Titel: Zur Bleizuckerfabrikation; von Paul Pfund.
Autor: Paul Pfund
Fundstelle: Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 337
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Zur Bleizuckerfabrikation; von Paul Pfund. Pfund, zur Bleizuckerfabrikation. Wenn man nach der jetzt allgemein üblichen Darstellungsweise des krystallisirten Bleizuckers Essigdämpfe durch ein Gemisch von kaltgesättigter Lösung des nämlichen Salzes, oder Wasser mit der nöthigen Menge Bleiglätte leitet, ist es von großer Wichtigkeit, den Punkt der Fertigstellung des neutralen Salzes genau bestimmen zu können. Schon ein verhältnißmäßig geringer Gehalt der Lösung an überschüssigem Oxyd bringt oft einen ganz bedeutenden Ausfall an Krystallen während des Auskühlens der heißen concentrirten Lösung mit sich, da die basischen Salze nicht nur an sich selbst unkrystallisirbar sind, sondern auch einen großen Theil des vorhandenen neutralen Salzes am Ausscheiden verhindern können. Eine concentrirte essigsaure Bleioxydlösung, die heiß (bei 95°) 50° B. zeigte, aber 1/5 bis 1/6 Bleioxyd zu viel enthielt, lieferte anstatt der zu erwartenden 600 bis 650k nur etwa 75k, wegen sehr ungenügender Krystallisation. Ein nachträgliches Ansäuern bringt entweder den Nachtheil einer größeren Verdünnung, oder bei Anwendung starker Essigsäure einen zu vermeidenden Kostenaufwand mit sich. Im Gegentheil bewirkt ein zu langes Einleiten der Essigdämpfe bedeutende Verluste dieses werthvollen Körpers von dem Augenblick an, wo das Bleioxyd durch Neutralisation seine chemisch absorbirende Kraft verloren hat. Wo dies durch Anbringung eines zweiten, sogar dritten Absorptionsgefäßes vermieden wird, bleibt doch noch der Nachtheil, daß während des Krystallisirens und Trocknens der Krystalle, besonders aber während des etwaigen Abdampfens von Mutterlauge ein merklicher Verlust von Essigsäure eintritt. Auch ein größerer Angriff der meist kupfernen Krystallisirschalen, und damit eine Verunreinigung der Waare, findet in diesem Falle statt, wenn man nicht durch Einlegen von Bleistreifen dem entgegen zu wirken sucht. Diese aber ertheilen in sauren Laugen der unteren Schicht der Krystalle eine graue Färbung, deren Entfernung eine sehr lästige und giftige Arbeit ist, während sie, wenn nicht entfernt, das Aussehen eines sonst guten Fabrikats ungemein schädigt. Die gewöhnlichen Mittel nun, die man in Bleizuckerfabriken zur Bestimmung des Neutralisationspunktes anwendet, sind durchgängig höchst empirischer Art. Man bestimmt denselben z. B. nach dem veränderten Geräusch, welches die einströmenden Essigdämpfe in der kochenden Lauge verursachen; nach dem Geruch der heißen Flüssigkeit; mit Hilfe von Lackmuspapier; durch Abkühlen und Krystallisiren einer kleinen Probe u. s. w. Daß die Bestimmungsart durch das Gehör keinen Anspruch auf große Zuverlässigkeit machen kann, liegt auf der Hand. Die Probe durch den Geruch ist schon deswegen mindestens nicht genau genug, weil die Nasen der betreffenden Leute gegen Säuregeruch meist sehr abgestumpft zu sein Pflegen, andererseits aber auch schon nicht ganz neutralisirte Laugen in der Siedehitze saure Dämpfe entweichen lassen. Die Anwendung von blauem Lackmuspapier erscheint im ersten Augenblick gewiß als das einfachste und sicherste Mittel. Indeß, abgesehen davon, daß dasselbe ohne besondere Einrichtung bei künstlicher Beleuchtung nicht verwendbar ist, zeigt der blaue Farbstoff schon längst vor der Neutralisation während eines gewissen Zeitraumes bei dem Benetzen mit der Bleioxydlauge eine ausgesprochen röthlich Färbung, die auf eine Verbindung desselben mit Bleioxyd hinzuweisen scheint. Dies führt außerordentlich leicht zu Täuschungen. Das schnelle Abkühlen eines kleinen Quantums der Lauge ist durchaus unzuverlässig, da eine geringe Partie einer alkalischen Lösung oft fast augenblicklich erstarrt, während sie bei dem langsamen Kühlen in großen Massen keine, oder verhältnißmäßig wenig Krystalle gibt. Verfasser wendet eine Untersuchungsmethode an, welche ebenso schnell und leicht ausführbar, als zuverlässig ist, außerdem aber, im Gegensatz zu den oben genannten, den Vortheil hat, daß sie nicht nur den Neutralisationspunkt selbst genau zu bestimmen gestattet, sondern auch ermöglicht, die größere oder geringere Annäherung an denselben schon im Voraus wahrzunehmen. Als Index dient hierbei eine Lösung von 1 Th. Quecksilberchlorid (Aetzsublimat) in 100 Th. Wasser, demnach 10g des Salzes auf 1l destillirtes Wasser. Versetzt man eine Lösung von krystallisirtem Bleizucker, von durchaus beliebiger Concentration und Temperatur, mit etwa dem gleichen Volumen dieser Lösung, so bleibt das Gemisch vollkommen klar. Löst man aber in einem anderen Theil derselben Bleiflüssigkeit auch nur eine Spur von Bleiglätte, oder versetzt man sie mit einem Tropfen von Bleiessig, so entsteht nach Wiederholung obigen Versuches sofort eine bedeutende weiße Trübung oder Fällung. Nimmt man diesen Versuch derart vor, daß man die Sublimatlösung zu einer kleinen Probe der Lauge allmälig etwa in Tropfen zusetzt, so tritt eine beim Umschütteln bleibende Trübung um so eher ein, je weiter die betreffende Lauge vom Neutralisationspunkte entfernt ist. Eine warme Lauge, die sich bei Zusatz des ersten Tropfens trübt, ist noch stark alkalisch, weniger, wenn dies etwa auf den sechsten Tropfen geschieht; bleibt sie klar, wenn man etwa ½ Vol. der Lösung zugesetzt hat, so erleidet sie auch bei beliebigem Zusatz keine Trübung mehr, d. h. die Flüssigkeit enthält nur neutrales Salz. Natürlich ist diese Prüfungsweise am zuverlässigsten, wenn man gleiche Volumen der Bleizuckerlösung anwendet und zur Beifügung des Sublimats eine Bürette benützt; sie liefert aber auch ohne diese Genauigkeit bessere Resultate als alle anderen. Zur praktischen Ausführung der Probe bei der Fabrikation des Bleizuckers bringt man am einfachsten an dem meist kupfernen Kochapparat ein kleines Rothgußhähnchen an (wegen des unteren dicken Schlammes etwas hoch über dem Boden), aus welchem man ein geringes Quantum der Lauge, etwa 1cc direct auf ein kleines, aus Glastrichter und Papier oder Baumwolle bestehendes Filter laufen lassen kann. Dieses läßt die Flüssigkeit vermöge ihrer Wärme und großen Schwere außerordentlich schnell in ein untergestelltes Probirgläschen laufen, an welches man, wenn man gleiche Volumen benützen will, einen Feilstrich anbringen kann. Zu der klaren Flüssigkeit setzt man nun nach und nach etwa das gleiche Volumen der Sublimatlösung, indem man sich durch Umschütteln überzeugt, ob der etwa entstehende Niederschlag anfangs wieder verschwindet. Je länger dies geschieht, desto näher ist man dem Punkte der Neutralisation; letzterer ist aber erreicht, wenn auch bei beliebigem Zusatz keine Fällung sichtbar ist. Diese Untersuchung, die jeder gewöhnliche Arbeiter in kaum 10 Secunden auszuführen vermag, wird gewiß Jeder, der sie probirt, allen anderen Methoden vorziehen, sie wenigstens gern zur Controle der bisher geübten verwenden. Die Quecksilberchloridlösung läßt sich, vor Verdunstung geschützt, beliebig lange aufbewahren.