Titel: Vorkommen und Verarbeitung der Kalisalze in Kalusz; von Dr. A. Frank in Stassfurt.
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 244
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Vorkommen und Verarbeitung der Kalisalze in KaluszUeber das Kaluszer Kalivorkommen finden sich Veröffentlichungen: Tschermak, Wochenschrift des n.-ö. Gewerbevereins, 1866 Nr. 1, 11; Tschermak, Journal für praktische Chemie, Bd. 103 S. 250; Foetterte, Berg- und hüttenmännische Zeitung. 1868 S. 226, 259; v. Kripp: daselbst, 1868 S. 377, 385, 411, 417; E. Windakiewicz, Berggeist, 1869 Nr. 3 und 102; v. Hingenau, Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1869; v. Hauer, daselbst, 1870 Nr. 1; Foetterle, daselbst, 1871 Nr. 4; sowie endlich das als Manuscript gedruckte Gutachten: Ueber die Kalisalzlagerstätte zu Kalusz, von v. Carnall, B. v. Cotta und E. Windakiewicz, Wien 1873.; von Dr. A. Frank in Stassfurt.Vom Verfasser aus dem „Amtlichen Berichte über die Wiener Weltausstellung im J. 1873“ gef. mitgetheilt. (In der Abhandlung desselben Verfassers „über die Staßfurter Kali-Industrie“ Bd. 217 S. 498 Z. 2 v. u. ist zu lesen: Times, 1869 1870 und 1871“ statt Times, 1869 p. 70, 71“.) D. Red. Frank, über Vorkommen und Verarbeitung der Kalisalze in Kalusz. Der große Aufschwung, welchen das Staßfurter Salzwerk durch die Kaliindustrie genommen hatte, konnte nicht verfehlen, auch in anderen Steinsalzlagern eifrige Forschungen nach Kalisalzablagerungen hervorzurufen. Nachdem diese Versuchsarbeiten in Wielizka den bekannten – wenn auch in seinen üblen Folgen durch die damaligen Zeitungsberichte übertrieben geschilderten – Wassereinbruch in das dortige Steinsalzlager herbeigeführt hatten, ohne die gesuchten Kalisalze zu erschließen, wendete man sich den ausgedehnten Steinsalzlagern in den Ostkarpathen zu. In einem der dortigen zahlreichen, aber noch sehr primitiv (durch Laugwerksbetrieb) ausgebeuteten Salzwerke, dem zu Kalusz, war bereits in den fünfziger Jahren von Prof. H. Rose in Berlin das Vorkommen von reinem Chlorkalium (Sylvin) constatirt, auch eine hierauf bezügliche Notiz veröffentlicht worden. Eine Wiederaufnahme der so gegebenen Andeutungen, verbunden mit Nachforschungen über die eigenthümlich bittere Beschaffenheit des aus den Kaluszer Laugwerken gewonnenen Kochsalzes, welches sich bei der Analyse stark kalihaltig zeigte, führten dann B. Margulies und Prof. Tschermak in Wien in den J. 1868 und 1869 zur Auffindung bauwürdiger Lager von Sylvin, denen bald auch die Auffindung bedeutender, die Staßfurter resp. Leopoldshaller an Mächtigkeit weit übertreffender Kainitablagerungen folgten. Dagegen fehlte in Kalusz das Vorkommen von Carnallit und Kieferit nahezu vollständig, und scheint dies wie das ganze Vorkommen des Sylvins als linsenartige Einlagerung im Haselgebirge (mit Thon vermischtem Steinsalz) mit Sicherheit darauf zu deuten, daß die Vorkommen von Kainit und Sylvin secundäre Bildungen aus einem früheren, dem Staßfurter gleichen Mutterlaugensalzlager sind, welche aber durch spätere Hebungen und Zuflüsse von süßem Wasser, wenigstens in ihren oberen Lagen, nochmals umgesetzt wurden – ein Proceß, welcher auch in dem Staßfurter Salzlager an einzelnen Stellen direct nachweisbar ist.Frank, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1868 S. 124. Da sich in den später aufgeschlossenen, bezieh. noch im Aufschluß begriffenen, tieferen Lagen der Kaluszer Werke sehr schöne reichhaltige Adern von Carnallit finden, so ist nach dem Urtheil der Geologen bei weiterem Vordringen in die tieferen Schichten die Auffindung eines dem Staßfurter Vorkommen entsprechenden Carnallitlagers mit großer Wahrscheinlichkeit auch dort zu erwarten, um so mehr, als das Einfallen, welches in den oberen Teufen bis zu 60° beträgt, sich nach unten regelmäßig verflacht und in den bisher aufgeschlossenen tiefsten Horizonten sich schon auf 30° vermindert, obwohl dieselben die Tiefe der Staßfurter Abbausohlen noch lange nicht erreichen, da der Bergbau im preußischen Salzwerk in einer Teufe von 333m bei einem durchschnittlichen Einfallen der Schichten von 30°, im Leopoldshaller von 219m bei einem Fallwinkel von 44° umgeht, während der tiefste bisher erzielte Aufschluß in Kalusz nur ca. 115m unter der Hängebank des Schachtes liegt. Die Thatsache, daß auch im Staßfurter Becken Kainit und Sylvin fast nur in dem höher gelegenen Leopoldshaller Werke vorkommen, bildet eine weitere Stütze dieser Hypothese. Vorkommen und Verarbeitung der Sylvinsalze. Wie schon angeführt, findet sich der Sylvin in einzelnen linsenförmigen Lagern, die aber unter einander durch schwächere Bänder verbunden sind und ein regelmäßiges Streichen zeigen, im Haselgebirge (Salzthon) eingeschlossen; die Mächtigkeit dieser Sylvinablagerungen beträgt im Maximum 33m, im Minimum 4m und kann im Durchschnitt mit 8m angenommen werden. Im mittleren Theile der Linsen finden sich starke, zuweilen 0,6 bis 0m,9 dicke Lagen von fast chemisch reinem Chlorkalium, welches, wenn allein gefördert, ohne alle weitere Umarbeitung für die meisten chemischen Zwecke brauchbar sein würde; nach dem Hangenden und Liegenden zu verarmen die Lagen indeß durch Vermischung mit Salzthon immer mehr, um schließlich ganz in diesen überzugehen. Da indeß Magnesiumsalze in dieser Sylvinablagerung fast ganz fehlen, so ist der chemische Proceß der Chlorkaliumgewinnung aus diesem Material ein ungleich einfacherer als in Staßfurt, indem man die Salze nur mit einer kalt gesättigten Lösung von Chlorkalium und Chlornatrium erhitzt. Da nun das Chlorkalium bei höherer Temperatur im Wasser bedeutend löslicher ist als bei niederer, während die Lösefähigkeit des Chlornatriums bei verschiedenen Temperaturen nicht wesentlich variirt, so nimmt die Lauge beim Erhitzen mit den von löslichen Theilen nur Chlorkalium und Chlornatrium enthaltenden Rohsalzen nur das erstere auf und wird, nachdem sie sich dem Temperaturgrade entsprechend mit Chlorkalium gesättigt hat, in Krystallisirbassins gelassen, in welchen sie beim Abkühlen das mehr gelöste Chlorkalium auskrystallisiren läßt, um dann wieder, mit neuen Mengen Rohsalz erhitzt, denselben Proceß zu durchlaufen. Es fallen also bei dem Betriebe in Kalusz die so schwierigen Verdampfoperationen der Staßfurter Fabrikation mit ihren weitere Raffinationsarbeiten erfordernden Zwischenproducten ganz fort, und es wird sofort ein sehr reines, kräftig krystallisirtes und vollkommen magnesiumfreies Chlorkalium erzielt. Würden die Kaluszer Sylvinrohsalze nur aus einem Gemische von Chlorkalium und Chlornatrium bestehen, so müßte der beschriebene Proceß in sehr glatter Weise und fast ohne Verlust vor sich gehen; dieselben enthalten aber neben den löslichen Bestandtheilen noch einen bedeutenden Procentsatz unlöslichen Thon und Gyps, wodurch der Proceß complicirt und der Fabrikations- bezieh. Laugenverlust erhöht wird. Nach dem jetzt dort üblichen Verfahren werden die gewonnenen Sylvinerze so gattirt, daß sie durchschnittlich 22 bis 24 Proc. Chlorkalium enthalten; der Chlornatriumgehalt beträgt dann durchschnittlich 30 bis 32 Proc., und der Rest besteht aus Salzthon und Gyps. Die so geklaubten Erze werden möglichst gleichmäßig etwa zu Bohnengröße durch Quetschwerke und Siebe zerkleinert und dann in große, als Extractionsgefäße dienende Pfannen, die mit falschem Boden versehen sind, gefüllt. Auf die so vorgerichtete Masse läßt man die von der früheren Krystallisation herrührende Lauge laufen, welche zuvor entweder in einer Pfanne mit directem Feuer oder durch eine Dampfschlange erhitzt war. Gewöhnlich sind vier Extractions- und vier Laugenwärmgefäße in ähnlicher Weise combinirt, wie dies bei der englischen Soda-Extraction üblich ist, so daß die zum Ersatz des durch die Lösung des Chlorkaliums und durch äußere Abkühlung entstandenen Wärmeverlustes nach jedem Passiren eines Extractionsgefäßes neu angeheizte Lauge zuletzt über das mit frischem Salz beschickte Extractionsgefäß und von dort in die Krystallisirbassins geht. Um den Laugenverlust zu ersetzen, erhält die Pfanne, welche völlig ausgezogen ist, zuletzt siedende Chlornatriumlösung und, nachdem diese die noch in der Masse vorhandene Chlorkalium-Chlornatriumlösung verdrängt hat, wird das betreffende Extractionsgefäß zur Entleerung ausgeschaltet und ein inzwischen mit frischem Material beschicktes vorn an die Batterie gehängt. Die in die Krystallisirgefäße ablaufende Lauge zeigt einen durchschnittlichen Gehalt von 15 Proc. Chlorkalium und 17,4 Proc. Chlornatrium und enthält nach dem Auskrystallisiren bei Sommertemperatur 11,5 Proc. Chlorkalium und 20,6 Proc. Chlornatrium und bei Winterkälte 7,2 Proc. Chlorkalium und 22,7 Proc. Chlornatrium. Bei einer Beschickung mit Rohsylvin von 22 bis 24 Proc. Chlorkalium Gehalt verbleibt im Rückstand meist noch 20 bis 25 Proc. des darin enthalten gewesenen Chlorkaliums sowie nahezu der ganze Chlornatriumgehalt; um dieses sowie auch das in den ärmeren Sylvinerzen von nur 10 bis 12 Proc. Chlorkalium enthaltene Kaliumsalz zu gewinnen, werden die Löserückstände in den Extractionsgefäßen selbst, die ärmeren Rückstände in großen Holzkästen mit süßem Wasser methodisch extrahirt. Bei dieser Operation wird sowohl Chlorkalium als Chlornatrium zum größten Theil gelöst, und es bleibt nur ein wenig salzhaltiger Thon und Gypsschlamm zurück. Die erhaltene klare und durch eventuelles Passiren durch mehrere Lösegefäße mit beiden Salzen völlig gesättigte Soole, welche einen durchschnittlichen Gehalt von 6,3 Proc. Chlorkalium und 22,5 Proc. Chlornatrium zeigt, wird nun in einer gewöhnlichen Salinenpfanne wie einfache Salzsoole so lange eingekocht, als sich reines Kochsalz ausscheidet, und dieses wird in über der Siedepfanne stehenden Bühnen zur Entfernung der anhängenden chlorkaliumhaltenden Lauge mit reiner siedender Kochsalzlösung übergossen (gedeckt). Das Auskochen von Chlornatrium und gleichzeitige Concentriren der Chlorkaliumlauge wird fortgesetzt, bis unter beständigem Zuspeisen neuer Mischsoole die Pfanne eine heiße Lösung von 15 bis 16 Proc. Chlorkalium und 16 bis 17 Proc. Chlornatrium enthält; dann wird das Feuer gelöscht und der Inhalt der Pfanne schnell in Krystallisirbassins abgelassen, in welchen das Chlorkalium auskrystallisirt. Die Pfanne wird sofort nach dem Entleeren wieder mit neuer vorgewärmter Mischlauge gefüllt und der Proceß geht so regelmäßig fort. Da die Mischlauge mit beiden Salzen gesättigt ist und das Chlorkalium in Lösung bleibt, so fällt gerade soviel Kochsalz aus, als Wasser verdampft, resp. als aus einer gesättigten reinen Kochsalzlösung beim Verdampfen ausfallen würde, und der Mehrverbrauch an Brennstoff gegen den gewöhnlichen Salzsiedeproceß wird nur veranlaßt durch das bei jedesmaligem Ablassen der Pfanne nöthige Abkühlen und Wiederanfeuern derselben nach erfolgter Füllung. Immerhin ist aber diese Methode für die Kaluszer Verhältnisse und bei dem hohen Preise des Kochsalzes in den benachbarten russischen Provinzen von praktischem Werthe, da sie eine nahezu vollständige Zugutemachung aller Sylvinerze und somit auch einen leichteren Abbau und eine sorgfältigere Scheidung der Erze ermöglicht. Das Chlorkalium wird von Kalusz schon wegen der hohen Fracht, welche darauf bis zu den Consumtionsplätzen, Wien, Stettin etc., lastet, nur in hochgradiger Waare (95 bis 97 proc.) in den Handel gebracht und kann wegen seiner großen Reinheit und schönen, kräftigen Krystallisation als Primaqualität bezeichnet werden. Gewinnung und Verarbeitung des Kainits. Wie schon oben angeführt, übertrifft das Kainitvorkommen in Kalusz bezüglich seiner Mächtigkeit und der dadurch erleichterten Gewinnung das von Staßfurt-Leopoldshall ganz bedeutend. Bei einer absoluten Mächtigkeit des Kaluszer Kainitlagers von 6 bis 7 Lachter (12 bis 14m) ist dasselbe im zweiten und dritten Horizont der Grube, also auf 60m flacher Pfeilerhöhe durch zwei streichende Strecken auf mehr als 200m aufgeschlossen und ist eine Fortsetzung des Lagers auch in größere Tiefe ebenso wie im Streichen sicher anzunehmen. Schon die bisher aufgeschlossenen Mengen repräsentiren aber ein sofort gewinnbares Quantum von 2 bis 2 1/2 Millionen Ctr. Die durchschnittliche Zusammensetzung des Kainits soll sein: im II. Horizont im III. Horizont Schwefelsaures Kalium 20,3 19,6 Schwefelsaures Magnesium 14,2 14,2 Chlormagnesium 11,1 11,1 Chlornatrium 27,2 27,5 Schwefelsaures Calcium   2,8   0,5 Unlösliches (Thon, Sand)   9,2   9,8 Wasser Rest Rest –––––––––––––––––––––––––– 100,00 100,00. Hiernach bietet sich der Kaluszer Kainit sowohl zur Darstellung von schwefelsaurem Kaliummagnesium und reinem schwefelsaurem Kalium, als auch zur Gewinnung von Chlorkalium und Glaubersalz, eventuell zu einer combinirten Fabrikation, in welcher zunächst ein Theil des Kalis als schwefelsaures Kaliummagnesium, der Rest als Chlorkalium gewonnen werden kann, während die bei letzterer Fabrikation ausgekochten Salzgemische von Kochsalz und schwefelsaurem Magnesium ein brauchbares Material für ausgedehnte Glaubersalzgewinnung bieten würden, da die harten und langen galizischen Winter der Darstellung von Glaubersalz weit mehr Chancen bieten, als das verhältnißmäßig milde Klima von Staßfurt. Soviel indeß bekannt, ist die Kainitverarbeitung in Kalusz bisher noch nicht durchgeführtNeuerdings sind von Dr. G. Borsche in Leopoldshall Versuche über diese bei Herabsetzung des Kainitpreises auch für Staßfurt wichtige Frage angestellt worden, welche die Aufgabe befriedigend zu lösen scheinen. und werden bisher nur kleine Quantitäten Kainit zu Düngesalzen verwendet. Bei weiterer Entwickelung des Werkes dürfte aber dem Kainit die größte Beachtung zu schenken sein, da das daraus zu gewinnende schwefelsaure Kalium wegen seines höheren Handelswerthes die bedeutenden Frachtspesen leichter trägt und also im Verhältniß zu Staßfurt auch concurrenzfähiger ist, während für einen nicht unbedeutenden Theil des als Nebenproduct producirten Glaubersalzes die österreichische und russische Glasindustrie und bei weiterer Verarbeitung des Glaubersalzes auf Soda das ganze jetzt durch Eisenbahnen erschlossene östliche Hinterland, Moldau, Walachei und Rußland einen günstigen Markt bieten. Das Haupthinderniß für die Entwickelung der Kaluszer Werke scheint in der schwierigen Beschaffung tüchtiger und intelligenter Arbeitskräfte zu liegen, da die eingeborene Bevölkerung von sehr geringer Leistungsfähigkeit ist und für Bergbau wie Fabrikbetrieb erst vollständig angelernt und erzogen werden muß. Außerdem sind die jetzigen Grubenbaue für eine größere – der Staßfurter ebenbürtige – Förderung nicht mit ausreichenden Schächten, Ventilations- und Förderanlagen versehen und bieten auch in Folge des früheren für die Kochsalzgewinnung geführten Laugwerkbetriebes mannigfache Schwierigkeiten, die erst mit dem Niederbringen eines neuen Schachtes und der Aufschließung neuer unverritzter Theile des Lagers völlig gehoben werden können. Immerhin sind die jetzigen Anlagen bei entsprechender Leitung des Bergbaues für eine tägliche Gewinnung von 4000 Ctr. Rohsalz schon ausreichend, welches Quantum auch in den vorhandenen, mit besten in Staßfurt erprobten Apparaten reichlich ausgerüsteten Fabrikanlagen bequem verarbeitet werden kann. – Für Industrie, Handel und Landwirthschaft in Oesterreich und namentlich für deren Entwickelung in Galizien selbst, sowie für die benachbarten russischen Gebietstheile, als Hauptsitze der russischen Rübenzuckerindustrie, sind die Kaluszer Werke von größter Bedeutung und ist denselben deshalb um so mehr Glück und Gedeihen zu wünschen.