Titel: Die Motoren auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 13
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Die Motoren auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Professor J. F. Radinger.Vergl. 1875 215 1. 289. 481. 216 193. 217 81. 443. 218 377. – Mit gefälliger Genehmigung aus dem officiellen Ausstellungsbericht, Heft 83. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Wien 1874. Mit Abbildungen. Radinger, über die Motoren auf der Wiener Weltausstellung. Die hydraulischen Motoren. Die bekannte Firma Nagel und Kaemp in Hamburg brachte eine Reihe Mechanismen und Apparate, welche sämmtlich klar entworfen und durch die Erfahrung erprobt sind, daher hier näher vorgeführt werden sollen. Vollturbine für veränderliche Wassermengen. Nagel und Kaemp verwenden Fourneyron-Turbinen mit innerm Leitrade und besorgen die Einstellung für verschiedene Massermengen durch die gleichzeitige Höhenveränderung aller Leit- und Laufradzellen. Die Turbinen dieser Construction werden stets von unten beaufschlagt, wozu das Wasser durch ein Druckrohr in die hohle Grundplatte eintritt und in derselben aufwärts steigend zwischen die Leitschaufeln kommt, welche an den obern Kreisausschnitt der Grundplatte, angenietet sind. Vom Unterboden der Grundplatte, und in deren Innern bereits aufragend, steht die feste Spursäule für die Turbinenwelle, welche genau in der Mittlern Horizontalebene der Radzellen den festen Spurzapfen trägt. Auf diesen stützt sich die Welle mit eingelassener und nach abwärts gerichteter Pfanne und einer oben aufliegenden Spurplatte. Diese Welle trägt das Laufrad in unveränderlicher Höhe. Zur Regulirung der Zellenquerschnitte jedoch sind zwei horizontale und in Platten ausgehende Scheiben angebracht, welche genau in die Zellen Passen und in diesen vertical verschoben werden können. Die innere Scheibe ist mit einer langen hohlen Nabe auf der feststehenden Spursäule verschiebbar und in ihrem eigentlichen Verlaufe derart gekrümmt, daß das von unten kommende Wasser ohne Stoß nach außen geleitet wird. Ihr Umfang geht in jene Platten aus, welche die Leitzellen gegen oben begrenzen und deren Höhe der Wassermenge entsprechend verändern können. Die äußere Scheibe ragt in die Zellen des Laufrades und besteht eigentlich aus einzelnen Platten, welche den Abstand zwischen den Treibschaufeln füllen. Diese Platten sind stets in gleicher Höhe mit der innern Scheibe im Leitrade gehalten, und so werden die Zellenquerschnitte durch die Lage ihrer Oberdecken begrenzt. Textabbildung Bd. 219, S. 14 Die Stellplatten im Laufrade sind außen an ein das Rad umgebendes Rohr geschraubt, welches von einer gewölbten Kreisplatte niederhängt und Krone genannt wird. Innerhalb der Treibschaufeln ist jede Abschlußplatte nochmals und zwar von einem langen Stehbolzen getragen, welcher gleichfalls an der Krone hängt. Die Krone dreht sich nun mit dem Treibrade, ist aber auf deren Welle mit einer langen, rohrförmigen Nabe geführt, indem sie gleichzeitig mit der Deckplatte der Leitzellen auf- oder abbewegt werden muß, wenn die Wassermenge steigt oder sinkt. Diese Verschiebung geschieht durch einen in die Spursäule gelagerten Hebel, welcher sowohl die Nabe der Innenscheibe als auch (mittels eines Kammlagers) die Rohrnabe der Krone mit Lenkstangen angreift. Der Hebel selbst hängt an einer langen Zahnstange, die von einem Getriebe im Maschinenhause gestellt wird. Durch das gleichzeitige Heben oder Senken von Innenscheibe und Krone wird nun bei jeder einzelnen Stellung gleichsam eine neue Turbine geschaffen, welche in den jedesmaligen Querschnittsverhältnissen der Leit- und Laufradzellen, sowie in der Führung des Wassers vollkommen richtig ist, demgemäß auch einen nahezu constanten Nutzeffect geben muß, welcher unabhängig von der zur Beaufschlagung kommenden Wassermenge bleibt. Die Radglocke überdeckt übrigens äußerlich gleichzeitig den ganzen nicht beaufschlagten Theil der Laufrad-Zellenhöhe, da ohne solche Abdeckung die Turbine in dem obern, nicht beaufschlagten Kranz als Centrifugalpumpe, resp. Ventilator arbeiten und Kraft consumiren würde. Der Einlauf von unten bietet gleichfalls manchen erwähnenswerthen Vortheil. Nicht nur, daß die Unannehmlichkeit des Oberwassers im Gebäude beseitigt und bei niedrigen Gefällen das schädliche Einschlucken von Luft ins Rad vermieden wird, ist es hier leicht, den Druck des Oberwassers zu benützen, um das ganze Gewicht von Rad und Achse vollständig zu balanciren und den Turbinenzapfen gänzlich zu entlasten, während sich bei den meisten andern Turbinen (Jonval etc.) der Wasserdruck zum Eigengewichte der Construction addirt und den Zapfendruck erhöht. Uebrigens sichert die hier verwendete Lage des Zapfens genau in der Schaufelhöhe das Rad am besten vor Schwankungen und Abweichungen in Folge des Auslaufens der Schalen und gestattet daher einen kleinsten Uebersprungraum zwischen dem Leit- und dem Treibrad. Das außenliegende Laufrad ermöglicht eine stete Beobachtung des austretenden Wassers und damit eine dauernde Controle über den Zustand der innern Turbinentheile. Durch das radiale Austreten des Wassers wird die richtige Geschwindigkeit des Ganges erkannt. Bei constanten Wassermengen wird von der Verwendung der Krone und der beweglichen Innenscheibe abgesehen und letztere fest eingebaut. Die Absperrung des Druckrohres geschieht stets mit gußeisernen Aufzugsschützen, welche auf Rollen laufen. Partialturbine mit drehbarem Leitschaufelapparat. Bei den von Nagel und Kaemp ausgestellten Partialturbinen tritt das Wasser von unten in das Leitrad und von innen in das Laufrad. Die Stellbarkeit des Leitschaufelapparates wird dadurch bewirkt, daß sämmtliche Leitschaufeln in einen ringförmigen, zweitheiligen, den Turbineneinlauf concentrisch und dicht umschließenden Körper gelegt sind, und daß der ganze ringförmige Leitschaufelapparat durch ein Zahnkranzsegment und Getriebe drehbar ist. In dem Turbineneinlauf sind da, wo ihn der Leitschaufelapparat umschließt, zwei gegenüberstehende, gleichgroße, rechteckige Ausflußöffnungen angebracht. Im Zustande der Ruhe sind diese Ausflußöffnungen von dem nicht mit Leitschaufeln versehenen Theil des ringförmigen Leitapparates verschlossen, während durch die Drehung desselben dem Wasser mehr Durchgangszellen geboten werden. Da durch die beiden gegenüberstehenden Eintrittsöffnungen stets der Ring balancirt bleibt, so dürfte durch die Verdrehung leicht und thatsächlich die einfachste, bequemste und billigste Regulirvorrichtung gewonnen sein, welche auch theoretisch völlig richtig und mit nahezu gleichem Nutzeffect für die verschiedenen Wassermengen arbeiten kann. Partialturbine mit radialem Regulator. Die Turbine glich mit Ausnahme der Achsenrichtung, welche hier horizontal lag, völlig der eben beschriebenen, und unterschied sich nur durch die Anbringung eines hydraulischen Regulators, dessen Wirkung auf folgendem Principe beruht. Bekanntlich tritt bei Turbinen mit außenliegenden Laufrädern das Wasser nahezu radial aus, wenn die Maschine mit der richtigen Geschwindigkeit läuft. Beschleunigt sich deren Gang, so wird der Austrittswinkel stumpfer, während er spitz wird und sich gegen die Flucht der Schaufeln neigt, wenn die Verzögerung eintritt. Nun ist um das Treibrad, und zwar concentrisch zu demselben, ein mit radialen Schaufeln versehenes Regulirungsrad gelegt, welches auf der Turbinenwelle frei drehbar steckt. Tritt nun während des Ganges der Turbine das Wasser normal, d. i. in radialer Richtung aus dem Treibrade, so geht es ohne Seitendruck zwischen den radialen Schaufeln des Regulirungsrades hindurch und letzteres steht demzufolge still. Läuft aber die Turbine zu rasch oder zu langsam, so drückt das austretende Wasser in der einen oder andern Richtung gegen die Schaufeln des Regulatorrades, und da dessen nach außen verlängerte Nabe eine Schraube eingeschnitten trägt, welche ein Vorgelege betreibt, so dreht diese den entlasteten Leitschaufelapparat, wie es sonst von Hand geschehen muß. Für die Henschel-Jonval-Turbinen könnte ein solches Rad, mit völlig ebenen und senkrechten Schaufeln versehen, unter das Treibrad gesetzt und ähnlich wie hier zur Regulirung benützt werden. Wassersaugapparat. Zur Entleerung von Baugruben und als Gefällserhöhungsapparat für hydraulische Motoren, welche häufig und zwar bei überreichem Wasserzufluß an Stauwasser leiden, bauen Nagel und Kaemp einen Apparat, der eigentlich eine große, mit Wasser betriebene Strahlpumpe ist. Der Ausfluß aus den Turbinen findet dabei unter Wasser, und zwar in einen conisch zulaufenden, oben meist mit Holz gedeckten Canal statt, in welchen das überflüssige Wasser der Freischütze, also unter der vollen Druckhöhe, centrisch einströmt. Dessen lebendige Kraft beschleunigt die Geschwindigkeit des nebenher kommenden Unterwassers der Turbine, und dort, wo die Mischung vollendet ist, wird durch eine langsame Erweiterung des Gesammtquerschnittes die Geschwindigkeit wieder in Druck umgesetzt, wodurch der endlich erreichte Wasserspiegel (der des Hinterwassers) höher zu liegen kommt, als jener in der Turbinenstube. So wird das überflüssige Druckwasser zur Wegschaffung des Wasserstaues benützt oder das Gefälle ohne beweglichen Mechanismus erhöht. Auch Baugruben etc. können durch einen ähnlichen Apparat ausgeschöpft werden, wenn über andere höher liegende Wassermengen gleichzeitig verfügt werden darf. Es sollen Fälle vorliegen, wo mit 1m,5 Druckhöhe 9m,0 Saughöhe erreicht wurden, wenn sich auch das Maximum des Effectes bei solchen Höhenunterschieden nicht ergibt, sondern beim Höhenverhältniß von 1 : 2 eintritt. In anderer Ausführung besteht der Apparat aus zwei gleichgroßen, festen, außen nicht geschlossenen Tellerscheiben, deren Höhlungen einander zugekehrt sind und eine freibewegliche Kreisplatte zwischenhalten. An der Ober- und Unterplatte münden centrisch Saug- und Druckrohr, und das austretende Druckwasser saugt Tiefwasser mit, während sich die Zwischenplatte, die Querschnitte völlig richtig regulirend, von selbst einstellt. Dampfejectionsapparat. Zum Leersaugen langer Röhrenleitungen, wie bei Brunnenkupplungen durch Heber, um die Bodenventile bei Pumpen zu ersetzen, und für ähnliche Fälle benützen Nagel und Kaemp einen Dampfstrahl, welcher ähnlich wie das Druckwasser im vorigen Apparate wirkt und am dünnen Ende einer mit der Röhrenleitung verbundenen und ins Freie mündenden Lufttrompete eintretend die Luft mitreißt und daher die Spannung im geschlossenen Innern reducirt. Ein solcher in der Ausstellung im Gange befindlich gewesener Apparat schaffte ein Vacuum von 0at,8 und wurde benützt, um das unten offene Saugrohr einer Centrifugalpumpe mit Wasser zu füllen, während sonst ein Bodenventil und Füllung von Hand aus nöthig gewesen wäre, um das Angehen der Pumpe zu erwirken.