Titel: | Untersuchung einiger Gaswässer aus Gasanstalten; von Dr. G. Th. Gerlach in Kalk bei Deutz. |
Autor: | G. Th. Gerlach |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LXXX., S. 417 |
Download: | XML |
LXXX.
Untersuchung einiger Gaswässer aus Gasanstalten;
von Dr. G. Th. Gerlach in Kalk
bei Deutz.
Gerlach, Untersuchung einiger Gaswässer aus
Gasanstalten.
In diesem Journale, Bd. CCV S. 552 (zweites Septemberheft 1872) habe ich den Gang der
Analyse mitgetheilt, nach welchem ich die Gaswässer untersuche. Unter den
Bestandtheilen des Gaswassers führte ich neben einfach kohlensaurem Ammoniak
– NH₄O,
CO₂ oder (NH₄)₂ CO₃ – auch doppelt
kohlensaures Ammoniak – NH₄O, 2 CO₂ oder H .
NH₄CO₃ – auf, weil das mit Chlorbarium im Ueberschuß versetzte
Gaswasser nach dem Filtriren wieder kohlensauren Barit ausscheidet, sowohl beim
Stehen als auch beim gelinden Erwärmen.
Gegen die Anwesenheit von doppelt kohlensaurem Ammoniak ist von befreundeter Seite
Zweifel erhoben worden und wurde die Vermuthung ausgesprochen, daß neben einfach
kohlensaurem Ammoniak Aetzammoniak im Gaswasser vorhanden
sei. Zur Begründung dieser Vermuthung wurden drei Reactionen angeführt:
1) Die alkalische Reaction der Flüssigkeit, welche vom
kohlensauren Barit abfiltrirt und aus welcher durch Schütteln mit Zinkoxyd oder
Bleiweiß alles Schwefelammonium entfernt war. Wurde diese Lösung erwärmt und
nochmals filtrirt, so war ferner beim Neutralisiren mit Säure kein Entweichen mit
Kohlensäure sichtbar.
2) Der Umstand, daß ein Tropfen Kalkwasser dem Filtrat
zugefügt, keine Trübung von kohlensaurem Kalk hervorbrachte, was doch bei
Anwesenheit von gelösten doppelt kohlensaurem Salze zu erwarten war.
3) Die Thatsache, daß dieses Filtrat der Destillation
unterworfen stark ammoniakalische Dämpfe entwickelte.
Indeß lassen alle drei genannten Reactionen auch eine andere Deutung zu und sprechen
nicht mit Bestimmtheit gegen die Anwesenheit von doppelt
kohlensaurem Ammoniak im Gaswasser.
1) Vermischt man ein lösliches Baritsalz mit zweifach
kohlensaurem Kali oder Natron (also auch zweifach kohlensaurem Ammoniak), so erhält
man sauren kohlensauren Barit, welcher bei viel Wasser gänzlich in ihm aufgelöst
bleibt. Diese Auflösung reagirt auf Lackmus und Veilchen alkalisch (vergl. Gmelin, Bd. II S. 131.) Da nur wenig Säure hinreicht, um
die verdünnte Lösung zu neutralisiren, so war viel Kohlensäureentwickelung nicht zu
erwarten. Gerade die große Verdünnung erschwerte die Beantwortung der Frage.
2) Kalkwasser brachte keine Trübung von kohlensaurem Kalk
hervor, weil im Filtrat viel Salmiak zugegen war (durch Umsetzung von Chlorbarium
und einfach kohlensaurem Ammoniak); Salmiak verhindert aber die Fällung von
kohlensaurem Kalk.
3) Die Entwickelung von ammoniakalischen Dämpfen bei der
Destillation konnte von einer Umsetzung des gelösten doppelt kohlensauren Barits und
des vorhandenen Salmiaks herrühren. Der kohlensaure Barit löst sich leicht im kalten
wässerigen, salzsauren, salpetersauren und bernsteinsauren Ammoniak. Wendet man
anhaltendes Kochen an, so ist auf 1 Atom kohlensauren Barit nur 1 Atom Salmiak
nöthig, und es verflüchtigt sich kohlensaures Ammoniak (vergl. Gmelin, Bd. 11 S. 130).
Für die Anwesenheit von doppelt kohlensaurem Barit in der Lösung, welche sofort nach
der Fällung vom einfach kohlensauren Barit abfiltrirt war, sprach noch der Umstand,
daß die ammoniakalischen Dämpfe, welche sich bei der Destillation entwickelten,
durch verdünnte Schwefelsäure geleitet, noch Baritwasser (wenn auch nur wenig)
trübten, indem sich kohlensaurer Barit ausschied.
Auch theoretische Gründe sprechen für die Anwesenheit von doppelt kohlensaurem
Ammoniak im Gaswasser. Bekanntlich enthält das ungereinigte Leuchtgas soviel
Kohlensäure, daß in den Gasanstalten Reinigungskästen mit Kalk aufgestellt werden
müssen, um den Kohlensäuregehalt dem Leuchtgase zu entziehen. Es schien nicht
wahrscheinlich, daß neben soviel Kohlensäure im Leuchtgase freies Aetzammoniak im
Gaswasser enthalten sein sollte. Statt aller theoretischen Erörterungen wurde es
aber vorgezogen die quantitative Analyse entscheiden zu lassen.
Gaswasser wurde mit Bleiweiß in einem verstöpseltem Glase geschüttelt. Von dem
Filtrate wurden zur Probe 100 K. C. mit Normalschwefelsäure gesättigt; es waren 75
K. C. davon erforderlich. Das vom Bleiweiß abfiltrirte alkalische Filtrat wurde mit
gepulvertem überschüssigem Chlorbarium versetzt und wiederum im verschlossenen Glase
geschüttelt. Das jetzt erhaltene Filtrat wurde 24 Stunden im verstöpselten Glase
stehen gelassen, wobei sich noch viel kohlensaurer Barit ausschied. Beim mäßigen
Erwärmen trübte sich die abfiltrirte und gestandene Flüssigkeit nur noch wenig; sie
wurde deshalb gelind erwärmt und nochmals filtrirt; eine Probe des Filtrates blieb
jetzt auch beim Kochen klar.
100 K. C. dieses klaren Filtrates wurden der Destillation
unterworfen, eine gemessene Menge Normalschwefelsäure vorgeschlagen und dahinter
zwei Fläschchen mit Baritwasser.
Die ammoniakalischen Dämpfe bei der Destillation sättigten 11,7 K. C.
Normalschwefelsäure, während das Baritwasser sich nur wenig trübte. Der gesammelte
und ausgewaschene kohlensaure Barit erforderte nur 0,3 K. C. Normalsalpetersäure zur
Lösung und Sättigung.
In jenen 100 K. C. des Filtrates waren also enthalten das Ammoniak entsprechend
0,3 K. C.
Normal-Kohlensäure-Ammoniak-Lösung und
11,4 K. C. Normal-Aetzammoniak-Lösung.
Im vorliegenden Falle enthielten also 100 K. C. des ursprünglichen Gaswassers
– neben anderen hier nicht in Frage kommenden Ammoniakverbindungen –
das Ammoniak entsprechend
11,4 K. C.
Normal-Aetzammoniak-Lösung = 0,19 Gramm NH₃ und
63,6 K. C.
Normal-Kohlensäure-Ammoniak-Lösung =
–––––––––
75,0 K. C.
= 3,05 Gramm NH₄O, CO₂.
Es ist somit entschieden, daß doppelt kohlensaures Ammoniak kein Bestandtheil des
Gaswassers ist, und daß neben einfach kohlensaurem Ammoniak ein gewisser Antheil
Ammoniak als Aetzammoniak im Gaswasser vorhanden ist.
Noch eine andere Berechnungsweise muß ich erwähnen, welche einer Berichtigung
bedarf.
In meinen früheren Analysen des Gaswassers habe ich den gefundenen
Schwefelwasserstoff immer als Einfach-Schwefelammonium – NH₄S = NH₃ +
SH oder (NH₄)₂S – berechnet und
aufgeführt. Diese Berechnungsweise ist nicht ganz richtig. Bei gewöhnlicher und
höherer Temperatur vereinigen sich Hydrothiongas und Ammoniakgas immer zu gleichen
Volumtheilen, ihr Verhältniß sei, welches es will (Bineau
vergl. Gmelin, Bd. I S. 875), und bilden hierbei
Zweifach-Hydrothion-Ammoniak – NH₄S + SH =
NH₃ + 2 SH oder
NH₄ . SH –. Diese Verbindung wird an der Luft schnell gelb durch
Bildung von hydrothionigem Ammoniak d. i. Fünffach-Schwefelammonium –
NH₄S₅ =
NH₃ + S₅H oder (NH₄)₂S₅
–; diese letztgenannte Verbindung wird man also im Gaswasser anzunehmen
haben, wenn dasselbe einige Zeit gestanden hat, während das
Zweifach-Hydrothion-Ammoniak, welches sich ursprünglich bei der
Vereinigung von Ammoniak- und Hydrothiongas bildet, eine wasserhelle Lösung
gibt.
Ich habe Gelegenheit gehabt, dieses Salz in größerer Menge auftreten zu sehen.
Bei der Destillation von Gaswasser hatten sich bei starker Abkühlung die kalt
gehaltenen Röhren verstopft durch angesetztes kohlensaures Ammoniak und jener
Schwefelverbindung. Als ich Wasserdampf durch diese Röhren leitete, erhielt ich eine
Lösung, welche, obgleich sie nur wenige Grade Baumé zeigte, beim Erkalten zu
einem Brei von pomeranzengelben langen spiesigen Krystallen erstarrte. Als ich den
Glascylinder in lauwarmes Wasser setzte, um die Krystalle aufzuthauen, entwickelten
sich stürmisch große Blasen von Ammoniak und Schwefelwasserstoff (nebenbei auch
Kohlensäure vom kohlensauren Ammoniak), was ganz dem Verhalten des
Fünffach-Schwefelammonium entspricht (vergl. Gmelin, Bd. I S. 876).
Auch auf Halden, wo schwefelkieshaltige Thonschiefer mit Braunkohle gemengt der
langsamen Verbrennung ausgesetzt werden (z.B. auf dem Alaunwerk zu Godesberg)
scheiden sich hier und da pomeranzengelbe, auf der Zunge leicht zerfließbare, Schwefel und Ammonium
haltende, walzenförmige, kleine Krystalle auf der Oberfläche der Halden aus, welche
ebenfalls dieses Fünffach-Schwefelammonium sind. – Bei Einwirkung der
Luft geht allmälig Fünffach-Schwefelammonium unter Ausscheidung von Schwefel
in unterschwefligsaures Ammoniak über; auch Gaswasser, welches lange Zeit an der
Luft gestanden hat, trübt sich durch ausgeschiedenen Schwefel, während der Gehalt an
unterschwefligsauren Ammoniak zunimmt und das Schwefelammonium nach und nach
verschwindet.
Für praktische Zwecke ist es nur von Wichtigkeit den Gesammtammoniakgehalt eines
Gaswassers zu kennen; es hat aber Interesse zu wissen, wieviel flüchtige
Ammoniakverbindungen vorhanden sind – und wieviel solcher
Ammoniakverbindungen, welche erst durch Alkalien zersetzbar sind.
Von diesem Gesichtspunkte aus lasse ich (auf Seite 422 und 423) eine Zusammenstellung
verschiedener Gaswässer, gewonnen aus verschiedenen Kohlensorten, folgen und muß
bemerken, daß mir diese Zusammensetzung nur ermöglicht wurde durch die freundliche
Gefälligkeit der HHrn. Dr. Grüneberg, Dr. Bernhardi und A. Dupré, welche mir
bereitwillig ihre Analysen zu diesem Zwecke zur Verfügung stellten.
In dieser Zusammenstellung habe ich in besonderen Colonnen das Verhältniß der
flüchtigen zu den nicht flüchtigen Ammoniakverbindungen aufgeführt, wenn die
Gesammtmenge des Ammoniaks = 100 gesetzt wird.
Die flüchtigen Bestandtheile sind hauptsächlich Schwefelammonium, kohlensaures
Ammoniak und Aetzammoniak; die nicht flüchtigen hingegen bestehen aus geringen
Mengen unterschwefligsaures Ammoniak, Spuren von schwefelsaurem Ammoniak und der
Hauptsache nach allemal Salmiak.
Es würde freilich von größerem Interesse sein, wenn bei jedem Gaswasser die
Kohlengruben hätten angegeben werden können, woraus die verwendeten Kohlen stammten;
diese Angaben waren mir indeß nicht möglich zu sammeln und sind schon deshalb
schwierig festzustellen, weil oftmals die Gasanstalten theils aus commerciellen,
theils aus technischen Gründen nicht immer genau dieselbe Kohlensorte verwenden. Von
großem Einfluß auf das Verhältniß der flüchtigen und nicht flüchtigen
Ammoniakverbindungen ist aber auch die Art der Gewinnung der Gaswässer. Gelangen
große Mengen Waschwässer mit zu dem Gaswasser, so werden sich die flüchtigen
Ammoniakverbindungen relativ im Gaswasser mehren; denn mit dem ungereinigten Gase
gehen naturgemäß die flüchtigeren Verbindungen weiter, während die nicht flüchtigen
schon in der Hydraulik condensirt werden. Man findet daher im Allgemeinen, daß
diejenigen Gaswässer, welche einen hohen Aräometergrad zeigen auch relativ
reicher
Textabbildung Bd. 212, S. 422–423
Name der Städte; Anzahl der K. C.
Normalsäure, welche das Destillat von 100 K. C. Gaswasser sättigen ohne jeden
Zusatz von Aetznatron; Anzahl der K. C. Normalsäure, welche das Destillat von
100 K. C. Gaswasser noch sättigen bei späterem Zusatz von Aetznatron zum
Gaswasser; Gesammtanzahl der K. C. Normalsäure, welche das Destillat von 100 K.
C. Gaswasser sättigen beim Zusatz von Aetznatron zum Gaswasser; Gesammtgehalt
des Ammoniak (NH₃) in Gramm ausgedrückt; Grade nach Baumé, welche
das Gaswasser zeigt; Anzahl der K. C. Normalsäure, welche bei der Destillation
gesättigt werden ohne Zusatz von Aetznatron; wenn die Gesammtanzahl der
gesättigten Normalsäure = 100 K. C. gesetzt ist; Anzahl der K. C. Normalsäure,
welche bei der Destillation gesättigt werden bei späterem Zusatz von Aetznatron;
wenn die Gesammtanzahl der gesättigten Normalsäure = 100 K. C. gesetzt ist; Name
des Analytikers; Art der Kohlen, welche zur Vergasung gelangten; Chemnitz;
Leipzig; Dresden; Freiberg; Ehrenfeld b. Cöln; Neuwied; Mülheim a. Rh.; Bonn;
Eupen; Cöln; Dortmund; Gerlach; Grüneberg; Bernhardi; Zwickauer Steinkohle;
Zwickauer u. böhm. Braunkohle; Zwickauer und Burgker Kohle; Burgker Steinkohle;
Ruhrkohle; Augsburg; Trier; Zürich; München; Berlin; Pest; Prag; Moskau; Lyon;
Hamburg; Stettin; Petersburg; Trieft; Stralsund; Altona; Danzig; Kopenhagen;
Riga; Königsberg; Stettin; Danzig; Dupré; Gerlach; Grüneberg; Bernhardi;
Saarkohle; Saarkohle u. böhm. Braunkohle; Schlesische Steinkohle; Schles. Kohle
u. böhm. Braunk; Steinkohle unweit Moskau; Steinkohle von St. Etienne;
Cannelkohle und Boghead; Englische Kohle; Leversons Walsend; Old Pelt. M.; Old
Pelton-Main u. New Pelton; New Pelt.; Ravensworth; P. M.; Old Pelton
Main; Old Pelton Main; Leversons Walsend
an flüchtigen Ammoniakverbindungen
sind als diejenigen Gaswässer, welche nur einen niedrigen Aräometergrad zeigen.
So ergab sich beispielsweise bei einem Waschwasser (A) aus Königsberg nach
anhaltendem Durchleiten von Gas, daß
100 K. C. desselben ohne Natron destillirt
480 K. C. Normals. sättigten,
und bei späterem Zusatz von Natron nur noch
5 „
„
–––––––––
Summa
485 K. C.
bei einem Waschwasser (B) aus Zwickauer Kohlen
erforderten
100 K. C. ohne Natron destillirt
42 K. C. Normalsäure
bei späterem Zusatz von Natron noch
8 „
„
––––––––
Summa
50 K. C.
oder in Procentantheilen ausgedrückt:
Waschwasser A =
98,97 K. C. für flüchtige Ammoniakverbindungen
1,03 K. C. für nichtflüchtige
Ammoniakverbindungen
–––––––––––
100,00
Waschwasser B =
84 K. C. für flüchtige Ammoniakverbindungen
16 K. C. für nichtflüchtige Ammoniakverbindungen
––––––––
100
Kein Gaswasser ist verhältnißmäßig so reich an Salmiak als Gaswasser aus Zwickauer
Kohlen; indeß findet man doch auch Gaswässer aus russischen Kohlen und aus einigen
englischen Kohlensorten, welche beinahe die Hälfte aller Ammoniakverbindungen als
Salmiak enthalten.
Dieser hohe Chlorgehalt einiger Steinkohlensorten erscheint mir beachtenswerth und
ich will daran erinnern, daß Mohr im Ruße von Ruhrkohlen
auch Brom nachgewiesen hat.
Die Verschiedenheit in der Zusammensetzung der Gaswässer ist der Grund, weshalb der
Ammoniakgehalt nicht immer proportional den Aräometergraden ist. Dessenungeachtet
wird man nicht gern darauf verzichten, durch die Aräometerprobe sofort einen Anhalt
für den ungefähren Ammoniakgehalt zu gewinnen.
Als Durchschnittszahlen aller mir zu Gebote stehenden Gaswasseranalysen ergaben sich
für den Gesammtammoniakgehalt, daß 100 K. C. Gaswasser mit Natron destillirt
folgende Anzahl K. C. Normalsäure sättigen:
100 K. C.Gaswasservon
1° Baumé2°
„3°
„4°
„5° „
38,7 K. C.
Normals. 77,4 „ „116,1 „ „154,8 „ „193,5 „ „
=====
0,658 Gr. Ammoniak (NH₃)1,316
„
„ „1,974
„
„ „2,632
„
„ „3,290
„
„ „