Titel: Verfahren, um verdorbenes Albumin mittels Pepsin zu regeneriren; von J. Wagner und G. Witz.
Autor: J. Wagner , G. Witz
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 167
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Verfahren, um verdorbenes Albumin mittels Pepsin zu regeneriren; von J. Wagner und G. Witz. Wagner und Witz, Regeneration von Albumin mittels Peptin. Die Anwendung des Albumins als Fixations- und zugleich Verdickungsmittel für eine Anzahl wichtiger Farben auf Baumwolle beruht, wie als bekannt angenommen werden darf, auf der Eigenschaft der wässerigen Albuminlösung, beim Erhitzen das Albumin in unlöslicher Form auszuscheiden. Lösliche und unlösliche Farbstoffe werden der kalten Lösung einverleibt, in dieser Verdickung auf das Baumwollgewebe gedruckt, und die bedruckten Stoffe der Einwirkung von heißen Wasserdämpfen ausgesetzt. Hier im Dampfkasten geht das Albumin in eine unlösliche Modification über und bildet auf der Gewebsfaser eine Art Firniß, der fest und elastisch an derselben haftet und so die Farbstoffe mechanisch mit ihr verbindet. Die Verbindung ist eine um so festere, solidere, je zusammenhängender und homogener die Schichte ist, welche das unlöslich gewordene Albumin auf dem Stoffe bildet. Deshalb hat die Incorporirung ungelöster Farbstoffe in eine Albuminlösung ihre bestimmte Grenze, deshalb eignet sich das wasserlösliche Anilinviolett besser für den Albumindruck als sein Vorgänger, das weingeistlösliche Violett dessen Lösungsmittel die Eigenschaft hat, das Eiweiß schon in der Kälte aus seiner Lösung auszuscheiden (1874 211 383). Deshalb ist auch, wie G. Witz treffend bemerkt (Bulletin de Rouen, 1875 S. 203), jede Beimischung von fetten Körpern oder, um den Preis der Albuminfarben billiger zu stellen, von Gummi, Dextrin u.s.w. als eine die Solidität und die Reinheit der Farbe beeinträchtigende Zuthat zu verwerfen; deshalb endlich ist auch darauf zu sehen, daß nur ein solches Albumin in Anwendung komme, welches, vollkommen löslich, keinerlei Beimengung einer unlöslichen Modification des Albumins enthält. Eieralbumin sowohl als Blutalbumin gehen ganz oder theilweise in unlösliche Form über, wenn bei ihrer Darstellung die Temperatur des Trockenzimmers 35° überschritten hat, oder wenn dieselben beim Aufbewahren im Magazin der Sonne ausgesetzt sind, oder wenn sie überhaupt zu lange auf Lager liegen. Der Schaden, welcher hieraus den Druckereien erwachsen ist und immer noch erwächst, ist ein nicht unbeträchtlicher, und hat man bisher vergeblich nach einem Verfahren gesucht, nach welchem das auf die eine oder die andere Weise unlöslich, d.h. unbrauchbar gewordene Albumin durch Ueberführung in die lösliche Form wieder für die Fabrikation gewonnen, regenerirt werden könnte. Verdünnte kohlensaure oder kaustische Alkalien sind zwar im Stande, ein solches Albumin wieder in Lösung zu bringen, aber der erhaltenen Flüssigkeit fehlt das charakteristische Merkmal, in der Wärme coagulirtes Eiweiß auszuscheiden; die Alkalien alteriren zugleich die Zusammensetzung des Albumins, und indem sie demselben einen Theil seines Schwefelgehaltes entziehen, ist es nicht das Albumin selbst, sondern eine von ihm verschiedene Substanz, welche in der Lösung enthalten ist. Diese Zersetzung durch schwache Alkalien macht sich in der Praxis manchmal auf sehr unangenehme Weise bemerkbar. Wenn das basisch chromsaure Blei nicht vollständig durch Waschen von anhängendem Kalk befreit ist, und es wird in diesem Zustand mit Albumin verdickt aufgedruckt, so hat man nach dem Dämpfen nicht ein feuriges Orange auf der Baumwolle, sondern durch Verunreinigung mit Schwefelblei ein mattes, trübes Braun, auch wenn eine ganz frische, vollkommen unverdächtige Albuminlösung zur Verwendung gekommen ist. Nachdem somit die Alkalien sich als unbrauchbar erwiesen, um aus unlöslich gewordenem Albumin das lösliche wieder herzustellen, so daß es den Zwecken der Druckerei dienen kann, hat J. Wagner mit Erfolg hierfür einen neuen Weg eingeschlagen (Bulletin de Rouen, 1875 S. 205). Er bringt 350 bis 400g von solchem unbrauchbar gewordenen Albumin in Berührung mit 30g Kälbermagen, der kalt abgewaschen, in Stückchen von der Größe eines Quadratcentimeters zerschnitten und in 1l Wasser vertheilt ist. Das Wasser ist mit 10g concentrirter Salzsäure versetzt und hat eine Temperatur von 37,5°. Nach 24 bis 36stündigem Stehen wird das Ganze durch ein feines Sieb passirt, und der flüssige Theil, mit Ammoniak neutralisirt, stellt eine Albuminlösung vor, welche allen technischen Anforderungen an eine solche entspricht. Wagner hat sein Verfahren im Großen angewendet und bedeutende Mengen schadhaften Albumins auf diese Weise wieder nutzbar gemacht. Witz hat diesen interessanten Lösungsproceß, den er als künstliche Verdauung bezeichnet, eingehender studirt und in allen Einzelheiten bestätigt gefunden; nur hat er nicht die Schleimhaut des Kälbermagens, sondern die des Hammelsmagens wirken lassen und auf 1l angesäuertes Wasser blos 125g trockenes, unlösliches Albumin verwendet. (Nach seiner Angabe ist Schweinsmagen noch wirksamer als Hammelsmagen.) Er digerirt ferner 40 Stunden lang bei einer Temperatur von 35 bis 40°, wobei etwas mehr als die Hälfte des Albumins in Lösung geht. Der gelöste Theil wird durch ein Sieb von dem ungelösten getrennt und noch einmal mit angesäuertem Wasser in gleicher Weise behandelt, um einen weitern Theil des Albumins in Lösung überzuführen. Die so gewonnene Flüssigkeit ist geruchlos und wenig gefärbt, eine Erscheinung, die namentlich für das Blutalbumin bemerkenswerth ist; sie hat ferner die Eigenschaft, nach dem Neutralisiren mit Ammoniak, beim Kochen sowie auf Zusatz von Weingeist zu coaguliren. Versuche, dieselbe für den Ultramarindruck zu verwenden, lieferten nach dem Dämpfen ein reines und sogar in kochender Seifenlösung haltbares Blau. Und doch gibt es eine Reaction, welche eine solche durch Pepsin regenerirte Albuminlösung von einer gewöhnlichen unterscheidet. Versetzt man die erstere mit Essigsäure, vor oder nach der Neutralisation mit Ammoniak, so trübt sie sich entweder gar nicht oder nur wenig, auf keinen Fall aber gelatinirt sie, auch nicht nach längerm Stehen. Löst man dagegen 1 Th. gewöhnliches Eieralbumin in 10 Th. Wasser auf, so daß die Flüssigkeit nach dem Filtriren das specifische Gewicht 1,027 zeigt, und versetzt man diese Lösung mit ihrem gleichen oder halben Volum Essigsäure vom specifischen Gewicht 1,050, so gesteht sie fast augenblicklich zu einer festen, durchscheinenden Gallerte, auch wenn der Albuminlösung zuvor etwas Salzsäure zugefügt worden ist. Es steht hiermit die fast in allen Lehrbüchern enthaltene Angabe in Widerspruch, daß Albuminlösungen durch Essigsäure in keiner Weise gefällt werden; wenigstens kann die Angabe nicht mehr in dieser Allgemeinheit aufrecht erhalten werden. Ebenso soll nach denselben Lehrbüchern die Essigsäure, gleich der gewöhnlichen Phosphorsäure und der Pyrophosphorsäure, ein Lösungsmittel für coagulirtes Albumin sein. Die Versuche von Witz haben auch diese Angabe wenigstens für die Essigsäure, aber für diese unter allen Bedingungen, als unrichtig erwiesen. Er operirte mit ganz schwacher und mit krystallisirter, mit kalter und heißer Säure, er versuchte anhaltend zu kochen oder längere Zeit zu digeriren, nie ist es ihm gelungen, coagulirtes Eiweiß auch nur in geringen Mengen von bedruckten Baumwollgeweben abzulösen. Hingegen ist wiederum das Pepsin ein sicheres Mittel, um coagulirtes Eiweiß in Lösung zu bringen; es ist für dasselbe in analoger Weise ein Lösungsmittel, wie Diastase für das Stärkemehl des Apprets auf fertiger Baumwollwaare. Wie man Gewebe, welchen bei oder nach dem Appretiren irgend ein Unfall zugestoßen ist, durch Digeriren mit Malz von ihrem Appret gänzlich befreien kann, viel gründlicher als durch eine noch so lange Behandlung mit kochendem Wasser, so gelingt es mit Hilfe von Pepsin, die aufgedruckten Albuminfarben, auch wenn sie schon gedämpft sind, vollständig von der Baumwolle zu entfernen. Gerade für die sogen. Ausmachwaare der verschiedenen Albuminartikel hat es bisher an einem radicalen Mittel, dieselben zu retten, gefehlt. Essigsäure ist, wie schon angeführt, vollkommen wirkungslos, auch die Behandlung der bedruckten Stücke mit Alkalien wirkt nur unvollständig; wirksamer ist die Behandlung derselben mit einer lauwarmen Lösung von unterchlorigsaurem Natron, aber leicht und vollständig geht die Ablösung der Albuminfarben vor sich, wenn man die im Druck oder sonstwie verunglückte Waare in warmes, schwach angesäuertes Wasser legt, dem einige Stücke Schleimhaut des Kälbermagens zugegeben sind. Das Pepsin löst in saurer Lösung das Fixationsmittel, das coagulirte Albumin, auf, und die durch dasselbe fixirten Farbstoffe, wie Chromgrün, Kienruß, Chromgelb, Ultramarin, Ocker u.s.w. fallen hernach beim Waschen und Klopfen der Stücke vollständig herunter. Das Pepsin ist also im Stande, sowohl durch Kochen coagulirtes Eiweiß, als auch sonst unlöslich gewordenes Albumin zu lösen, aber die beiden Lösungen unterscheiden sich wesentlich dadurch, daß man im ersten Fall eine durch Erwärmen nicht coagulirbare, für die Zwecke der Druckerei unbrauchbare, im zweiten Fall eine coagulirbare, also eine für Albuminfarben verwendbare Flüssigkeit erhält. Letztere theilt überdies die Eigenschaft mit einer gewöhnlichen Albuminlösung, durch Metaphosphorsäure, sowie durch Essigsäure, Salz- und Salpetersäure gefällt zu werden. Es geht schon aus den obigen Vorschriften hervor, daß das Pepsin zur Lösung des unlöslichen Albumins wesentlich der Unterstützung der Salzsäure bedarf; es muß aber noch besonders hervorgehoben werden, daß die Anwesenheit einer gewissen Menge dieser Säure eine unerläßliche Bedingung ist, um die Lösung durchzuführen. Witz hat die Rolle, welche die Salzsäure bei diesem Vorgang spielt, genau studirt und gefunden, daß verdünnte Salzsäure, in der Concentration von 4 Th. wasserfreier Säure auf 1000 Th. Wasser (entsprechend ungefähr 1 Th. Salzsäure vom spec. Gew. 1,169 auf 100 Th. Wasser) für sich allein schon im Stand ist, altes, d.h. unlöslich gewordenes Albumin aufzulösen. Dasselbe quillt in der angesäuerten kalten Flüssigkeit zuerst auf, dann beginnt nach etlichen Tagen eine langsame Lösung, welche bei 38° in drei Tagen sich vollzieht, und man erhält schließlich eine Flüssigkeit, welche in der Siedhitze coagulirt, und mit welcher sich ebenso befriedigende Druckproben wie mit frischer Eiweißlösung ausführen lassen. In gleicher Weise erhält man nach Bouchardat (Gerhardt : Chimie organique, 1856 IV. p. 432–434) durch Digeriren von Blutfibrin in schwachsaurem Wasser eine Fibrinlösung mit der Eigenschaft, beim Kochen zu coaguliren, eine Beobachtung, welche für die Technik ein besonderes Interesse hat, insofern sie im Zusammenhang steht zu den Versuchen, ein Surrogat für das Eieralbumin zu finden. Wenn hiernach in dem Wagner'schen Verfahren die Wirkung der Salzsäure als Lösungsmittel gegenüber dem Pepsin mehr in Vordergrund tritt, so daß das letztere fast entbehrlich scheinen könnte, so beweist doch das Verhalten der beiden gegen coagulirtes Eiweiß die energische Mitwirkung des Pepsins auch bei der Lösung des unlöslich gewordenen Albumins. Coagulirtes Eiweiß, unter denselben Verhältnissen mit verdünnter Salzsäure zusammengebracht, verändert sich zuerst gar nicht, dann quillt es auf, geht aber nicht in Lösung; erst nachdem man einige Stückchen Kälber- oder Hammelsmagen zugefügt hat, beginnt die Lösung vor sich zu gehen, ohne daß man jedoch eine durch Erwärmen coagulirbare Flüssigkeit erhält. Analog verhält sich wieder gekochtes Fibrin, auch dieses geht nicht als solches, sondern als wesentlich veränderte Substanz in die Lösung über. Und dasselbe widerfährt dem frischen, dem natürlichen Albumin. Dasselbe läßt sich in Wasser auflösen, dem auf 1000 Th. 4, sogar 6 Th. wasserfreier Salzsäure zugesetzt sind; die erhaltene Flüssigkeit scheidet beim Erwärmen immer noch eine dicke, feste Gallerte aus. Setzt man gleichzeitig etwas Pepsin zu, so löst sich das Albumin in gleicher Weise auf, aber die resultirende Lösung hat nicht mehr die Fähigkeit zu coaguliren, das Albumin hat die Eigenschaft, durch welche es am besten charakterisirt ist, gänzlich verloren. Kl.