Titel: Theorie und Praxis der Schnellessigfabrication; von Paul Pfund, Chemiker.
Autor: Paul Pfund
Fundstelle: Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LXXV., S. 367
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LXXV. Theorie und Praxis der Schnellessigfabrication; von Paul Pfund, Chemiker. (Fortsetzung und Schluß von Seite 300 des vorhergehenden Heftes). Pfund, über Theorie und Praxis der Schnellessigfabrication. B. Inanspruchnahme der Leistungsfähigkeit eines Essigbilders. Wie bereits in dem schon öfters angezogenen Capitel „Ueber die Rolle des Ansäuerungsessigs“, bewiesen wurde, findet nach jedem Aufguß im Füllmateriale eines Bilders eine mehr oder weniger vollständige Bewegung des „Ansäuerungsessigs“ nach unten statt, so zwar, daß man in der am Siebboden gleichzeitig abtropfenden Flüssigkeit nichts anderes, als den aus der tiefsten Füllungszone durch den Essig der nächst höheren Schichten verdrängten „Ansäuerungsessig“ zu erblicken hat. Bei tadelloser Construction und sorgfältiger Beschickung eines Generators wird der Ablauf durchaus keine Theile des so eben Aufgegebenen enthalten, sondern das Oxydationsproduct früherer Aufgüsse vorstellen, welche auf ihrem langsamen Weg durch die Füllung, von Ansäuerungsessig umgeben, mit Solchem gemischt, selbst ihrem gesammten Alkoholgehalte nach in Essig verwandelt wurden. Fällt der Zeitpunkt, wo der letzte Antheil an Alkohol verschwunden ist, mit dem Augenblick zusammen, in welchem die Flüssigkeit das Füllmaterial verläßt, so hat man dem Apparate genau soviel Arbeit zuertheilt, als demselben bei Constanz der soeben behandelten Factoren zur Säuerung wirklich zukommt, d.h. man hat den Apparat genau auf seine Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen. Die Consequenzen eines solchen Verhältnisses im Bilder seyen durch folgenden nicht genug zu beherzigenden Grundsatz ausgedrückt: Ein Essigbilder arbeitet nur dann mit dem größten Vortheil, wenn er auf seine ganze Leistungsfähigkeit, aber auch nur auf diese in Anspruch genommen wird. Dieß ist nicht etwa nur der Fall, weil so das Anlagecapital am vollständigsten zur Verwerthung kommt, sondern weil andernfalls directe Verluste an Material unausbleiblich sind, ja bei starker Abweichung geradezu der Ruin des Ansäuerungsessigs herbeigeführt werden kann. Da sich nun die Wirksamkeit eines Essigbilders mit jenen Verhältnissen verändert, die mit Recht die Factoren der Leistungsfähigkeit genannt werden konnten, so wird man von einen: Apparat nur dann gleichgünstige Resultate erhalten, d.h. – derselbe wird nur dann das Maximum des übergebenen Alkohols als Essigsäure wieder abliefern, – wenn man entweder diese Factoren möglichst constant zu erhalten sucht, oder bei eintretender Veränderung der letzteren die Inanspruchnahme an die Leistung des Bilders entsprechend modificirt. Ist die von einem Bilder beanspruchte Leistung während längerer Zeit und bedeutend verschieden von der effectiven Leistungsfähigkeit desselben bei den gegebenen Factoren, so treten jene gefürchteten Unfälle ein, an denen so viele Essigfabrikanten jahraus jahrein laboriren. Verfasser will dieselben hier einer ausführlicheren Betrachtung unterziehen, zugleich auch die Mittel angeben, derartige Bilder (oder vielmehr den Ansäuerungsessig derselben – denn hierauf kommt es ja immer wieder an), wieder herzustellen. I. Die Leistungsfähigkeit eines Bilders wird zu wenig in Anspruch genommen. Beschickt man einen in reger Thätigkeit befindlichen Bilder zu schwach oder gar nicht, läßt man ihm zu wenig Alkohol zur Oxydation zukommen, so daß dieser schon längst vollständig gesäuert ist, ehe die Flüssigkeit das Füllmaterial verläßt, so findet bald ein heftiger Angriff auf den Ansäuerungsessig selbst statt. Ein längeres Aussetzen mit den Aufgüssen, oder die plötzliche Verwendung bedeutend schwächeren Essigguts, ist um so gefährlicher, je lebhafter der Bilder zuvor in Thätigkeit stand, je höher vor Allem seine innere Temperatur gestiegen war, und wird ganz gefahrlos, wenn letztere in Folge niederer Localwärme successive so weit in das Fallen kommt, daß schließlich die Oxydation ganz von selbst gleich 0 ist, wobei natürlich vorausgesetzt wird, daß man entsprechend der Temperaturabnahme mit dem Spirituszusatz herunterging. Verfasser kennt einen Essigfabrikanten, der seine Bilder regelmäßig während der Monate October und November auf diese Manier zum Stillstand brachte, ohne fühlbare Verluste an Ansäuerungsessig zu haben, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß seine Apparate sehr klein waren. Bei einem in kräftiger Arbeit befindlichen Bilder hingegen, findet durchaus kein Stillstand der chemischen Action im Inneren des Füllungsmateriales statt: Sobald der Weingeist aus dem Bilder vollständig verschwunden ist, findet eine weiter gehende Oxydation des fertigen Essigs, eine Umwandlung desselben in Kohlensäure und Wasser statt, und zwar geschieht dieß zunächst in den tiefsten Schichten des Apparates. Die Kohlensäure entströmt dann, vermöge ihres hohen specifischen Gewichtes, oft in solchen Massen den Zuglöchern des Bilders, daß eine brennende Kerze auf mehrere Fuß Entfernung verlöscht und der Zug natürlich ein umgekehrter zu seyn scheint. Die Temperatur hält sich dabei auf einer bedeutenden Höhe, Beweis genug, daß diese Consumtion des Essigs außerordentlich schnell verläuft, wofür man allerdings so wie so in der rapid fallenden Essigstärke den traurigsten aber sichersten Beleg in den Händen hat. Ein solcher Zustand muß dem Fabrikanten ein sehr bedenkliches Zeichen seyn, dem vollständigen Ruin seiner Füllung schleunigst entgegen zu arbeiten. Zu diesem Zwecke muß man entweder dem Bilder ein sehr starkes Quantum von Alkohol zur Verarbeitung übergeben, oder man muß zur Beschickung eine schwierig und langsam oxydirbare Mischung anwenden, dabei aber stets auch die anderen Factoren derartig umzuändern suchen, daß sie dem augenblicklichen Mißstande entgegenwirken. Verfasser sah sich Essigfabrikanten dadurch helfen, daß sie verhältnißmäßig große Massen unvermischten oder doch nur schwach verdünnten Alkohols aufgossen, der natürlich großentheils durch Verdampfung verloren ging. Mindestens ebenso zuverlässig und gewiß weit rationeller, kann man die gefährdeten Bilder auf dem zweiten Weg restauriren: Man verstopft alle Zuglöcher des Bilders, um zunächst dem Nachdringen der Luft von oben, und damit einem weiteren Angriff des Essigs eine Grenze zu setzen. Hierauf macht man einen voluminösen Aufguß von starkem Essig, den man mit 3–4 Proc. Spiritus versetzt und läßt etwa 2 Stunden mit geschlossenen Löchern stehen; nach dieser Zeit lüftet man dieselben, doch nur auf etwa 1/2 Stunde, d.h. nur auf solange, bis man annehmen zu dürfen glaubt, daß der obere Theil des Bilders etwa eben soweit mit Luft gefüllt ist, als die aufgegossene Flüssigkeit eindrang, während der untere Theil des Bilders stagnirende Kohlensäure enthält. Diese Manipulation wird solange wiederholt, bis ein Ausströmen von Kohlensäure beim Lüften der Zuglöcher nicht mehr stattfindet, sondern an Stelle des Blasens das normale Einsaugen der Luft wiederum getreten ist. Während des obigen Experimentes sorgt man im Local für möglichst gute Ventilation und niedere Temperatur der Luft, um so den Proceß thunlichst zu beschleunigen. Sobald wieder ein regelmäßiger Wechsel der Luft im Inneren des Apparates eingetreten ist, beschickt man die Bilder bei bleibend geöffneten Zuglöchern wie gewöhnlich, wobei es aber vortheilhaft ist, dem Gut etwa 25 Proc. fertigen Essigs zuzusetzen und an Stelle der „Rückgüsse“ anderwärts beschafften kräftigen Essig zu benutzen, bis der Ablauf selbst wieder die normale Stärke erreicht hat. Die Leistungsfähigkeit eines Bilders wird überschritten. Ist unter günstigen Verhältnissen ein Generator gerade im Stande, die ihm aufgegebene Mischung vollständig zu säuern, so wird dieß nicht mehr der Fall seyn, wenn einer oder mehrere der besprochenen Factoren in ein der Säuerung ungünstigeres Verhältniß treten. Als Nächstliegende Folge tritt ein starker Gehalt des Ablaufes an unverändertem Alkohol ein. Während derselbe bei regulärem Betrieb nur in Spuren, 1/4 bis 1/2 Proc. vorhanden ist und auch vorhanden seyn soll, steigt derselbe nun bis auf 1, 2, 3 ja 6 Proc., während gleichzeitig die Temperatur im Inneren eine immer niederere wird, sich der Localwärme immer mehr nähert. Außerdem aber bleibt die Oxydation theilweise auf halbem Wege stehen, indem sich reichliche Mengen Aldehyd bilden, das größtentheils zwar mit der Luft entweicht, doch auch im ablaufenden Essig noch nachzuweisen ist. Diese Aldehydentwickelung tritt jedoch vorzugsweise nur im Anfang des Rückganges im Bilder auf, scheint aber mit dem weiteren Fortschreiten der schwächer werdenden Oxydation wieder aufzuhören. Es ist leicht ersichtlich, daß entgegengesetzt dem vorigen Falle, hier die Schwächung des Essigs zunächst in den oberen Schichten, der Füllung eintritt, daher ein Auftreten von Spiritus und Aldehyd im Ablauf, den Beweis liefert, daß der gesammte Inhalt des Bilders bereits ein spirituöser geworden ist, und nicht etwa nur besagt, daß eine unvollkommene Oxydation des gerade Aufgegossenen stattgefunden hat. Zur Wiederherstellung des Bilders können folgende Maaßregeln dienen: Man verringert zunächst den Zusatz an Alkohol zum Essiggut, indem man etwa, falls man zehnprocentige Mischung verwendete, diese auf 7–8 Proc. reducirt, ja es ist vortheilhaft bisweilen ganz mit den Aufgüssen auszusetzen, und den Bilder auch während des Tages einige Stunden ruhen zu lassen. Den Ablauf setzt man, solange er stark alkoholhaltig ist, bei Seite, um ihn später etwa zur Beimischung zum Essiggut zu verwenden, und benutzt zum „Rückguß“ wie vorhin, lieber starken anderweits beschafften Essig, dem man vortheilhaft, ebenso wie der Mischung, eine Temperatur von 18°, höchstens 20° R. gibt. Gleichzeitig fucht man die Temperatur des Locales möglichst aus 16 bis 18° R. – bei größeren Bildern, – auf 18–22° – bei kleineren Bildern – zu erhalten, ohne dabei eine genügende Ventilation zu verabsäumen. Bei sehr heruntergekommenen Bildern kann man übrigens bei dieser Gelegenheit einen sehr geringen Posten eines sogenannten Fermentes zusetzen, und als solches Honig, Syrup, Malzabsud, Malzextract, Bier u.s.w. verwenden. Dieß geschieht, indem man eine entsprechende kleine Menge in Essig vertheilt, und von dieser verdünnten Lösung zu mehreren Aufgüssen beifügt. Es ist nämlich nicht zu läugnen, daß ein solcher Zusatz bei zu schwach arbeitenden Bildern, die Temperatur im Inneren zu erhöhen, die Oxydation zu beleben vermag; aber auch nur bei diesem einen Nothfalle, sonst nie, kann der Verfasser eine solche Beifügung statthaft finden: Ein Bilder von richtiger Construction wird bei sachgemäßer Leitung des Betriebes stets ein Fabricat liefern, das weder an Quantität noch an Qualität durch ein Ferment gebessert werden kann. Im Gegentheil findet jedenfalls eine Verschlechterung des Ablaufes, ja sogar eine Gefährdung des Bilders statt (siehe: „Stichhaltigkeit des Begriffes „Essiggährung“ ), wenn man in einen gut arbeitenden Apparat derartige fremde Zusätze bringt, um größere Ausbeute zu erzielen. Während obiger Aufbesserungsarbeit ist übrigens eine fortwährende Beobachtung des in den Bilder eingelassenen Thermometers ganz unerläßlich: Sobald ein regelmäßiges Steigen desselben bemerkbar ist – selbst wenn auch die Normaltemperatur noch lange nicht erreicht wurde – stellt man die erwähnten Maaßregeln, als Erwärmung des Aufgusses, Zusatz von „Ferment“ sofort ein: Das Steigen der Temperatur darf weiterhin nur eine Folge der wieder belebten chemischen Action seyn. Wenn in einer Essigfabrik die so eben angeführten Unfälle nicht eintreten, so ist dieß durchaus noch kein Beweis, daß die Bilder allezeit gut und vortheilhaft gearbeitet haben. Auch ohne daß geradezu die gesammte Arbeitsfähigkeit einer Füllung gefährdet wurde – und nur dann eigentlich spricht man ja von einem Unfall – können Verluste nach den oben behandelten Richtungen zu stattgefunden haben. In der That legen die meisten Essigfabrikanten, deren Essigfabrik nun einmal nicht derartig beschaffen ist, daß sie sich die Factoren für die Leistungsfähigkeit annähernd constant erhalten können, viel zu wenig, oder gar keinen Werth darauf, die Leistung, welche sie von ihren Bildern verlangen, abhängig zu machen von den gleichzeitig gegebenen äußeren Verhältnissen. Sie trauen beispielsweise ihren Apparaten zu, im Winter bei einer Localwärme von vielleicht 9 bis 12° R. dasselbe Quantum eines gleichzusammengesetzten Essiggutes vollständig zu oxydiren, wie im Sommer bei einer äußeren Temperatur von 22 bis 25° R., ohne zu bedenken, daß ihre Bilder nur während eines bestimmten Zeitraumes, nur während ganz bestimmter Verhältnisse mit einem Minimum an Verlusten arbeiten konnten, nach beiden Seiten hin aber, eine Zunahme an verlorenem Alkohol stattfinden muß. Im Winter wird der Essig bedeutende Mengen unveränderten Alkohols enthalten, im Sommer wird der Bilder selbst mehrere Grade an Essigsäure wieder zu nichte machen, und je weniger der Fabrikant der einen Calamität ausgesetzt ist, desto mehr hat er die andere zu befürchten. Die größte Gefahr liegt aber darin, daß ein Essigfabrikant leicht den verkehrten Weg zur Restaurirung seiner Bilder einschlägt, wenn ihn, als Folge schlechter Construction oder mangelhafter Leitung eine plötzliche Schwächung seines Fabricates überrascht, indem er beispielsweise – und gerade dieß kommt häufig vor – bei einem zu stark beschickten Bilder, die verschwundenen Säureprocente durch Alkohol zu erzwingen gedenkt. Daß dadurch das Gegentheil von Verstärkung erreicht wird, ist nach Obigem selbstverständlich. Es ist daher von der durchgreifendsten Wichtigkeit, bei einer Abnahme der Essigstärke zunächst die factische Ursache derselben zu ermitteln, und können dabei folgende Angaben als sicherer Anhalt dienen: Eine Consumtion von Essigsäure findet statt: Bei einer sehr hohen Temperatur im Inneren des Bilders; bei einem in Anbetracht der Differenz zwischen Bilder- und Localwärme auffällig geringem, ganz verschwindendem oder gar entgegengesetztem Zug im Bilder; bei gänzlicher Abwesenheit von Alkohol im Ablauf; bei stark auftretendem geistigem Geruch im Local. Eine unvollkommene Oxydation ist die Ursache des Rückganges: Bei einer verhältnißmäßig niederen Temperatur im Inneren des Bilders; bei einem bedeutenden Gehalt des Essigs an Alkohol, bei Anwesenheit von Aldehyd im Ablauf und in der aus dem Bilder entweichenden Luft, welche dann scharf obstartig riecht. Es würde den Verfasser zu weit führen, an dieser Stelle die verschiedenen Untersuchungsmethoden des Essigs auf seinen Gehalt an Säure, Weingeist und Aldehyd einer eingehenderen Behandlung zu unterwerfen. Es sey daher nur erwähnt, daß die Untersuchung auf Säure nach der Otto'schen Methode (mit Hülfe von Normalammoniak) eine auch für den Laien leicht ausführbare ist, und für die Praxis genügend genaue Resultate ergibt. Zur quantitativen Prüfung des Essigs auf Alkohol, gibt Geißler's Vaporimeter zwar nicht absolut genaue, doch relativ gut verwerthbare Resultate. Anhang. Der Verfasser glaubt im Interesse mancher Leser zu handeln, wenn er zum Schluß seiner Betrachtungen, die rein praktische Einrichtung einer Essigfabrik, welche nach obigen Principien vom Verfasser eingerichtet wurde und noch unter seiner Leitung steht, in gedrängten Zügen vorführt. Die betreffende Essigfabrik bildet einen wichtigen Bestandtheil der chemischen Fabrik der Firma Elb und Pfund in Blasewitz bei Dresden; ihr Product dient ausschließlich zur Darstellung reinen essigsauren Bleioxydes. Der auf 50 Bildern mittlerer Größe (1 Meter Weite und 2 Meter Füllungshöhe) erzeugte Essig beträgt seiner Menge nach ca. 2200 Liter pro Tag, bei einem Gehalt an Essigsäurehydrat von 6,7 bis 7 Proc. Bei Einrichtung der Fabrik verfolgte der Verf. vor Allem die Tendenz, den Betrieb der Essigbilder von der Intelligenz der Arbeiter möglichst unabhängig zu machen, und dabei gleichzeitig an Arbeitskräften überhaupt thunlichst zu sparen. Wie weit dieß gelungen, erhellt daraus, daß der Zutritt zu den Essigstuben den Arbeitern vollständig versagt werden konnte, und nur einer der Besitzer selbst, oder eine Vertrauensperson des Tages ein- oder zweimal, auf wenige Minuten, die Essiglocale zu inspiciren braucht, um des zuverlässigsten Ganges im Betriebe vollkommen sicher zu seyn. Alle Arbeiten, welche auf die Essigfabrik Bezug haben, werden außerhalb der Loyalitäten der letzteren von zwei Leuten in täglich etwa 4 Stunden vorgenommen, ohne daß von diesen Arbeitern, welche während des größten Theiles des Tages in anderen Räumen der Fabrik beschäftigt sind, nur im Geringsten eine Kenntniß der Essigfabrication erfordert würde. Um dieß zu erreichen, muß 1) das Aufgießen der Flüssigkeit, 2) die Vertheilung derselben auf die Oberfläche der Füllung, 3) das Ablaufen des fertigen Essigs in ein Reservoir vollständig automatisch geschehen, und wird dieß folgendermaßen bewerkstelligt: Die Bilder selbst befinden sich in einer geräumigen, doch wohlabgeschlossenen Parterrelocalität, während die Bottiche, welche die zur Speisung dienenden Flüssigkeiten (Essiggut und fertigen Essig zum „Rückguß“ ) enthalten, über der Essigstube, in der ersten Etage des Gebäudes aufgestellt sind. Die Reservoire welche den fertigen Essig aufnehmen, stehen in einem dicht neben und unter der Essiglocalität befindlichen Kellerraum. Die Beförderung der zum Speisen dienenden Essig-, Wasser- und Spiritusmengen aus dem Keller, beziehentlich dem Parterre in die erste Etage, geschah früher in Kübeln mit Hülfe einer Winde, geschieht zur Zeit mittelst einer aus Gutta-percha und Glas construirten Pumpe, durch die so eben erwähnten beiden Arbeiter; jetzt sind die Besitzer beschäftigt, Einrichtungen zu treffen, welche dazu dienen, diese Arbeit durch Dampfkraft verrichten zu lassen, da ihnen überflüssiger Dampf zur Verfügung steht. Zur Leitung des gesammten Essigbetriebes dient dann eine Person, – und zwar ein Böttcher, welcher so wie so der Fabrik ständig angehört, und außerdem für Instandhaltung der Bilderreifen zu sorgen, und Versandtfässer für Bleizucker zu verfertigen hat. Eine größere Ersparniß an Arbeitskräften ist wohl kaum noch denkbar, und schon die jetzige von um so bedeutenderen Vortheil, als damit eine größere Zuverlässigkeit verbunden ist, als bei Handbetrieb je stattfinden kann. Findet der Fabrikant bei einer Inspection der Fabrik die automatischen Vorrichtungen in gutem Stande, so hat er den Beweis in der Hand, daß seine Bilder regelmäßig durch dieselben beschickt wurden, einen unendlich mal sicheren Beweis, als er ihn in den Betheuerungen der Arbeiter, und in der gleichzeitigen Stärke seines Essigs haben kann, wo sich vorgekommene Unregelmäßigkeiten ja meist erst zeigen, wenn schon eine bedeutende Schädigung des Bilderinhaltes stattgefunden hat. Das automatische Aufgießen geschieht durch das sogenannte Heberfäßchen. Dieses ist ein kleines bottichförmiges Gefäß von etwa 6 bis 10 Liter Inhalt, in dessen Inneren sich ein Glasheber befindet, dessen längerer Schenkel durch den Boden des Fäßchens geht, während der kürzere nahe dem Boden im Inneren ausmündet. Aus der, von der ersten Etage herabkommenden Hauptleitung, mündet nun ein Seitenröhrchen in diesen kleinen Apparat, in welchen das Essiggut und zwar in genau regulirbarer Menge einfließt. Das Fäßchen wird sich in einer genau zu bestimmenden Zeit soweit anfüllen, bis die Biegung des Hebers und der Flüssigkeitsspiegel in einer Ebene liegen, worauf eine Ansaugung des Hebers und eine Entleerung des gesammten Fäßchens in die darunter befindliche Vertheilungsvorrichtung stattfindet. Man kann das Einströmen der Flüssigkeit beliebig so reguliren, daß ein solcher Aufguß alle halben, alle ganzen, alle zwei Stunden stattfindet. Die Vertheilungsvorrichtung ist ein sogenanntes Spritzrad und derart construirt, daß die aufgegossene Flüssigkeit aus vielen feinen, – an zwei bis an den Rand des Bilders gehenden Armen befindlichen – Oeffnungen auf die Füllung ausgespritzt wird, während sich diese Arme durch Wirkung des „hydraulischen Rückstoßes“ selbstthätig in schnelle Umdrehungen versetzen. Die Flüssigkeit wird dadurch als ein feiner Regen über alle Theile der Füllung gleichmäßig ausgegossen. Der Ablauf der Bilder ist ein constanter, kein periodischer, wie dieß in den meisten Essigfabriken noch der Fall ist. Es hat natürlich durchaus keine Schwierigkeiten, die Abläufe aller Apparate, oder die Ausflüsse der Bilder, die in den Systemen die nämlichen Functionen einnehmen, in Hauptrohren zu vereinigen, und sie so den tiefer stehenden Reservoiren zuzuführen. Wie oben schon bei Gelegenheit erwähnt, geschieht die Heizung und Ventilation sehr vollkommen mit Hülfe eines Calorifère. Der letztere steht im Kellerraum, in unmittelbarer Nähe einer breiten schiefen Ebene, welche den Keller mit dem Bodenniveau verbindet. Aus dieser vollkommen luftigen schiefen Ebene saugt der Calorifère die Luft in frischem kühlem Zustande auf, und befördert sie durch viele in dem Boden befindliche Oeffnungen in den Raum der Essiggeneratoren selbst. Die höhere Temperatur in letzterem, oder da diese im Hochsommer nicht vorhanden seyn darf, die Verbindung der oberen Ventilationscanäle mit dem Fabrikschornstein, bewirken auch ohne Heizung des Calorifère, ein kräftiges Einströmen von frischer Luft. Die Art der Beschickung kann bei dieser Einrichtung beliebig modificirt werden: Man kann jeden Bilder für sich, man kann dieselben in Systemen arbeiten lassen, – man kann beliebig lange – natürlich nur bis zur Grenze des Vortheilhaften – Essiggut auflaufen lassen, um dann entsprechende „Rückgüsse“ zu machen. Nie wird man wie bei dem Handbetrieb mit jedem Aufguß wechseln. Verfasser gießt ohne jeden Nachtheil 6 Stunden lang Essiggut, und hierauf 10 bis 12 Stunden lang „Rückguß,“ der allerdings nicht das gerade Abgelaufene enthält, auf die Bilder auf. Doch ist es in letzterer Beziehung leicht, auch die eigentliche Bedeutung des „Rückgusses“ aufrecht zu erhalten, was zur Beruhigung allzu ängstlicher Gemüther bemerkt seyn mag. Zur schnellen Umschaltung der Leitung, sowie zur Fixirung des Quantums von Essig oder Essiggut, welches auf einmal aus den Bottichen in die Bilder übergeführt werden soll, dient eine Vorrichtung an den Bottichen selbst, welche dieß durch einen einzigen Handgriff ermöglicht, deren Beschreibung indeß hier zu weit führen würde. Der Verfasser erbietet sich nochmals, soweit seine Zeit reicht, schriftlichen Anfragen, Theorie oder Praxis betreffend, bereitwilligste Antwort zu ertheilen, indem er nochmals damit die Bitte verbindet, sein Bestreben die „Essigbereitungsanstalten“ des Namens „Fabrik“ immer würdiger zu machen, freundlichst zu unterstützen. Zum Schluß sey noch bemerkt, daß die Firma Elb und Pfund bereit ist, die vollständige Einrichtung derartiger Essigfabriken jeden Umfanges unter Garantie des Erfolges zu übernehmen, was indeß mit obigem Privat-Anerbieten in keinerlei Beziehung steht. Blasewitz, bei Dresden, im Februar 1874.