Titel: | Ueber schwarze Schreibtinten; von C. H. Viedt in Braunschweig. |
Autor: | C. H. Viedt |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 453 |
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Ueber schwarze Schreibtinten; von C. H. Viedt in
Braunschweig.
A. Galläpfeltinten.
Viedt, über schwarze Schreibtinten.
Zur Herstellung einer Galläpfeltinte sind als wesentliche Bestandtheile erforderlich:
Gerbsäure, oder ein dieselbe enthaltender Stoff, ein Eisensalz uud ein das
unlösliche gerbsaure Eisenoxyduloxyd, das Pigment der Tinte, in der Flüssigkeit
suspendirendes Verdickungsmittel.
Als Gerbsäure enthaltende Drogue wendet man fast stets aleppische oder chinesische
Galläpfel an, seltener Knoppern, Eichenholz, Sumach, Catechu, Tormentillwurzeln,
Bablah, Dividivi oder Kinogummi. Außer diesen nimmt man als starkfärbende Substanz,
nicht als Surrogat der Galläpfel, häufig Blauholz zur Tinte.
Die wässerige Lösung der Gerbsäure der Galläpfel (Tannin) C27H22O17 verwandelt sich durch Gährung in Gallussäure und Zucker und zwar
nach folgender Gleichung:
C27H22O17 + 4H2O=3(C7H6O5) + C6H12O6
Tannin Wasser Gallussäure Zucker.
In Folge eines in den Aleppo-Galläpfeln enthaltenen Fermentes tritt diese
Gährung bei Abkochungen derselben, welche man der Luft aussetzt, von selbst ein; den
chinesischen Gallen fehlt dieses Ferment; um deshalb die Gerbsäure derselben in
Gallussäure und Zucker zu spalten, muß man ihnen zur Einleitung der Gährung etwas
Hefe oder auch aleppische Galläpfel zusetzen.
Eisenoxydulsalzlösungen, in concentrirtem Zustande mit
Gerbsäure enthaltenden Flüssigkeiten versetzt, geben einen weißen voluminösen
Niederschlag; in verdünnten Lösungen findet eine Einwirkung nicht statt. Eisenoxyd salze geben mit überschüssiger Gerbsäue einen
schwarzblauen Niederschlag von gerbsaurem
Eisenoxyduloxyd (nicht von Oxyd), da ein Theil des Oxydes zu Oxydul reducirt wird.
Dieses gerbsaure Eisenoxyduloxyd bildet sich auch, wenn Lösungen von
Eisenoxydulsalzen und Gerbsäure dem Luftsauerstoff ausgesetzt werden, durch
Höheroxydirung des Oxyduls zu Oxyduloxyd. Bei großem Ueberschuß der Gerbsäure bilden
selbst Oxydsalze keinen Niederschlag, indem sie dann sofort zu Oxydulsalzen reducirt
werden; erst nach längerer Zeit wird die Flüssigkeit blauschwarz, später fällt das
schwarzblaue gerbsaure Eisenoxyduloxyd zu Boden, während die Flüssigkeit schmutzig
grün gefärbt bleibt. Kocht man die Mischung eines Eisenoxydsalzes mit Gerbsäure, so
wird sie unter Entwickelung von Kohlensäure farblos, weshalb fertige Galläpfeltinte
nie bis zum Kochen erhitzt werden darf.
Das Verhalten der Gallussäure zu den Eisensalzen ist dem der Gerbsäure ziemlich
analog. Oxydulsalze reagiren nicht auf dieselbe; unter
dem Einflusse der Luft aber wird die Flüssigkeit zuerst röthlich, dann violett,
dunkelblau, und schließlich fällt das unlösliche, blauschwarze gallussaure
Eisenoxyduloxyd zu Boden, welches sich durch Eisenoxyd
salze sofort bildet. Zu bemerken ist, daß das Sedimentiren des gallussauren
Pigmentes weit weniger schnell erfolgt als bei dem entsprechenden gerbsauren Salze,
und daß ferner die dunkelblaue Flüssigkeit, welche den gallussauren Farbstoff noch
gelöst enthält, ziemlich intensiv färbt.
Der Werth der gerbstoffhaltigen Materialien für die Tintenbereitung beruht in erster
Linie auf ihrem nutzbaren Gehalte an Gerbsäure; man wird deshalb im Allgemeinen
demjenigen Rohmaterial den Vorzug geben müssen, das auf eine gleiche Menge Gerbstoff
bezogen den billigsten Preis hat; indeß ist auch zu berücksichtigen, daß nur die
eisenbläuenden Gerbsäuren (z. B. Tannin) eine schönfarbige Tinte geben, während die
eisengrünenden Gerbsäuren (z. B. Sumachgerbsäure) einen so unangenehm
schmutzig-grünen Farbton erzeugen, daß sie zur Tinte kaum zu verwenden sind.
Auch manche eisenbläuende Gerbsäure enthaltende Droguen sind wenig anwendbar, weil
sie neben derselben andere Farbstoffe enthalten, welche den Ton der Tinte wesentlich
beeinträchtigen, z. B. die Tormentillwurzeln (Tormentilla
erecta), deren rothes Pigment eine häßliche fuchsige Farbe bedingt. Sondern
wir die dieser Uebelstände wegen unbrauchbaren Droguen aus, so finden wir, daß von
allen anwendbaren Gerbstoff enthaltenden Materialien die Galläpfel die billigsten
sind. Von diesen stellen sich wieder am preiswürdigsten die chinesischen Gallen (Pei-tse) mit etwa 72 Proc. Tannin bei einem
Preise von 1,80 M. für 1k, dann die Valonea (Kelche der Quercus
Aegylops), die Aleppo-Gallen bei etwa 60 Proc. Tannin und einem
Preise von 2,20 M. für 1k und schließlich die geringeren Sorten wie Morea, Istrianer etc. und
Knoppern. Am
vortheilhaftesten ist deshalb die Anwendung reiner chinesischer Gallen zur
Tintenbereitung; die vielfach verbreitete Ansicht, daß dieselben hierzu nicht
anwendbar wären, ist eine durchaus irrige; im Gegentheil sind sie nicht nur wegen
ihrer größeren Wohlfeilheit und ihres größeren Tanningehaltes den aleppischen
Galläpfeln vorzuziehen, sondern auch deshalb, weil sie weit weniger extractive
schleimige Stoffe enthalten und aus diesem Grunde eine dem Schimmeln weniger
unterworfene Tinte geben als die Aleppo-Gallen. Zwar fehlt ihnen der
Fermentgehalt der letzteren, wie schon oben erwähnt; da aber die Gallussäure für die
Tinte durchaus nicht erforderlich ist, so kann dies nicht als Fehler angesehen
werden.
Um aus den Galläpfeln die Gerbsäure zu extrahiren, pulvert man sie grob und mengt sie
mit der gleichen Menge kleingeschnittenem Stroh; dieses Gemisch schüttelt man in ein
möglichst hohes und enges Faß von Eichenholz, welches am Boden einen Hahn und dicht
darüber einen durchlöcherten, sogen, falschen Boden hat. Man preßt die Masse in dem
Fasse etwas fest, übergießt sie mit lauwarmem Wasser und öffnet den Hahn nur so
weit, daß der die Gerbsäure enthaltende Auszug sehr langsam abstießt; dann gieße man
noch einigemale diesen Auszug oben auf, um die Galläpfel völlig zu erschöpfen. Bei
der Extraction schwellen dieselben stark an und würden das Durchsickern der
Flüssigkeit verhindern, wenn nicht die Strohhalme zugemischt wären; warmes Wasser
anzuwenden ist besser als kochendes, weil letzteres zu viel schleimige Bestandtheile
mit auszieht und dadurch Anlaß zu starkem Schimmeln gibt. Bei großem Betriebe dürfte
es sich empfehlen, statt der hier beschriebenen Extractionsvorrichtung eine Reihe
von kleinen Diffuseuren, ähnlich denen der Zuckerfabriken, in Anwendung zu bringen.
Bei der Extraction arbeite man so, daß man einen Auszug mit 5 bis 6 Proc. Tannin
erhält, was man durch irgend eine Gerbstoffbestimmung feststellt — am
einfachsten wohl durch die Fehling'sche Leimprobe, welche
allerdings für unseren Zweck keine ganz richtigen Resultate liefert, da sie nur die
Gerbsäure, nicht aber die Gallussäure bestimmt, welche für die Tintenbereitung fast
gleichen Werth wie die Gerbsäure besitzt. Wie oben erörtert, bildet sich die
Gallussäure in wässerigen Auszügen der Aleppo-Gallen durch den Sauerstoff der
Luft — immerhin aber in so unbedeutendem Maße, daß der durch die Fehling'sche Leimprobe entstehende Fehler vernachlässigt
werden darf; bei Anwendung von chinesischen Gallen tritt er überhaupt nicht auf. Je
nach dem Ausweis der Prüfung verdünnt man nun den Galläpfelauszug auf 5 bis 6 Proc.
oder dampft ihn entsprechend ein; gut ist es zur Verhütung der Schimmelbildung auf
je 1l 3 bis 5 Tropfen
reine Carbolsäure zuzusetzen; ist der Geruch
derselben zu unangenehm, so kann man sie durch Salicylsäure ersetzen. Andere
Antiseptica sind entweder sehr theuer, wie z. B. das schwefelsaure Chinin, oder
giftig, wie die arsenige Säure, das Kalomel etc.; manche zur Verhütung des
Schimmelns vorgeschlagene Mittel nützen entweder gar nichts oder nur, wenn sie in
großen Mengen zugesetzt werden, so das durch seinen Geruch lästig fallende Nelkenöl,
Holzessig, Glycerin, Spiritus, Kochsalz u. a.
Als flüssiges Agens ist Wasser das billigste und beste; ein Kalkgehalt desselben
schadet der Tinte nicht. Zu verwerfen ist das namentlich früher viel angewendete
Bier, das durchaus keinen Nutzen bringt, und ebenso Essig, welcher überdies die
Federn stark angreift.
Die Anwendung von Eisenoxydsalzen verbietet sich also von vornherein, da diese einen
sehr flockigen Niederschlag von gerbsaurem Eisenoxyduloxyd geben, der sich selbst in
sehr cohärenten Flüssigkeiten sehr schnell zu Boden setzt und außerdem eine körnige
Schrist liefert; namentlich gilt dies von den Eisensalzen mit organischen Säuren, z. B. dem
essigsauren Eisenoxyd, welches man fehlerhafterweise in einzelnen Tintenvorschriften
findet. Eisenoxydulsalzlösungen reagiren nicht auf Galläpfelextract, bilden aber
allmälig unter dem Einflusse der Luft ein so fein zertheiltes gerbsaures
Eisenoxyduloxyd, daß dieses sehr lange schweben bleibt und durchaus keine körnige
Schrift liefert (es geht beim Filtriren zuweilen sogar durch das Filter). Gemenge
von Eisenoxydul- und Eisenoxydsalzen, wie z. B. den zerfallenen Eisenvitriol
(schwefelsaures Eisenoxydul nebst basisch schwefelsaurem Eisenoxyd) anzuwenden, ist
nicht rathsam, da der Vortheil der Oxydulsalze durch die Nachtheile der Oxydsalze
aufgehoben wird. Am richtigsten und zweckentsprechendsten ist also immer die
Anwendung eines reinen Oxydulsalzes; das einzig gebräuchliche ist der Eisenvitriol,
da andere Oxydulsalze entweder unlöslich oder so theuer sind, daß sich ihre
Anwendung von selbst verbietet. Eine Analyse des aus der Tinte erhaltenen gerbsauren
Eisenoxyduloxydes ergab 17g,8 Eisen auf 100g Tannin; demnach wären von dem krystallisirten
Eisenvitriol (FeSO4 +
7H2O oder FeO, SO3 + 7 aq.) auf 100 Th. Tannin
88,4 Th. erforderlich; da aber Eisenvitriol stets noch etwas feucht ist, so nehme
man auf 100 Th. Tannin 90 Th. Eisenvitriol oder zum Liter Galläpfelauszug für jedes
Procent des darin enthaltenen Tannins 9g Vitriol.
Natürlich wird die mit reinem Oxydulsalze bereitete Tinte erst durch Oxydation an
der Luft ein wenig gefärbt; läßt man diese zu weit gehen, so setzt sich die Tinte
leicht; anderenfalls hat man eine sehr hell schreibende, erst auf dem Papiere
nachdunkelnde Flüssigkeit. Um nun diese blasse Schrift zu vermeiden und dennoch eine
Lösung ohne Niederschlag zu haben, wendet man zwei Mittel an. Das erste ist Zusatz
einer Blauholzabkochung, das zweite Färbung durch einen in Wasser löslichen
Farbstoff.
Ohne schon hier auf das chemische Verhalten des Blauholzfarbstoffes näher eingehen zu
wollen, sei nur erwähnt, daß die Abkochung des Blauholzes durch Oxydation des darin
enthaltenen Farbstoffes an der Luft gelbbraun bis purpurroth wird; mit Alaun,
Eisen- und Kupfersalzen bildet die Flüssigkeit dann dunkelviolette oder
schwarze Niederschläge; allerdings erfolgt die Niederschlagbildung etwas langsamer
als bei Gerbsäure und Eisenoxydulsalzen. Dem eigentlichen Uebel wird also durch
Zusatz von Blauholzabkochung nicht abgeholfen; da diese indeß schon an und für sich
ziemlich stark färbt, so kann man durch Anwendung von reinem Eisenvitriol und durch
möglichste Absperrung des Luftzutrittes die Tinte lange ohne Niederschlag erhalten,
so daß sie braunroth schreibt und erst auf dem Papier tief schwarz wird. Wendet man
Blauholz zur Tinte an, so ist es gut das sogen. Blauholzextract zu benützen; in ihm
ist durch Oxydation der Farbstoff völlig entwickelt, außerdem ist es bis auf einen
geringen harzigen Rückstand wasserlöslich, während man dem Blauholz nur schwierig
durch Auskochen den ganzen Farbstoffgehalt entziehen kann. Man findet nun häufig
Vorschriften mit Blauholz und Kupfervitriol neben Galläpfeln und Eisenvitriol.
Beides liefert schön schwarzblaue Niederschläge; Galläpfel und Kupfervitriol geben
jedoch eine schmierig schwarzbraune Farbe, welche dem Tone der Tinte sehr schadet.
Es ist deshalb besser nur Eisenvitriol, keinen Kupfervitriol anzuwenden — um
so mehr, da Blauholz mit Eisenvitriol ebenfalls einen schwarzen Farbstoff gibt, wenn
auch nicht von der schönen Nüance wie mit Kupfervitriol. 100 Th. gutes Blauholz
ersetzen etwa 20 Th. Tannin oder 30 Th. chinesische Gallen; das Blauholzextract hat
ungefähr das sechsfache Färbevermögen des Blauholzes. Zu einer mit Blauholzabkochung
versetzten Galläpfeltinte nehme man dieselbe Menge Eisenvitriol, die sie erfordert
haben würde, wenn sie nur Galläpfel enthalten hätte. (Forts, folgt.)