Titel: Ueber ein neues Verfahren zur Reinigung des Holzessigs behufs seiner Anwendung für Gewerbe und Küchengebrauch; von H. Rothe in Berlin.
Autor: H. Rothe
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 318
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Ueber ein neues Verfahren zur Reinigung des Holzessigs behufs seiner Anwendung für Gewerbe und Küchengebrauch; von H. Rothe in Berlin. Rothe, über ein neues Verfahren zur Reinigung des Holzessigs. In der Fabrikation des Holzessigs und dessen Reinigung behufs Anwendung in den Gewerben und Darstellung von Essigsäure und essigsauren Salzen hat sich seit einem Menschenalter nichts wesentliches geändert; höchstens könnte man die allgemeinere Einführung der verticalen Thermokessel anstatt der horizontalen Retorten eine Verbesserung in der Fabrikation nennen. Die Reinigung des rohen Holzessigs dagegen geschieht noch immer in der Weise, daß das möglichst vom Theer getrennte Rohproduct einer Destillation unterworfen wird, – rectificirter Holzessig, welchem aber der größte Theil der brandig-empyreumatischen Oele noch anhängt – oder aber, daß, um letztere zu zerstören, das Destillat an Basen, gewöhnlich Natron, gebunden und das entstandene essigsaure Natron dann geröstet wird, wodurch die Empyreumata theils verdampft, theils verkohlt werden. Durch Auslaugen der gerösteten Masse, Abdampfen und Krystallisiren wird reines essigsaures Salz gewonnen, aus welchem mittels Schwefelsäure die Essigsäure in verschiedener Stärke abgeschieden werden kann. Dieses Verfahren ist mit bedeutendem Verluste an Säure und vieler und schleppender Arbeit verknüpft, weshalb es sich nur für Darstellung reiner Salze und reiner, sehr starker Säure eignet. Für manche Zwecke kommt es weniger auf die Reinheit von empyreumatischen Oelen als auf eine gewisse Stärke an, wie z.B. für die Bleiweißfabrikation. In diesem Falle wird der geklärte oder auch rectificirte Holzessig an Kalk gebunden und der entstandene essigsaure Kalk direct durch Schwefelsäure zerlegt. Für die Bleizuckerfabrikation ist aber eine solche empyreumatische Säure nicht brauchbar, weil die damit gewonnenen Krystalle nicht schön ausfallen, und eine bräunliche Farbe annehmen, welche die Färbereien und Druckereien durchaus nicht haben wollen. Eben dieser letztere Umstand gab mir Veranlassung, ein anderes Verfahren für die Reinigung des Holzessigs einzuschlagen. Es handelte sich nämlich bei der Anlage einer Bleizuckerfabrik im Nowgorod'schen Gouvernement in Rußland in erster Reihe um Beschaffung eines reinen, möglichst starken und billigen Essigs. Da bei der enormen Steuer, mit welcher der Spiritus in Rußland belegt ist, an die Verwendung von Branntweinessig nicht zu denken war – ein Wedro (12l,3) 6proc. Essig kostet in Petersburg z.B. 2 Rubel –, so lag die Einrichtung einer Holzessigfabrik um so mehr auf der Hand, als an geeignetem Material für eine solche durchaus kein Mangel zu befürchten stand. Nur mußte wegen gänzlichen Mangels an nur einigermaßen eingeübten und zuverlässigen Arbeitern der mißliche Röstproceß und ebenso die Anwendung der ebenso theuren, wie schwer herbeizuschaffenden Schwefelsäure vermieden werden. Der Weg, welcher zur Erreichung dieses Zieles eingeschlagen wurde, hatte durchaus günstigen Erfolg, und dürfte das Verfahren seiner leichten Ausführbarkeit wegen auch in weiteren Kreisen Beachtung verdienen, weshalb ich dasselbe hiermit veröffentliche. Als Material für die Destillation wird Birkenstammholz von 60 bis 80jährigem Abtrieb verwendet, welches, auf hohem trockenem Boden mit Kalksteinunterlage langsam gewachsen, das beste Rothbuchenholz an Essigausbeute übertrifft. Dasselbe wird von Mitte October an gefällt, in Längen von 0m,5 geschnitten und sofort bei beginnender Schlittenbahn, die dort gewöhnlich mit November eintritt, nach der Fabrik geschafft, um daselbst zunächst entrindet zu werden. Da die Rinde ca. 40 Proc. Theer und brandige Oele, das davon befreite Holz aber nur 2 Proc. enthält, so ist einleuchtend, daß mit deren Entfernung von vornherein ein theerfreies Product erzielt und damit der späteren Reinigung großer Vorschub geleistet wird. Das Entrinden geschieht durch Dampf von 1at Ueberdruck in hölzernen, mit Filz umkleideten Bottichen von 2cbm Fassungsraum, die mit einem zweiten durchlöcherten Boden für das Einströmen des Dampfes versehen sind und durch dick mit Filz bekleidete Deckel dampfdicht verschlossen werden. Man läßt den Dampf 3 Stunden lang einwirken, nach welcher Zeit die Rinde sich ohne jede Schwierigkeit vom Holze löst, und richtet sich gerne so ein, daß der ganze Jahresbedarf vor Beginn der strengsten Kälte, also vor Januar entrindet ist; späterhin, wenn – wie bei 25 bis 32° Kälte häufig der Fall – das Holz beinahe glashart gefroren ist, geht dieser Proceß nicht mehr so glatt und leicht von statten. Nach dem Entrinden wird das Holz in bedeckten Schuppen dem Austrocknen überlassen – je länger, um so besser, dann aber vor der Destillation bei abfallendem Feuer und einer Temperatur von 60 bis 70° gedörrt. Dadurch wird der Wassergehalt, der beim frischen Holze 32 und nach dem Austrocknen an der Luft 19 Proc. betrug, auf 8 bis 10 Proc. vermindert. Man scheut die durch das Dörren verursachte Mehrarbeit durchaus nicht, weil nicht allein die Destillationszeit wesentlich abgekürzt, sondern auch ein säurereicheres Product erhalten wird, worauf es der Fabrik hauptsächlich ankommt. Aus dem Darrofen gelangt das Holz nach den Destillationsgefäßen, deren 6 Stück vorhanden sind. Es sind dies aus 0cm,75 starkem Kesselblech zusammengenietete Cylinder von 2m,25 Höhe und 1m,2 Durchmesser, welche in einem Ofen vertical derart eingemauert sind, daß sie vom Feuer spiralförmig umspült werden können. An ihrer Außenseite sind diese Cylinder mit einem Ueberzug von Wasserglas, Eisenfeilspänen und etwas Thon versehen, der sich als Schutz gegen das Durchbrennen recht gut bewährt hat. Das Holz wird in gespaltenem Zustande vertical mit Vermeidung großer Zwischenräume eingepackt und bei allmälig steigender Hitze, welche auch zuletzt 400° nicht übersteigt, destillirt. Die Condensation geschieht wegen Wassermangel durch Luftkühlung in entsprechend langen, 0m,4 im Durchmesser haltenden Röhren von verzinntem Eisenblech. Nach 48stündigem Feuern werden die Abzugsröhren kalt, und die Destillation ist beendet. Die Abkühlung der Kohlen, welche durch Einlassen von Dampf unterstützt wird, erfordert 12 Stunden, Füllen und Entleeren je 6 Stunden, so daß also von 6 Cylindern täglich zwei mit 40 Ctr. Holz abgetrieben werden. Hieraus werden gewonnen 16 Ctr. Rohessig von 25 Proc. Säuregehalt, 1,2 Ctr. Theer, 12 Ctr. Rothkohle. Nach einer Woche ruhigen Stehens hat sich der Essig vom Theer getrennt, und wird nun unter Zusatz von etwas Holzkohle in einer kupfernen Blase mit Kühlschlange von Zinn rectificirt. Das zuerst übergehende gelbgefärbte Product ist wässeriger Holzspiritus mit etwas Essigsäure und wird für sich aufgefangen, das darauf folgende klare, aber stark empyreumatische Destillat hingegen durch Druck in einen Bottich gepumpt, welcher in der oberen Etage aufgestellt ist und als Speisereservoir für den Reinigungsapparat dient. Letzterer besteht aus einem cylinderischen, 8m langen und 0m,4 weitem Rohre von starkem Weißblech, welches vertical 1m unterhalb des Bodens vom Reservoir so angebracht ist, daß es durch die Etagenböden hindurch in den untersten Raum mündet; 0m,5 über den Boden dieses Rohres liegt ein eiserner, stark verzinnter Rost, über welchem das Rohr bis an seine trichterförmige Mündung mit gut ausgeglühten Coaksstückchen von 2cc Größe angefüllt ist. Ueber diese Coakssäule ergießt nun das Reservoir seinen Inhalt in einem continuirlichen feinen Regen – in derselben Weise, wie solches bei der Condensation der Salzsäuredämpfe geschieht, während in den geschlossenen Raum zwischen Boden und Rost durch eine Düse ein langsamer Strom auf 40° erwärmter trockener Luft continuirlich eingeblasen wird. Die große Fläche, welche die Coaksstückchen dem herabrinnenden Essig und ebenso der heraufdringenden Luft darbietet, bringt beide in die denkbar innigste Berührung, wodurch eine so energische Reaction hervorgerufen wird, daß die Temperatur im Inneren des Rohres (dasselbe ist gegen Abkühlung durch eine dicke Lage Filz geschützt) auf 50° und höher steigt. Diese Wärmeentwickelung ist das Ergebniß der Oxydation, welche die dem Essig beigemischten brandigen Oele durch den Sauerstoff der zugeführten Luft erleiden; sie verharzen zum Theile und werden dann durch die filterartige Wirkung der Coaks zurückgehalten, oder sie verflüchtigen sich, indem sie durch den Luftstrom mit fortgerissen, gewissermaßen abgeblasen werden; ebenso wird auch ein Theil Wasser verdampft, wodurch die Essigsäure noch mehr angereichert wird. Die am Boden des Reinigungsapparates anlangende und durch ein S-förmiges Rohr abfließende Essigsäure ist völlig klar, von rein saurem Geschmack, und ist zur Darstellung sämmtlicher essigsauren Salze und der concentrirtesten Essigsäure gleich trefflich geeignet. Der höchst geringe empyreumatische Geruch, welchen man beim Verreiben einiger Tropfen in der Hand verspürt, verschwindet ebenfalls, wenn man die Säure zuletzt noch durch ein Rohr treibt, welches mit entkalkten Knochenkohlenstückchen angefüllt ist. Man erhält dadurch ein in jeder Beziehung tadelfreies Product, welches von genannter Fabrik jetzt mit äußerst günstigem Erfolge zur Darstellung eines ganz vorzüglichen Essigs für den Tisch- und Küchengebrauch verwendet wird, der neben seiner Reinheit den Vorzug der Billigkeit hat und sich allgemeiner Anerkennung erfreut. Für weitere Entfernungen liefert diese Fabrik, um Transportkosten zu sparen, zu demselben Zwecke eine Essigsäure von 32 Proc. und kann solche – mit einer geringen Modification des beschriebenen Verfahrens – bis 40 Proc. Monohydrat liefern. Die Nebenproducte, namentlich der Theer und die Kohlen, sind gesucht und werden gut bezahlt; letztere besitzen eine große Heizkraft, würden sich aber jedenfalls für die Pulverfabrikation eignen. Der Holzgeist wird mit kohlensaurem Natron neutralisirt, destillirt, mit gebranntem und gepulvertem Kalk, welcher dadurch eine intensiv gelbe Farbe annimmt, entwässert und über demselben nochmals destillirt. Das Destillat wird von einer Lackfabrik verwendet.