Titel: Ueber die Verwendbarkeit des Wasserglases in der Bautechnik; von Dr. H. Frühling.
Fundstelle: Band 217, Jahrgang 1875, S. 421
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Ueber die Verwendbarkeit des Wasserglases in der Bautechnik; von Dr. H. Frühling. Frühling, über die Verwendbarkeit des Wasserglases in der Bautechnik. Das Wasserglas ist bald nach seiner Erfindung, sowohl von dem Erfinder, als nach dessen Anregung von Anderen, mit großer Wärme als ein für die Bautechnik sehr werthvolles Präparat empfohlen worden. Obgleich nun bereits 50 Jahre seit Bekanntwerden des Wasserglases verstrichen sind und sich jetzt eine Anzahl bedeutender Fabriken mit Herstellung desselben beschäftigt, ist doch nachzuweisen, daß nur ein sehr kleiner Theil der jährlichen Production in der Bautechnik zur Verwendung kommt. Der größte Theil derselben geht Wege, welche nur einzelnen Specialtechnikern bekannt sind, zu Verwendungen, welche oft mit Verfälschungen Aehnlichkeit haben. Daß die Bautechnik nicht mehr Gebrauch von dem Präparate macht, ist wohl damit zu erklären, daß sich die Versprechungen, welche man über dasselbe machte, nur in beschränktem Maße erfüllt haben. Die zuerst in die Augen fallenden Eigenschaften des Wasserglases sind bedeutend genug, um große Erwartungen an dessen Verwendung zu knüpfen. Ein aufgelöstes Glas, welches, wie man annimmt, nach dem Verdunsten des Lösungsmittels den Körper mit all den guten Eigenschaften zurückläßt, welche wir am Glase schätzen, also vornehmlich große Dichtigkeit, Glanz, Undurchlässigkeit gegen Wasser und Widerstandsfähigkeit gegen atmosphärische Niederschläge und Temperaturwandlungen. Wenn auch diese Eigenschaften bald vermißt werden, so bestechen doch alle die Versuche, welche Veranlassung zur Empfehlung des Wasserglases wurden, durch einen scheinbaren Erfolg. In erster Reihe soll dasselbe schlechte, der Verwitterung unterliegende Baumaterialien, also natürliche und künstliche Steine und auch Holz verbessern; dieselben sollen durch die sogen. Silicatisation gegen die atmosphärischen Einflüsse unempfindlich gemacht werden. Es ist nicht anzunehmen, daß ein Architekt von vornherein ein verwitterndes Baumaterial für seine Bauten auswähle und auf Silicatisation mit Wasserglas rechne, wobei derselbe, abgesehen von dem zweifelhaften Erfolge, mit der Kostenrechnung schlechte Erfahrungen machen würde. Es handelt sich hier also nur um solche Fälle, wo aus Versehen oder Unkenntniß verwitterndes Material verbaut wurde und so dem Untergang Entgegeneilendes zu retten ist. Und gerade hier müssen wir um so mehr zur Vorsicht beim Gebrauch des Wasserglases rathen, je werthvoller das zu schützende Object ist. Kreide, Marmor, Kalkmergel, kalkreiche Sandsteine, schwachgebrannte kalkhaltige Ziegel erhalten durch Behandlung mit Wasserglas eine sehr dichte, mechanischen Angriffen gut widerstehende Rinde. Tief in das Innere der Masse dringt die verhärtende Wirkung nicht leicht. Das gelingt nur bei sehr umständlicher und zeitraubender Behandlungsweise, und dann auch nur bei kleineren Stücken, unter Bedingungen, welche der Praxis schwer anzupassen sind. Die große Härte der Oberfläche eines Bausteines ist für dessen Dauer nicht maßgebend. Der im frischen Zustande weiche und zerreibliche Pariser Kalksandstein z.B. widersteht allen Unbilden unseres nordischen Klimas, während viele Basalte und Granite, welche, frisch dem Lager entnommen, unverwüstlich erscheinen, schon den Wirkungen eines Jahres mit seinen Temperaturwandlungen und atmosphärischen Niederschlägen unterliegen. Die obengenannten Materialien vertragen nach ihrer Behandlung mit Wasserglas die zerstörende Wirkung des Frostes ebensowenig als vorher, in vielen Fällen sogar noch weniger. Gefriert in den durchtränkten Stücken das Wasser, so kann sich die Kristallisation desselben im Inneren des lockeren Gefüges frei bewegen, während die verdichtete Schale, als dieser im Wege stehend, abgestoßen wird. Daß die äußere, dichtere Rinde des Steines eine von dem Kerne abweichende Ausdehnungsfähigkeit bei Temperaturwechsel hat, hilft mit, ein Abblättern der Schale zu bewirken. – Ebenso gehen im Froste schlecht glasirte Ziegel zu Grunde, namentlich solche, welche einen schwachgesinterten, klappernden Kern haben. Der letztere bleibt meist unversehrt, während die Glasur mit daranhaftenden Stücken des Kernes abgestoßen wird. Töpfer und Kachelmacher wissen es gut, wie sehr die Haltbarkeit einer Glasur auf ihren Fabrikaten von einer oft erst durch lange Erfahrung erprobten Harmonie derselben mit der überzogenen Masse abhängt. Ist es nun schon sehr unsicher, einen dem Wetter ausgesetzten Baustein mit einer Kruste zu überziehen, welche in Temperatur- und Feuchtigkeitswandlungen ganz andere Eigenschaften zeigt als der Kern, so kommt hier noch in Betracht, daß das Wasserglas nicht als solches, gleichsam als Firniß oder Glasur auf dem Bausteine haften bleibt, sondern sich in Berührung mit demselben, sei es nun durch das Material selbst oder durch die Kohlensäure der Luft, zersetzt. So lange diese Zersetzung noch nicht stattgefunden, wird das Wasserglas durch den Regen ausgewaschen und von einer Stelle des Mauerwerkes zur anderen übergeführt. Nach der Zersetzung hat das Mauerwerk nahezu alles Natron oder Kali des Präparates als kohlensaures Salz aufgesogen. Dieses wandert bei trockenem Wetter durch Ausblühen von Innen nach Außen, bei Regenwetter wieder zurück, mit dem Erfolge, daß allmälig die unteren Mauertheile mit Sodalösung getränkt sind, welche die Salpeterbildung einleitet und eine Vegetation von Flechten und Pilzen anlockt. Die durch das Verwaschen des Wasserglases bei Regenwetter bewirkten unregelmäßigen Ausscheidungen von Kieselsäure, welche als weißer, unvertilgbarer Anflug an der Oberfläche der Mauer erscheinen, geben derselben ein unheimliches Ansehen, welches durch die wiederkehrenden Auswitterungen des Natrons noch verschlimmert wird. Die Absicht, durch einen Wasserglasanstrich gleichzeitig mit der Verhärtung der Mauerfläche dieselbe zu verschönern, schlägt meistens in das Gegentheil um. Bei sparsamer Verwendung sehr verdünnter Wasserglaslösungen werden die oben angeführten Nachtheile nicht so auffallend bemerkt; es ist dann aber auch die verhärtende Wirkung auf die Steinmassen eine nur geringe und ohne nachweisbaren Nutzen. Dasselbe, was von dem Bestreichen der Bausteine mit Wasserglas gesagt wurde, gilt auch bei Behandlung von Wandputz mit dem Mittel. Im Inneren der Gebäude, vor Regen und Frost geschützt, machen die mit Wasserglas getränkten Putzflächen in erster Zeit einen guten Eindruck.Die mit Hilfe von Wasserglas hergestellte Malfläche des ersten Kaulbach'schen Wandgemäldes (der Babylonische Thurmbau) im Treppenhause des Museums in Berlin ist schon jetzt mit unzähligen Rissen durchzogen, und es zeigt sich an einigen Stellen des Bildes ein weißer Anflug auf den Farben. Das wird aber bald anders, wenn im Freien Regen und Temperaturunterschiede von 40 bis 50°, von Bestrahlung der heißen Julisonne bis zum Durchfrieren der durchnäßten Wände bei 15 und 20° Kälte, auf den Putz einwirken. Bei großen Wandflächen multipliciren sich die Wirkungen der Temperaturwechsel. Das Mauerwerk folgt den Bewegungen der aufgeklebten Hülle durch die Wärme nur wenig. Risse und theilweises Ablösen der Hülle beobachtet man um so früher, je spröder und härter der Putz im Vergleich zu seiner Unterlage ist. – Es ist eine bekannte Erfahrung, daß sich auf gewöhnlichem Ziegelmauerwerk ein magerer Putz, mit Sand und Kalk hergestellt, besser hält, als ein solcher aus tadellosem reinen Portlandcement. Während letzterer auf frischen oder auch sorgfältig gereinigten Flächen von Granit und harten Kalksteinen dauernd haftet, friert derselbe von lockeren Ziegeln und Sandsteinen ab, auf denen der gewöhnliche Kalkputz vorzüglich haftet. Die angeführten Erscheinungen, welche sowohl in der Praxis, als bei besonders dazu angestellten Versuchen beobachtet wurden, deuten klar an, daß jeder Putz in einer gewissen Harmonie zu seiner Unterlage stehen muß und daß eine große Dichte und Härte desselben, welche Sprödigkeit im Gefolge hat, nicht unbedingt seine Dauerhaftigkeit erhöht. Das Eindringen des Regenwassers in durchlässigen Wandputz zu verhindern, kann das Wasserglas den Oelanstrich nicht ersetzen; letzterer nimmt der Wandfläche ihre hygroskopischen Eigenschaften, während durch ersteres dieselben eher erhöht, als vermindert werden. Glaubt man sich genöthigt, das Wasserglas anzuwenden, so mache man zuvor sorgfältige Proben, mit kritischer Beobachtung des Erfolges. Aber nicht das Laboratorium oder die geschützten Räume des Wohnhauses dürfen die Versuchsstätten sein, sondern die freie Luft, im strengen Winter wie im Sommer. Außer zu den eben behandelten Zwecken sind auch Versuche gemacht, das Wasserglas zu Anstrichen auf Holz und Metallen als Ersatz der Oelfarben zu verwenden. Es hat hier jedenfalls auch der erste scheinbare Erfolg verleitet, den Gegenstand weiter zu verfolgen, als er es werth ist. Die farbigen Holzanstriche lassen sich leicht herstellen, trocknen sehr schnell und haben bei sorgfältiger Behandlung ein gutes Aeußere, dem der Oelfarbenaustriche ähnlich. Nun fehlt aber einem solchen Anstriche jede Elasticität, und so kann sich derselbe den starken Bewegungen des Holzes bei Wechsel von Trockenheit und Nässe nicht anpassen. Durch das Dehnen und Zusammenziehen des Holzes, wobei die den Jahresringen entsprechenden Theile desselben noch unter einander abweichende Bewegungen machen-, blättert der Wasserglasanstrich bald ab, und um so schneller, je mehr die Nässe mit einwirkt. Nicht zu unterschätzen ist hierbei noch der Umstand, daß das sich ausscheidende und in das Holz eindringende kohlensaure Natron oder Kali einen schädlichen Einfluß auf die Haltbarkeit des Holzes ausübt und dasselbe der Fäulniß zugänglicher macht. Aus diesem Grunde ist auch das oft empfohlene Imprägniren der Bauhölzer mit Wasserglas zu verwerfen. Ein mit Sorgfalt ausgeführter Anstrich mit Kalkwasserfarbe übertrifft an Sauberkeit einen solchen mit Wasserglas und ist mit wenigen Ausnahmen zum mindesten ebenso dauerhaft, sowohl auf Holz wie auf Stein. Auf Metallen bleibt ein Wasserglasanstrich auch nur im Trockenen von Dauer und gutem Ansehen. Daß Eisen durch einen solchen Anstrich vor Rost geschützt werden kann, wie zuweilen in technischen Zeitschriften mitgetheilt wurde, muß als ein Irrthum angesehen werden, der durch flüchtige Beobachtung der Versuche in trockenen Räumen veranlaßt ist. Es tritt hier, wie in vielen anderen Fällen, immer das sich bildende kohlensaure Salz, sei es Kali oder Natron, störend zwischen die beabsichtigte Wirkung. Eine werthvolle Verwendung von Wasserglasfarben wird zuweilen bei Herstellung von Theaterdecorationen gemacht. Außer daß die beabsichtigte Schwerverbrennlichkeit der leichten Gegenstände wirklich erreicht wird, lassen sich die Farben hier durch geeignete Behandlung in einer Weise fixiren, welche große Haltbarkeit verspricht. Eine andere, mit Erfolg gekrönte Verwendung des Wasserglases für die Bautechnik ist die zur Herstellung künstlicher Sandsteine nach Ransome's Verfahren (1869 192 121. 1871 199 409. 1872 206 332, 419.) Hierbei wird aber die Ausnützung der guten Eigenschaften desselben und die Beseitigung der Nachtheile nur mit Hilfe kostspieliger Apparate und Behandlungsweisen erreicht. Es war Zweck dieser Mittheilungen, darauf hinzuweisen, daß alle die reichlich vorhandenen Recepte für den Gebrauch des Wasserglases einer strengen Sichtung bedürfen, und daß sich die Erfolge ihrer Anwendung nicht ohne Weiteres mit Sicherheit voraussagen lassen, weil die Wirkungen des Wasserglases durch die chemische Zusammensetzung und physikalische Beschaffenheit des damit behandelten Materiales oft ganz unerwartete Wendungen bekommen, wie z.B. Gypsstuck und gypshaltiger Putz durch dasselbe in kurzer Zeit gänzlich zerstört werden. Es muß jedem Architekten und Bauhandwerker widerstreben, die Dauerhaftigkeit seiner Arbeiten von einem Körper abhängig zu machen, über dessen Wirkung keine absolute Sicherheit vorliegt; diese fehlt aber hier in der That. Es ist daher bei Verwendung des Wasserglases in der Bautechnik Vorsicht und Mißtrauen eher am Platze, als der gute Glaube an die Zuverlässigkeit von Recepten, welche nicht ausreichend durchgeprobt sind. (Deutsche Bauzeitung, 1875 S. 73.)