Titel: Die Motoren auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger.
Fundstelle: Band 217, Jahrgang 1875, S. 81
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Die Motoren auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger.Mit gef. Genehmigung aus dem officiellen Ausstellungsbericht, Heft 83. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Wien 1874. Mit Abbildungen im Text und auf Taf. B. (Fortsetzung von S. 195 des vorhergehenden Bandes.) Radinger, über die Motoren auf der Wiener Weltausstellung 1873. Der Besprechung deutscher Dampfmaschinen gehen folgende Bemerkungen voraus. Aus Deutschland kamen Dampfmaschinen der mannigfaltigsten Systeme. Deren Mehrzahl läßt die Füllung vom Stand des Regulators abhängig sein, ohne dabei das Corlißsystem so hoch zu halten, als es anderwärts und u.a. in der Schweiz geschieht. Der directe Verbindungsbalken ist stark verbreitert und verdrängte die Grundplatte wenigstens bei größeren Maschinen fast gänzlich. Doppelte Cylinderwandungen werden seltener benützt, die Schieberkasten sind meist angeschraubt, die Maschinen überhaupt aus vielen Gliedern zusammengesetzt, und veraltete Detailformen häufig verwendet. An keiner einzigen deutschen Antriebsmaschine in der Ausstellung war ein Indicatorversuch möglich, was nicht eben für die Sicherheit der tadellosen Wirkung der Steuerungen spricht. – Sonst zeigte sich aber das Selbstschaffen und der Einfluß der guten theoretischen Schulen in den richtigen Durchführungen ganz neuer Gesammtanordnungen, welche wohl meist dem undankbaren Ziele zustreben, das Woolf'sche Princip neu zu beleben, und in den mannigfachen Lösungen des Regulatoreingriffes auf den Füllungsgrad. Die Beanspruchungen der einzelnen Theile der Maschinen sind durchwegs bedeutend höher als in den englischen Constructionen und reichen (wie die österreichischen Werthe) theilweise bereits an die Grenze des für die Dauer Zulässigen. Ein Herabgehen in dieser Richtung wird die Maschinen wesentlich verbessern. Dampfmaschine von Gebrüder Decker und Comp. in Cannstatt. Eine der schönsten Maschinen der ganzen Ausstellung lag von dieser Firma in der Maschinenhalle. Es war eine sogen. 50pferdige liegende Condensations-Dampfmaschine mit Bajonnetbalken und vom Regulator beherrschter Expansion, welche mit 6at Ueberdruck zu arbeiten bestimmt ist. Der Dampfcylinder hatte 400mm Bohrung und sein Kolben 800mm Hub. Die Kolbengeschwindigkeit beträgt bei den normalen 54 Umdrehungen 1m,44 per Secunde. Das Einströmrohr, mit 80mm lichter Weite, bot 1/25 und das Ausströmrohr mit 95mm 1/17 der Kolbenfläche als Querschnitt dar, was, nachdem die Constante 1/36 ist, etwas knapp ausreichend erscheint. Der Cylinder war doppelwandig gegossen und stand mit seinem hohlen, angegossenen Tragblock wohl nicht direct auf den Fundamentsteinen (wie es bei den Maschinen ohne Condensation geschieht), sondern der hintangereihten Luftpumpe zu Nutz mit dieser gemeinsam auf einer einfachen Grundplatte. Die Fundamentschrauben gingen jedoch durch diese Zwischenplatte hindurch und belasteten den Cylinder direct. Vorn schloß sich der Seitenbalken an diesen, welcher übergreifend und mit sechs Außenschrauben angesetzt war; für die Schrauben wuchsen kleine angegossene Halbkegel mit abgedrehten Sitzplatten aus der Uebergangs-Abrundung. Vor der Führung auf der Kurbelseite schloß sich der Seitenbalken nochmals, und jene lag ausgebohrt in dem so entstandenen Rohre. Von diesem vorderen Schlußringe verliefen noch gut geformte Endrippen auf der Vorderseite des Balkens gegen das Lager hin. Die Führungsplatten waren an den gabelförmigen Kreuzkopf wohl nicht genau centrisch, sondern zur Verringerung ihrer Höhe um 1/4 ihrer Länge gegen den Cylinder rückgeschoben angegossen und maßen 250 bei 300mm, wobei sich der Führungsdruck auf 2at, 3 stellt. Die 63mm dicke Kolbenstange war in den Kreuzkopfe gekeilt und das geschlossene Schubstangen-Ende (mit Horizontalkeil für die Innenschale) vom Gabelzapfen ergriffen, welcher 70mm dick und 110mm lang war. Der Schalendruck stellt sich hier ziemlich hoch auf 114at. Die runde Schubstange umfaßte außen mit einem Bügelkopfe den Kurbelzapfen, der bei 100mm Stärke und 130mm Länge einen Druck von 67at und eine specifische Abnützarbeit von 0mk,91 erfuhr. Er war mit versenktem Bund in eine schmiedeiserne Kurbel gesteckt und verkeilt, wodurch kein verlorener Zwischenraum entstand. Ebenso schloß sich die Innenseite der Kurbelnabe dicht an die Lagerschalen, wie es der Sorge um kurze Hebelarme entspricht, aber auch dem Ganzen ein geschlossenes Ansehen gibt. Die Welle war normal 250mm dick. Unter dem Excenter setzte sie sich jedoch ab und maß im Lager nur 170mm, womit sie 320mm lang auflag. Der Druck stellte sich dabei auf 16at und die specifische Abnützarbeit auf 0mk,37. Das Kurbellager war mit dem Längsbalken und dem Tragblocke in Einem gegossen und stand mit einer großen Bodenfläche direct am Fundamente. Der innen verschnittene und außen übergreifende Deckel war oben eben und blank und jederseits mit zwei Schrauben niedergehalten. Die beiden Seiten der dreitheiligen Schale, deren eine Fuge oben vertical kam, standen mit je einer hinterlegten Keilplatte und Oberschraube stellbar. Das Schwungrad besaß 4m,15 Durchmesser und 4250k Gewicht. Es war als Riemenscheibe (300mm breit) und zweitheilig hergestellt und an der Nabe durch Schrauben und heiß aufgezogene Ringe und im Kranze durch Einlagkeile verbunden. Das rückwärtige Lager war ähnlich dem vorderen gleichfalls seitlich stellbar und auf eine unterlegte Grundplatte gesetzt. Die Luftpumpe war, unter der Annahme einer Ansaugung des Einspritzwassers aus geringer Tiefe, oben angeordnet und ihr Kolben direct an die hinten verlängerte Stange des Dampfkolbens gehängt. Textabbildung Bd. 217, S. 83 Diese Luftpumpe bekam 150mm Bohrung und ihr Kolben den gleichen Hub wie jener, nämlich 0m,8, wodurch sich das von ihm durchlaufende Volum auf 1/7,1 des vom Dampfkolben durchlaufenen Volums stellt. Diese Luftpumpe lag centrisch in den Condensator eingegossen, welcher außen cylindrisch mit einem Durchmesser von 7/8 des Außendurchmessers der Dampfcylinderverschalung geformt war und mit einem angegossenen Tragbock auf der gemeinsam untergelegten Gußplatte und dem Grundmauerwerke stand. Den Zwischenraum von Luftpumpe und Condensatormantel trennte eine horizontal eingegossene Wand, welche unten den eigentlichen Condensations- und oben einen Warmwasserraum gab. Außerdem war der etwas kürzere Luftpumpencylinder an den Enden durch zwei Verticalwände mit dem äußeren Cylinder verbunden, in welchen in den unteren Hälften jederseits vier Saugventile, dagegen auf der oberen Hälfte je vier Druckventile angebracht standen. Diese waren rund und mit Hartgummi gedichtet. Die Dampfvertheilung geschah durch die Steuerung von Krause in Chemnitz, wobei die Füllung von der Regulatorstellung abhängt. Im Principe ist es eine Farcot-Steuerung (vergl. 1874 212 360) und hat mit dieser die gegitterten Durchlaßspalten im Grundschieber und die selbstthätige Mitnehmung zweier gleichfalls gegitterten Deckplatten gemein. Doch sind hier nicht feste, in die Stirnwände des Schieberkastens geschraubte Anschläge für die Rückhaltung dieser Deckplatten und Einstellung für die Neueröffnung und ein fester durch den Deckel kommender Doppeldaumen von veränderlichem Halbmesser für die Absperrung, sondern ein Rahmen vorhanden, welcher durch ein eigenes Excenter von der Schwungradwelle aus bewegt wird und die Plattenstellung besorgt. Die erstere dieser Bewegungen geschieht durch einen Anschlag der Platten an die innere Stirnwand des Rahmens, und die Abweichung gegen Farcot ist von geringerem Werthe. Die zweite absperrende Bewegung jedoch ist eine wesentliche Verbesserung gegen den Farcot-Daumen, der wegen seiner fixen Lage nur während der Zeit des Schieberhinganges, also nur bis 0,3 bis 0,4 des Kolbenhubes zur Wirkung kommen kann und keine größeren Füllungen als diese oder sofortige Vollfüllung gibt. Textabbildung Bd. 217, S. 84 Hier geschieht die Absperrung wohl gleichfalls durch einen Anschlag von veränderlicher Dimension, welcher aber von dem Expansionsrahmen mitgenommen wird, und daher auch während der Rückgangszeit des Grundschiebers diesen überholen und die Deckplatten überschieben kann. Zu diesem Zwecke ist in den Expansionsschieberrahmen ein mittlerer Steg eingeschweißt und (statt des Farcot-Daumens) auf diesem ein Keil verschiebbar, der den Innenanschlag bildet. Dieser Keil wird vom Regulator eingestellt, indem ein Ann im Inneren des Schieberkastendeckels an dessen Manschette hängt, welcher den Keil hebt oder senkt. Weil letzterer Taf. B. Dampfmaschine von Gebrüder Decker und Comp. in Cannstatt. S. 84–85 die hin- und hergehende Bewegung des Rahmens theilen muß, so ruht er mit Linealen auf einem Gleitbacken des Armendes, wodurch jede Bewegung unabhängig von der anderen wird. Diese Steuerung gibt Füllungen bis 70 Proc. und ist seit längerer Zeit erprobt. (Verf. hat an einer ähnlichen Maschine bei Decker in Cannstatt selbst ein Indicator-Diagramm aufgenommen und sich von der völlig guten Wirkung dieser Steuerung, ihrem geräuschlosen Gange und der raschen Einwirkung des Regulators überzeugt.) Dadurch, daß das Anlegen des Anschlages auf einer Fläche platzgreift, ist eine größere Dauer der ursprünglichen Formen voraussichtlich als bei dem Farcot-Daumen, wo die Berührung nur auf einer Linie erfolgt. Um den Einfluß der endlichen Schubstangenlänge aufzuheben, ist der Keil nicht völlig symmetrisch geneigt, und um die Canallängen (die schädlichen Räume) herunterzubringen, war bei der Ausstellungsmaschine das Vertheilexcenter außerhalb und das Expansionsexcenter direct aus Kurbellager gesetzt. Die Stange des letzten Excenters ging gerade in den Schieberkasten, während die Stange des Vertheilexcenters an dem Arme einer kurzen tiefgelagerten Welle wirkte, deren anderer Arm einwärts stand und an die Schieberstange griff. Beide Schieberstangen fanden im Fuße des seitlich stehenden Regulators eine einfache Führung. Der Regulator war von einem Riemen angetrieben und hatte gekreuzte Arme und eine große Belastungsvase auf der Spindel. Das Dampfausströmrohr ging vom Tragfuße des Cylinders unter dem Boden zum Condensator, trug aber ein Doppelventil eingesetzt, um nöthigenfalls ins Freie zu münden. Vom Warmwasserraum des Condensators hob sich noch ein oben offenes Standrohr, und aller ähnlichen Detaile für eine leichte und sichere Bedienung war sorgfältigst vorbedacht. Es war eine der prächtigsten Maschinen der ganzen Ausstellung und ihr Gewicht betrug sammt Condensator und Schwungrad 16000k. Ohne Condensator hätte es ca. 13500 und ohne Rad 9300k (7k,4 per 1qc Cylinder) betragen. Die complete Maschine kostet 13200 mit und 10800 Mark ohne Condensation. Es kommt selten vor, daß Fabriken die Maschinen, welche sie bauen, auch außerhalb von Streitfällen methodisch untersuchen. Um so beachtenswerther erscheint der Vorgang dieser Fabrik und die Angabe mehrtägiger Indicator- und Bremsversuche, welche einestheils die Wirkung der Steuerung und des ganzen Mechanismus, anderentheils die Solidität der neu angenommenen Bajonnetbalken-Verbindung statt der früheren Grundplatte darlegen sollten. Aus den Ergebnissen dieser verläßlich scheinenden Versuche dürfte folgende Tabelle nicht ohne Interesse sein. Füllung Druck (Atmosphären) Pferdestärken Güteverhältniß im Schieberkasten mittlerer imCylinder indicirt gebremst Procent 0,1 6,45 1,85 18,8 16,3 85,2   0,15 6,65 2,28 29,0 23,5 81,3 0,2 6,30 2,27 63,8 52,7 83,3 0,3 6,80 3,28 46,3 41,2 88,9 0,4 6,00 3,65 53,6 46,9 87,0 0,5 5,80 4,25 51,6 46,5 85,4 0,6 5,80 4,28 51,6 46,5 90,2 0,7 3,10 2,28 27,8 24,6 88,2 Eine Maschine von 300mm Bohrung und 0m,60 Hub soll bis 89e an die Bremse abgegeben haben, ohne im Mindesten zu vibriren, welches gute Ergebniß der Balkenform zugeschrieben wird.

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Tafel Taf. B.
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