Titel: | Ein System der vergleichenden mechanischen Technologie; von Professor W. F. Exner in Wien. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 368 |
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Ein System der vergleichenden mechanischen
Technologie; von Professor W. F.
Exner in Wien.
(Fortsetzung und Schluß von S. 279 des vorhergehenden Heftes.)
Exner, über ein System der vergleichenden mechanischen
Technologie.
2. Transportmittel. Unter Transportmittel sind jene
passiven Hilfsmittel zu verstehen, mittels deren die in den Schmelzapparaten
gewonnenen Flüssigkeiten in die Gießformen überführt werden.
Nicht bei jeder Art von Gießerei müssen solche Vorrichtungen in Anwendung kommen. Wie
schon weiter oben erwähnt wurde, kann der Rohstoff an jener Stelle zum Schmelzen
gebracht werden, wo er auch erstarrt; so beim Löthen und Emailliren, wobei der
Transport entfällt. Aber auch, wenn eine Ueberführung des Gießstoffes vom
Schmelzapparate zur Gießform stattfindet, muß nicht immer eine eigene Vorrichtung
dies ermöglichen.Nach dem Vorschlage Flamm's läßt man die Glasmasse
für die Spiegelgießerei von dem einen Glashafen, welchen bei dieser Methode
der Glasofen enthält, durch eine Bodenöffnung des Hafens, ohne ihn von
seinem Platze zu entfernen, auf den unter ihn befindlichen Gußtisch
ausfließen. (S. Dr. Graeger: Handbuch der Glasfabrikation. 4. Auflage [Weimar 1868] 2.
Bd. S. 63.) Ein ähnlicher Vorschlag ging im J. 1857 von T. Warren (vergl. dies Journal, 1857 143 34) aus, welcher sich das Verfahren
patentiren ließ, aus Glas: Spiegel, Platten, Röhren etc. zu gießen. Es wird
dabei aus dem im Glasofen stehenden Schmelzhafen, mittels eines von der
Seite des Tiegels ausgehenden Rohres, die Gießmasse direct in die Form
geleitet.
Bei großen Gußstücken aus Eisen und Bronze, wie umfangreichen Maschinentheilen,
Kanonen, Glocken, Statuen u.s.w., läßt man gewöhnlich den geschmolzenen Rohstoff aus
dem Stichloche des Cupol- oder Flammofens durch ein Rohr oder eine Rinne in
die Gußform fließen. Man nennt dies „Versetzen“ oder
„Laufenlassen.“ Bei Eisen formt man die Rinne wohl am Boden
der Gießerei-Werkstätte aus Sand, bei Bronze aus Lehm, und läßt den
„Masselgraben“ (Eisengießerei) nach Bedarf zu verschiedenen
Formen hin sich verzweigen. Das flüssige Metall wird dann in einen Zweig nach dem
anderen eingeleitet. Es ist in vielen Fällen angezeigt, die in den Rinnen der Form
zuströmende Gießmasse oberhalb der Form in einem Raume (Tümpel) anzusammeln, und
erst, wenn dieser eine beträchtliche, zur völligen Ausfüllung der Gießform
ausreichende Menge enthält, wird durch Ausziehen des am Boden des Tümpels
befindlichen Pfropfens das Gußloch zugänglich, der Guß beginnt und vollzieht sich
rascher und ohne Unterbrechung. Die beim flüssigen Metalle auf der Oberfläche
schwimmende Schlacke oder Krätze wird vor dem Eintritt in die Form durch eigene
Schutzplatten oder den hölzernen „Krampstock“
zurückgehalten.
Die eigentlichen Transportmittel sind jene Gefäße, welche beim Schmelzapparat gefüllt
und mittels verschiedener Vorrichtungen zur Form geschafft werden. Bei denselben
kommt zweierlei in Betracht: das Material, deren Größe und Bauart.
Die Transportmittel müssen stets aus einem Stoff angefertigt werden, welcher durch
die hohe Temperatur und sonstige Beschaffenheit der geschmolzenen Gießsubstanz nicht
selbst zum Schmelzen gebracht oder einer raschen Zerstörung ausgesetzt wird.Die Transportmittel für Eisen sind aus Guß- oder Schmiedeisen und an
ihrer Innenfläche sorgfältig mit Lehm ausgestrichen, der dann noch scharf
erhitzt wird. Für Münzzaine dienen ebenfalls eiserne, mit Thon ausgefütterte
Transportmittel. Die in der geschmolzenen Gießmasse vorhandene Wärmemenge
W reicht nicht aus, um das Gefäß aus
derselben Substanz, während der kurzen Zeit des Transportes und bei dem
Vorhandensein eines schlecht wärmeleitenden Isolators zum Schmelzen zu
bringen. Vollkommen beruhigend ist die Verwendung eines Materiales für das
Transportmittel, dessen Schmelzbarkeit geringer, d.h. dessen W größer ist als jene des transportirten
Rohstoffes, wie z.B. die schmiedeisernen Behälter für das flüssige
Schriftgießermetall, und die aus feuerfestem Thon hergestellten Gießhafen
für Spiegelglas.
Die Größe und Bauart des Gefäßes richtet sich nach der Quantität des auf einmal zu
übertragenden Gießstoffes und nach der Art des Transportes. Die größten Gefäße sind
Kästen aus Schmiedeisenblech, die auf Eisenbahnwagen verführt werden. Kleinere
schmied- oder gußeiserne Kessel oder Kübel werden durch Lauf- oder
andere Krahne transportirt. Pfannen werden von zwei und mehr Arbeitern sänftenartig,
noch kleinere durch einen Arbeiter getragen. Die kleinsten Transportmittel, die
Kellen oder Löffel, zeigen zahllose Abstufungen an Größe und ungemeine
Mannigfaltigkeit in der Gestalt.Bei der Eisengießerei kommen folgende Haupttypen der Transportmittel vor:
Wagen-Gießkasten aus Kesselblech zusammengenietet, mit scharf
getrockneter Lehmfütterung, am Boden eine Oeffnung zum Entleeren;
Fassungsraum: 10.000 bis 12.000 Kilogrm. – Krahnpfannen aus
Schmied- oder Gußeisen, welche durch maschinelle Vorrichtungen behufs
Ausgießen umgekippt werden; Fassungsraum: 2000 bis 5000 Kilogrm. –
Gießpfannen aus Eisenblech, auf zwei Stangen tragbar, 100 bis 200 Kilogrm.
haltend. – Endlich Gießkellen oder Gießlöffel, gewöhnlich aus
Gußeisen, mit einem 1 bis 1,25 Meter langen Stiel, zur Aufnahme von
höchstens 25 Kilogrm. bestimmt.
Das Transportgefäß nimmt entweder die ganze zu einem Gußstück nothwendige
Rohstoffmenge auf, wie z.B. die Gießlöffel der Schriftgießerei, welche nach der
Größe der Lettern und der hierzu benöthigten Mengen stets in größerer Auswahl (in
Sortimenten zu 12 Stück) vorhanden sind (vergl. Prechtl's
Encyklopädie, Taf. 309, ###Fig. 29 bis 31); oder es wird in einem Sammelgefäße der
Inhalt mehrerer Transportgefäße vereinigt.
Beim Tiegelgusse dient der Schmelztiegel oft auch als Transportmittel (Messing) und
dabei tritt häufig der letzterwähnte Fall des Ansammelns der Gießmasse vor dem Guß
ein (Stahl). Bei dem Spiegelgusse wird der Schmelzhafen aus dem Ofen genommen und
mittels Wagen und Krahn bis über den Gußtisch gebracht; es kann aber auch, und
früher war dies die Regel, die geschmolzene Masse aus dem Schmelzhafen mit kupfernen
Löffeln in etwa 1/3 so große Gießwannen oder Gießhafen umgeschöpft werden. Die
Glasmasse ruht dann noch 16 bis 18 Stunden bei sehr hoher Temperatur in diesen
Gießwannen, d.h. sie wird geläutert. Die Gießwannen, aus feuerfestem, mit Chamotte
gemischtem Thone geformt und gebrannt, haben außen an den Seitenwänden Rinnen, in
welche sich die Zange einlegt, mit welcher die Gefäße aus
dem Ofen gehoben werden. Diese Zange gehört ebenfalls zu den passiven Hilfsmitteln
der Gießerei.
V. Active Hilfsmittel.
Die Formen, Gießformen, können nach zwei Gesichtspunkten
classificirt werden: nach dem Materiale, aus dem sie angefertigt werden und nach der
Gestalt der Gußwaare, welche herzustellen sie berufen sind. Die Classification nach
dem Materiale ist für die vergleichende Technologie die wesentlich im Vordergrunde
stehende, denn die Wahl der Substanz der Form ist zunächst und zumeist durch die
Arbeits-Eigenschaften des Rohstoffes bedingt, während die Gestalt und
Einrichtung der Form vielmehr von der Beschaffenheit des Gewerbsproductes, das sie
ermöglicht, bestimmt wird. Zwischen den beiden Gesichtspunkten besteht insofern ein
organischer Zusammenhang, als gewisse Gestalten der Form auch deren Herstellung aus
diesem oder in jenem Materiale bedingen. Ist dieses Material der Form dann den
Arbeits-Eigenschaften des Rohstoffes weniger zusagend, so entsteht eine
Collision zwischen den Bedingungen des Gelingens. Durch reiche Erfahrung und
besonderen Scharfsinn werden Aufgaben der complicirtesten Art dennoch glücklich
gelöst.
Das Material der Form muß um so mehr hitzebeständig sein, je höher die Temperatur T + t ist, je größer die
Menge des Trägers dieser Temperatur, respective je größer W ist; ferner muß die Form in allen Theilen dem Stoße des einströmenden
Gießstoffes widerstehen und den Seiten- und Bodendruck aushalten können;
endlich muß sich das Material zur Herstellung der Formen eignen. Die vornehmsten
Materialien sind: magerer Sand (Sandformerei), fetter Sand (Masseformerei), Lehm
(Lehmformerei), Metalle (Schalenguß) u.s.w. Bei ein und derselben Form können und
müssen mitunter mehrere verschiedene Materialien verwendet werden, so daß
beispielsweise bei einem Theile der Form Sand, bei einem anderen Lehm, Metalle bei
diesem oder jenem Theile in Gebrauch kommen. Endlich treten auch solche
Combinationen auf, bei denen die eigentliche Form aus einem wenig widerstandsfähigen
Stoff, wie Sand, Masse oder Lehm gebildet ist, während nach außen zu eine Umhüllung
aus irgend einem Materiale, z.B. Gyps, hergestellt ist und in dasselbe – das
Fleisch – Eisenschließen eingebettet werden (Armatur). Wird die Form in einem
eisernen Gehäuse aus Masse oder Sand hergestellt, so nennt man dies
„Kastenformerei“; wohl auch beim Gießen in
„Flaschen“ dienen diese nur als Umrahmung der eigentlichen
Form. Die Herstellung der Formen aus Lehm, Sand, Masse u.a.m. gehört in den
Arbeitsbegriff: Modelliren, Formerei – und wird auch dort abzuhandeln sein.
Die Herstellung der Metallformen wird zumeist durch Guß, aber auch durch Pressen,
Schmieden, Treiben etc. bewerkstelligt, gehört also auch nicht in den hier
abzuhandelnden Arbeitsbegriff. Die Eigenthümlichkeiten der Form-Materialien
können daher hier, soweit sie auf die Herstellung der Form Einfluß nehmen übergangen
werden. Dagegen kommen die Eigenschaften der fertigen Form hier in Betracht.Sandformen haben eine feine und doch poröse Oberfläche; dabei ist trockener
(fetter) Sand für die feinsten und subtilsten Gestalten geeignet. Der nasse
magere grüne Sand „schreckt“, d.h. er kühlt die
Gießmasse rascher ab als trockener Sand. Letztere Formen werden vor der
Verwendung, nachdem sie aus der Trockenhitze genommen wurden, mit einer
isolirenden, die Adhäsion verhindernden Schlichte oder Schwärze überstrichen
und dann – wenn nöthig – nochmals getrocknet. Während magerer
Sand und Masse nur für die Kasten- und Herdformerei genügende
Festigkeit (Cohäsion, Bindekraft) besitzen, „steht“ die
Lehmform auch ohne Kasten. Die Lehmformen werden gewöhnlich nur im
gebrannten Zustande verwendet und ebenfalls mit einer Brühe von Leimwasser
und Kohlenstaub überzogen, isolirt.Sand-, Masse- und Lehmformen werden nur ein Mal zum Gusse
verwendet; – es sind sogen. „verlorene“ Formen.
(Eine Ausnahme hiervon macht der Vorschlag von Hoby und Kinniburgh, beschrieben in
diesem Journal, 1854 131 432.)Die Metallformen haben den großen Vorzug wiederholt verwendet werden zu
können. Ihre große Wärmeleitungsfähigkeit kann schädlich werden und ihre
Verwendbarkeit einschränken. Man erwärmt die Formen, wenn man sie vor dem
Zerspringen sichern und die Härtung des Gußstückes abschwächen will. Kupfer
macht die Oberflächenschicht des Gußstückes härter und dicker als andere
Formen. [Beispiele für Eisenschalenguß und Hartguß sind: Kanonenkugeln,
Dreheisen, Hartwalzen, Herzstücke, Waggonräder, Radnaben, Zuckerhutformen
mit Bezug auf deren innere Wandfläche (Campbell
und Marnal); grobe, einhiebige Feilen (Adcock), Ambosse, Pochstempelschuhe.]Laurens und Thomas
umgeben sehr dünne Schalen mit Sand in Formkästen, wodurch eine dichte und
nicht zu spröde Haut beim Gußstück erzielt wird.Das Erwärmen der Formen ist aber auch dann nothwendig, wenn man die
Erstarrung und die dabei etwa vorkommende Krystallisation verzögern will und
muß. So werden die Formen für die Stearinkerzen in einem Wasserbade bis auf
49° – eine dem Schmelzpunkte sehr naheliegende Temperatur
– erwärmt. Dadurch wird die Masse der Kerzen dicht und hart und das
Ansehen schön. Bei den Paraffinkerzen befolgt man eine gerade
entgegengesetzte Methode, um den gleichen Zweck zu erreichen. Das auf 75 bis
80° erhitzte Paraffin wird in 56° warme Formen gegossen und diese dann,
um die Krystallisation zu stören, in 12° kaltem Wasser abgekühlt. Das
Erwärmen der Eingüsse und Formen findet auch noch beim Gießen des Goldes,
Silbers, Zinns etc. statt.Die metallenen Formen werden vor dem Gebrauche mit Theer, Reißblei oder fein
gepulvertem Antimon überzogen, wenn Eisen in denselben gegossen wird.
Manchmal stellt man die Formen auch auf ihrer inneren Fläche hochblank her,
um der Gußwaare eine glänzende Außenseite zu geben, so z.B. werden
Kerzenformen aus einer Zinkbleilegirung (Zink: Blei = 5 bis 2 : 1) über
einen hochpolirten Stahlkern gegossen, um ihnen jene Glätte zu geben, welche
sie dann auf die Kerzen übertragen.
Die Wahl des Materiales zur Form ist wie bei den Transportmitteln wesentlich durch
die Schmelzbarkeit desselben, der Temperatur T + t des Gießstoffes gegenübergehalten, bedingt. Es ist
leicht einzusehen, daß man für jeden Gießstoff die Form aus demselben Stoff und aus
allen schwerer schmelzbaren Substanzen anfertigen kann; die leichter schmelzbaren
sind dagegen ausgeschlossen. Ferner wird man von den zur Disposition stehenden
Formmaterialien stets die billigeren Stoffe wählen und jene, welche sich zur
Herstellung der Form auf diesem oder jenem Wege gut eignen. Die folgende Uebersicht
der Formen, nach ihrem Materiale und ihrer Bestimmung geordnet, bestätigt zur Genüge
die eben angeführte Regel.
Material der
Gießform:
Gießstoff:
Sand
für
fast alle Gießstoffe, ausgenommen:
Schwefel, Glas, Fettsäuren, Paraffin
u.s.w.
magerer Sand
„
Gußeisen.
fetter Sand
„
Bronze.
Sand mit 1/4 bis 1/3 Kohle
„
Messing.
sehr fetter Sand
„
Stahl.
Lehm
„
Stoffe mit T = 900 bis 1400°.
(Bronze, Messing, Stahl, Eisen.)
Schmiedeisen
„
Gold, Silber, große Lettern.
Gußeisen
„
Eisen, Stahl, Münzzaine, Zink,
Zinn, Fensterblei, kleine Lettern, Talg
u.s.w.
Stahl
„
Britannia-Metall, Lettern (in
Frankreich und England
ausschließlich).
Messing
„
Zink, Zinn, Blei, Hartblei, Lettern
(in Deutschland), Talg.
Bronze
„
Zink.
Legirung von Kupfer,
Messing und 1/20 Zinn
„
Spiegelglas.
Zink
„
Zink, Hartblei.
Zinn
„
Zinn, Talg.
Legirung von Zinn
und Blei
„
Talg.
„
„ Zinn und Antimon (Pewter)
„
Stearinsäure.
Blei
„
Zinn und Blei.
Material der
Gießform:
Gießstoff:
Granit
für
Messing.
Sandstein, Serpentin,
Thonschiefer, Gyps,
Papier, Holz
„
Zinn.
Sepia (Blackfischbein)
„
Gold.
Glas
„
Stearin, Paraffin.
Schwefel, vulcan. Kautschuk
„
Wachs u.a.
Die Gießformen ihrer Gestalt nach zu classificiren, ist ungleich schwieriger, als sie
dem Materiale nach einzutheilen. Die Mannigfaltigkeit in ersterer Hinsicht ist eine
unbegrenzte. Da die Gußform bezüglich ihrer Gestalt wesentlich von jener der
hervorzubringenden Gußwaare abhängig ist, so steht die Gestalt in einem engeren
Zusammenhang mit dem Gewerbebetriebe; eine wissenschaftliche Behandlung ist
ausgeschlossen. Ohne die technischen Ausdrücke für bestimmte Arten von Gießformen
– welche durch die beschreibende Technologie genügend und mehr als
ausreichend erörtert sind – hier zu erklären, mag an dieser Stelle eine kurze
Zusammenstellung folgen.
Die Gießform dient entweder zur Erzeugung eines Theiles der Oberfläche oder der
ganzen Oberfläche der Gießwaare. „Offene“ Formen;
„geschlossene“ Formen. Specielle Fälle der ersteren:
Herdformerei, Spiegelguß; specielle Fälle der letzteren: verdeckter Herdguß, Kasten,
Flaschen, Eingüsse.
Die geschlossenen Formen dienen für massive oder hohle Gegenstände. Bei hohlen
Gegenständen besteht die Form aus „Kern“ und
„Mantel“, oder es wird der Kern durch eigenthümliche
Verfahrungsweisen entbehrlich gemacht. (Gießen großer Placat-Lettern,
Schwenkguß oder Stürzen, Centrifugalguß [nach Peters'
Vorschlag, Rotation um zwei aufeinander senkrecht stehende Achsen], plattirte
Kerzen.)
Es kommt vor, daß eine eigentliche, von der fertigen Gußwaare abzulösende Form nicht
besteht, sondern daß der geschmolzene Gießstoff nach dem Erstarren mit dem Körper
verbunden bleibt, an oder auf dem er erstarrt. (Ausgießen der Zapfenlagerschalen mit
Weißmetall; Ausgießen von Hohlkörpern mit Blei, um sie schwerer zu machen; Tunken
der Zündhölzchen; Kandiren u.s.w.)
Gießinstrumente, Gießmaschinen. Ist die Gießform so
eingerichtet, daß man sie weiter und enger machen und daher verschieden große Körper
in ihr gießen kann, daß sie ferner einzelne Theile auszuwechseln gestattet und
endlich die Zerlegung und abermalige Zusammensetzung erleichtert, so nennt man die
Gießform auch „Gießinstrument.“ (Schriftgießerei.)
Wenn noch überdies maschinelle Vorkehrungen die Entnahme des Gießstoffes aus dem
Schmelzapparate und das Einfüllen in die Form (Gießpumpen), ferner die Bewegung der Pumpen und die
Bedienung der Gießinstrumente besorgen, so nennt man diese Einrichtungen
Gießmaschinen.
B. Gießen
von in Flüssigkeiten suspendirten oder gelösten Stoffen.
I. Die Arbeits-Eigenschaften des Rohstoffes.
Wenn man einen festen Körper nicht durch Wärmezufuhr vermöge seiner
Schmelzbarkeit in seine flüssige Aggregatform überführt, sondern ihn dadurch in
tropfbar flüssige Form bringt, daß man ihn mit einer Flüssigkeit in Berührung
bringt, so kann in diesem letzteren Falle zweierlei geschehen.
1) Es kann ein gepulverter Körper durch Umrühren in einer Flüssigkeit fein
vertheilt werden: Gemenge. Man wird aber dann noch
stets die Theilchen des festen Körpers unterscheiden können, und läßt man das
Gemenge ruhen, so wird sich der specifisch schwerere Körper zu Boden setzen und
von dem specifisch leichteren wieder absondern.
2) Es kann ein fester Körper mit einer Flüssigkeit eine chemische Verbindung nach
veränderlichen Verhältnissen – Lösung –
eingehen, wobei die Theilchen der beiden Stoffe nicht mehr, auch nicht mit dem
Mikroskope unterschieden werden können – und sich selbst überlassen, eine
Ausscheidung oder Abtrennung der verbundenen Stoffe nicht eintreten wird.
An Stelle der Schmelzbarkeit tritt also bei der zweiten Hauptart der Gießerei als
vornehmste Arbeits-Eigenschaft die Fähigkeit des Rohstoffes, mit einer
tropfbaren Flüssigkeit ein „Gemenge“ oder eine
„Lösung“ zu bilden.
Alle übrigen früher (S. 178 bis 183) namhaft gemachten
Arbeits-Eigenschaften der Gießerei-Rohstoffe kommen auch hier in
Betracht.
Bei dem Erstarren treten zufolge chemischer Vorgänge Volumsvergrößerungen auf,
die man „Treiben“ nennt.Der Gyps treibt im Momente des Erstarrens, ebenso die Cemente. Durch
einen größeren Wasserzusatz als den gewöhnlichen (2 1/2 Gew. Th. Wasser
zu 1 Gew. Th. gebrannten Gyps) kann das Treiben vermindert werden.
Bezüglich des specifischen Gewichtes und der Consistenz gilt auch hier das oben
angeführte. Der Adhäsion der Gießstoffe zur Form wegen muß die innere Fläche der
letzteren mit isolirenden Stoffen überzogen werden, wie Oel, Seifen- oder
Schellack-Lösung, Glaspulver etc. Die Schnelligkeit des Erstarrens,
welche man bei geschmolzenen Rohstoffen durch die Raschheit der Wärmeentziehung
einigermaßen in seiner Hand hat, kann man bei gelüsten oder mit Flüssigkeiten
gemengten Rohstoffen dadurch fördern, daß man das flüssige Lösungs- oder
Mengungsmittel in seiner Verdunstung durch Erwärmung fördert. Durch Beimischung
von erdigen Substanzen, Leim etc. kann man andererseits die Erstarrung
verzögern.Nach Puscher ist der Zusatz von 2 bis 4 Proc.
gepulverter Eibischwurzel ein wirksames Verzögerungsmittel. Bei 8 Proc.
behält die Masse nach dem Erstarren eine gewisse Zähigkeit, welche sie
zu allerlei geeignet macht.
II. Das Verfahren, die passiven und activen
Hilfsmittel.
Das Verfahren unterscheidet sich von dem bei Schmelzstoffen angewendeten nur in dem
einen Punkte der Herstellung der flüssigen Aggregatform, weshalb sich auch eine
wesentliche Abweichung nur bei den passiven Hilfsmitteln zeigt.
An Stelle der Schmelzapparate treten Vorrichtungen zum Mengen und Lösen. Wenn zur
Steigerung des Lösungsbestrebens Wärme dienlich ist, so kann ein derartiger Apparat
eine Heizung enthalten, und eine Aehnlichkeit mit einem Schmelzapparat ist dann
nicht ausgeschlossen. Auch tritt mitunter Lösung und Schmelzen gleichzeitig auf.
(Asphalt.)
Die Apparate zur Herstellung eines Gemenges sind vortheilhaft mit mechanischen
Rühr- oder Quirlvorrichtungen zu combiniren. (Maschinelle passive
Hilfsmittel.)
Auch bei den activen Hilfsmitteln tritt eine Modification ein, da die Forderung, hohe
Temperaturen auszuhalten, wegfällt. Das Erstarren vollzieht sich durch einen
chemischen Proceß, bei welchem das Suspendirungs- oder Lösungsmittel in die
sich bildende neue chemische Verbindung nach festen Verhältnissen eintritt (Gyps,
Cemente, Kitte etc.)Die chemischen Processe sind in der Regel entweder Hydrat- oder
Silicatbildungen., durch Verdunstung oder endlich durch Absorption der Flüssigkeit seitens der
Form.Gießen des Porzellans in „Saugformen“, Sturzguß und
Spitzen aus Porzellan. Endlich kann aber auch noch der Fall eintreten, daß eine bei einer höheren
Temperatur übersättigte Lösung, bei mäßiger Abkühlung in der Form einen guten Theil
des gelösten Stoffes herauskrystallisiren läßt, während die Mutterlauge durch eine
Oeffnung in der Form abfließt (Zucker). Immer jedoch werden den Gießformen hier nur
verhältnißmäßig niedrige Temperaturen zugemuthet, selten dürfte die Temperatur
100° überschreiten.Selbst dann nicht, wenn die bereits gefüllte Form zur Beschleunigung der
Wasserverdunstung in einen Ofen eingebracht wird, wie beim Gießen der
künstlichen Steine aus Cement. Man könnte deshalb die zweite Hauptart der Gießerei, im Gegensatze zur ersten
– der Schmelzgießerei – die „Kaltgießerei“
nennen.
Nach dem Gesagten wird es nicht überraschen, daß bei der Wahl des Materiales für die
Form in der Kaltgießerei ein weiterer Spielraum herrscht; – Stoffe wie selbst
Wachs und Gyps sind nicht ausgeschlossen.
Was nun die Gestalt der Form anbelangt, so kommen bei der Kaltgießerei wohl alle
Arten der Formen vom offenen Einguß bis zum Kastenguß vor, wenn auch nicht unter den
bei der Metallgießerei üblichen Bezeichnungen.Auf der oberen Seite nicht abgeschlossene Formen kommen beim Concret-
oder Gußmauerwert vor; Formen für Hohlgüsse wurden schon früher beim
Porzellangusse erwähnt; das Gießen von Cement-Wasserleitungsröhren
ist ein Gießen mit Kernen. (Dies kann in der Weise bewerkstelligt werden,
daß Gießen und Legen unter Einem geschieht. Vergl. Böhmer und Neumann: Kalk, Gyps und
Cement [Weimar 1870] S. 252, Verfahren der Gebrüder Born in Erfurt.) Die Cement- und Gypsgießerei hat wohl
schon die verschiedenartigsten Aufgaben bewältigt, deshalb die
Vielgestaltigkeit der Formen.
Das Gießen beim Kaltguß geschieht häufig mit so dickflüssigen oder nur weichen
Massen, daß man eine gewisse Kraft anwenden muß, um die Gießmasse in alle Theile der
Form hineinzudrücken (die verschiedenen Concretmassen
etc.). Dies bildet den Uebergang zum Arbeitsbegriff
„Pressen“.
Sowie beim Gießen geschmolzener Massen die Form auch durch
den Körper gebildet werden kann, welcher mit dem Gegossenen künftig verbunden
bleiben soll – Löthen, Ausgießen der Lagerschalen – so finden wir auch
hierfür bei der Kaltgießerei Analogien, z.B. Ausgießen mit Gyps, Einkitten etc.
Auch für das Emailliren und Glasiren, das bekanntlich ein Auftragen des Gießstoffes
auf der Oberfläche eines Körpers darstellt, um dort geschmolzen zu werden, findet
sich ein analoges Verfahren, nämlich das Tünchen, Grundiren mit Leim- und
Oelfarben, Anstreichen, Firnissen etc. Es wird dabei ein mit Wasser, Leimwasser oder
Oel gemengtes Pulver, die Farbe, oder eine Lösung von Harz oder Gummiharz in
Alkohol, Aether, Terpentinöl, Leinöl etc. auf eine Fläche aufgetragen und hierauf
die Flüssigkeit zum Verdunsten gebracht. Der letztere Proceß kann namentlich durch
Wärmezufuhr, auch durch Reibung begünstigt werden.An diese letzteren Beispiele für die Gießerei reiht sich eine ganze Gruppe
von mechanisch-technischen Verfahren an, welche auf den
Adhäsions-Eigenschaften von Stoffen beruhen, die sogenannten
graphischen Künste.