Titel: | Die Anwendung der Stimmgabel in der elektrischen Telegraphie; von Paul La Cour, Subdirector des meteorologischen Instituts in Kopenhagen. |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 315 |
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Die Anwendung der Stimmgabel in der elektrischen
Telegraphie; von Paul La Cour,
Subdirector des meteorologischen Instituts in Kopenhagen.
La Cour, über die Anwendung der Stimmgabel in der elektrischen
Telegraphie.
Zur Ergänzung der in diesem Journale, 1875 217 428,
gebrachten Notiz entnehmen wir Poggendorff's Annalen, Bd. 155 S. 628 (nach Annales de chimie et physique, Bd. 5 S. 284)
Folgendes.
Wenn ein vibrirender Körper bei jeder seiner Vibrationen eine galvanische Kette
schließt oder öffnet, so werden die Pulsationen des Stromes isochron sein mit den
Vibrationen des tönenden Körpers, und wenn ein solcher Strom mittels Elektromagnete
auf einen im Unisono mit
dem ersteren vibrirenden Körper elektromagnetische Anziehungen ausübt, so wird
dieser zweite Körper in Vibration gerathen, während ein anderer Körper, welcher beim
Vibriren einen anderen Ton gibt, stumm bleibt. Der erste Versuch gelang am 5. Juni
1874; bei einem Versuche in der Nacht vom 14. auf den 15. November desselben Jahres,
auf einer 390km langen Telegraphenlinie
(Kopenhagen-Friedericia, hin und her) machten sich die Pulsationen selbst mit
einem schwachen Strome leicht bemerklich.
Die den intermittirenden Strom erzeugende Stimmgabel war in horizontaler Lage mit
ihrem Stiele so befestigt, daß die nach oben liegende Zinke bei jeder Vibration mit
ihrer Außenseite einen durch eine Schraube stellbaren Contact berührte, welcher mit
der Telegraphenlinie und durch sie mit der Erde in Verbindung stand, während der
eine Pol einer mit dem anderen Pole zur Erde abgeleiteten Batterie an den Stiel
geführt war. Ein Schlag auf eine der Zinken der Stimmgabel erregte in der Kette
einen Strom, dessen Intermittenzen im Unisono mit der Stimmgabel sind. Wenn man die
Stimmgabel in Vibration erhält, so bekommt man dasselbe Resultat, sobald man die
Drahtleitung an irgend einem anderen Orte schließt. Wenn man noch einen Contact an
der Innenseite einer Zinke anbringt und für diesen eine besondere Kette anwendet, so
kann man die Linie von auf einander folgenden entgegengesetzten Strömen durchlaufen
lassen.
Der den intermittirenden Strom aufnehmende Apparat enthält ebenfalls in horizontaler
Lage eine Stimmgabel von weichem Eisen, welche denselben Ton gibt wie der Schlüssel.
Die Zinken stecken in zwei Kupferdrahtrollen, können aber im Inneren desselben frei
oscilliren. Der ankommende intermittirende Strom durchläuft diese beiden Rollen und
geht darauf durch die Spulen eines Hufeisen-Elektromagnetes, dessen Pole vor
den in der Stimmgabel erzeugten Polen stehen, letzteren jedoch entgegengesetzt sind.
Der Strom bewirkt demnach eine Anziehung zwischen den 4 Polen, welche die Zinken der
Stimmgabel öffnet; sobald aber der Strom und damit die Anziehung aufhört, gehen die
Zinken in ihre Gleichgewichtslage zurück. Wenn also die Pulsationen im Unisono mit
der Stimmgabel des Empfangsapparates sind, erlangen die Vibrationen der letzteren
bald eine so große Amplitude, daß die eine Zinke einen Contact berührt und dadurch
eine locale Batterie schließt und entweder direct oder durch ein Relais die Ankunft
des Stromes anzeigt.
Die Zeit, welche zur Erzeugung einer gewissen Amplitude erforderlich ist, kann La Cour noch nicht angeben; die vor der Schließung der
localen Kette verstreichende Zeit ist indessen ein so kleiner Bruch von einer Secunde, daß er sich kaum
wahrnehmen läßt, selbst wenn der Strom sehr schwach ist.
Die Hauptvortheile dieses Systems sind:
1) Der intermittirende Strom bringt nur eine Stimmgabel zum Ansprechen, welche mit
der als Schlüssel angewendeten im Einklange steht. Errichtet man also eine beliebige
Anzahl verschiedener Schlüssel und eine gleiche Anzahl von empfangenden Apparaten,
so kann man eine gleiche Anzahl einfacher Signale anwenden, deren jedes nur eine
einzige Bewegung erfordert. Und wenn jedes dieser Signale einem Buchstaben, einer
Zahl oder einem Zeichen entspricht, werden die Telegramme mit größerer
Geschwindigkeit als bei dem bisherigen Systeme befördert werden können, und man wird
auf irgend eine Weise die empfangenden Vorrichtungen mit einem Druckapparate
verbinden können. Wo mehrere Stationen durch ein einziges Kabel verbunden sind, kann
man ein Signal zwischen zweien dieser Stationen fortschicken, ohne daß es die
anderen wahrnehmen. So ist das System auch anderwärts anwendbar, wo Signale nur nach
bestimmten Orten befördert werden sollen, z.B. zum Rufen, zum Anzünden eines Torpedo
u.s.w.
2) Es können mehrere Signale gleichzeitig durch denselben Draht befördert werden,
denn wenn mehrere Schlüssel gleichzeitig in Thätigkeit gesetzt werden, wird der
dadurch erzeugte Strom, dessen Intermittenzen gleichzeitig von verschiedener Dauer
sind, nur auf die Empfänger wirken, die den vibrirenden Schlüsseln entsprechen,
sobald man nur die Stimmgabeln so gewählt hat, daß keine einfachen Harmonien
zwischen ihnen vorhanden sind. Mit einem Systeme von 10 Stimmgabeln kann man 10
einfache Signale erzeugen, denn (10 × 9)/(1 × 2) = 45 paarweise
combinirte Signale, ohne daß die letzteren mehr Zeit als die ersteren erfordern.
– Dieselbe Eigenschaft erlaubt mehrere Telegramme durch einen einzigen
Verbindungsdraht gleichzeitig nach verschiedenen anderen Stationen zu befördern. Man
hätte dazu z.B. in der Station A zwei verschiedene
Systeme von Schlüsseln anzuwenden, eines für die Correspondenz mit B und eines für die Correspondenz mit C; die Empfänger in B und
C müssen natürlich den Schlüsseln entsprechen.
– Dieselbe Eigenschaft gestattet auch die Anwendung dieses Systems für
Pantelegraphen, sicherer und rascher, als die von Bain,
Caselli und Anderen construirten. Bisher hat man bei diesen Telegraphen nur
einen einzigen Stift angewendet, welcher das Telegramm der Länge und Breite nach
überstreichen muß; bei dem neueren Systeme kann man aber so viele Stifte, wie man
will, anwenden und den so gebildeten Kamm in einer einzigen Richtung über das Telegramm laufen
lassen. Dabei hat man überdies den Vortheil, daß man nicht mehr zwei genau gleiche
Geschwindigkeiten braucht; denn der einzige Nachtheil einer Ungleichheit der
Geschwindigkeiten des Originales und der Copie besteht in einer unbeträchtlichen
Ausdehnung oder Zusammenziehung.
3) Endlich lassen die Empfänger noch die gewöhnlichen elektrischen Ströme vorüber
gehen, ohne das Dasein derselben anzuzeigen, wofern sie nicht sehr stark sind, so
daß die atmosphärischen und terrestrischen den Dienst der nach diesem neuen Systeme
construirten Telegraphen im Allgemeinen nicht stören.
E–e.