Titel: | Untersuchungen über die Krappfarbstoffe und die Oxydationsproducte der dem Alizarin isomeren Verbindungen; von Rosenstiehl. |
Autor: | Rosenstiehl |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. CXXIII., S. 485 |
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CXXIII.
Untersuchungen über die Krappfarbstoffe und die
Oxydationsproducte der dem Alizarin isomeren Verbindungen; von Rosenstiehl.
Rosenstiehl, über die Krappfarbstoffe und die Oxydationsproducte
etc.
Diese in den Comptes
rendus, 1874, t. LXXIX p. 680, 764 u.s.f. publicirten
Untersuchungen betreffen zuvörderst die vier Krappfarbstoffe, welche durch Schützenberger's Arbeiten (1864) constatirt worden sind,
das Alizarin, Pseudopurpurin, Purpurin und das Purpurinhydrat in ihren Beziehungen
zur Färberei und in zweiter Linie deren chemische Beziehungen unter einander
– namentlich die Beziehungen, welche zwischen Purpurin und Alizarin und den
mit ihm isomeren Verbindungen bestehen.
Um sich reines Alizarin
C₁₄H₈O₄ zu verschaffen, erhitzt Rosenstiehl einige Stunden lang commercielles Alizarin in schwach
alkalischem Wasser bei
200°. Die fremden Bestandtheile werden hierbei zerstört; das Alizarin, nur
zum Theil angegriffen, wird durch Umkrystallisiren aus Alkohol vollends rein
hergestellt. – Dieses gereinigte Alizarin färbt mordancirte Stoffe in
destillirtem Wasser nur unvollständig an; erst wenn man dem Färbebad in Wasser gut
zertheilte Kreide zugibt, färben sich die Mordants satt aus – um so satter,
je mehr das zugesetzte Kalksalz sich dem Verhältniß nähert, daß es mit dem Alizarin
gerade Monocalciumalizarat bilden kann. Ein weiterer Kreidezusatz wirkt schädlich,
da sich alsbald ein Kalklack mit doppelt so großem Calciumgehalt bildet, der ohne
alles Färbevermögen ist. Das Roth, welches das so gereinigte Alizarin auf
gewöhnlichem, nicht in Oelbädern präparirtem Baumwollgewebe mit Thonerdemordant
erzeugt, sticht bedeutend mehr ins Violette, als wenn man gewöhnliches Alizarin zum
Färben verwendet. Eisenmordant gibt damit ein Blauviolett von sehr angenehmem Ton,
durch welches das Alizarin vor den anderen Krappfarbstoffen sich ebenso auszeichnet,
wie durch die Echtheit seiner Farblacke gegen Licht und kochende Seifenlösung und
wie durch sein Verhalten beim Färben in destillirtem Wasser.
Das Pseudopurpurin C₁₄H₈H₆,
neben dem Alizarin quantitativ der wichtigste Farbstoff im Krapp, färbt nur in
reinem destillirtem Wasser, ohne Zusatz von Kreide, da seine Verbindung mit Kalk
nicht, wie der Alizarinkalklack, durch Kohlensäure zerlegt wird. Mit Thonerdemordant
gibt Pseudopurpurin fast das gleiche Roth wie Ulizarin, mit Eisenbeize ein
Grauviolett, aber beide Farben so wenig echt, daß sie durch kochende Seifenbäder
fast ganz heruntergerissen werden – ein Uebelstand, welcher diesem Farbstoff
als solchem, im Verein mit seinem Verhalten zu kalkhaltigem Wasser, jegliche
praktische Bedeutung für die Färberei abspricht. – Das Pseudopurpurin ist
übrigens ein sehr unbeständiger Körper, in Zeit von 3 Stunden wird es durch
kochenden 90proc. Alkohol, ebenso durch kochendes destillirtes Wasser zersetzt in
ein Gemenge von Purpurin C₁₄H₈O₅ und Purpurinhydrat.
Eine Vergleichung der beiderseitigen Formeln zeigt sogleich, daß die Zersetzung
nichts anderes ist als eine Reduction des Pseudopurpurins, ohne Mitwirkung eines
Reductionsmittels von Außen – eine Reduction, und dies beweist am
deutlichsten die Behandlung mit bloßem kochendem Wasser, ganz auf Kosten des
Pseudopurpurins. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter herab, indem mit der
Reaction immer das Auftreten einer wenn auch kleinen Menge des mit dem Alizarin
isomeren Purpuroxanthins C₁₄H₈O₄ verbunden ist. Sie geht
auch vor sich unter 100°, wenn man rohes Pseudopurpurin oder ausgewaschenen
Krapp mit angesäuertem Wasser oder mit einer wässerigen Alaunlösung behandelt, wobei
wahrscheinlich noch irgend ein Bestandtheil des Krapps die Reduction von Außen her
unterstützt. Nun aber werden Garancine, Garanceux und die verschiedenen
Krappextracte gerade durch die Einwirkung von heißen verdünnten Säuren aus dem Krapp
bereitet, also können sie kein Pseudopurpurin mehr enthalten; sein Vorkommen
beschränkt sich somit auf den Krapp selbst, auf die Krappblumen und auf das nach Kopp's Methode bereitete Purpurin, aber immer in
Gesellschaft mit den Producten seiner Reduction, mit Purpurin, Purpurinhydrat und
Purpuroxanthin.
Das Purpurin haben Schützenberger und Schiffert erhalten durch
Sublimiren von Pseudopurpurin oder durch Erhitzen desselben mit Alkohol auf
200°. In beiden Fällen wird ein ziemlich beträchtlicher Theil des Materielles
zerstört; nach dem Vorhergehenden kann man jedoch solch energische Mittel umgehen
und das Purpurin in einer der angegebenen Weisen viel leichter und mit bedeutend
geringerem Materialverlust aus dem Pseudopurpurin sich bereiten.
Mit Purpurin läßt sich in destillirtem Wasser färben. Kreidezusatz schadet nichts, so
lange im Purpurin nicht mehr als 1 Atom H durch Ca ersetzt wird; bei einem stärkeren
Zusatz bildet sich ein völlig unlöslicher Purpurinlack, mit dreimal so viel
Calciumgehalt, der keine Färbekraft besitzt und durch Kohlensäure nur äußerst
langsam zersetzt wird. Purpurin gibt mit Thonerdemordant, wie Alizarin, ein Roth mit
Violettstich, nur ist das Roth lebhafter; sein Eisenviolett ist weniger bläulich als
das Alizarinviolett. Beide, das Purpurinroth und das Purpurinviolett, verändern sich
im Seifenbad in der Weise, daß das Roth seinen violetten Stich verliert und dadurch
an Leben gewinnt, während das Violett sich trübt und an Intensität abnimmt.
Das Hydrat des Purpurins, Schützenberger's
Orangefarbstoff, hat Rosenstiehl dargestellt durch Fällen
von Purpurin mittels Säure aus alkalischer Lösung oder aus einer Lösung in Alaun.
Sein Verhalten in der Färberei gegen kalkhaltiges Wasser entspricht vollkommen dem
des Purpurins, wie auch seine Farblacke identisch sind mit den Purpurinlacken; das
Roth und das Rosa des einen wie des anderen ist so echt als das Alizarinroth und
Alizarinrosa, nur ist die Purpurinfarbe empfindlicher gegen das Licht als die
Alizarinfarbe.
Hiermit schließt der erste Theil von Rosenstiehl's
Abhandlung, indem er als Resultat seiner Betrachtungen die Ueberzeugung ausspricht,
daß kein Krapproth, kein Fleurrosa ohne die Mitwirkung von Purpurin und dessen
Hydrat mit Alizarin allein gefärbt werden kann. Mischungen beider haben ihm alle
Nüancen geliefert, die man durch Färben mit Krapp oder dessen technischen Abkömmlingen erhalten kann
und umgekehrt, wie er auch an einer Reihe von wohlausgeführten Mustern in gefärbtem
Roth und Rosa die gleichzeitige Anwesenheit von Alizarin und Purpurin nachzuweisen
vermochte.
Der zweite Theil der Abhandlung ist hauptsächlich der Untersuchung des
Purpuroxanthins und anderer mit dem Alizarin isomerer Körper gewidmet. Schützenberger und Schiffert
haben das Purpuroxanthin zuerst im commerciellen
Purpurin, allerdings in geringer Menge vorkommend, gefunden. Ersterer hatte auch
schon gezeigt, wie diese Verbindung aus Purpurin gewonnen werden könne, entweder
durch Reduction mittels Jodwasserstoffsäure oder in alkalischer Lösung mittels
Zinnsalz. Verfasser zieht vor, das Purpurin in heißer alkalischer Lösung mit weißem
Phosphor zu Purpuroxanthin zu reduciren. Die Reaction geht glatt und rasch vor sich,
die Flüssigkeit wird sodann mit Säure ausgefällt, der entstehende Niederschlag
gewaschen, in Alkohol aufgelöst, und die alkoholische Lösung nach dem Filtriren
durch Thierkohle mit Wasser versetzt, womit das Purpuroxanthin in Form eines lebhaft
gelbgefärbten krystallinischen Pulvers abgeschieden wird. Dieser neu entstandene
Körper, das Purpuroxanthin, löst sich, außer in Alkohol, leicht auch in Essigsäure
und Benzin, ferner mit schön rother Farbe in Alkalien, endlich in kochender
Alaunlösung auf, aus welcher er beim Erkalten sich vollständig wieder ausscheidet.
Seine Verbindungen mit Kalk und mit Barit lösen sich wenig in kochendem Wasser, dem
sie eine orangerothe Färbung ertheilen. Beim Sublimiren gibt das Purpuroxanthin
orangegefärbte Nadeln, ganz ähnlich denen des sublimirten Alizarins.
Thonerde- oder Eisen-Mordant werden vom Purpuroxanthin nicht gefärbt.
Seine Zusammensetzung ist C₁₄H₈O₄, d.h. es ist isomer
dem Alizarin. Setzt man die Reduction weiter fort, indem man das Purpuroxanthin
lange genug mit starker Jodwasserstoffsäure und mit weißem Phosphor kocht, so erhält
man als schließliches Endproduct Anthracen und dessen beide Hydrüre, auf der anderen
Seite nimmt es in kochender alkalischer Lösung leicht ein Atom Sauerstoff auf, so
daß sich Purpurin regenerirt.
Also ist durch Reduction von Purpurin nicht Alizarin entstanden, sondern das isomere
Purpuroxanthin ist das regelmäßige Product dieser Reduction. De Lalande ist es gelungen, durch Oxydation von Alizarin ein künstliches
Purpurin zu erzeugen, das in seinen Eigenschaften mit dem Purpurin des Krapps
identisch ist. Eben dasselbe aus Alizarin gewonnene Purpurin hat nun Rosenstiehl gleichfalls der Reduction unterworfen und
wiederum kein Alizarin sondern Purpuroxanthin erhalten. Purpurin kann somit aus zwei
isomeren Körpern durch Oxydation derselben sich bilden, seine Reduction liefert aber
unter allen Umständen nur wieder den einen der beiden und zwar gerade den Körper,
welcher keine färbenden Eigenschaften besitzt. Verf. macht uns nun zum Schluß mit
den Oxydationsproducten zweier weiterer dem Alizarin isomeren Verbindungen
bekannt.
Die eine von beiden, die Chrysophansäure, in concentrirter
Aetzlauge bei 195° erhitzt, lieferte ein Product, welches dieselben färbenden
Eigenschaften besitzt wie die natürlichen Krappfarbstoffe. Es löst sich leichter in
verdünntem Weingeist als die Chrysophansäure und scheidet sich aus dieser Lösung als
dunkelrother krystallinischer Niederschlag aus, während die Chrysophansäure
goldgelbe Krystalle bildet. Die alkalische Lösung dieses dem neuen Purpurin analogen
und wahrscheinlich isomeren Körpers ist mehr violett gefärbt als eine solche von
reinem Alizarin; Thonerdemordant färbt er granatroth, Eisenmordant schwach grünblau,
und beide Farben sind echt in der Seife.
Die andere dem Alizarin isomere Verbindung, die Anthraflavinsäure, nähert sich in manchen Punkten dem Purpuroxanthin.
Behandelt man sie mit heißer concentrirter Aetzlauge, so färbt sich die Flüssigkeit
tief violett. Das rohe Product dieser Reaction färbt Thonerdemordant ganz wie Krapp
– sowohl was die Nüance, als was die Echtheit der Farbe betrifft; es löst
sich in alaunhaltigem WasserWasscr mit rother Farbe auf, ohne die Fluorescenzerscheinung des Purpurins. Bei
näherer Untersuchung erweist sich das Product als aus zwei Verbindungen bestehend.
Die eine davon löst sich in Benzin, färbt wie Alizarin, ist aber in Alaun löslich;
die andere löst sich wenig in Benzin, leicht in Alkohol, färbt Thonerdemordant wie
Purpurin und ist in Alaun schwer löslich. Somit bilden sich aus der
Anthraflavinsäure gleichzeitig zwei Farbstoffe, deren Entstehung und Eigenschaften
sie als Isomerien des Purpurins bezeichnen. Nimmt man schließlich noch das von Grimm entdeckte Chinizarin als weitere dem Alizarin
isomere Substanz hinzu, welche wieder ein den obigen analoges färbendes
Oxydationsproduct liefert, so hätten wir mit ihr fünf Verbindungen von der
empirischen Zusammensetzung des Alizarins kennen gelernt, und ihnen gegenüber fünf
solche von der empirischen Formel des Purpurins.
Kl.