Titel: Zur Gewinnung des Thalliums; von Dr. R. Nietzki.
Autor: R. Nietzki
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 262
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Zur Gewinnung des Thalliums; von Dr. R. Nietzki. Nietzki, zur Gewinnung des Thalliums. Im vorhergehenden Jahrgange dieses Journals (1875 217 323, 432) veröffentlicht Dr. J. Krause eine Methode zur Darstellung des Thalliums, welche auf der von ihm beobachteten Eigenschaft des Thalliumchlorürs beruht, sich beim Kochen mit einer verdünnten Natriumsulfatlösung zu Thaliumsulfat und Chlornatrium umzusetzen. Da ich selbst in letzter Zeit erhebliche Mengen von Thallium dargestellt habe, so beschloß ich, die Versuche zu wiederholen, umsomehr die Thatsache, daß lösliche Chlormetalle in Thalliumsulfatlösungen einen Niederschlag des schwer löslichen Chlorürs erzeugen, mir obige Umsetzung zweifelhaft erscheinen ließ. Ich bereitete mir daher nach Krause's Vorschrift eine Glaubersalzlösung von 4 bis 5° B. und kochte dieselbe einige Zeit lang mit einer mehr als genügenden Menge von Thalliumchlorür. Von Zeit zu Zeit wurde in einer klaren Probe der heißen Flüssigkeit das Thallium bestimmt. Die erste dieser Bestimmungen gab 2,6 Proc. Chlorthallium, welche Menge bei fortgesetztem Kochen constant geblieben war. Wurde die Flüssigkeit heiß filtrirt, so schied sich schon während dieser Operation reichlich Chlorthallium aus, und nach dem völligen Erkalten befanden sich nur noch etwa 0,4 Proc. darin gelöst. Ich machte jetzt einen zweiten Versuch, indem ich statt der Natriumsulfatlösung destillirtes Wässer anwendete und fand in der siedenden Flüssigkeit 1,8 Proc. und nach dem Erkalten wieder 0,4 Proc. Thalliumchlorür. Von einer wirklichen Umsetzung des Thalliumchlorürs kann demnach wohl nicht die Rede sein; die im vorliegenden Falle erhöhte Löslichkeit gehört in dieselbe Kategorie, wie die Löslichkeit des Gypses, des Bleisulfats etc. bei Gegenwart gewisser Salze. Dies zur wissenschaftlichen Seite der Methode; vom praktischen Standpunkte läßt sich nicht viel gegen dieselbe einwenden, denn das oben angegebene Verhältniß genügt immerhin, um recht ansehnliche Mengen von Chlorthallium in Lösung zu bringen, und der Umstand, daß sich dasselbe beim Erkalten wieder ausscheidet, bietet in so fern kein Hinderniß, als auch festes Thalliumchlorür in sauren Flüssigkeiten durch Zink, ähnlich dem Chlorsilber, reducirt wird. Wie Krause ganz richtig bemerkt, ist das Zersetzen des rohen Chlorthalliums mit Schwefelsäure eine unangenehme Operation. Da mir bei meinen Arbeiten die Einrichtung einer Sodafabrik zur Verfügung stand, habe ich diese Umsetzung früher in einer emaillirten Eisenschale innerhalb des Calcinirraumes eines Sulfatofens vorgenommen. In letzter Zeit jedoch habe ich ein Verfahren eingeschlagen, welches mit dem von Krause einige Aehnlichkeit hat. Wie vorhin erwähnt, läßt sich das Thalliumchlorür ohne vorherige Lösung durch Zink reduciren. Ich übergoß dasselbe daher in dem Zustande, wie ich es durch Fällen der Flugstaubauszüge erhielt, einfach mit etwas angesäuertem Wasser und legte einige Stücke Zink hinein. Schon nach kurzer Zeit wurde das Thalliumchlorür in der nächsten Umgebung des Zinks reducirt, und nach einigen Tagen war die ganze Masse in einen Thalliumschwamm verwandelt. Dieser wurde nach sorgfältigem Auswaschen in heißer verdünnter Schwefelsäure gelöst, wobei fremde Metalle und sonstige Verunreinigungen größtentheils zurückblieben. Ich hatte so den Vortheil, direct eine reine und concentrirte Lösung von Thalliumsulfat zu erhalten, aus welcher ich dieses Salz durch Krystallisation, und reines Thallium durch den galvanischen Strom oder durch Zink, abscheiden konnte. Ich habe mich unter allen Umständen des galvanischen Stromes bedient; denn wenn diese Methode auch etwas umständlicher ist, so gibt doch nur diese ein vollkommen reines Präparat. Das sogen, chemisch reine Zink enthält fast immer Spuren fremder Metalle, welche natürlich in das Thallium übergehen. Anderseits enthält dieses häufig kleine Zinkpartikelchen eingeschlossen, welche sich nur durch längeres Digeriren mit Säure, wobei dann wieder etwas Thallium in Lösung geht, entfernen lassen. Ich habe diese Reduction in der Weise bewerkstelligt, daß ich in die Thalliumlösung eine gewöhnliche poröse Thonzelle stellte, welche einen amalgamirten Zinkkolben und verdünnte Säure enthielt. Ein mit dem Zink verbundener starker Kupferdraht taucht in die Thalliumlösung und umgab innerhalb derselben den Thoncylinder in spiralförmigen Windungen. Es gelang mit einem solchen Element, innerhalb 24 Stunden 100g Thallium zu reduciren. Da es mir während dieser Arbeit häufig darum zu thun war, den Thalliumgehalt einer Flüssigkeit möglichst schnell zu ermitteln, sah ich mich nach einer bequemen Bestimmungsmethode desselben um und fand, daß sich das Thallium in nicht zu verdünnten Lösungen recht gut mit Jodkaliumlösungen filtriren läßt. Zu der betreffenden Flüssigkeit fügt man so lange von einer auf reines Thallium gestellten Jodkaliumlösung hinzu, als noch eine Fällung entsteht. Da das sich abscheidende Thalliumjodür sich beim Rühren ähnlich dem Chlorsilber zusammenballt und sich noch schneller absetzt als dieses, so läßt sich der Ausfällungspunkt mit großer Schärfe treffen. Hat man sehr verdünnte Lösungen, so ist es rathsam, daraus alles Thallium durch einen Jodkaliumüberschuß abzuscheiden, den abfiltrirten Niederschlag in eine Schale zu spritzen, und dort unter Zusatz von Schwefelsäure bis zur völligen Verjagung des Jods abzudampfen. Der in wenig Wasser aufgenommene Rückstand wird dann wie oben mit Jodkaliumlösung austitrirt. Letzteres Verfahren wendete ich namentlich an, um den Thalliumgehalt des zu verarbeitenden Flugstaubes festzustellen. Wie die in einer frühern Abhandlung (Archiv für Pharmacie, November 1875) veröffentlichten Beleganalysen zeigen, gibt obige Titrirmethode sehr befriedigende Resultate. Die von Stolba (1874 211 323) vorgeschlagene Methode zur Darstellung des Thalliums ist jedenfalls nur bei Anwendung gewisser Materialien ausführbar. Das von mir verarbeitete Rohmaterial rührte aus der Schwefelsäurefabrik von F. Curtius in Duisburg her, welche fast ausschließlich Meggener Kiese brennt. Obgleich der Thalliumgehalt dieses Flugstaubes in vereinzelten Fällen eine Höhe von nahezu 1 Proc. erreichte, so konnte man den Durchschnitt desselben doch höchstens auf 0,2 bis 0,25 Proc. annehmen. Außerdem aber enthielt das Material stets 40 bis 60 Proc. von schwefelsaurem Eisenoxyd, häufig auch noch viel freie Schwefelsäure. Concentrirt man einen daraus bereiteten wässrigen Auszug durch Abdampfen, so bleibt eine syrupartige, stark saure Lösung von Ferrisulfat zurück, welche nach einigen Tagen allerdings Krystalle ausschied. Diese bestanden jedoch aus Eisenvitriol und enthielten keine Spur von Thallium. Da es meiner Ansicht nach nicht gut möglich ist, aus einer Flüssigkeit, welche auf 100 Theile fester Stoffe vielleicht 1 bis 1 1/2 Theile des betreffenden Alauns enthält, diesen durch Krystallisation abzuscheiden, so wird Stolba ein viel reineres und wahrscheinlich auch viel Thallium reicheres Material in Händen gehabt haben. Das Abdampfen großer Mengen Flüssigkeit ist aber immerhin schwierig, zumal dasselbe wegen des starken Säuregehaltes derselben nicht in eisernen Gefäßen auszuführen ist.