Titel: Die schwefelhaltigen organischen Farbstoffe von E. Croissant und Z. Bretonnière.
Fundstelle: Band 215, Jahrgang 1875, S. 363
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Die schwefelhaltigen organischen Farbstoffe von E. Croissant und Z. Bretonnière. Nach dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, October 1874 S. 465. Croissant und Bretonnière's schwefelhaltigen organischen Farbstoffe. Die erste Mittheilung über diese neue und überraschende Erfindung der Farbentechnik fällt in den Anfang des verflossenen Jahres (vergl. 1874 211 404). Die Erfinder geben nunmehr eine eingehende Erläuterung ihrer bis ins J. 1868 zurückreichenden Arbeiten, welche dadurch ein besonderes Interesse bietet, daß sie zugleich den Ideengang vom Beginn der ersten Untersuchungen darlegt. Diese betrafen zunächst die festen Farbholzextracte, deren jeder bekanntlich seinen ihm eigenthümlichen Gerbstoff enthält. Wie nun die Gallussäure, das Zersetzungsproduct der Gerbsäure, beim Erhitzen auf ungefähr 250° Metagallussäure liefert, so haben Croissant und Bretonnière dieser Reaction entsprechend den Blauholzextract behandelt und dabei, unter Entwickelung von Kohlensäure, einen schwarzen, voluminösen, in Wasser unlöslichen, in Alkalien leicht löslichen Körper erhalten, der aus eben diesen Lösungen durch Säuren in Form von braunen Flocken ausgefällt wird, und welcher mit verschiedenen Metallsalzen verschieden gefärbte Niederschläge gibt. Dieselbe Zersetzung des Blauholzextractes, wieder unter Entwickelung von Kohlensäure, geht bei Zusatz von kaustischen Alkalien schon bei 200° vor sich, und es entsteht diesmal das in Wasser lösliche Alkalisalz einer der Metagallussäure analogen Säure, welche auf Zusatz von anderen Säuren sowie von Metallsalzen aus ihrer Lösung gefällt wird. Die Hauptsache aber ist, daß dieses Product in seiner alkalischen Lösung ein ungemein starkes, directes Färbevermögen für die vegetabilische Faser besitzt. Verläßt man das Gebiet der natürlichen Farbstoffe, indem man dasselbe Verfahren auf andere organische Substanzen anwendet, so resultirt bekanntlich unter der Einwirkung der Alkalien sehr gerne ein Salz der Oxalsäure, wie z.B. bei den Sägespänen. Der Proceß nimmt aber einen ganz anderen Verlauf, wenn man gleichzeitig Schwefel in die Verbindungen einführt. Entweder tritt der Schwefel direct in Verbindung mit der Substanz, wie bei der Aloe, ohne daß irgend ein Element aus derselben eliminirt würde, oder es tritt der häufigere Fall ein, daß gleichzeitig der Schwefel mit einem Theil des Wasserstoffes der organischen Verbindung sich zu Schwefelwasserstoff vereinigt und derselben, indem letzterer sich verflüchtigt, einen Theil ihres Wasserstoffgehaltes entzieht. In beiden Fällen jedoch und aus fast allen organischen Materien entstehen auf diesem Weg neue Körper, welche gleich substantiven Farbstoffen die Thier- und Pflanzenfasern ohne Vermittelung eines Mordants sehr intensiv, sehr sicher und sehr solid zu färben vermögen. Die Verfasser haben eine Reihe der heterogensten Substanzen organischen Ursprunges mit Einfach- oder Mehrfachschwefelnatrium in geschlossenen Gefäßen erhitzt und in jedem einzelnen Fall die Richtigkeit und die Allgemeinheit ihrer Erfindung bestätigt gefunden. Es genügt aus der großen Anzahl derselben einige Repräsentanten namhaft zu machen. In erster Linie die verschiedenen Farbholzextracte, wie Blauholz-, Lima- und Cuba-Extract, dann Sägespäne, Humus, Tannin, Papier- und Baumwollabfälle, ferner Weizenkleie, Mehl, Blut, Leim, thierische Excremente, Urin, Woll- und Seideabfälle; an diese anschließend die Weinsäure, Stärke und Glycerin – endlich, wegen der directen Aufnahme des Schwefels als Gruppe für sich allein, die Aloe. Die Farbstoffe bilden sich leicht und sicher in Form einer aufgeblähten, voluminösen, mehr oder weniger dunkel gefärbten Masse, je nachdem die Temperatur bei der Darstellung höher oder niedriger, zwischen 200 bis 300° gegeben worden ist und je nach der längeren oder kürzeren Zeitdauer des Erhitzens. Mit dieser Temperatur und der Zeitdauer nimmt auch die Löslichkeit des entstandenen Productes zu, sowie die Echtheit der damit gefärbten Stoffe insbesondere gegen die Einwirkung des Lichtes. Sie sind alle sehr hygroskopisch und müssen deshalb in wohlverschlossenen Blechbüchsen aufbewahrt werden, um sie vor dem Einfluß der Feuchtigkeit und der damit verbundenen Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft zu bewahren. Letzterer oxydirt die Farbstoffe zu einer unlöslichen Substanz und beeinträchtigt dadurch ihre Ausgiebigkeit in der Färberei; nach Verfluß von 4 bis 5 Monaten werden sie ohne diese Vorsicht gänzlich unlöslich, gänzlich unbrauchbar. Somit ist es auch gerathen, in der Praxis die Farbflotten möglichst frisch angesetzt zu verwenden. In einem solchen frisch bereiteten Färbebad besitzt aber der gelöste Farbstoff eine solche Verwandtschaft zu den vegetabilischen und animalischen Gewebsfasern, daß er, wenn das Färben genügend lang fortgesetzt wird, gänzlich der Flotte entzogen werden kann, und eine vollkommen farblose Flüssigkeit im Farbkessel zurückbleibt. Noch ein weiteres Moment beeinflußt die Ausgiebigkeit dieser Farbstoffe, nämlich die Beschaffenheit des Lösungswassers. In einem kalkhaltigen Wasser lösen sie sich nur unvollständig auf, indem ein flockiger, fast unlöslicher Körper entsteht. Ist nur kalkhaltiges Wasser zur Verfügung, so muß dasselbe zuvor durch Kochen mit Soda gereinigt werden. Durch Säuren werden die Farbstoffe ebenfalls aus ihren Lösungen ausgefällt, unter Entwickelung von Kohlensäure und von Schwefelwasserstoff; der Niederschlag löst sich aber in alkalischem Wasser leicht wieder auf. Dieses Verhalten gibt ein Mittel an die Hand, die Farbstoffe zu reinigen und in Form eines trockenen, unveränderlichen, in alkalischen Flüssigkeiten wieder auflöslichen Pulvers darzustellen. Weitere Fällungsmittel sind der Alaun und die Metallsalze; die Fällungen durch letztere sind je nach der Metallbasis verschieden gefärbt. Das wichtigste Fällungsmittel jedoch für die Zwecke der Färberei ist das rothe chromsaure Kali, hauptsächlich wichtig durch die oxydirende Wirkung der Chromsäure, und weil die Niederschläge, welche es hervorbringt, mit geringer Ausnahme gegen die meisten Lösungsmittel, sogar gegen kochende kaustische Laugen, sich passiv verhalten, so daß dieses Salz als vortreffliches Mittel dient, die Farben auf dem Garn oder dem Gewebe zu fixiren. Gegen Säuren sind die fixirten Farben so echt, daß man ohne allen Nachtheil für die letzteren eine Lösung von 1 Th. Oxalsäure in 4 Th. Wasser verwenden kann, um etwaige Tintenflecke von den damit gefärbten Stoffen zu entfernen. Chlor und unterchlorigsaure Salze zerstören die Farben sehr rasch. Die Färberei mit diesen neuen künstlichen Farbstoffen ist in dem Etablissement von Marie und Bretonnière in Laval seit 2 Jahren im Großen eingeführt. Man löst den Farbstoff, je nach der gewünschten Tiefe des Tons in einer beliebigen Menge lauem Wasser, und färbt in dieser Flotte bei 60° eine halbe Stunde lang. Die Farbe fällt schnell und gleichmäßig an, und deckt die sonst in der Unifärberei so leidigen Bleich- und Schmutzflecken vollkommen zu. Sodann wird die Waare herausgenommen, ausgewunden und, um den Farbstoff zu befestigen, in ein heißes Chrombad gegeben. Man bleibt eine halbe Stunde in diesem, wäscht in fließendem Wasser und trocknet an der Luft oder im warmen Trockenhaus. Für Seide und Wolle empfiehlt es sich, die Flotte durch Essigsäure theilweise zu neutralisiren, oder auch den Farbstoff mittels einer Säure ganz aus seiner Lösung auszufällen, den Niederschlag auszuwaschen, in Salmiakgeist zu lösen und mit dieser ammoniakalischen Lösung zu färben. Unserer Quelle ist eine Anzahl gefärbter Garnmuster beigefügt unter Angabe der Rohmaterialien, welche zur Darstellung der in ihrer wässerigen Lösung meist nach Knoblauch riechenden Farbstoffe dienten. So liefert die Lösung des geschwefelten Blauholzextractes ein sehr solides Grau und Schwarz; sie hat überdies die gute Eigenschaft, sich lange zu conserviren. Aus dem Humus alter Eichen erhält man ein Product, welches zum Färben einer sehr soliden, dunklen Bisternüance dient. Dieselbe entwickelt sich erst vollständig in der Chrompassage und wird weder durch die Einwirkung der Luft oder des Lichts, noch auch durch starke Säuren oder kaustische Alkalien verändert. Der Farbstoff der Weizenkleie – wie anderer stickstoffreicheren Materalien z. B. Horn, Haare, Mehl, thierische Excremente u. s. w. – unterscheidet sich vom Humusfarbstoff dadurch, daß die mit ihm gefärbten Stoffe durch Säuren, namentlich durch heiße Sodalauge, nach dem Chromiren nüancirt werden. Das mit diesem Product erhaltene Dunkelcachou verwandelt sich unter dem Einfluß der Alkalien in Olivegrau, und zwar fällt diese Abtönung um so bedeutender aus, je mehr Schwefel oder Schwefelnatrium bei der Darstellung des Farbstoffes angewendet worden ist, wie auch in diesem Fall die wässerige Lösung nicht mehr braun, sondern grünlich gefärbt ist. Die Verf. haben nämlich zur Bereitung desselben sich nicht des fertigen Schwefelnatriums bedient, sondern, um das Verhältniß zwischen Schwefel und Soda beliebig ändern zu können, beide getrennt mit der Weizenkleie vermischt und erhitzt. Ein sattes Schwarz und ein wirklich ansprechendes Grau auf Leinengarn repräsentirt den Farbstoff, welcher aus Sägespänen von Eichen-, Buchenholz u. a., die harzreichen Nadelhölzer ausgenommen, resultirt. Es ist nicht besonders angegeben, ob zum Färben des Garnes das Product aus trockenen oder durch vorheriges Begießen mit Wasser und längeres Liegenlassen in Humus verwandelten Sägespänen verwendet worden ist. Denn es ist dieser Unterschied von einigem Einfluß auf die Nüance der Farbe und noch größer zeigt sich dieser Einfluß, wenn die Sägespäne statt mit Wasser mit Urin befeuchtet werden. In letzterem Fall, da dem Humus mit dem Urin Stickstoff zugeführt worden ist, verhält sich der gewonnene Farbstoff ganz ähnlich den Producten aus den stickstoffreichen Substanzen; seine wässrige Lösung ist grünlich gefärbt, und das mit ihm auf Geweben erzielte Cachougrau erhält nach dem Chromiren durch Sodalauge einen Stich ins Violette. Bemerkenswerth ist namentlich das aus weinsaurem Natron gewonnene Product. Es löst sich mit schön smaragdgrüner Farbe auf, ertheilt der Gewebsfaser die gleiche Farbe, welche dann in der Chrompassage in ein gelbliches Havannabraun übergeht. Im darauffolgenden Sodabad verwandelt sich dieses wieder in ein bläuliches Grau; das Sodabad selbst färbt sich dabei grün. Der Farbstoff schließt sich mit dieser Nüancirung in der Sodalösung an den Kleienfarbstoff an, wie auch die Farbstoffe aus Stärke, Glycerin, u. a. sich dieser Analogie anschließen. Operirt man bei der Bereitung des Productes nur mitneutralem Weinsäurefalz, ohne Zusatz von Soda, so hat das Grau nach dem Sodabad einen röthlichen Stich, es stellt fast ein Violett vor. Der Farbstoff aus Aloe endlich unterscheidet sich, wie schon erwähnt, durch die Art und Weise seiner Entstehung von den vorhergehenden. Die Bereitung dieses Farbstoffes bedarf nur einer Temperatur von 100 bis 120°. Beim Färben mit demselben resultirt nach dem Chromiren und nach der Sodalösung ein Blaugrau, welches beim Verlassen der Soda an der Luft nachdunkelt und in Violettgrau übergeht – eine gewisse Beweglichkeit von einer Nuance zur anderen, die man sonst in der Färberei nicht gerade zu den Vorzügen eines Farbmaterials rechnet. Wird bei der Bereitung des Farbstoffes die Temperatur auf 230° gesteigert, so bleibt derselbe immer noch löslich, liefert aber etwas verschiedene, weniger violette Nüancen in der Färberei. Im Allgemeinen zeichnen sich die Farben, welche mit diesen neuen künstlichen Farbstoffen erzielt werden, mit Ausnahme des Schwarz, nicht durch besonderes Leben oder durch besonders charaktervolle Nüancirungen oder durch reiche Abwechselung aus; aber ihre ebenso originelle, wie sichere, leichte und hauptsächlich billige Darstellungsweise, welche das besondere Verdienst hat, vollkommen werthlose Abfallproducte in die Farbenindustrie einzuführen, die einfache und solide Färberei mit denselben garantirt ihnen eine Verwendung als billige Unterlage für verwandte Töne oder als Farbmaterial für billige baumwollene oder leinene Futterstoffe, überhaupt für ordinäre Artikel, welche, wie Canevas und Drill, auch sonst in matten Farben ausgeführt werden, und deren Farbenkreis sich auf Grau und etliche wenig bestimmte, sogenannte Mißfarben beschränkt. Eine andere Frage ist, in wie weit die Schwefelwasserstoffausdünstung der Farbflotten eine Verwendung dieser Farbstoffe in großem Maßstabe und in großen, vielseitig arbeitenden Etablissements zuläßt, und ob dieselbe überhaupt eine Anwendung in der Rouleaudruckerei gestattet – abgesehen davon, daß solche monotone Nünancen nur selten und nur vorübergehend für bedruckte Waare eine Bedeutung haben. Kl.