Titel: Ueber den Transport der concentrirten Schwefelsäure; von Dr. H. Vohl in Cöln.
Autor: Hermann Vohl
Fundstelle: Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XCVII., S. 519
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XCVII. Ueber den Transport der concentrirten Schwefelsäure; von Dr. H. Vohl in Cöln. Vohl, über den Transport der concentrirten Schwefelsäure. Der Transport der concentrirten Schwefelsäure ist sowohl zu Land wie zu Wasser mit manchen erheblichen Gefahren verbunden, weshalb derselbe mit großer Vorsicht und bei strenger Ueberwachung geschehen muß. Aus diesem Grunde wird gewöhnlich die doppelte und in manchen Fällen auch sogar die dreifache Fracht bezahlt. Auch sind bezüglich der mit dem Transport verknüpften Gefahren von polizeilicher Seite entsprechende Verfügungen erlassen worden. Im Allgemeinen ist der Landtransport mit größeren Gefahren wie der Wassertransport verbunden und man zieht, wenn man die Wahl hat, stets letzteren vor. Es können jedoch auch beim Wassertransport Umstände eintreten, welche dem Schiffe so erheblichen Schaden beibringen, daß dasselbe zur weiteren Benützung vollständig unbrauchbar wird. Ich hatte in jüngster Zeit in einem hiesigen concreten Falle Gelegenheit, Beobachtungen anzustellen, welche bisher nicht berücksichtigte Gefahren aufdeckten, die den Transport-Fahrzeugen drohen. Der Thatbestand war folgender. Ein Rheinschiffer hatte sein Fahrzeug mit circa 600 Ballons concentrirter Schwefelsäure von 66° B. beladen und mußte durch Differenzen, welche zwischen dem Versender und dem Auftraggeber eingetreten waren, circa 6 bis 7 Monaten beladen im offenen Flusse liegen bleiben. Durch den starken Wellenschlag im Strome oder dergl. waren während dieser Zeit einige Ballons gesprungen und die Säure in das Schiff ausgelaufen. Alles Holzwerk, welches mit der Säure direct in Berührung gekommen war, wurde selbstverständlich verkohlt; ebenso waren die Eisentheile (Nägel etc.) von der Säure aufgelöst und hatte dadurch die Festigkeit des Schiffbodens so bedeutend gelitten, daß allmälig Wasser eingedrungen war. Die Zerstörung der direct mit der Säure in Berührung gekommenen Gegenstände konnte nicht auffallen; dagegen mußte es befremden, daß auch die Eisentheile am Verdeck des Schiffes bedeutend beschädigt waren, ohne daß die Säure auf dieselben direct einwirken konnte, und daß der Schiffer, welcher in demselben Raume schlief, worin die Säureballons aufgestellt waren, von einer heftigen Augenentzündung und asthmatischen Beschwerden befallen wurde. Es lag die Vermuthung nahe, daß durch die Einwirkung der concentrirten Säure auf die Verpackung der Ballons (Stroh, Weidengeflecht) und auf das Holz des Schiffes, neben schwefeliger Säure noch andere organische flüchtige Säuren entstanden waren, welche den Schiffsraum erfüllten und so die Veranlassung zu der Zerstörung der Eisentheile und zu der Erkrankung des Schiffers gaben. Um Gewißheit in dieser Beziehung zu erlangen, stellte ich eine Reihe von Versuchen an. Es wurden 2 Pfund Stroh (Hecksel) in einer geräumigen tubulirten Retorte mit concentrirter (66° B.) Schwefelsäure übergossen, aber nur so viel Säure zugegeben, daß das Stroh von derselben benetzt war. Es trat sofort Verkohlung unter lebhafter Erwärmung und unter Entwickelung saurer, stechend riechender Dämpfe ein. Schwefelige Säure konnte durch den Geruch nicht wahrgenommen werden. Nachdem die Tubulatur mit einem Glasrohr, welches beinahe bis auf die Mischung reichte, versehen war, wurden die sauren Dämpfe mittels Aspiration durch eine Auflösung von reinem Kali gesaugt und dieses Saugen 4 Stunden unterhalten. Die Untersuchung ergab, daß die Kalilösung neben geringen Mengen von Chlor und schwefeliger Säure erhebliche Mengen von Essig-, Ameisen- und Metacetansäure aufgenommen hatte. Nachdem die Mischung der Schwefelsäure mit dem Stroh 2 Tage gestanden hatte, wurden die sauren flüchtigen Producte abermals untersucht, wobei sich ergab, daß die Entwicklung der organischen flüchtigen Säuren abgenommen, dagegen das Auftreten der schwefeligen Säure zugenommen hatte. Nach 4 Tagen entwickelte die Mischung so stark schwefelige Säure, daß dieselbe sofort durch den Geruch zu erkennen war. Es wurde nun dasselbe Experiment mit Korbweiden-, Tannen- und Eichensägespäne wiederholt und fast ganz gleiche Resultate erhalten. Ich muß noch bemerken, daß diese Versuche sämmtlich ohne künstliche Erwärmung und bei einer Lufttemperatur von + 9° R. angestellt wurden. Aus diesen Versuchen geht unzweifelhaft hervor, daß concentrirte Schwefelsäure von 66° B. mit Stroh, Holz und anderen organischen Stoffen zusammengebracht bei gewöhnlicher Temperatur neben flüchtigen organischen Säuren auch schwefelige Säure in ganz erheblicher Menge entwickeln kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in dem erwähnten Falle diese Entwickelung saurer Dämpfe sowohl die Zerstörung der Eisentheile wie auch die Erkrankung des Schiffers verursacht hat und daß das Schlafen in geschlossenen Räumen, in denen concentrirte Schwefelsäure lagert resp. transportirt wird, nur zu gestatten ist, wenn man für gute Ventilation Sorge getragen hat. Cöln im Mai 1874.