer Prüfung zu unterwerfen, um zu ermitteln, welche Zusammensetzung eine Seife zu einem bestimmten Zwecke, z.B. Entschälen der Seide, Waschen der Wolle und Schönen (Aviviren) der Krappfarben, haben muß. Er kam zu dem allgemeinen Resultate, daß eine Seife welche sich zum Entschälen der Seide eignet, nachfolgende Zusammensetzung haben müsse: Fettsäuren 61,9 Natron 8,1 Wasser 30,0 ––––– 100,0 (Calvert, aus dem Manchester Guardian vom 12. Februar 1853 in Chemical Gazette 1853 p. 115; polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 213; Jahresbericht von Liebig und Kopp, 1853 S. 739.) Demnach soll nach Calvert die wasserfreie Seife in 100 Gewichtstheilen enthalten: Fettsäuren 88,438 Natron 11,562 ––––––– 100,000 oder auf 100 Gewichtstheile Fettsäure müßten 13,074 Gewichtstheile Natron kommen. Dieser Natrongehalt einer zum Entschälen der Seide zu benutzenden Seife ist von Calvert zu hoch gegriffen, wenn er denselben für Olivenölseife angenommen hat. Nur in dem einen Falle, daß zur Darstellung Cocosöl angewendet wird, kann der Natrongehalt so hoch sich steigern. Die Cocossäure verlangt nämlich auf 100 Gewichtstheile 15,12 Gewichtstheile Natron und kommt im Cocosöl mit Oelsäure gemischt vor. Der durchschnittliche Natrongehalt einer guten Entschälungsseife geht aus der nachfolgenden Zusammenstellung hervor. Zusammenstellung der Analysen verschiedener Olivenöl-Seifen, welche zum Degummiren und Kochen resp. zum Entschälen der Seide benutzt und mit dem Namen „Marseiller-Seife“ belegt werden. (Frei von kohlensauren und freien Alkalien.) In 100 Gewichtstheilen sind enthalten: Textabbildung Bd. 210, S. 378 Die gelbe Elberfelder Seife enthält Cocosöl. Seife aus Marseille; aus Elberfeld (gelb) (grün); aus Düsseldorf (weiß); nach Bolley; Thenard; D'Arcet; Vohl; Fettsäuren; Natron (gebunden); Kali (gebunden); schwefelsaures Natron und Chlornatrium; Wasser; Verlust; Die wasserfreien Seifen werden demnach in 100 Gewichtstheilen enthalten: Es kommen also auf 100 Gewichtstheile Fettsäure Gute wasserfreie Marseillerseife, welche ohne Nachthell bei der Seide-Industrie Anwendung findet, enthält durchschnittlich in 100 Gewichtstheilen, Fettsäure 88,469 und Natron (gebunden) 11,531. Ein größerer Natrongehalt, selbst als kohlensaures Salz: ist nachtheilig wenn nicht besondere Gründe, z.B. Härte der Seide, Krankheit der Raupe oder mangelhaftes Futter, sowie großer Kalkgehalt des zum Abhaspeln benutzten Wassers, denselben bedingen. Nach den Versuchen von B. Unger gebrauchen 100 Gewichtstheile Cocosöl 13,36 Gewichtstheile Natron zur Verseifung. (Polytechn. Journal Bd. CXCI S. 400; Jahresbericht von A. Strecker 1869 S. 1044). Bezüglich eines Ersatzes für die Seife beim Entschälungsproceß muß noch bemerkt werden, daß Bolley den Borax empfohlen hat und daß er besonders für die erste Operation des Entschälens, also beim „Degummiren“ mit Vortheil anzuwenden ist. Dieser Vorschlag Bolley's verdient alle Beachtung, weil dadurch eine große Seifenersparniß erzielt wird und außerdem der Borax leicht wiedergewonnen werden kann. (Polytechn. Journal Bd. CXXV S. 329; Jahresbericht von Liebig und Kopp, 1852 S. 822.) Wie schon angegeben, enthält die Rohseide eine nicht unerhebliche Menge Mineralsubstanzen, welche besonders beim Entschälen störend einwirken. Besonders sind es Kalk und Magnesia, welche theils in der Seide schon vorhanden waren, theils auch durch kalkhaltiges Wasser beim Abhaspeln sich auf der Rohseide ablagerten resp. aufgenommen wurden, welche dem vollständigen Entschälen einen Widerstand entgegen setzen. Wie alle Kohlenhydrate, so hat auch die Gelatine der Seide das Vermögen, Kalk und Magnesia zu lösen und resp. aus dem kalk- und magnesiahaltigen Wasser diese Körper aufzunehmen. Auch enthält die Umhüllung des Fibroms von Hause aus schon oft erhebliche Mengen dieser alkalischen Erden. Kommt nun eine derartige Seide mit Seife in Berührung, so bilden sich sofort unlösliche Kalk- und Magnesiaseifen, welche sich theils auf der Seide ablagern und die Einwirkung der Seife hemmen, theils einen Niederschlag in der Seifenlösung hervorrufen und dieselbe milchig trüben. Die emulsionsähnliche Beschaffenheit der ausgenutzten Seifenauflösungen beim Degummiren rührt zum größten Theil von dem Kalk- und Magnesiagehalt der Seide her. Eine Seide, bei der eine solche Ablagerung stattgefunden hat, entbehrt eines schönen Glanzes und wird nach dem Trocknen spröde. Sie muß durch Behandeln mit sehr verdünter Salzsäure oder Schwefelsäure, alsdann Auswaschen in Nasser und Anwendung eines nachträglichen verdünnten Seifenbades von der Kalk- und Magnesiaseife befreit werden. Ueber die Wiedergewinnung der in den ausgenutzten Seifenlaugen enthaltenen Fettsäuren werde ich später Mittheilungen machen. (Die Fortsetzung folgt.)