Titel: Die erste Tiefbohrung mit dem Diamantröhrenbohrer in der Schweiz; von Heinrich Ott, Salinendirector und Ingenieur der schweizer Steinkohlenbohrgesellschaft.
Autor: Heinrich Ott
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 173
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Die erste Tiefbohrung mit dem Diamantröhrenbohrer in der Schweiz; von Heinrich Ott, Salinendirector und Ingenieur der schweizer Steinkohlenbohrgesellschaft. Ott, über Tiefbohrung mit dem Diamantröhrenbohrer. Obwohl geologisch ein günstiges Prognostikon für das Auffinden der productiven Steinkohlenformation in der Schweiz nicht zu stellen war, indem dieselbe außer in ganz verworfenen Lagen in den hohen Alpen nirgends zu Tage ausgeht, so fanden sich doch patriotische Förderer zusammen, um ein Kapital von 480000 M. für Ausführung von Bohrversuchen sicher zu stellen. Nach den eingehendsten und sorgfältigsten Untersuchungen und Vergleichen der Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Kostenziffer der bestehenden Bohrmethoden unter einander, sowie nach Einholung der Gutachten bewährter Fachmänner und ausgesandter Experten entschied sich das Executivcomité die wichtigen Arbeiten Hrn. Hermann Schmidtmann aus Wien (Inhaber der Diamantbohrunternehmung auf dem Continent) zu übertragen und kam im Januar 1875 der diesbezügliche Vertrag zu Stande. Bei der bedeutenden Tiefe, welche man für die Lage der Steinkohlenformation annehmen zu müssen glaubte, und die vielseitig bis auf 725m und darüber geschätzt wurde, hielt es Schmidtmann für geboten, alle seine frühern in der Praxis gemachten Erfahrungen auf dem Gebiete des Diamantbohrens durch die vollständige Neuconstruction einer mit den durchschlagendsten Verbesserungen ausgestatteten Bohrmaschine und der dazu gehörenden Apparate bei den Bohrarbeiten zur Geltung zu bringen. Die Unvollkommenheiten, welche den frühern Maschinen und Geräthen einschließlich des zu schwachen Hohlbohrgestänges bei dieser Methode noch anhafteten und zu mannigfaltigen Störungen und Unfällen in den Operationen Veranlassung gaben, wurden bei der neuen Ausrüstung, wie auch der Verlauf der Arbeiten zeigte, vermieden und durch gediegene und rationelle Constructionen beseitigt, welche selbst den gesteigertsten Anforderungen Genüge leisten. Die eingehende Beschreibung und Verdeutlichung der zur Geltung gebrachten Verbesserungen soll einer spätern Veröffentlichung vorbehalten bleiben; sie mögen für heute in den gelieferten Arbeiten, welche von Anfang bis zu Ende vom Verfasser als Ingenieur der schweizerischen Steinkohlenbohrgesellschaft begleitet wurden, ihren Ausdruck finden. Die für sich allein über 400 Ctr. wiegende Bohrmaschine wurde im Verlauf von nur 6 Tagen montirt und konnte am 14. August in probeweisen Betrieb gesetzt werden. Bereits am 18. August hatte sie sich vollständig eingelaufen und nebenbei sogar mit der 80mm-Krone eine Bohrtiefe von 30m,3 zurückgelegt. Am 19. begann der regelmäßige Betrieb, und ist der tägliche Tiefenfortschritt des Bohrers in folgender Tabelle zusammengestellt. m Vom 14. August bis 18. August Inbetriebsetzung   30,3 Am 19. Einfache Schichten zu 12 Stunden   17,2 20.      „             „               „   19,6 21.      „             „               „   19,7 22. Doppelschichten zu 24 Stunden   21,7 23.           „                 „        „   20,0 24.           „                 „        „   14,5 25.           „                 „        „     9,5 26.           „                 „        „   10,4 27. Einfache Schichten zu 12 Stunden. Reinigung der Locomobile     8,4 28. Doppelschichten zu 24 Stunden   14,4 29.           „                  „        „     9,3 30.           „                  „        „   10,6 31.           „                  „        „   13,3 1. September 8stündige Schicht     3,2 –––––– Zusammen 222,1. Hiermit waren die Operationen an einem Abschnitte angelangt. Die obern 86m,9 des Bohrloches gingen durch Buntsandstein, welcher in seinen verschiedenen Etagen aus harten quarzigen Bänken mit mächtigen Zwischenlagern von lose verbundenen, fast breccienartigen Sandsteinen abwechselte. Aus letztern Schichten entwickelte sich schon nach wenigen Tagen des Bohrbetriebes ein rasch zunehmender Nachfall, der in den letzten 6 Arbeitstagen bereits das Loch nach jeder Gestängziehung fast um 39m,6 von der Sohle an auffüllte. Die Schwierigkeiten beim Niedergehen des Gestänges, jedesmal diese nachgefallenen Sandmassen aufzulockern und auszuspülen, treten in den verminderten Bohrleistungen dieser Periode zu Tage. Es mußte alsbald zu einer Verrohrung geschritten werden. Da man das Verhalten der nachfolgenden Schichtengruppen nicht kannte, so heischte es die Vorsicht, den obern Theil des Bohrloches bis zu einer Tiefe von 142m,7, in welcher Tiefe eine 1m,8 mächtige Kieselsteinbank eine gute Auflage bot, mit Röhren von großem Durchmesser sicher zu stellen. Vorhanden waren jedoch nur 61m 178mm und 73m 152mm weite Ausbüchsröhren. Es wurde in Folge dessen das mit 80mm gebohrte Loch bis auf 80m,8 mit 178mm und von da bis auf 142m,7 mit 152mm erweitert. Die Zusammenkupplung der 152mm und 178mm weiten Röhren ermöglichte es dann, die gesammte Tour noch gerade etwas mehr als 1m über die Sohle des 9m tiefen Schachtes aufsteigen zu lassen, und wurde nun, um die bei diesem Bohrsystem in Anwendung kommende Wasserspülung wirksamer zu machen und über Bohrhausebene zum Ausfluß zu bringen, ein 127mm weiter Röhrensatz innerhalb der zu einer Tour zusammengekuppelten 152mm- und 178mm-Röhre bis auf 142m,7 Tiefe eingeschoben. Die Arbeit des Nachbohrens mit der 178mm-Krone auf dem 80mm weiten Loche war eine sehr schwierige; sie brachte aus den harten Quarzsandsteinen vollständige Steinringe zu Tage, wogegen aus dem weniger homogenen Gesteine sich öfters einzelne Knauer ablösten und nach dem Herunterfallen in größere Tiefen der Bohrkrone viel Widerstand entgegensetzten. Das Rotiren auf diesen losen Stücken hatte einen sehr starken Diamantenverlust zur Folge. Dessen ungeachtet und trotz des durch die weitern Durchmesser sich noch steigenden Nachfalles nahmen die Operationen einen musterhaften Fortgang, ohne auch nur einen einzigen Unfall mit sich zu bringen. Es wurde nun das verbleibende 80mm-Loch aufgebohrt und ausgespült und die Tieferbohrung versucht. Hier stellte sich es jedoch heraus, daß bei 176m,9 im rothen permischen Schieferthone sich eine brüchige, einige Meter mächtige Stelle gebildet hatte, welche das Loch mit Letten und festern Thonstückchen verlegte. Das Bestehenlassen dieses ungesunden Lochtheiles für die Sicherheit der weitern Arbeit fürchtend, entschloß sich Schmidtmann sofort, auch diesen Theil des Bohrloches noch unter Verrohrung zu bringen. Die oben angeführten, innerhalb der 152mm und 178mm weiten, zusammengekuppelten Röhrentour eingeschobenen 127mm-Röhren wurden wieder ausgezogen und das Loch von 143m an bis 184m,5 mit 127mm starker Krone nachgebohrt. Die Verklemmungen aus der genannten brüchigen Stelle machten sich jedoch schon von 176m,9 an in so bedenklicher Weise auf den 127mm-Bohrer geltend, daß Schmidtmann das weitere Vordringen mit demselben einstellen und dafür eine höchst interessante Operation vornehmen ließ. Es wurde nämlich eine mit 12 Diamanten versehene 127mm starke Krone mit innen ausgedrehter Lippe an das unterste Ende der nun wieder zur Einsenkung gelangenden 127mm-Ausbüchsröhren geschraubt. Wie voraus zu sehen, saß die nun niedergehende Röhrentour schon bei 176m,9 fest auf. Um sie durchzubringen, wurde sie in die Bohrmaschine gespannt und unter fortwährendem Aufsetzen neuer Rohrstücke in Längen von 1m,5 wie gewöhnliches Gestänge rotirend über alle brüchigen und klüftigen Stellen hinweg bis auf 195m hinuntergebracht. Die energische Wasserspülung brachte hierbei die großen Schmantmengen zwischen Bohrlochwand und äußerem Umfange der 127mm-Röhren zu Tage. Die unverrohrt gebliebenen 30m des 80mm-Loches wurden neuerdings gereinigt. Sie erwiesen sich nach Erwarten vollständig nachfalllos, und die Bohrarbeit konnte deshalb, nachdem die eben beschriebenen Verrohrungsarbeiten in dem Zeiträume vom 1. bis 22. September bewältigt worden waren, noch in gleicher Nacht wieder aufgenommen werden; sie ergab einen Fortschritt: m Tiefenübertrag 222,1 m in noch 10 Stunden von 8,3 Am 23. September in 24 Stunden 17,4 24. 18,8 25. 19,6 26. 23,4 27. 16,8 28. 14,0 29. 15,0 30. 18,1 ––––– 151,4 151,4 ––––– Zusammen 373,5. Hiermit wären die Operationen an einem weitern Abschnitte angelangt. Während die Bohrung nämlich von 86m,9 angefangen im rothen bunten Schieferthon, abwechselnd mit den im Rothliegenden so häufig vorkommenden Conglomeratbänken vor sich ging, waren von 366m ab Uebergangsschichten (im Ganzen 8m,2 mächtig), bestehend aus harten Quarzitbänken, groben Conglomeraten und sehr stark nachfallenden, wie verwittert aussehenden, mit Quarz- und Kalkstückchen gespicktem Glimmerthon, angetreten worden. Wegen der großen Zerklüftung dieses Gesteines und des starken Nachfalles, der zuletzt nach jeder Gestängziehung das Loch wieder um 42m,7 verschüttete, sowie wegen des nun eintretenden selbstthätigen Nachrutschens der auf dem rothen Thone aufsitzenden 12mm-Röhrentour, wobei mit dem nothwendigen Ankuppeln neuer Stücke viel Aufenthalt verursacht wurde, mußte die Arbeit unter besonderer Umsicht und Aufmerksamkeit weiter geführt werden. Die Bohrung erreichte trotz dem am 15. d. M. Vormittags, von 375m ab in dem härtesten Diorit gehend, der oft in einen Hornblendeschiefer überging und mit Quarz und Granitgängen durchsetzt war, die Tiefe von 433m,7. Der hier bereits 1m,8 tief angebohrte rothe Granit veranlaßte die Gesellschaft das geologische Resultat bei diesem Bohrloche als abgeschlossen zu halten und die Bohrung aufzugeben. Was nun schließlich der geschilderten Leistung einen noch höhern Werth verleiht, ist, daß die gesammte durchsunkene Tiefe von 433m,7 mit allen ihren verschiedenen Gesteinsgruppen, Lagerungsverhältnissen und Uebergängen von einer Formation in die andere in den durch den Bohrer geförderten cylindrischen Gesteinskernen von 51mm Durchmesser sichtbar und naturgetreu repräsentirt wird. Die ganze Kernseite wird in einer Lehranstalt zu Aarau aufbewahrt.