Titel: | Zur Bestimmung des Schmelzpunktes; von J. Piccard in Basel. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 400 |
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Zur Bestimmung des Schmelzpunktes; von J. Piccard in Basel.
Mit einer Abbildung.
Piccard, zur Bestimmung des Schmelzpunktes.
Bei Gelegenheit vorstehender Untersuchung hat der Verfasser die verschiedenen Arten
der Schmelzpunktbestimmung an bekannten Körpern geprüft und sich überzeugen können,
daß sie nicht selten an Genauigkeit zu wünschen übrig lassen. Das gewöhnliche
Verfahren, welches darin besteht, daß man die Capillarröhre, in welcher die Substanz
sich befindet, an ein Thermometer befestigt und in ein Wasser-, Oel-
oder Paraffinbad taucht, und den Augenblick beobachtet, wo die Masse, welche im
festen Zustande undurchsichtig war, eben durchsichtig wird, bietet den großen
Nachtheil, auf einer bloßen Nüanceänderung zu beruhen. In einem klaren Wasserbad,
bei günstigem Lichte und mit guten Augen beobachtet, ist dieser Augenblick der
Farbenänderung für die meisten Substanzen sehr scharf. Liegt hingegen der
Schmelzpunkt sehr hoch, ist das Paraffinbad durch wiederholten Gebrauch gefärbt und
trübe, ist das Auge durch das gleichzeitige Anstarren des Quecksilberfadens und der
Substanz schon ermüdet, nimmt ferner die Substanz, wie mir auffallende Beispiele
bekannt sind, vor dem Schmelzen eine durchschimmernde Beschaffenheit oder eine
dunkle Farbe an, so sind in ungünstigen Fällen Beobachtungsfehler von 10 bis
20° keine Unmöglichkeit. Es kann deshalb zuweilen erwünscht sein, das
gewöhnliche Kriterium des Schmelzens, nämlich das Durchsichtigwerden, durch ein
anderes weit sichtbareres Kennzeichen zu ersetzen, nämlich durch eine rasche
Bewegung.
Eine gewöhnliche Glasröhre wird 2 bis 3cm
vor ihrem Ende trichterförmig verengt, weiter unten capillarisch ausgezogen und an
dieser Stelle U-förmig gebogen. Man bringt etwas
von der Substanz durch den weiten Schenkel hinein, erhitzt sie zum Schmelzen, so daß
sich unten an der Biegung, da wo die Röhre anfängt capillar zu werden, ein kleiner Pfropfen a bildet; dann schmilzt man den weiten Schenkel an der
vorher verengten Stelle zu und läßt den dünnen langen Schenkel offen.
Textabbildung Bd. 217, S. 401
Ueber der Substanz befindet sich nun ein großer
Luftbehälter d. Man befestigt mit einem Kautschukring die Capillarröhre aus
Thermometer, so daß die Substanz in die Mitte der Thermometerkugel, der
Luftbehälter unter das Niveau des Paraffinbades zu stehen kommt, und erhitzt das
Bad im Becherglase unter Umrühren. In dem Augenblick, wo die Substanz schmilzt,
wird sie durch die zusammengedrückte Luft des Behälters mit Kraft in die
Capillarröhre hinaufgeschnellt. Die Bewegung ist so plötzlich, daß die
Beobachtung an Schärfe nichts zu wünschen übrig läßt. Es ist nicht zu
befürchten, daß dieses durch Erweichen der Substanz vor dem eigentlichen
Schmelzen geschieht, weil an dieser Stelle die Röhre conisch ist und der
Pfropfen durch den Druck nur fester hineingepreßt wird; eher ist zu erwarten,
daß das Steigen erst nach vollständig erfolgtem Schmelzen eintritt; darum fallen
die Resultate eine Kleinigkeit zu hoch aus, wenn man zu viel Substanz und eine
zu weite Capillarröhre nimmt. Es ist durchaus nothwendig, daß die Substanz in
ihrer ganzen Masse auf einmal schmilzt. Der einzige Fall, wo dieses Verfahren
nicht ohne Weiteres anwendbar ist, zeigt sich bei denjenigen Substanzen, welche
beim Erstarren sich stark zusammenziehen. Der Verschluß der Capillarröhre ist
alsdann undicht, und die Luft des Behälters kann sich ungehindert ausdehnen;
beim Schmelzen tritt nur unbedeutende Steigung ein. Sollte man diese Gefahr
befürchten, so würde ein Tröpfchen Quecksilber c im
weiten Schenkel derselben gänzlich vorbeugen.
Bei hoch schmelzenden oder gefärbten Substanzen hat sich die Methode als sehr
zweckmäßig erwiesen; in anderen Fällen kann sie als willkommene Controle benützt
werden. (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1875 S. 687.)