Titel: | Neue Waage von Professor Mendeljeff. |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 115 |
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Neue Waage von Professor Mendeljeff.
Mit Abbildungen auf Taf.
IV [c/2].
Mendeljeff's Waage.
Die nach den Angaben von Professor Mendeljeff in St. Petersburg ausgeführte Waage ist in Fig. 8 und 9 dargestellt. Der
Waagebalken hat eine Gesammtlänge von nur 12cm; alle Theile bestehen, um ihr Gewicht zu vermindern, aus Aluminium oder
Aluminiumbronze. An den
Bügeln zur Aufhängung der Schalen sind wie gewöhnlich Bergkrystallplatten
angebracht, die auf Stahlschneiden aufliegen. Auch die Regulirung des Schwerpunktes
geschieht wie gewöhnlich mittels einer Schraubenmutter E, die sich über der Aufhängungsschneide des Waagebalkens verstellen läßt. Da
der Waagebalken sehr kurz ist, so haben seine Oscillationen eine kleine Amplitude;
es ist deshalb nicht ein vor einer Scale beweglicher Zeiger angebracht, sondern an
jedem Ende des Waagebalkens befindet sich ein mit einem Fadenkreuze versehener Ring
und dahinter ein in Zehntelmillimeter getheiltes Mikrometer. Die Bewegungen des
Fadenkreuzes gegen diese Theilung, und damit die Lage des Waagebalkens, können
leicht mit Hilfe eines Ablesefernrohres beobachtet werden. Bei 1k Belastung und 1mg Uebergewicht zeigt der Waagebalken einen
Ausschlag von 15 Theilstrichen, woraus folgt, daß man 1/15mg noch ganz gut schätzen, d.h. daß man
1k mit einem Fehler geringer als
1/13000000 abwägen kann.
Die Waage steht auf einer polirten Platte; man kann sie, da ihr Gesammtvolum sehr
gering ist, mit einer gewöhnlichen Luftpumpenglocke bedecken und so die Wägungen im
leeren Raume ohne Zuhilfenahme eines besonderen Apparates ausführen.
Es ist noch auf die neue Einrichtung der Arretirungsvorrichtung aufmerksam zu machen,
welche bei dieser Waage in Anwendung gebracht wurde. Die gewöhnlich angewendete
Vorrichtung besteht bekanntlich im Wesentlichen aus einem horizontalen Querstabe,
welcher die Gehänge der Waageschalen hebt und die Schwingungen des Waagebalkens
arretirt; dieser Querstab wird parallel zu sich selbst gehoben, während der
Waagebalken einen Kreisbogen beschreibt. Die reibenden Flächen dieser Theile sind
also für jede Neigung des Waagebalkens andere, und daraus folgt eine seitliche
Verrückung der Achatkappen gegen die Stahlschneiden. Diese Verstellung bewirkt
Schwingungen, welche nicht blos die Stabilität des Apparates beeinträchtigen,
sondern auch die Messerschneiden rasch abnützen und die Empfindlichkeit der Waage
vernichten.
Bei dem neuen Apparate wurde diesem Mißstande dadurch abgeholfen, daß man den
horizontalen Arm durch zwei Hebel ersetzte, die in Gelenken um eine Achse drehbar
sind, welche in der Verlängerung der Arretirung der Mittelschneide gelegen ist. Am
Ende eines jeden dieser Hebel sind conische Schrauben eingeschraubt, deren Spitzen
sich in Conen einlegen, die in den Achatkappen eingefräst sind. Da nun die Spitzen
der Schrauben und die Spitzen der Conen den gleichen Kreisbogen beschreiben, so muß
auf solche Weise in allen Lagen ein Contact an den gleichen Punkten stattfinden.
Bei den angegebenen geringen Dimensionen könnte die Waage nicht zum Wägen von
voluminösen Körpern gebraucht werden, und ihre Anwendung würde auf einige besondere
Fälle wie zur Vergleichung und Verification von Gewichten beschränkt sein; allein
man kann sie ebenso wie eine gewöhnliche Waage gebrauchen, wenn man sie über einem
Glaskasten aufstellt, wie dies Figur 9 darstellt.
An einem Arme des Waagebalkens ist ein großer Haken angehängt, welcher in den
Glaskasten herabgeht und zwei über einander liegende Schalen trägt. In der einen
dieser Schalen liegt ein Gewichtssatz von 1k, der alle Unterabtheilungen bis zu Bruchtheilen von 1mg enthält. Dieser Gewichtssatz und ebenso
der Haken und die Schalen sind am anderen Waagebalkenarme durch ein einziges Gewicht
äquilibrirt. Will man eine Wägung ausführen, so legt man den zu wägenden Körper auf
die leere Schale und entfernt so lange Gewichtsstücke, bis das Gleichgewicht wieder
hergestellt ist; die weggenommenen Gewichtsstücke geben das Gewicht des zu wägenden
Körpers richtig, welches auch die relativen Längen der Waagebalkenarme sein
mögen.
Diese Wägungsmethode durch Substitution, die übrigens nicht neu, ist ebenso genau wie
eine doppelte Wägung, ohne daß man nöthig hat, bei jedem Versuche neu zu tarnen. Da
überdies die Belastung der Waage constant bleibt, so hat dies auch in Bezug auf die
Empfindlichkeit statt. (Nach Les Mondes, März 1875, durch Carl's Repertorium für
Experimentalphysik, 1875 S. 91.)