Titel: | Die Fortschritte in der künstlichen Erzeugung von Kälte und Eis; von Dr. Heinrich Meidinger, Professor in Carlsruhe. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 471 |
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Die Fortschritte in der künstlichen Erzeugung von
Kälte und Eis;Vom Verfasser für den deutschen amtlichen Ausstellungsbericht der Wiener
Weltausstellung 1873 bearbeitet und für den Wiederabdruck im Dingler's
polytechn. Journal mit Zusätzen und Verbesserungen versehen. von Dr. Heinrich
Meidinger, Professor in Carlsruhe.
Meidinger, über die Fortschritte in der künstlichen Erzeugung von
Kälte und Eis.
Die concentrirte Kälte in der Form von Eis gewinnt täglich eine erhöhtere Bedeutung
für industrielle, wie für häusliche Zwecke. Die Bierbrauerei nach bayerischer
Methode, die Bereitung von Lagerbier, welches, bei uns in Deutschland wenigstens,
alle anderen Sorten Bier nahezu verdrängt hat, ist auf eine dem Nullpunkt nahe
kommende, längere Zeit anhaltende Temperatur angewiesen, die bis jetzt nur durch Eis
hat hergestellt werden können; für den Conditor gibt es kein anderes praktisches
Mittel als Eis, um zur Bereitung von Gefrornem eine Temperatur von 12 bis 18°
unter Null zu erzeugen; der Arzt wendet in häufigen Fällen die Kälte des Eises
innerlich wie äußerlich als geradezu unersetzliches Heilmittel an; der Händler mit
frischem Fleisch, der Gastwirth kann ohne dieses conservirende Mittel kaum mehr
bestehen; im Hauswesen hat sich das Eis auch bereits, in größeren Städten
wenigstens, wo es dauernd billig zu beziehen ist, eingebürgert und erscheint denen,
die sich an dessen Gebrauch gewöhnt, als unentbehrliches Mittel zur Conservirung der
Speisen, zur Kühlung der Getränke während der warmen Jahreszeit. Noch ist zu
erwähnen, daß auch zum Auskrystallisiren von Salzen, oder im Allgemeinen zum
Ausscheiden von gelösten Stoffen durch Kälte, das Eis in der chemischen Industrie
bereits mehrfache Anwendung gefunden hat.
Wir sehen der Zunahme der Verwendung entsprechend auch wachsende Mengen von Eis jeden
Winter eingelagert. Ein großartiger Transport hat sich ausgebildet, um das Eis von
den nördlicheren kälteren Theilen der Erde nach den dem Aequator näher gerückten
Gegenden zu übermitteln. Namentlich Nordamerika verschifft Eis in erstaunlicher
Menge nach allen Richtungen, sogar nach Mittel- und Südamerika, West-
und Ostindien. Auch Norwegen ist in den Schiffsverkehr eingetreten, von da gelangt
Eis nach England und nach den deutschen Nordseehäfen. In milden Wintern wie 1862/63,
1872/73 sahen wir, daß von den Alpengletschern her das Eis in ganzen Zügen
rheinabwärts verfrachtet wurde.
Dieses so unentbehrlich gewordene Material hat die Wissenschaft gelehrt, in
künstlicher Weise herzustellen. Die ersten Versuche der Eisbereitung im Großen fallen gegen das Ende
der fünfziger Jahre. Die Eisfabrikation hat seitdem einen außerordentlichen Umfang
angenommen. Selbst in solchen Gegenden, wo der Winter in der Regel genügend kalt
ist, um Eis in hinlänglicher Menge für die warme Jahreszeit aufspeichern zu können,
wie z.B. bei uns in Deutschland, hat man es in zahlreichen Fällen lohnend gefunden,
besondere zur technischen Anfertigung dieses Stoffes oder zur künstlichen
Kälteerzeugung überhaupt bestimmte Maschinen aufzustellen. Auch sehen wir bereits an
verschiedenen Orten Werkstätten in voller Thätigkeit, um das Bedürfniß nach solchen
Maschinen zu befriedigen; nach dem milden Winter 1872/73 konnten die vorhandenen
Fabriken der Nachfrage nach Eismaschinen nicht genügen.
Die Londoner Ausstellung 1862 führte die Aether- und
Ammoniak-Eismaschine vor; inzwischen ist ein drittes System hinzugekommen:
die Luft-Eismaschine, welche jedoch noch ihrer Vollendung harrt, weil
eigenthümliche Schwierigkeiten dem praktischen Betrieb sich entgegenstellen. Die
Theorien dieser Maschinen sind eingehend erörtert worden, so daß man bezüglich ihrer
Leistungsfähigkeit, ihrer relativen Vorzüge vollkommen im Klaren ist; außerdem wurde
noch eine Reihe von Vorschlägen zur Erzeugung von Kälte mit anderen Hilfsmitteln
gemacht, die bis jetzt zu keinem oder nur geringem praktischen Ergebniß geführt
haben. Wir wollen im Folgenden die Entwickelung zu schildern versuchen, welche die
ganze Frage nach allen ihren Richtungen bis zum heutigen Tage genommen hat.
Die Physik lehrt drei Vorgänge kennen, durch welche eine Erniedrigung der Temperatur,
und wenn dieselbe in intensivem Grade stattfindet und auf Wasser übertragen wird,
eine Eisbildung hervorgerufen werden kann: die Auflösung oder Verflüssigung fester
Körper (Salze), die freiwillige Verdampfung von Flüssigkeiten und die Ausdehnung
(Expansion) gasförmiger Körper. Jedes dieser Mittel hat in der Praxis Verwendung
gefunden; das erste: die Auflösung, zur Temperaturerniedrigung von kleinen Massen in
einfachen, nicht continuirlich wirkenden Apparaten, die beiden anderen Mittel: die
Verdampfung und die Expansion, zur eigentlichen Fabrikation von Eis in
ununterbrochener Weise in complicirten Maschinenverbindungen.
I. Kälte durch Auflösung.
Damit ein Körper aus dem festen in den flüssigen Zustand übergehe, muß bekanntlich
eine gewisse, bald größere, bald kleinere Menge Wärme aufgewendet werden. Sind die
Bedingungen derartige, daß die Verflüssigung ohne Wärmezufuhr von außen erfolgt, so
wird die Wärme dem
betreffenden Körper und seiner Umgebung entzogen, es findet eine Erniedrigung der
Temperatur statt. Dies beobachtet man immer beim Auflösen von Salzen. In gewissen
Fällen ist die Auflösungskälte so groß, daß die Temperatur weit unter den
Gefrierpunkt gelangen und in Folge dessen Wasser zum Gefrieren gebracht werden kann.
Man bezeichnet nun als Kältemischung jedes Gemenge von
Substanzen, welches bei der Auflösung eine sehr tiefe Temperaturerniedrigung seiner
Masse bewirkt. Zahlreiche derartige Mischungen sind schon seit lange beschrieben und
in allen Lehrbüchern der Physik angeführt; die bekannteste und häuslich wie
gewerblich am meisten angewendete setzt allerdings das Vorhandensein von Eis selbst
voraus. Sie besteht aus 3 Th. Eis und 1 Th. Kochsalz, welche sich gegenseitig lösen,
indem die Temperatur dabei bis – 21° sinkt. Es ist dies der
Gefrierpunkt der gesättigten Kochsalzlösung. Es bedarf der Schmelzung nur eines
Theiles der Mischung, um in der ganzen Masse diese niedrige Temperatur zu erzeugen;
erst wenn Wärme von außen in die Masse eindringt, kann immer bei derselben
Temperatur eine weitere Schmelzung von Statten gehen. In Folge dessen läßt sich die
Temperaturerniedrigung so lange erhalten, bis alles Eis sich mit dem Salze aufgelöst
hat. Doch ist es nöthig, die Masse fortdauernd umzurühren. Dieser
Salz-Eis-Kältemischung bedient man sich zur Bereitung von Gefrornem,
welches zu seiner Bildung einer Temperatur von etwa – 12° bedarf. Da
hierbei im Wesentlichen Wasser zum Gefrieren zu bringen ist, die beigefügten anderen
Substanzen wenigstens hinsichtlich specifischer und latenter Wärme fast zu
vernachlässigen sind, so läßt sich leicht ausrechnen, wie viel Gefrornes dem Gewicht
nach mittels einer bestimmten Menge Kältemischung bereitet werden kann.
Die Gefrierapparate der Conditoren bestehen aus einem Zinntopf zur Aufnahme der
Crèmes oder des Syrups, der in einem größeren Gefäß von Holz oder verzinntem
Kupfer steht; der Zwischenraum wird mit Salz und Eis ausgefüllt, die Mischung muß
fortwährend gerührt werden, damit Salz und Eis in vielfältige Berührung gelangen;
wird dies versäumt, so senkt sich das Salz, nachdem etwas Lösung bereits gebildet,
zu Boden und wirkt nicht weiter auf das Eis ein. Seit Mitte der sechziger Jahre etwa
kommen von Paris Apparate zum Haushaltungsgebrauch in den Handel, welche folgende
Einrichtung haben. Ein cylindrisches doppelwandiges Gefäß aus Blech trägt in der
Mitte des Mantels zwei Zapfen, die auf zwei auf einer Holzplatte befestigten Stützen
ruhen; der eine Zapfen setzt sich in eine Kurbel fort, welche dazu dient, den
Cylinder in Umdrehung zu versetzen. Die beiden ebenen Endflächen des Cylinders sind
Holzscheiben, welche durch einen eigenthümlichen Verschluß auf den Cylinder aufgedrückt
werden; zur Herstellung vollkommener Dichtung sind Gummiringe unterlegt. Der
Zwischenraum beider Cylinderwände ist mit einem schlechten Wärmeleiter ausgefüllt.
In das Innere ist ein Blechconus eingesetzt, welcher, von der einen Seite
zugänglich, den Syrup aufnimmt; der ringförmige Zwischenraum wird von der anderen
Seite mit Eis und Salz ausgefüllt. Nachdem die Deckel fest aufgesetzt sind, wird
gedreht, zuerst etwa fünf Minuten lang, dann der Syrupdeckel abgehoben und das
bereits an der Wand ausgeschiedene Gefrorne mit einem Spatel abgelöst und mit dem
Uebrigen verrührt, wodurch sich butterförmige Consistenz herstellt; der Apparat wird
dann wieder verschlossen, umgedreht und nach fünf Minuten von Neuem geöffnet und der
Inhalt verrührt, und ebenso ein drittes Mal. Nach einer Viertelstunde ist der Syrup
fest. Der Apparat wirkt ganz zufriedenstellend, aber seine Bedienung ist etwas
umständlich, auch ist er ziemlich theuer.
Der Verfasser hat eine vereinfachte Maschine hergestellt, auf deren Einrichtung ihn
die Beobachtung geführt hatte, daß auch die Kochsalzlösung unter 0° das Eis schmilzt und zwar, sofern sie concentrirt
erhalten wird, unter Erzeugung derselben niedrigen Temperatur wie bei der Einwirkung
von festem Salz auf Eis (vergl. 1872 204 409). Die
Maschine besteht aus folgenden drei Theilen: einem cylindrischen Hafen (Kühlgefäß)
mit Doppelwandung, oben ganz offen; ferner einem conischen Blecheinsatz (Friergefäß)
von etwa halber Weite, bis nahe zum Boden herabgehend, oben mit fest verbundener
Deckplatte, welche auf dem cylindrischen Gefäß ruht und kapselförmig dasselbe fest
umschließt, während die Oeffnung des Einsatzes selbst unverschlossen bleiben kann;
endlich drittens einem ringförmigen siebartigen Gefäß (Salzbehälter), welches in den
Zwischenraum zwischen Hafen und Friergefäß eingesenkt wird und etwa bis zur Mitte
herabreicht. Der Hafen wird bis zur Hälfte mit zerstoßenem Eis angefüllt, dann wird
eine concentrirte Salzlösung eingegossen, hierauf das mit Salz gefüllte Siebgefäß
eingehängt und endlich das mit dem Syrup zu füllende Friergefäß eingedrückt, welches
von der Kältemischung bis oben berührt wird. Das Eis schmilzt in der Kochsalzlösung;
diese sich verdünnend löst wieder Salz aus dem Sieb und erhält sich dadurch nahe
gesättigt und in ihrer Wirkung auf das Eis ungeschwächt. Die Temperaturerniedrigung
durch das ganze Gefäß ist eine gleichförmige, eine mechanische Bewegung der Mischung
findet nicht statt. Das nothwendige Verrühren des gefrierenden Syrups erfolgt in
Zwischenräumen von etwa fünf Minuten, ohne daß man an der Zusammensetzung des
Apparats dabei das Geringste zu ändern braucht. Die Maschine wird von C. Beuttenmüller und Comp. in
Bretten in eleganter Form als Tafelgeräth hergestellt. Neuerdings wird der Apparat in etwas größerem
Maßstabe auch in der Parfümerie verwendet zum Scheiden der fetten Oele vom Spiritus
(vergl. 1874 213 84).
Kältemischungen, bei denen durch Auflösung von Salzen in Flüssigkeiten
Temperaturerniedrigung bewirkt wird, sind in den letzten Jahren mehrfach untersucht
worden, nachdem verschiedene für deren Anwendung bestimmte kleine
Haushaltungs-Eismaschinen in den Handel gelangt waren. Der Verfasser hat nach
eigenen Versuchen eine Tabelle von 16 MischungenBadische Gewerbezeitung, 1868 S. 98. zusammengestellt, aus der wir einen kleinen Auszug, die dienlichsten
Mischungen enthaltend, wiedergeben wollen.
Textabbildung Bd. 217, S. 475
Mischung; Temperaturabnahme;
Specifische Wärme der Lösung; Volumgewicht der Lösung; Wärmeeinheitenverlust
von; 1k Mischung; 1l
Mischung; Für 120c aufzuwenden; Salz. k; Wasser. k; Kosten in M.; 1 Kochsalz, 3
Eis; 3 kryst. Glaubersalz, 2 conc. Salzsäure; 2 salpeters. Ammoniak, 1 Salmiak,
3 Wasser; 3 Salmiak, 2 Salpeter, 10 Wasser; 3 Salmiak, 2 Salpeter, 4 kryst.
Glaubersalz, 9 Wasser; bis
*Die Zahl 21 für Kochsalz-Eis fällt mehr ins Gewicht, als
es den Anschein hat. Sie bedeutet nämlich die Temperatur unter 0°, und zwar
die andauernde Temperatur, so lange, bis alles Material geschmolzen ist. Die den
anderen Kältemischungen gegenüber richtige Verhältnißzahl würde mit 81,5° zu
bezeichnen sein, der Summe der latenten Wärme des Eises 79 und der Auflösungswärme
des Salzes 2,5. Diese Temperatur würde in der That auch beobachtet werden, sofern
die concentrirte Kochsalzlösung keinen Gefrierpunkt hätte; dann würde die ganze
Masse von Eis und Salz auf einmal schmelzen.
Salzgemenge geben weit größere Temperaturerniedrigung als die einfachen Salze, da sie
sich zusammen in viel weniger Wasser auflösen. 1 Th. Salmiak löst sich in 3 Th.
Wasser und erniedrigt die Temperatur um 19°; Salpeter löst sich in 6 Th.
Wasser und erniedrigt die Temperatur um 11°. Man vergleiche nun damit die
vierte und fünfte Mischung, welche gleichfalls concentrirte Lösungen bilden;
besonders merkwürdig ist wieder die fünfte der vierten gegenüber.
Die drei letzten Verticalspalten enthalten Materialaufwand und Kosten (bei
Detail- und Engroseinkauf) für 120c,
womit man bei der Salz-Eis-Mischung im Stande ist, 1k Wasser in Eis zu verwandeln; bei den
anderen Mischungen erhält man jedoch nur etwa 0k,5 Eis für diesen Aufwand. Die Salz-Eis-Mischung, welche
zum Vergleiche beigesetzt wurde, ist, wie man sieht, um ein Mehrfaches wirksamer und
billiger wie alle anderen Mischungen, sofern man nur einen einmaligen Gebrauch der
Materialien im Auge hat. Die zweite der Mischungen, Glaubersalz-Salzsäure,
läßt sich auch nicht wieder restituiren, ebenso nicht leicht die letzte wegen des
krystallisirten Glaubersalzes. Diese beiden sind aber noch relativ billig. Die
Mischung, bei welcher sich durch Abdampfen der Lösung das Salzgemenge leicht wieder
in der anfänglichen Beschaffenheit herstellen läßt, salpetersaures
Ammoniak-Salmiak, ist hingegen in der ersten Anschaffung so kostspielig, daß
eine nur einmalige Verwendung ganz unthunlich erscheint. Letztere Mischung wurde
einem auf der Pariser Ausstellung 1867 zuerst bekannt gewordenen Apparat von S. Charles beigegeben.
Dieser Apparat besteht aus einem kleinen hölzernen Faß mit durchlochtem Deckel; das
einzustellende Füllgefäß für das zu Gefrierende besteht aus Zinn und besitzt einige
Schraubenflügel, durch welche bei der Umdrehung eine Durcheinandermengung von Salz
und Wasser bewirkt wird; auf dieses Gefäß kommt ein Deckel mit einem Schwungrädchen
zu sitzen, durch dessen Umdrehung zugleich das ganze Gefäß gedreht wird.
Eine andere Form stammt von Toselli und Comp. in Paris und wird glacière italienne roulante genannt.Vergl. 1867 184 406; 185 244. 1868 190 26. Badische
Gewerbezeitung 1868 S. 106. Wagner's
Jahresbericht, 1867 S. 538; 1868 S. 605. Sie besteht aus einer hohen blechernen Büchse, in welche eine etwas conisch
geformte blecherne Röhre eingehängt wird. Eine gute Dichtung verbindet beide Gefäße
am Rande; der Einsatz, in welchen der Syrup gelangt, wird noch besonders
geschlossen. In den ringförmigen Zwischenraum beider Gefäße kommt die Kältemischung.
Das äußere Gefäß wird nach der Einladung mit einem Tuchmantel umgeben und dann auf
dem Tisch hin und her gerollt. In der Wirkung stehen sich beide Formen von Apparaten
gleich, die erstere ist wohl etwas handlicher im Gebrauch.
Eine große Verbreitung haben alle diese Apparate nicht erlangen können, wenigstens
nicht an den Orten, wo Eis überhaupt zu bekommen ist; man ist gezwungen mit großen
Massen zu arbeiten, um kleine Resultate zu erzielen (4k Salzmischung geben kaum 1k Gefrornes von etwas geringerer Consistenz als das mit der Salz-Eis-Mischung
dargestellte, oder etwas
mehr als 0k,5 Eis im Sommer). Steht kein
kaltes Brunnenwasser zur Verfügung oder ist kein kühler Keller da, so bleibt das
Resultat überhaupt ein unsicheres, man müßte denn gerade doppelt arbeiten, um zuerst
kaltes Wasser zu bereiten, wodurch aber die Umständlichkeit nur vermehrt würde. Das
Abdampfen der Salzlösung, um das Salz wieder zu gewinnen, ist eine Arbeit, wie sie
sonst in der Küche nicht vorkommt und die einige Aufmerksamkeit in der Behandlung
erfordert; die Summe der Operationen bleibt für das Hauswesen zu schwerfällig, wenn
auch die Kosten für die Restituirung des Salzes unerhebliche zu nennen sind.
Es handelt sich noch um die Frage, ob das Mittel der Salzauflösung sich nicht etwa
für technische Fabrikation von Eis im Großen eignet. Diese Frage kann rechnungsmäßig
beantwortet werden mit Hilfe der in der obigen Tabelle enthaltenen Zahlen. Um 1k Eis aus Wasser von der bei uns mittleren
Jahrestemperatur von 12° herzustellen, wird man technisch, mit
Berücksichtigung der Verluste, nicht viel weniger als 120c brauchen. Die Mischung 3k salpetersaures Ammoniak-Salmiak
mit 3k Wasser gibt zwar so viel, davon
fällt aber wenig mehr als die Hälfte unter 0°, da ja auch diese Substanzen
von der Anfangstemperatur 12° (günstigsten Falls) gedacht werden müssen. Nun
läßt sich allerdings durch Gegenströmungen die in der abgängigen, zum Gefrieren
nicht mehr benutzbaren Mischung noch enthaltene Kälte auf das bei frischer Mischung
zu verwendende Wasser übertragen und soweit denkbarer Weise die gesammte
Auflösungskälte unter 0° nutzbar machen (Verluste unberücksichtigt gelassen).
Man bedarf dann 3k Wasser für 1k Eis und bei der Restituirung müssen diese
3k im Kessel durch künstliche Wärme
verdampft werden. Die Leistung von 1k unter
dem Kessel verbrannter Kohle beträgt nun ungefähr 6k Dampf oder doch nur wenig mehr. Es folgt
daraus, daß mittels 1k Kohle nicht mehr als
2k Eis bereitet werden können, ganz
abgesehen von der für den Transport der vielen Flüssigkeit erforderlichen
Maschinenkraft. Dieses Resultat ist ein sehr ungünstiges, da mit den anderen
Eismaschinen viel mehr, mit der Ammoniakmaschine die vier- bis fünffache
Leistung erzielt wird. Man hat aus diesen Gründen auch noch keine technischen
Apparate für die Fabrikation von Eis im Großen, die sich sonst durch eine
verhältnißmäßige Einfachheit in der constructiven Form (nur offene Gefäße) von den
anderen Systemen unterscheiden würden, zur Ausführung gebracht. Es ist auch nicht zu
erwarten, daß die Umstände sich je günstiger gestalten; man müßte denn Salze
auffinden, die bei ihrer Auflösung eine um ein Mehrfaches größere Temperaturerniedrigung bewirkten
als die bekannten Mischungen. Das steht nun nicht in Aussicht, nachdem die bekannten
Salze alle auf dies Verhalten untersucht sind. Wäre Kochsalz ein so kostspieliger
Körper, daß man auf seine Wiedergewinnung bedacht sein müßte, so würde selbst bei
Abdampfung der von der Eis-Kochsalz-Mischung stammenden Lösung mittels
1k Kohle nicht mehr Salz als für 4k Gefrornes Eis auszuscheiden sein.
– Der innere Grund für diese geringe Leistung liegt darin, daß die
Restituirung des Salzes sich nur durch eine Veränderung des Aggregatzustandes
bewerkstelligen läßt (Verdampfung), welche mit einem hohen Wärmeaufwand verbunden
ist, der immer ein Vielfaches beträgt von der latenten Schmelzwärme. Die Production
von einer negativen Wärmeeinheit erfordert bei der Salz-Eis-Mischung
einen Aufwand von 8 positiven (Wiedergewinnen des Rohsalzes angenommen), bei
salpetersaurem Ammoniak-Salmiak von 16 positiven Wärmeeinheiten.
Wir erwähnen noch zum Schluß, daß im J. 1869 Rüdorff (1869
194 57) eine Untersuchung über die durch Auflösen von
einfachen Salzen zu erzielende Temperaturerniedrigung angestellt hat; die beigefügte
Tabelle enthält 20 Salze, von denen wir zwei bis dahin noch nicht untersuchte
hervorheben, da sie von einzelnen Salzen die tiefste Temperaturerniedrigung
bewirken. Schwefelcyanammonium und Schwefelcyankalium. 105 Th. des ersteren in 100
Th. Wasser gelöst, bewirken eine Temperaturerniedrigung von 31,2°, 130 Th.
des letzteren in 100 Th. Wasser sogar von 34,5°.
(Fortsetzung folgt.)