Titel: Statistische Mittheilungen über die Industrie von Leopoldshall und Stassfurt; von G. Krause.
Autor: G. Krause
Fundstelle: Band 217, Jahrgang 1875, S. 331
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Statistische Mittheilungen über die Industrie von Leopoldshall und Stassfurt; von G. Krause. Krause, statistische Mittheilungen von Leopoldshall und Staßfurt. Es möchte wohl kaum eine Industrie geben, welche in so kurzer Zeit solchen bedeutenden Aufschwung genommen hat wie diejenige, die in Leopoldshall und Staßfurt ihren Sitz hat. Demnach dürfte es erwünscht sein, nähere Mittheilungen über die Entwickelung und den Fortgang derselben zu machen und bezügliche Zahlen anzugeben. Während man anderwärts das Rohmaterial zur Verarbeitung meistens von auswärts beziehen muß, wird es hier an Ort und Stelle gefunden. Im J. 1839 wurden in Staßfurt (Preußen) und 1858 in Leopoldshall (Anhalt) die ersten Bohrversuche angestellt. Man fand Steinsalz und „bittere Salze“, von denen jenes zunächst zur Verwendung kam. Durch unausgesetzte Bemühungen vom Oberberghauptmann Krug von Nidda und von E. Reichardt wurde auch der Werth der Abraumsalze einige Jahre später gewürdigt. Die geförderten Hauptproducte beider Orte unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von einander, Leopoldshall gewinnt aber außerdem noch Kainit. Die Productionszahlen (in CentnerDer bequemeren Uebersicht wegen bediene ich mich absichtlich bei größeren Gewichts- und Münz-Angaben der alten Bezeichnungen.) des Staßfurter Steinsalzdergwerkes seit Beginn der Förderung sind folgende. Jahrgang.   Steinsalz.   Kalisalz. Boracit. 1857      247240       13840 1858      512629 1859      408471          430 1860      671975        6543 1861      820475       47233 1862      926260     391504 1863      825000     830816 1864      883360   1146614     97,5 1865      883590     735963   184 1866      953309   1297781   287 1867   1096242   1466607   178 1868   1318423   1672038   314 1869   1126629   2181093   429 1870      903456   2925372   338 1871      930083   3198289   315 1872   1052265   3952467   500 1873   1044000   3251669   331 1874   1033000   2504775   225 –––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe 15636407 25623034 3198,5. In der Rubrik „Kalisalz“ sind die Zahlen eingeschlossen für Abfallsalz, Kieserit und Boracit. Nachstehend eine statistische Uebersicht des Salzdebites (in Centner) auf dem herzoglichen Salzwerke Leopoldshall in den Jahren 1861 bis 1874 eingeschlossen. Steinsalz. Abgegebenim Jahre zumVerkauf. zurSoolbereitung. Summe 1861           167,6   10380      10547,6 1862       713   12624   13337 1863     7253   15800   23053 1864   10621   23634   34255 1865   11702   17910   29612 1866   11376   22660   34036 1867      10240,5   16590      26830,5 1868      99288,5   21200    120488,5 1869 138328   39070 177398 1870   97680   39230 136910 1871   38377   34628   73005 1872      31787,5   24123      55910,5 1873 191634   24695 216329 1874 435640   29028 464668 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe   1084808,1084808,1 331572 1416380,1 Kalisalze, Borate und Sulfate. Abgegebenim Jahre Carnallit. Kainit. Kieserit. Hartsalz. Boracit. Summe 1861 1862         4298,25         4298,25 1863     337028,25       56,5     337084,75 1864   1165614   1127   1166741 1865   1099304,5      24278   1126     9   1124717,5 1866   1475752,5      97006   7370   18161   1598289,5 1867   1400503    165074 22667   12492   24   1600760 1868   1720040    192907 27327,75     6165   22   1946461,75 1869   1102878    337080   4309   34   2444301 1870   2506694    376645   1042   28470     6   2912857 1871   2570464    653653     890   77730   14   4302751 1872   5477978    357029      4314   15   5839336 1873   5625023    121881        134   50   5747088 1874   5835608    195038     320          14   33   6031013 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe 32321185,5 2520591 66235,25 147480 207 35055698,75 Von den angeführten Salzen haben den größten Werth das Steinsalz und die Kalisalze. Das Steinsalz geht verschiedenen Verwendungen entgegen. Zur Soolbereitung wird es auf dem Anhaltischen Schachte in Wasser gelöst, die Lösung nach der Saline geleitet und auf Kochsalz versotten. In Staßfurt wird kein Siedesalz hergestellt; das Krystallsalz, fast reines, farbloses, durchsichtiges oder durchscheinendes Steinsalz, wird im Bergwerke gesondert, über Tage gemahlen und so in den Handel gebracht. Gemahlenes Steinsalz mit 1 bis 3 Proc. mineralischen Beimengungen wird zur Herstellung von Lecksteinen verwendet. Sie sind conisch gestaltet, aus Steinsalzpulver geformt, welches einen Zusatz von 1/8 Proc. Eisenoxyd und 1/4 Proc. Holzkohlenpulver erhalten hat, vom Berghauptmann Prinzen zu Schönaich-Carolath im J. 1864 eingeführt. Die größten Quantitäten des Steinsalzes, ungefähr 800000 Ctr. kommen für Fabrikzwecke zum Export, zur Soda-, Seifenfabrikation und zur Gerberei. Zur Viehfütterung werden 200000 Ctr. Steinsalz ausgeführt. Beide Arten müssen denaturirt werden. Die Denaturationsmittel sind sehr verschieden und richten sich nach der Verwerthung des Salzes. Unterschieden wird nach den neuesten Bestimmungen vom 1. August 1872: 1. Salz zur Viehfütterung. a) aus Siedesalz; b) aus Steinsalz. 2. Salz zu Viehsalzlecksteinen. a) aus Siedesalz; b) aus Steinsalz. 3. Salz zu Düngemitteln. 4. Salz für gewerbliche Zwecke. 5. Bestellsalz zu gewerblichen Zwecken, je nach der Wahl des betreffenden Gewerbetreibenden. 6. Salz für specielle Fälle. Die Controlgebühren für das Denaturiren des Steinsalzes sind: 5 Pf. bei Viehsalz, 10 Pf. bei Gewerbesalz für 1 Centner = 50k. Nachstehende Tabelle gibt eine Uebersicht der Steinsalzmenge (in Centner) welches in beschriebener Weise im J. 1873 auf dem Preußischen Werke geliefert worden; gleichzeitig ist der Preis beigefügt. Textabbildung Bd. 217, S. 334 Steinsalz im Stücken (Fördersteinsalz) 50k 30–100 Pf. mit 6 M. Steuer; Gemahlenes Krystallsalz (Speisesalz), 50k 60, 70, 100 Pf. mit  6 M. Steuer; Gemahlenes Fördersteinsalz (Fabriksalz zu technischen Zwecken), 50k 45 Pf. mit 10 Pf. Controlgebühr; Viehsalz. Gemahlenes Fördersteinsalz, 50k 85–90 Pf. mit 5 Pf. Controlgebühr; Viehsalz zu Lecksteinen an G. H. u. Comp. in Schönebeck, 50k 60 Pf. mit 5 Pf. Controlgebühr; Lecksteine à 5k und à 2k,5. 50k 1,20 M.; und Krystallsalz; und Gewerbesalz; K : 2200; Gewerbesalz; E : 4699; I; II; III; IV; V; VI Das unter Rubrik IV gebrachte Viehsalz war mit 1/2 Proc. Wermuthkrautpulver und 3/8 Proc. Eisenoxyd, dasjenige unter V durch 1/4 Proc. Holzkohlenpulver und 3/8 Proc. Eisenoxyd, das „Gewerbesalz K mit 1/2 Proc. Thran und 3/8 Proc. Kienruß, das „Gewerbesalz E mit 1/2 Proc. Thran und 3/8 Proc. Eisenoxyd denaturirt worden. Zur Vergleichung mit Vorstehendem mag die Ausfuhr an Salz von einigen Jahren des vorigen Jahrhunderts mitgetheilt werden. Man rechnete damals nach Stück; 1 Stück war ungefähr gleich 200k. Im Jahre: Stück Siedesalz. 1774–1780 je 37039 1787     22570 1790     26119 1793     21826 1794     21286 Es sind also z.B. ausgeführt (in Centner): Leopoldshall. Staßfurt. Im Jahre Kochsalz. Kalisalz. Kochsalz. Kalisalz. Summe. 1774 148156 148156 1874 464668 6031013 1033000 2504775 10033456 (incl.  1497668 Kochsalz.) Ich wende mich nun demjenigen Bergproducte zu, welchem Leopoldshall und Staßfurt ihren Weltruf verdanken: den Kalisalzen oder richtiger dem Carnallit. Während den Vertrieb des Steinsalzes beide Staaten selbst in die Hand genommen haben, ist die Verwerthung des Carnallits nur der Privatspeculation anheim gefallen. Es sind im Laufe der Zeit 30 Etablissements entstanden, welche mit wenigen Ausnahmen die bedeutenden Massen der geförderten Carnallirsalze verarbeiten. Sie vertheilen sich folgendermaßen: 13 Fabriken sind auf Actien gegründet und gehören 5 verschiedenen Gesellschaften; drei derselben haben je 1 Fabrik, die vierte hat 2, die fünfte besitzt 8 Fabriken; von den übrigen 17 befindet sich jede einzelne im bestimmten Privatbesitzthume. Leopoldshall zählt 20. Staßfurt 10 Fabriken. Das 31. Etablissement wird unweit Staßfurt in Douglashall bei Wester-Egeln erbaut, nachdem man auch hier Kalisalze entdeckt und ein selbstständiges Bergwerk ins Leben gerufen hat. Andere drei Fabriken in Leopoldshall und Staßfurt befassen sich mit der Darstellung von Knochenkohle, Zucker und Spiritus. Endlich sind auch Kohlenlager aufgefunden worden. Das Rohproduct wird hauptsächlich zu Chlorkalium verarbeitet und Abfälle vorzugsweise zu Düngesalzen verwerthet. Man fabricirt außerdem: Glaubersalz (Fr. Müller), Bittersalz (Wüstenhagen und Comp.), Kieseritsteine, Chlormagnesium, Brom und Bromverbindungen (Dr. Frank), Kaliumsulfat und Potasche (Staßfurter chemische Fabrik). Eine Fabrik in größerem Umfange möge dazu dienen, um aus ihrem Betriebe die Leistungsfähigkeit darzuthun. Es ist angenommen, daß dieselbe ununterbrochen im Gange ist und zwar am Tage 3/5, in der Nacht 2/5 der Arbeit vollendet. Sie verbraucht jährlich: 353221 Ctr. Rohsalz im Werth von 47400 Thlr. und liefert   47500 Ctr. Chlorkalium im Werth von 95000 Thlr. Der Verbrauch an Kohlen beläuft sich auf 132666hl. An Nebenproducten werden erhalten: 80000 Ctr. Düngesalze,    1000   „   Chlormagnesium, 15000   „   Glaubersalz oder 35000   „   Kieseritsteine. Das Rohsalz wird von den Schächten unter nachstehenden Bedingungen abgegeben. 50k Rohsalz mit 16 Proc. Chlorkalium kosten 40 Pf.; über 16 Proc. wird jedes 0,1 Proc. mit 0,6 Pf. berechnet. Das Chlorkalium wird meistens 80procentig verlangt in Posten von 500 bis 5000k, gleich oder in Terminen zu liefern. 50k hiervon kosten 5,80 M. Ueberprocente werden nach Vereinbarung bezahlt, häufig aber nur bis 82 Proc. Man nimmt Scalen bei der Berechnung an: 80 bis 90, 90 bis 95, 95 bis 100 Proc. Mit jeder folgenden Stufe tritt nicht allein eine Erhöhung des Preises insofern ein, als die weiteren Procente berücksichtigt werden, sondern es stellt sich auch den Preis von 90, 95 ab relativ höher. Gegenwärtig kostet 90proc. Chlorkalium 6,20 M., 95proc. 6,50 M. pro 50k. Diese Producte werden zur Darstellung von Potasche verlangt, jenes niederprocentige Salz für landwirthschaftliche Zwecke, Sulfat-, Alaun- und Salpeterfabrikation. Die Düngesalze sind 15, 18, 20, 23, 25, 28, 30, 40 und 50procentig. Sie haben einen Preis von 70 Pf. bis 1,70 Mark und werden in ähnliche Classen gebracht, wie vorhin näher dargethan ist. Ihr Verbrauch ist ein außerordentlicher, und sie drängen alle ähnlichen Stoffe in den Hintergrund. Der Export sämmtlicher Düngemittel wird durch jene vermehrt, der Import vermindert. Durch den Zollverein sind folgende Zahlen (in Centner) festgestellt. Name des 1872. 1873. Düngemittels. Einfuhr. Ausfuhr. Einfuhr. Ausfuhr. Düngesalze und künstliche    Düngemittel    216808 791729   150944 1286768 Guano 1429788 198498  1891662    138758 Knochenkohle    222704   88806    234687     44633 Knochenmehl    133481   27000    185328     23840 Zum Schlusse muß noch einiger Producte gedacht werden, die als solche oder in gewisser Weise zugerichtet von hier stammen. Den Kainit, welcher nur im Leopoldshaller Bergwerke abbauwürdig ist, erhält man von den chemischen Fabriken im präparirten Zustande oder als rohes Bergproduct. Die Förderung der drei letzten Jahre betrug: Im Jahre 1872: 22211 Ctr. Kainit in Stücken, 33913   „        „    gemahlen, 300905   „        „    zum Export. Im Jahre 1873: 118971   „        „    gemahlen, 2910   „        „    in Stücken. Im Jahre 1874: 193211   „        „    gemahlen, 1156   „        „    in Stücken, 671   „        „    zum Export. Er wird als Düngemittel empfohlen und 23 bis 24 Proc. Kaliumsulfat garantirt. Zu demselben Zwecke dienen die „Kaliabfallsalze“ der beiden Werke. Es sind kaliarme Salze, welche beim Gewinnen der Kalisalze zurückbehalten werden. Kieserit wird zeitweise in Leopoldshall und Staßfurt abgebaut. Boracit wird außer auf den Schächten auch im Rohsalze der Fabriken gefunden, gesammelt und gewaschen, jedoch nicht mehr hier verarbeitet.