Titel: | Ueber das Tragvermögen der Förderseile; von Professor Gustav Schmidt. |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 116 |
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Ueber das Tragvermögen der Förderseile; von
Professor Gustav
Schmidt.Vom Verfasser gefälligst eingesendeter Separatabdruck aus den
Mittheilungen des
Architekten- und Ingenieur-Vereins in Böhmen, 1875
S. 111.
Schmidt, über das Tragvermögen der Förderseile.
In der beigegebenen Tabelle über das Tragvermögen der Förderseile sind die Angaben
über die Stärke des Drahtes und des Seiles, über die Seilconstruction, das Gewicht
pro Meter Seil und den Preis pro 100 Kilogrm. dem Preiscourante der k. k.
Drahtseilfabrik in Przibram entnommen, dagegen die Angaben über den kleinsten
Aufwickelungsradius r und über die Tragfähigkeit auf
folgende Weise ermittelt.
Der Berechnung ist die Voraussetzung eines sehr guten Eisendrahtes, z. B. steyrischen
Drahtes von Fischer, mit einer absoluten Festigkeit von
A = 56 Kilogrm. pro Quadrat-Millimeter (690
Wiener Centner pro Quadratzoll) zu Grunde gelegt, wie er in Oesterreich und
Deutschland gewöhnlich zu Förderseilen verwendet wird. Eine höhere Festigkeit bis zu
60 Kg. kommt selten vor, häufiger eine geringere bis zu 50 Kg.
Bei solchem Draht mit A = 56 pflegt man eine totale
Anspruchnahme S = 24 Kg. pro Qu.-Mm. zu
gestatten, d. h. man geht bis nahe zur Elasticitätsgrenze, die mit A/2 angenommen werden kann. Diese totale Anspruchnahme
besteht aus der Biegungsspannung, die wir mit σ=16Kg. pro
Qu.-Mm. annehmen, und aus der Dehnungsspannung,
angenommen s = 8 Kg. pro Qu.-Mm.,
zusammen S = σ + s = 24 Kg.
Schlägt man daher vorerst die Biegungsspannung σ von der absoluten Festigkeit
ab, so ergibt sich B = A -
σ = 40 Kg. pro Qu.-Mm. als Bruchbelastung
des Seiles, d. h. als diejenige Belastung, bei welcher in den gefährlichsten Fasern der Drähte der moleculare Zusammenhang aufhört, ohne
daß damit gesagt sein will, daß das Seil bei dieser Belastung bereits nothwendig
reißen müsse.
Mit dieser Bruchbelastung verglichen, hat man somit bei der Dehnungsspannung von 8
Kg. pro Qu.-Mm. eine fünffache Sicherheit bei der
Förderung. Für die Seilfahrt, d. h. für die Befahrung des Schachtes durch die Mannschaft auf
der Förderschale pflegt man als Maximum der Belastung durch die Mannschaft à 75 Kg. die Hälfte der Last
der beladenen Wägen (Hunde) zu gestatten. Mit Rücksicht auf das Gewicht der Schale
und des Seiles beträgt dann die Gesammtlast bei der Seilfahrt im Maximum 70 bis 80
Proc. der Gesammtlast bei der Förderung, daher in obigem Sinn bei der Seilfahrt eine
beziehungsweise 7,1 bis 6,2fache Sicherheit vorhanden ist. Niemals soll bei der
Seilfahrt weniger als sechsfache Sicherheit vorhanden
sein; denn selbst bei dieser nominell sechsfachen Sicherheit, d. h. bei einer
Dehnungsbelastung von 40/6 = 6,67 Kg. pro Qu.-Mm. ist dann das Seil in den
gefährlichsten Fasern wegen der Biegung doch auf 16 + 6,67 = 22,67 Kg. belastet,
folglich die Sicherheit eigentlich nur 56/22,67 = 2,47 oder circa 2½fach,
daher es von eminenter Wichtigkeit ist, die ganze Förderungseinrichtung aufs
Vollkommenste zu beaufsichtigen und in Stand zu halten, und die Fangvorrichtung
allwöchentlich zu erproben. Besser ist es sich auf die Fangvorrichtung gar nicht zu
verlassen, und dem Seil dadurch größere Sicherheit zu geben, daß man noch einen viel
größeren Minimalradius (an der Seilscheibe und dem
Korb oder der Bobine) anwendet, und hierdurch die Biegungsspannung σ und die
Gesammtanspruchnahme S herabsetzt, wodurch sich auch die
Dauerhaftigkeit des Seiles entsprechend erhöht und
mehrere Jahre betragen kann. Die gemachte Annahme σ = 2s beruht auf der Reuleaux'schen Theorie.
Bezeichnet δ den Drahtdurchmesser, 1 die Länge eines Drahtstückchens, welches
über den Cylinder vom Radius r gebogen wird, und
λ die Verlängerung der äußersten Faser dieses Drahtstückchens, so besteht
wegen Aehnlichkeit der
Dreiecke die Proportion λ : δ/2. = 1 : r,
oder es ist die specifische Ausdehnung λ/1 =
δ/2r.
Die hieraus resultirende specifische Spannung ist gleich
dem Elasticitätsmodulus E multiplicirt mit der
specifischen Ausdehnung, also
σ = E δ/2r.
Bei Schmiedeisen kann E = 20 000 Kg. pro Qu.-Mm.
angenommen werden, also ist σ = 10 0000 δ/r, somit umgekehrt wenn σ = 16 angenommen wird: r = 10 000 δ/16, nach welcher die Formel die
Tabellen-Radien berechnet sind.
Bezeichnet ferner i die Anzahl der Drähte (die
Drahtseelen hierbei nicht gerechnet), so ist der wirksame Querschnitt f = i πδ2/4, folglich bei der Gesammtbelastung P des Seiles die specifische Dehnungsspannung
s = P/f = 4P/iπδ2, und die
Gesammtspannung der gefährlichsten Fasern S = s + σ = 4P/iπδ2 +
Eδ/2r.
Betrachtet man hierbei δ als die variable Größe, so wird S1 ein Minimum,
wenn
Textabbildung Bd. 216, S. 118
somit für σ = 16, s = 8 Kg.
pro Qu.-Mm.
Mit dieser Dehnungsspannung s = 8 Kg. ist das Tragvermögen
des Seiles in der Tabelle berechnet.
Sehr häufig berücksichtigt man die so wichtige Biegungsspannung gar nicht und glaubt
wirklich sechsfache Sicherheit zu haben, wenn man s =
A/6 = 56/6 = 9,33 setzt, womit sich ergibt 4P = iπδ2s = 29,32 iδ2, also das
Tragvermögen P = 7,33iδ2. Das ist die in Preußen
übliche Formel. Beträgt aber hierbei die Biegungsspannung wie früher σ = 16
Kg., also B = A - σ =
40 Kg., so ist die Sicherheit in der Dehnungsspannung nur B/s = 40/9,33 = 4,3fach und bei der Seilfahrt
kaum 6fach, und wegen S = s
+ σ = 25,33 ist die wahre Sicherheit bei der Förderung nur A/S = 56/25,33 =
2,2fach.
Will man, daß bei Seilen, welche nach der obigen preußischen Regel bestimmt sind, die
Gesammtanspruchnahme in den äußersten Fasern auch nur 24 Kg. pro Qu.-Mm.
beträgt, so darf die Biegungsspannung σ nur = 24 - 9,33 = 14,67 statt 16 Kg.
betragen; folglich müssen die kleinsten Radien in dem Verhältniß 16/14,67 = 1,09
oder circa um ein Zehntheil größer sein als nach der Tabelle.
Nur bei provisorischen Anlagen, bei welchen keine Seilfahrt eingerichtet ist, der
Betrieb nur kleinlich ist, und das Seil nicht länger als das Provisorium zu dauern
braucht, dürfen kleinere Radien vorkommen, und das Seil somit über die Elasticitätsgrenze belastet werden. Unter allen Umständen muß das
Seil täglich sorgfältig besichtigt werden, damit kein Schaden desselben die
Förderung gefährden kann.
Beträgt die absolute Festigkeit des Drahtes weniger als 56 Kg. pro Qu.-Mm., so
soll selbst bei gleichem Radius und gleicher Drahtdicke das Tragvermögen in
demselben Verhältniß kleiner angenommen werden als nach der Tabelle. Draht von
weniger als 45 Kg. pro Qu.-Mm. (554 Wiener Centner pro Quadratzoll) soll zu
diesem Zwecke nie verwendet werden.
Stahldraht hat wohl im Maximum 120 Kg. Festigkeit. Mittel
mäßiger Stahldraht dagegen nur 70 bis 80 Kg. pro Qu.-Mm. Solcher soll
ebenfalls nie verwendet werden. Wir rechnen die Festigkeit eines guten Stahldrahtes
mit A = 112 Kg. und den Elasticitätsmodul E = 27 500 Kg. pro Qu.-Mm.; daher ist bei
gleichem Radius r die Biegungsspannung im Verhältniß
27,5/20 = 1,3:5 größer, also σ = 22 statt 16, weshalb B = A - σ = 90, somit bei 5facher
Sicherheit in der Dehnungsspannung s = 18 statt 8 Kg.
beim Eisendrahtseil. Es wird sich jedoch empfehlen, behufs größerer Dauerhaftigkeit
das Tragvermögen des Stahldrahtseiles nicht mehr als doppelt so groß anzunehmen, als in der Tabelle angegeben ist. Dann wird
s = 16, σ = 22, S
= s + σ = 38, also die wahre Sicherheit nahezu
dreifach. So ist z. B. am Adalbertschacht in Przibram bei 950 Meter Schachtteufe ein
nur 36drähtiges Gußstahldrahtseil in Anwendung, bei welchem die Drahtstärke in 5 Abstufungen von
2,7 bis 2,1 Mm. abnimmt. Der Korb hat 6,6 Mm., die Seilscheibe 4 Mm. Durchmesser,
also ist r = 2000 Mm., die Biegungsspannung σ =
27 500/2 × 2,7/2000 = 18,56 Kg.
Das Gewicht der Förderschale beträgt
420 Kg.
Das Gewicht der Hunde beträgt
336 Kg.
Das Gewicht der Ladung beträgt
1000 Kg.
Das Gewicht des Seiles beträgt
1400 Kg.
––––––––
zusammen P =
3156 Kg.
Der wirksame Querschnitt des Seiles f = 36 ×
5,7255 = 206 Qu.-Mm., also die Dehnungsspannung s
= P/f = 15,32 Kg., zusammen
S = s + σ =
33,88, dagegen die absolute Festigkeit A = 120 Kg.;
folglich ist die wahre Sicherheit 120/33,88 = 3,5 und die Sicherheit in der
Dehnungsspannung Textabbildung Bd. 216, S. 120
Nur bei solchen Verhältnissen ist trotz einer normalen Fördergeschwindigkeit von 8 M.
pro Secunde eine mehrjährige Dauer des Seiles möglich. In Preußen kommen neuester
Zeit sogar Körbe von 8 M. Durchmesser zur Anwendung.
Nach der Reuleaux'schen Theorie sollte
Textabbildung Bd. 216, S. 120
womit Textabbildung Bd. 216, S. 120 folgt, ferner f = 36 × 7,9923 = 287,7,
s = P/f = 10,97 = σ/2 und zusammen S = s + σ = 32,9
wirklich etwas kleiner als früher. Da jedoch das Seil im Verhältniß der Querschnitte
287,7/206 = 1,4 schwerer würde, also das Gewicht desselben = 1400 × 1,4 =
1960 Kg., so würde sich P auf 3716, somit s auf 12,92 erhöhen, d. h. es würde S = 21,93 + 12,92 = 34,85, also größer als in Przibram
und das Seil unnütz theurer.
Hieraus ist klar, daß es bei sehr tiefen Schächten nicht rationell ist, das Reuleaux'sche Verhältniß s =
S/3, σ = 2s = 2/3
S zu Grunde zu legen, sondern daß man bis s = 0,45 S, σ = 0,54
S, ja sogar
G
Schmidt: Tabelle für Eisendrahtseile mit fünffacher
Sicherheit in der Drehungsspannung.
Textabbildung Bd. 216, S. interleaf
Nro. Des
Drahtes; Stärke des Drahtes und des Seiles; Querschnitt des Drahtes; Anzahl
des Drähte; Kleinster Aufwickelungs radius; Tragvermögen; Anzahl der; Stränge; Litzen; à
Drähte; Draht-Seelen; Hanf-Seelen; Gewicht eines Meters Seil;
Preis pro 100kil Netto; Preis pro 100
Meter Länge; Preis pro 1 kg. Tragfähigkeit und pro 100 Meter Länge; Nro; mm;
□mm; mm; Kilogr; Kilogr; fl; fl; fl; Rundseile; Bandseile
bis s = σ = 0,5 S gehen darf, um das möglichst billigste und dabei
solideste Seil zu erhalten.Nach Hauer: Fördermaschinen (2. Auflage) ist für
Seile von constanter Dicke zu setzen: Textabbildung Bd. 216, S. 121 Kg pro Qu.-M. Hier paßt besser s = 15,3 wegen abnehmender Seilstärke.
Schließlich wurden aus der beigegebenen TabelleIm Titel lies „Dehnungsspannung“ statt
„Drehungsspanmmg.“. folgende für manche
Zwecke hinreichend genaue empirische Formeln abgeleitet:
für Rundseile d = 1,54 δ
√i,
Gewicht pro Meter q = 0,00323 d2 = 0,0077 iδ2;
Für Bandseile q = 0,0080 iδ2;,
wobei in der Zahl i die
Drahtseelen nicht mitgezählt werden dürfen.
Es folgt nun die mit den Annahmen s = 8, σ = 16
berechnete Tabelle über das Tragvermögen
der
Eisendrahtseile, wozu noch bemerkt wird, daß die
12drähtigen Litzen aus 3 inneren und 9 äußeren Drähten, die 15drähtigen aus 5
innneren und 10 äußeren und die 18drähtigen aus 6 inneren und 12 äußeren Drähten
bestehen, und daß auch 14drähtige Litzen, aus 4 inneren und 10 äußeren Drähten
bestehend hergestellt werden können.