Titel: Der Kupferrubin und die verwandten Gattungen von Glas; von Paul Ebell.
Fundstelle: Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXXVI., S. 321
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LXXVI. Der Kupferrubin und die verwandten Gattungen von Glas; von Paul Ebell. Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Collegium Carolinum zu Braunschweig. (Fortsetzung von Seite 220 des vorhergehenden Heftes.) Ebell, über den Kupferrubin und die verwandten Gattungen von Glas. 6) Natur der Ausscheidungen aus den mit Kupfer rothgefärbten Gläsern. Aus den vorhergehenden Abschnitten geht zur Genüge hervor, daß die verschiedenen Ausscheidungen aus den mit Kupfer roth gefärbten Gläsern – von dem leichten Schleier des Rubinglases der Glashütten, durch die karneolartigen Lasuren, die leberigen Flüsse bis in den Hämatinon und Aventurin – nicht nur Farbe, Glanz und absolute Undurchsichtigkeit gemein haben, sondern auch in einander übergehen, demnach (wie schon v. Pettenkofer für die beiden letztgenannten Gattungen angenommen) ein und derselbe Körper sind. Es erübrigt die Frage, welches ist dieser Körper? Woraus bestehen die Ausscheidungen? Zur Beantwortung bietet offenbar der Aventurin den besten Anhaltspunkt, wo die Ausscheidungen so zu sagen am handgreiflichsten für die Feststellung ihrer eigenthümlichen Natur am zugänglichsten auftreten. Wöhler, der sich im Jahr 1843 mit der vorliegenden Frage beschäftigte, fand sich aus der Aehnlichkeit des aus Kupferoxydsalzen mit schwefliger oder phosphoriger Säure gefällten metallischen Kupfers (nach ihm bei 80facher Vergrößerung als Dreiecke und Sechsecke erscheinende oktaedrische Krystalle)Bei der Wiederholung dieser Beobachtung erhielt man zwar deutlich krystallinische Ausscheidungen, aber bestimmte Formen – Dreicke etc. – aufzufinden, wollte nicht gelingen. In Wöhler's Angabe ist ein Druckfehler zu berichtigen, denn schweflige Säure reducirt bekanntlich kein Metall aus den Kupfersalzen., ferner aus der absoluten Undurchsichtigkeit der äußerst dünnen Blättchen des Aventurin – zu der Annahme bestimmt, die Krystallblättchen dieses Glases seien nichts anderes als metallisches Kupfer. Seitdem ist man von dieser unzweifelhaft richtigen Annahme mehr und mehr wieder abgekommen. v. Pettenkofer machte im Jahr 1857 zuerst gegen Wöhler's Annahme den Einwand, daß Aventurin auf geschliffenen Flächen nirgends rothen Metallglanz zeige, „der doch absolut nothwendig erscheinen müßte, wenn die Krystalle metallisches Kupfer wären“; denn so oft er im Hämatinon feinzertheiltes Kupfer gewahrt, habe er es stets in Kügelchen getroffen, welche auf dem Schliff mit Metallglanz hervortraten. Seiner Ansicht nach sind daher die Flimmer des Aventurin nur größere Krystalle der Kupferoxydulverbindung, welche dem Hämatinon die rothe Farbe ertheilt. Später (im Jahr 1861) bekannte sich Hautefeuille aus mehreren Gründen in seiner Untersuchung über den Aventurin zu derselben Ansicht. Der erste Grund ist, weil Aventurin beim Schmelzen, wenn seine Krystalle metallisches Kupfer wären, ein Metallkorn geben müßte. Der zweite Grund ist aus dem Verhalten des Aventurin gegen Kalilauge entnommen: in der siedenden Lauge löse sich das feingepulverte Glas auf; unterbreche man die Wirkung des Kalis in dem Momente, wo sich ausschließlich die glasige Grundmasse gelöst habe, so bleibe ein violetter Rückstand (den er für die abgeschiedenen Krystalle hält), welcher an der Luft grün, aber mit Quecksilbersalzen nicht weiß werde sich also nicht wie metallisches Kupfer verhalte. Die Einwände von beiden Seiten gegen Wöhler's Ansicht beruhen auf Mißverständniß. v. Pettenkofer läßt die außerordentliche Dünne der Krystallblättchen des Aventurin unberücksichtigt: entweder fallen sie mit der hohen Kante in den Schliff, so würde ein 400 mal schärferes Auge als das menschliche dazu gehören, den schmalen Metallspiegel zu sehen; oder sie fallen mit der Fläche in die Schliffebene, so werden sie von dem Schliff unfehlbar weggenommen und zerstört. – Hautefeuille wußte nicht, daß beim Schmelzen des Aventurin das Kupfer der Krystallblättchen auch wieder von dem Glase aufgenommen werden kann, sich nicht nothwendig als Regulus abscheiden muß; er hielt ferner, das Mikroskop vernachlässigend, einen beliebigen Rückstand nach der Behandlung mit kaustischem Kali irrig für die blosgelegten Krystalle, wie denn die ganze von ihm eingeschlagene Behandlung ein viel zu grobes Mittel ist gegenüber einer so subtilen Frage. Um über die metallische Natur der Krystalle zu entscheiden, mußte ein Mittel gefunden werden, welches zugleich sichere Reaction auf metallisches Kupfer bietet, während es zugleich jede Möglichkeit etwaiger Aufschließung des Glases und etwaige Aufnahme von Kupfer aus der Grundmasse ausschließt. Bekanntlich wird aber fein zerriebenes Glas schon von destillirtem Wasser unter Auflösung eines Theiles seines Bestandes merklich aufgeschlossen. Es handelt sich um ein Mittel, welches unter den Umständen ausschließlich auf metallisches Kupfer, auf kein gebundenes und überhaupt auf nichts weiter reagirt. Ein solches Mittel ist eine Lösung von salpetersaurem Silber in absolutem Alkohol. Im Achatmörser feingeriebener Aventurin wurde einige Tage mit dieser Lösung kalt digerirt, dann abfiltrirt. Das Filtrat angesäuert, zur Trockne verdampft, dann mit Wasser und etwas Salpetersäure wieder aufgenommen, hinterließ nicht die geringste Spur von Kieselerde, nahm aber mit Ammoniak versetzt eine deutlich blaue Farbe an. Andererseits gab der bis zum völligen Verschwinden der Silberreaction mit Weingeist ausgewaschene Rückstand, das hellgraubraune Glaspulver, sofort wieder starke Silberreaction, als man dem Weingeist einige Tropfen Salpetersäure zusetzte. Es ist sonach klar, die weingeistige Silberlösung nimmt Kupfer auf und im Glaspulver schlägt sich metallisches Silber nieder. Die Krystalle im Aventurin können nur metallisches Kupfer sein. Der Aventurin ist für diese Reaction besonders günstig, weil durch das Zerreiben alle Krystallblättchen aus dem Glas herausgerissen und blosgelegt werden. Viel weniger ist dies bei dem Hämatinon der Fall: ein Stück der oben erwähnten v. Pettenkofer'schen Probe ebenso behandelt wie Aventurin, gab nur schwache Reaction auf Kupfer, aber sehr deutliche auf Silber nach dem Auswaschen des röthlichen Glasmehles. Natürlich, denn bei der Kleinheit und compacten Form der Krystalle wird nur eine verhältnißmäßig sehr kleine Anzahl blosgelegt und diese nur mit den winzigsten Flächen. Die Theilchen des noch so fein zerriebenen Hämatinon erscheinen unter Vergrößerung noch gerade so mit Krystallen angefüllt wie vor dem Zerreiben, die Theilchen des zerriebenen Aventurin dagegen vollkommen frei von Krystallen. Es kann sonach kein Zweifel bestehen, daß die ganze Summe von Erscheinungen in dem mit Kupferoxyd und Reductionsmitteln geschmolzenen Glase auf Ausscheidungen von metallischem Kupfer beruht – und zwar Ausscheidungen, die innerhalb der Tragweite des Mikroskops als krystallinisch nachgewiesen, wahrscheinlich überhaupt krystallinisch, je nach den Umständen verschiedene Gestalt annehmend und in größerer oder geringerer Masse, dichter oder dünner gesäet auftreten und so die verschiedenen Erscheinungen bedingen: die Trübung des Rubinglases, der leberigen Flüsse, die Krystalle des Hämatinon und Aventurin. Wenn man somit die Deutung dieser Ausscheidungen als Krystallisationen von kieselsaurem Kupferoxydul für hinfällig erklären und aufgegeben muß, so liegt um so mehr die Beantwortung der anderen Frage ob: wodurch wird die Ausscheidung von metallischem Kupfer in dem Glase veranlaßt, in welchem Zusammenhang steht sie mit den übrigen Erscheinungen? Vergegenwärtigt man sich, daß metallisches Kupfer (wie bei dem Rubinglas nachgewiesen) unmittelbar von dem schmelzenden Glase bei Gegenwart von Reductionsmitteln aufgenommen wird, daß die Ausscheidungen von krystallinischem Kupfer in dem Hämatinon und im Aventurin bei höheren Hitzegraden leicht wieder in dem flüssigen Glase verschwinden; bedenkt man ferner, daß Reductionsmittel wie Zinn und Eisenfeile aus Lösungen von Kupfersalzen nicht Kupferoxydul sondern metallisches Kupfer fällen; – zieht man alle diese Erscheinungen in Erwägung, so kann man nicht umhin anzuerkennen, daß das metallische Kupfer als solches im feurig-flüssigen Glase löslich ist. Mit dieser einfachsten, natürlichsten, den Erscheinungen nach allen Seiten entsprechenden Auslegung tritt zugleich die Analogie der mit Kupfer rothgefärbten Gläser und der mit Gold gefärbten in das klarste Licht. Es liegt darin ein um so stärkerer Beweis für die ausgesprochene Wahrheit, als das Gold, welches auch das dem Glassatz zugesetzte Präparat sein mag, unmöglich anders als in metallischem Zustande in das Glas eingehen kann. Die klaren Gläser der in Rede stehenden Gattungen sind nach dem Erkalten erstarrte Lösungen von metallischem Kupfer, das Goldrubinglas ist die erstarrte Lösung von metallischem Gold, wie dies bereits gelegentlich der Untersuchung des Goldglases von M. Müller Dingler's polytechn. Journal, 1871 Bd. CCI S. 117. als die einzig zulässige Erklärung ausgesprochen worden. Findet die Lösung des Kupfers im Glase Gelegenheit zu krystallisiren, so entwickeln sich je nach den Umständen karneolartige Trübungen, Hämatinon oder Aventurin. Das Kupfer löst sich, auch hierin dem Golde analog, nur bei sehr hoher Temperatur. Es löst sich schwerer, wenn von vornherein als Metall zugesetzt, ungleich leichter in statu nascendi durch ein Reductionsmittel im schmelzenden Metall aus Oxyd ausgeschieden, dann aber auch ungleich reichlicher als Gold und Silber. In der Lösung tritt das Kupfer, wiederum analog dem Golde, in zwei verschiedenen molecularen Zuständen auf. So wie es bei hohen Temperaturen unmittelbar von dem Glase aufgenommen wird, hat es keinerlei färbende Wirkung auf das Glas. In hochglühendem Fluß plötzlich abgekühlt, erstarrt das Glas im statu quo, farblos oder doch nur durch nebensächliche Bestandtheile gefärbt. Solches farbloses Glas, nachträglich der mäßigen Glühhitze (der Temperatur der beginnenden Erweichung) ausgesetzt, läuft mit einemmal in tief blutrother Farbe an, d.h. das Kupfer geht in den anderen molecularen Zustand über, in welchem allein ihm die rothe Farbe zukommt. Dieser moleculare Zustand ist sicherlich ein und derselbe wie in dem derben Metall, und ist deshalb das Glas mit dieser Wandlung in hohem Grade geneigt sich auszuscheiden. Die empirische Erfahrung, daß das Kupfer nur in hohen Hitzegraden sehr löslich ist, mit dem Sinken der Temperatur an Löslichkeit bedeutend verliert, – diese empirische Thatsache besagt nur, daß die starke Löslichkeit wesentlich dem nichtfärbenden Molecularzustande des Kupfers, kaum noch oder nur unter besonderen Bedingungen dem färbenden Molecularzustande zukommt. Beim Anlaufen ist die beginnende Erweichung hinreichend und die entsprechende Temperatur gerade die passende für die Umsetzung des einen Molecüles in das andere; aber die Beweglichkeit der Glastheilchen ist noch in dem Grade beschränkt, daß sie eine Annäherung, Sammlung und Anordnung der Kupfermolecüle zu Krystallen nicht zuläßt. Das Kupfer ist gezwungen, in die färbende Modification überzugehen, und die färbende Modification zugleich gezwungen, gelöst zu bleiben. Wie sehr es in der That dazu gezwungen und dem Gelöstbleiben abgeneigt ist, dafür gibt der fast immer in Gestalt von Nebel und Schleier nachweisbare Beginn von Ausscheidungen im Kupferrubin Zeugniß. Wird das frisch geschmolzene Rubinglas plötzlich abgekühlt, so findet die nichtfärbende Modification des Kupfers keine Zeit, sich in die färbende Modification umzusetzen; es erstarrt im statu quo des hochglühenden Flusses, d.h. farblos. Offenbar ist der Zustand der Lösung im Glas dem Spiel der Molecularumsetzungen sehr günstig und das Glas ein besonders geeigneter Körper, den einen oder anderen Zustand durch Erstarrung festzuhalten. Gönnt man dem Glase, nachdem das Kupfer in die färbende Modification übergegangen, Zeit, so scheidet sich das Kupfer durch Krystallisation ab – bei der Temperatur der mäßigen Erweichung in Körnern (Hämatinon-Zustand), bei höheren Temperaturen in Blättern (Aventurin). Die als Aventurin auftretende blätterige Krystallisation kann erst zu Stande kommen, wenn das Glas den völlig dünnflüssigen Zustand verlassen, und eine gewisse Dickflüssigkeit erlangt hat. Dies beweist die gleiche Vertheilung der Krystallblättchen in der Masse, die sich im entgegengesetzten Falle am Boden absetzen würden. Selbstverständlich können die Krystallausscheidungen nur bei Temperaturen unter dem Schmelzpunkt des Kupfers auftreten. Die Auflöslichkeit des Kupfers wird durch Derbheit des Metalles nicht aufgehoben, aber sehr erschwert; durch seine Zertheilung in hohem Grade befördert und flott. Daher die verhältnißmäßige Leichtigkeit mit der sich schon gebildete Krystalle der Ausscheidungen (entweder unendlich klein oder unendlich dünn) beim Schmelzen von Hämatinon und Aventurin rückwärts wieder auflösen. Wird das Kupfer im Glase bei niederer Temperatur reducirt, wie bei den Versuchen mit dem Lasiren der Glasröhren, so wird es unmittelbar mit der dieser Temperatur entsprechenden roth färbenden Modification im Glas aufgenommen das Glas erscheint sofort roth, nicht erst farblos. Es verdient schließlich erwähnt zu werden, daß das aus seinen Lösungen niedergeschlagene metallische Kupfer unter dem Mikroskop im auffallenden Lichte ganz den Ausscheidungen in den mit Kupfer roth gefärbten Gläsern gleicht. Der Metallglanz, die hellrothe oder gelbrothe Farbe, die starken Reflexe, die krystallinische Beschaffenheit – alles findet sich wieder; nur sind keine so deutlichen isolirte Krystallindividuen wahrnehmbar, wegen des baumartigen Zusammenwachsens der sich ausscheidenden Metalltheilchen. Einigen Unterschied macht das Fällungsmitte': mit Zinn fällt der Kupferniederschlag am hellsten und obigen Ausscheidungen am ähnlichsten aus; mit Eisen entsteht eine dunklere Fällung, unter dem Mikroskop mehr roth als gelb aussehend – und mit Zink eine tief braunschwarze Fällung, bei Vergrößerung rothbraun erscheinend. Auch beim Zerreiben des gefällten Kupfers mit Glas im Achatmörser verhält es sich ganz wie die Blättchen im Aventurin; durch Zerreißen, Zermahlen und Zusammenwickeln der Bruchtheilchen verliert es die reflectirenden Flächen und ist nur mit einiger Mühe noch zwischen den Glastrümmern aufzufinden und zu erkennen. (Fortsetzung folgt.)