Titel: Ueber das Lupulin; von Dr. Griessmayer.
Autor: Griessmayer
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XI., S. 68
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XI. Ueber das Lupulin; von Dr. Griessmayer. Griessmayer, über das Lupulin. Die Wahrscheinlichkeit, daß im Hopfen ein Alkaloid stecke, ist schon mehrfach betont worden und wurde am meisten nahe gelegt durch Dr. Lermer, welcher in seiner Abhandlung über den Bitterstoff des Hopfens (Vergl. polytech. Journal 1863, Bd. CLXIX S. 54) eines Körpers gedenkt, der aus weißen, schilfartigen mikroskopischen Krystallen besteht und beim Schmelzen entfernt hornartig riechende Dämpfe entwickelt. Indeß sagt er selbst: „Seine Menge ist nur sehr unbedeutend, so daß es mir noch nicht möglich war, seine Natur als Alkaloid, worauf seine Gewinnung und sein Stickstoffgehalt entschieden hindeuten, festzustellen.“ Wenn nun auch entfernte Gerüche von sehr zweifelhafter Beweiskraft für den Stickstoffgehalt eines Körpers sind, so machte doch die Art der Gewinnung das Vorhandensein eines Alkaloides wahrscheinlich, und es wird sich im Verlaufe dieser Abhandlung zeigen, daß eine Verwechslung dieses neutralen Körpers mit dem alkalisch reagirenden Alkaloide zu den nahe liegenden Irrthümern gehört. Nachdem ich mir die Aufgabe gestellt hatte, die Frage nach dem Alkaloide endlich positiv oder negativ zu entscheiden, unternahm ich eine Reihe von Voruntersuchungen mit wässerigen, alkoholischen und ätherischen Hopfenauszügen, deren wechselvolles Spiel ich hier nicht reproduciren will, obwohl ich gelegentlich darauf zurückkomme. Es genügt zu bemerken, daß ich, einen Körper suchend, deren vier entdeckte, wovon drei so viele Eigenschaften gemeinsam haben, daß ich manchen falschen Weg einschlug, bis ich sie neben einander erkannte. Das so beliebte Neßler'sche Reagens z.B. läßt hier vollständig im Stich, weil es mit allen drei Körpern denselben Niederschlag gibt; die Phosphorwolframsäure verhält sich ähnlich, und die Phosphormolybdänsäure reagirt umgekehrt auf gar keinen. Ich gehe gleich über zu der Methode der Untersuchung, welche ich als die praktischste verwendete. 10 Pfund Hopfen geringer Qualität wurden mit circaeirca 3 Hektoliter Wasser aus hiesiger Brauerei drei Stunden lang gekocht, dann zur Entfernung des Hopfens über den Hopfenseiher auf die Kühle gelassen, wieder in den Hopfenkessel zurückgebracht und nach weiterem siebenstündigem Einkochen auf ein Volum von 70 Liter concentrirt. Die eine Hälfte dieses Decoctes wurde mit Aetzkali, die andere mit Magnesia usta destillirt, und so circa 25 Liter Destillat gewonnen. Beide Destillate reagirten stark alkalisch, rochen heftig und unzweifelhaft nach Trimethylamin und daneben etwas ammoniakalisch; mit Essigsäure gaben sie sehr schwache, mit Salzsäure sehr starke Nebel. Mit salpetersaurem Kobalt behandelt, ergaben beide Niederschläge; doch war die darüber stehende Flüssigkeit aus dem Kalidestillat grün, aus dem Magnesiadestillat aber rosa gefärbt. Meine Vermuthung, daß daher im letzteren kein Ammoniak enthalten sein werde, erwies sich aber als trügerisch. Nur die Quantität desselben war geringer. Im Uebrigen verhielten sich beide Destillate so gleichförmig, daß ich sie in meiner Darstellung nicht mehr getrennt behandeln werde. Das gesammte Destillat wurde nun auf verschiedene Schalen vertheilt und theils mit Oxalsäure, theils mit Schwefelsäure und theils mit Salzsäure neutralisirt und auf dem Wasserbade zur Trockne eingedampft. Da sich hierbei kein erheblicher Unterschied zeigte, so werde ich der Einfachheit halber nur mehr von mit Salzsäure neutralisirtem Destillate sprechen. Ich habe beobachtet, daß alle diese Flüssigkeiten beim Eindampfen sauer wurden, was jedenfalls von der Dissociation des Ammoniaksalzes und vielleicht auch des Trimethylamins herrührt. Auch wurden die anfangs fast farblosen Flüssigkeiten bei längerem Eindampfen braun und schied sich eine anscheinend amorphe Substanz aus, welche sich in Flocken zusammenzog. Unter dem Mikroskop aber sah sie aus wie Kugelbakterien im ruhenden Zustande, etwas röthlich gefärbt, und daneben jene schilfartigen Gebilde, welche auf der Seite liegend wie gestreckte Sicheln aussehen. Der trockene Eindampfungsrückstand wurde nun mit kaltem absoluten Alkohol digerirt; es blieb der größte Theil desselben ungelöst und erwies sich als Salmiak, was durch die Reactionen mit Kali und Kalkhydrat, durch den Geruch, durch die Nebel, durch das Platinsalz und durch das Neßler'sche Reagens sichergestellt wurde. Die alkoholische Flüssigkeit wurde nun zum Kochen erhitzt und nach kurzem Kochen erkalten gelassen; es krystallisirte ein voluminöser Niederschlag heraus, welcher aus salzsaurem Trimethylamin bestand. Erhitzte man dieses Salz mit Natronlauge, so trat der scharfe, charakteristische Häringslakengeruch auf; leitete man die so entwickelten Dämpfe in eine farblose Flamme, so wurde dieselbe intensiv gelb gefärbt. Behandelte man das Salz mit Natron in der Kälte, so gab ein in Essigsäure getauchter Stab darüber gehalten fast keine Reaction, ein in Salzsäure getauchter Stab aber dicke Nebel. Versetzte man das Salz mit Platinchlorid, so erhielt man binnen kurzer Zeit einen schönen orangefarbigen oktaedrischen Niederschlag. Ueber die Identität dieses Salzes mit salzsaurem Trimethylamin konnte kein Zweifel sein; es fragte sich nur, ob nicht etwa auch Methylamin demselben beigemischt sei. Ein von mir in dieser Richtung angestellter Versuch, durch den Aethylester der Oxalsäure eine Trennung zu bewerkstelligen, mißlang, da sich in der in einer Kältemischung von – 14° C. stehenden Röhre bei der Destillation mit Kali nichts condensirte. Der Rest der alkoholischen Flüssigkeit, aus welcher der größte Theil des Trimethylamins auskrystallisirt war, wurde nun weiter im Wasserbade eingedampft, bis ein deutliches Knistern und Spritzen eintrat; dann überließ ich den Alkohol der Verdunstung, nahm hierauf die Masse mit Wasser auf und schüttelte sie in einem engen Cylinder mit Kali und Aether. Es entwickelte sich dabei sofort wieder ein starker Trimethylamingeruch. Nach längerem Stehen hob ich die ätherische Schichte vorsichtig mit der Pipette ab, brachte sie in eine Glasschale und überließ sie der Verdunstung. Es resultirte hierdurch eine braungelb gefärbte, alkalisch reagirende Flüssigkeit von eigenthümlichem, fast an Coniin erinnerndem Geruche, kühlendem, aber nicht bitterem Geschmacke. Ein Tropfen unter das Mikroskop gebracht, zeigte außer den oben schon genannten Schilfen und Sicheln vierseitige Blättchen mit verschwommenen Ecken und solche mit einer zugespitzten rhombischen Ecke, sowie endlich Quadranten oder Schmetterlingsflügeln ähnliche, etwas röthlich gefärbte Blättchen. Das Filtriren durch ein ganz kleines Filter half nichts; es schieden sich auch im Filtrat die oben genannten Formen aus und trocknete dasselbe Filtrat schließlich ganz ein. Mit Wasser befeuchtet, reagirte dasselbe Filtrat jedoch immer wieder alkalisch und gab alle die Reactionen, welche ich sofort beschreiben will; dieselben wurden, mit Ausnahme der Platinreaction, auf dem Uhrglase durchgeführt. Mit Platinchlorid entsteht zunächst keine Reaction; auf Zusatz von Alkohol und Aether nach einiger Zeit ein amorpher grüngelber Niederschlag; mit concentrirter Schwefelsäure und saurem chromsaurem Kali violette Färbung. Mit rauchender Salpetersäure zunächst gelbe Färbung; nach einer halben Minute aber wird diese grün, dann ganz dunkelgrün, am Rande in's Blaue spielend; nach einer weiteren halben Minute farblos. Mit Gerbsäure, Silbernitrat, Fehling'scher Lösung und Quecksilberchlorid weiße Niederschläge. Mit Goldchlorid gelbweißer, in Salzsäure löslicher Niederschlag. Mit 1/10 normaler Jodlösung brauner Niederschlag. Mit Bromdämpfen sofort weiße, dann gelbe Färbung; mit Brom selbst schwefelgelber Niederschlag, welcher orange und braun wird. Mit Phosphorwolframsäure voluminöser gelbweißer Niederschlag. Mit dem Neßler'schen Reagens die Ammonreaction; mit Chlorwasser nichts. Mein Versuch mit Schwefelsäure, Salzsäure oder Oxalsäure Krystallisationen hervorzuzufen mißlang. Die Menge des immerhin annähernd charakterisirten Alkaloides – welchem ich den alten Namen Lupulin revindicire – war zu unbedeutend, als daß auch nur eine Stickstoffbestimmung damit hätte gemacht werden können; ich unterlasse daher hierüber auch jede Vermuthung. Da das Alkaloid flüchtig ist, so liegt die Möglichkeit vor, daß dasselbe nur flüssig (und gasförmig) existirt und außer den Schilfen auch die übrigen Krystallformen nur unwesentliche Begleiter desselben sind. Die Analogie mit dem Coniin und Nicotin, welche nebenbei bemerkt, gegen rauchende Salpetersäure sich etwas ähnlich verhalten, spräche dafür. Die kleine Menge der von mir dargestellten Substanz, welche ich zu allen anderen Versuchen aufbrauchen mußte, hinderte die Klarstellung dieses Punktes. Ich wende mich nunmehr zu der Beseitigung von Einwürfen, welche sich naturgemäß gegen obige Darstellung erheben. 1) „Das gefundene Ammon kann aus dem Kochwasser stammen oder es ist ein Zersetzungsproduct des Alkaloides.“ In dieser Beziehung bemerke ich, daß vielleicht ein kleiner Theil desselben in der That aus dem Wasser herstammt; der größere aber nicht, weil ich bei meinen zahlreichen Vorversuchen immer mit destillirtem Wasser gearbeitet und doch verhältnißmäßig viel Ammon gefunden habe. Die Frage, ob das Ammon ein Zersetzungsproduct des Alkaloides sei, fällt zusammen mit der ähnlichen nächsten Frage: 2) „Ist das Trimethylamin nicht einfach als Zersetzungsproduct durch die Einwirkung des Kalis oder auch der Magnesia entstanden?“ Wir wissen einerseits, daß Codein und Narcotin mit Kalilauge erhitzt Ammoniak und Trimethylamin (auch andere Amine) geben und daß andererseits im Mutterkorn auch neben anderen Alkaloiden Trimethylamin vorkömmt, sowie man es ja auch ohne solche im Chenopodium vulvaria und in Crataegus oxyacantha gefunden hat. Nun habe ich in meinen Vorversuchen vielfach direct die Extracte mit Kali und Aether behandelt – ohne jede Erhitzung – und doch Trimethylamin und Ammon erhalten. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß die genannten Stoffe neben dem Lupulin im Hopfen präexistiren. 3) „Die alkalische Reaction des sogenannten Lupulins kann auch noch durch vorhandenes Trimethylamin veranlaßt werden.“ Der Geruch des genannten Amines ist so charakteristisch, daß es auch in Spuren leicht erkannt wird; es ist sehr flüchtig und wird gewiß mit den Aetherdämpfen fortgerissen; es gibt ein gut charakterisirtes Platinsalz (wie Ammon), aber das Lupulin gibt in wässeriger Lösung keines. Von den übrigen charakteristischen Lupulinreactionen, wie mit Salpetersäure, Brom, Jod etc. theilt das Amin keine. Es erhebt sich nun eine andere Frage, welche ihrer Lösung erst harrt, obwohl ich derselben nahe zu treten suchte: Sind die angeführten Stoffe in jedem Hopfen enthalten? Zwei sehr feine Hopfen, darunter Saazer, lieferten in dieser Richtung ein negatives Resultat; ich fand kein Trimethylamin darin. Ob sich hieraus in der Zukunft eine technische Hopfenprobe entwickeln wird, steht dahin. Schließlich muß noch erörtert werden, ob die im Hopfen vorkommenden Stoffe auch in's Bier gelangen und darin nachgewiesen werden können. Es ist dieß in der That der Fall. Ich dampfte 2 Liter bayerischen Lagerbieres auf ein Drittel des Volumens ein und versetzte es nach dem Erkalten mit dem doppelten Volumen absoluten Alkohols zur Fällung der Proteine und des Dextrins. Dann filtrirte ich, dampfte den Alkohol bis auf ein kleines Volumen ab und destillirte nun mit Kali über. Das Destillat hatte anfangs den eigenthümlichen Geruch, welcher bei allen meinen Vorversuchen auftrat und nicht vom Trimethylamin allein herstammt; aber bald trat ein sehr angenehmer Geruch nach geröstetem Brode auf. Schließlich wollte eine gelb gefärbte Flüssigkeit übergehen, wovon ich noch etwas gesondert auffing. Dieselbe verdient jedenfalls genauere Untersuchung; – sie reagirt alkalisch. Das erste alkalische Destillat nun wurde in zwei Theile getheilt. Der eine Theil wurde mit Salzsäure (unter starker Nebelbildung) neutralisirt, eingedampft, mit kaltem Alkohol digerirt u.s.w. wie oben. Er enthielt Salmiak und Trimethylamin in erheblicher Quantität. Die zweite Hälfte wurde in eine Schale gebracht, mit dem gleichen Volumen Aether versetzt und der spontanen Verdunstung überlassen. Es ergab sich hiebei ein kaum sichtbarer, stellenweise dunkel gefärbter Rückstand, welcher unter das Mikroskop gebracht die bekannten Blättchen, Flügel und Schilfe zeigte, beim Befeuchten mit Wasser stark alkalisch reagirte und mit rauchender Salpetersäure die Lupulinreaction gab. Mit Brom wurde der Rückstand nur schwefelgelb gefärbt. Ich kann schließlich nicht umhin meinem Schüler Hrn. Hermann Ellinger, welcher mir bei dieser Arbeit assistirte und dieselbe durch seinen intelligenten Eifer wesentlich förderte, meinen freundschaftlichen Dank auszusprechen. Laboratorium der Augsburger Brauerschule, im März 1874.