Titel: Die gefärbten Resorcinderivate; von Rudolf Wagner.
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 517
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Die gefärbten Resorcinderivate; von Rudolf Wagner. Wagner, über die gefärbten Resorcinderivate. Nachdem es in der neuesten Zeit gelungen ist, das Resorcin auf wohlfeile Weise aus Benzolderivaten darzustellen, dürfen die jüngst von verschiedenen Forschern erhaltenen farbigen Abkömmlinge des Resorcins die Aufmerksamkeit der technischen Chemiker mit vollem Rechte in Anspruch nehmen, da es sich in der That um höchst werthvolle Farbstoffe handelt, die sicherlich in einer nicht fern liegenden Zeit als mächtige Concurrenten der Anilinfarben auftreten werden. Das Resorcin wurde vor zehn Jahren von H. Hlasiwetz und H. Barth Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 130 S. 354. Bd. 139 S. 77. entdeckt. Man erhielt es als Zersetzungsproduct einiger Gummiharze der Umbelliferen (Ammoniakgummi, Galbanum und Asafoetida) durch schmelzendes Kaliumhydroxyd. Später fand man, daß es bei gleicher Behandlung auch aus dem Sagapen und dem Xanthorrhoeaharze (Acaroïdharz) entstehe. Seiner Entstehungsweise aus gewissen Harzen und seiner Aehnlichkeit mit Orcin halber nannte man es von Resina und dem Stoffe der Orseille Resorcin. Sommer Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. 115 S. 17. wies einige Zeit darauf nach, daß das aus den Umbelliferenharzen isolirte Umbelliferon, sowohl aus den als Droguen im Handel vorkommenden Harzen, als auch aus den künstlich durch Ausziehen der Wurzeln der Angelica, des Levisticum und der Imperatoria mit Alkohol und Verdampfen der weingeistigen Auszüge erhaltenen Harzen dargestellt, mit schmelzenden Alkalien behandelt, Resorcin gebe. Vor zwei Jahren endlich fanden Hlasiwetz und Weidel Wagner's Jahresbericht, 1874 S. 491., daß das Spaltungsproduct des Peucedanins mit Salzsäure, das Oroselon, beim Behandeln mit schmelzendem Kali und Wasseraufnahme neben Essigsäure Resorcin bilde. Aber nicht blos Körper aus der Familie der Umbelliferen können Resorcin bilden. E. Kopp Daselbst, 1874 S. 760. fand, daß durch trockene Destillation des Extractes des Rothholzes (von Caesalpinia echinata) oder besser noch des daraus dargestellten Brasilins Resorcin in reichlicher Menge entstehe. Was die Zusammensetzung des Resorcins betrifft, so ist dieselbe durch die Bruttoformel C₆H₆O₆ ausdrückbar. Es gehört zu den zahlreichen Verbindungen der Benzolderivate und speciell zu den Dihydroxybenzolen oder Diphenolen, so daß seine Formel geschrieben werden muß C₆H₄(OH)₂. Es ist isomer mit dem Brenzcatechin (Oxyphensäure) und dem Hydrochinon. Von diesen drei Körpern scheint das Brenzcatechin die Orthoverbindung, das Hydrochinon die Meta- und das Resorcin die Para-Verbindung zu sein. Das Resorcin wäre mithin Para-Dioxybenzol. Auf diesen Anschauungen fußend, suchte man nun das Resorcin aus Benzol und dessen Substitutionsproducten darzustellen. Körner Zeitschrift für Chemie, 1866 S. 662. zeigte zuerst im J. 1866, daß das aus dem Dinitrobenzol erhaltene Parajodphenol durch Behandeln mit schmelzendem Kaliumhydroxyd in Resorcin übergeführt werde: C₆H₄J . OH + K(OH) = C₆H₄(OH)₂ + KJ. In jüngster Zeit wurde von C. Wurster und E. Nölting Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 S. 905. Bromphenol, aus Bromnitrobenzol erhalten, gleichfalls in Resorcin umgewandelt. Aus diesen Bildungsweisen haben sich nun einige Darstellungsarten entwickelt, welche das Resorcin zu einem nicht zu hohen Preis herzustellen gestatten. Erwähnenswerth sind folgende: a. Durch Auflösen von Halogenderivaten des Benzols – gewöhnlich nimmt man Chlor- oder Brombenzol – in rauchender Schwefelsäure entsteht die Chlorbenzolsulfonsäure (oder die entsprechende Bromverbindung) C₆H₄Cl . SO₂ . OH, deren Natriumsalz, mit Aetznatron geschmolzen, Resorcin bildet: C₆H₄Cl . SO₂ . ONa + 2 Na(OH) = C₆H₄(OH)₂ + NaCl + Na₂SO₃. b. Wenn man eine bei gewöhnlicher Temperatur bereitete Lösung von Phenol in Schwefelsäure erwärmt, so geht die zuerst entstandene Orthophenolsulfonsäure in eine andere isomere Modification, die Metaphenolsulfonsäure C₆ H₄ (OH). SO₂. OH über, deren Natriumverbindung, mit schmelzendem Alkalihydrat zusammengebracht, gleichfalls reichlich Resorcin gibt. c. Die dritte und, wie es scheint, beste Methode der Resorcindarstellung ist die aus Benzoldisulfonsäure C₆H₄(SO₂ . OH)₂. Diese Säure entsteht beim Erhitzen von Benzol mit rauchender Schwefelsäure. Beim Schmelzen des Natriumsalzes dieser Säure mit Aetznatron bilden sich große Mengen von Resorcin: C₆H₄(SO₂ . ONa)₂ + 2 Na(OH) = C₆H₄(OH)₂ + 2 Na₂SO₃. Die Haupteigenschaften des Resorcins sind folgende. Es krystallisirt in reiner Gestalt in Tafeln oder Prismen des trinklinoëdrischen Systems, schmilzt bei 110° und siedet bei 271°. In Wasser, Alkohol und Aether ist es leicht löslich, nicht löslich aber in Schwefelkohlenstoff und Chloroform. Es ist ohne Reaction auf Pflanzenfarben, besitzt einen süßlichen Geschmack und kratzenden Nachgeschmack und färbt sich an der Luft liegend nach und nach röthlich. Die wässerige Lösung gibt beim Erwärmen schon weit unter dem Siedepunkte mit den Wasserdämpfen Resorcin ab. Mit Eisenchlorid färbt sie sich dunkelviolett, mit Bleiacetat gibt sie keinen Niederschlag (zum Unterschied von dem Brenzcatechin oder der Oxyphensäure, welche damit einen weißen Niederschlag bildet). Chlorkalk und Chlornatron erzeugen mit einer wässerigen Lösung von Resorcin gleichfalls eine violette Färbung. Sibernitrat mit Ammoniak versetzt wird durch Resorcin mit Leichtigkeit reducirt. Durch Ammoniak wird das Resorcin bei Luftzutritt erst rosenroth, dann bräunlich. Beim Kochen einer Resorcinlösung mit Mangansuperoxyd und Schwefelsäure entwickelt sich kein Chinongeruch (Unterschied von dem mit dem Resorcin isomeren Hydrochinon). Von großem Interesse sind die farbigen Azoverbindungen des Resorcins, die von P. Weselsky 1871Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1871 S. 32 und 613. entdeckt und untersucht wurden. Je nach der Menge des darin enthaltenen Stickstoffes hat man Di- und Tetrazoresorcinverbindungen zu unterscheiden. α. Die Diazoverbindungen. Leitet man salpetrige Säure in eine Lösung von Resorcin in Aether, so entsteht das Diazoresorcin C₁₈H₁₂N₂O₆ nach folgendem Paradigma: 3 [C₆H₄(OH)₂] + N₂O₃ = C₁₈H₁₂N₂O₆ + 3 H₂O. Dieser Körper erscheint in granatrothen Krystallen mit metallgrünglänzenden Flächen und löst sich in Alkohol zu einer purpurrothen Flüssigkeit, welche mit Alkalien tiefindigblau wird. Aus dem Diazoresorcin bildet sich durch die Einwirkung concentrirter Säuren, wie Salzsäure und Schwefelsäure, das Diazoresorufin C₃₆H₁₈N₄O₉ nach der Gleichung: 2 (C₁₈H₁₂N₂O₆) – 3 H₂O = C₃₆H₁₈N₄O₉. Es erscheint als ein carminrothes Pulver, welches aus einer Lösung in concentrirter Salzsäure in Gestalt kleiner dunkelrother glänzender Körner sich abscheidet. In Wasser, Alkohol und Aether ist es kaum löslich, in Schwefelsäure löst es sich mit carmoisinrother Farbe, in Alkalien ebenfalls; letztere Lösung zeigt, mit Wasser verdünnt, eine prachtvolle zinnoberrothe Fluorescenz. Diazoresorcin und Diazoresorufin geben, mit Zinn und Salzsäure erwärmt, das salzsaure Salz einer Hydroverbindung des Diazoresorufin, das salzsaure Hydro-Diazoresorufin C₃₆H₃₀N₄O₉ + 3 HCl; es krystallisirt in meergrünen silberglänzenden Blättchen, die an der Luft die Farbe und den Kupferglanz des sublimirten Indigblaues annehmen. In einem Luftstrom erwärmt oder durch oxydirende Mittel, wie Kaliumpermanganat, Chlorkalk, Eisenchlorid, bildet sich daraus wieder Diazoresorufin. Außerdem hat P. Weselsky noch zwei andere farbige Abkömmlinge aus dem Diazoresorcin dargestellt, von denen das eine ein veilchenblauer, das andere ein purpurrother Farbstoff ist. Beide zeigen ferner eine ausgezeichnete Fluorescenz, die sich bei dem ersten in ammoniakalischer Lösung auch auf Seide übertragen läßt. β. Die Tetrazoverbindungen. Behandelt man Diazoresorcin mit concentrirter Salpetersäure, so bildet sich salpetersaures Tetrazoresorcin C₁₈H₆N₄O₆ . 3 NO₃ in granatrothen Nadeln mit metallischem Reflex, die sich leicht in Wasser, Alkohol und Aether zu indigblauen Lösungen lösen. Aus dem Diazoresorufin bildet sich mit Salpetersäure das salpetersaure Tetrazoresorufin C₃₆H₆N₈O₉ . 6 NO₃, ein Salz von dem Ansehen des Kaliumpermanganates, dessen Lösungen in Wasser, Alkohol und Aether gleichfalls der Chamäleonlösung ähnlich sind. Aus diesen Tetrazoverbindungen entsteht als Finalproduct der Einwirkung von Salzsäure und Zinn das salzsaure Salz eines neuen Körpers, das Hydroimidotetrazoresorufin (12 Silben!) C₃₆H₂₈O₁₄O₉, eine etwas vergängliche Substanz, die ebenfalls prächtige Farbenerscheinungen zeigt. Neben den von Weselsky dargestellten Resorcinfarben nehmen die von MalinAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 138 S. 79., j. Grabowski und Ad. Baeyer Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1871 S. 662. Wagner's Jahresbericht, 1871 S. 783. aus Resorcin und Phtalsäureanhydrid erhaltenen eine hervorragende Stelle unter den farbigen Derivaten des Resorcins ein. Es ist mit ziemlicher Gewißheit vorauszusehen, daß mit der Zeit aus dem Resorcin die Farbstoffe der Farbhölzer, Hämatoxylin und Brasilin, synthetisch dargestellt werden, während man noch bis vor ganz kurzer Zeit umgekehrt das Brasilin als das beste Material zur Herstellung des Resorcins bezeichnete. Erhitzt man (nach Ad. Baeyer und E. Fischer) Resorcin mit Phtalsäureanhydrid bis auf 195 bis 200°, so entsteht das Phtaleïn des Resorcins oder das Fluoresceïn C₂₀H₁₂O₅: Textabbildung Bd. 218, S. 521 Resorcin; Phtalsäure; Fluoresceïn in kleinen dunkelbraunen Krystallen krystallisirend, deren ammoniakalische Lösung besonders durch eine prachtvolle grüne und äußerst intensive Fluorescenz charakterisirt ist. Fluoresceïn färbtReimann's Färberzeitung, 1875 S. 314. Seide schön gelb und bildet einen wirklichen gelben Farbstoff. Die Färbung geschieht unter Zusatz von Essigsäure und Eintröpfeln der ammoniakalischen Fluoresceïnlösung. Taucht man die so gelbgefärbte Seide in schwaches Bromwasser, so verwandelt sich die gelbe Farbe der Seide in Roth. Durch Bromirung des Fluoresceïns entsteht ein neuer Körper, das Tetrabromfluoresceïn: Textabbildung Bd. 218, S. 521 Fluoresceïn; Tetrabromfluoresceïn dessen Kaliumverbindung das Morgenroth oder Eosin (vgl. 1875 215 449. 217 506) bildet, welches von allen Resorcinderivaten vorläufig die interessanteste und wichtigste ist. (Aus der deutschen Industriezeitung, 1875 S. 463.)