Titel: Schlittschuhlaufen zu jeder Jahreszeit.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 370
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Schlittschuhlaufen zu jeder Jahreszeit. Schlittschuhlaufen zu jeder Jahreszeit. Das der Gesundheit und Körperentwicklung der Jugend so sehr zuträgliche Vergnügen des Schlittschuhlaufens gestattet unser launiges Klima nicht einmal alle Winter. Fehlt es schon in vielen Orten an geeigneten Eisflächen, so verdirbt gar zu oft die Witterung auch an Orten, wo Gelegenheiten vorhanden wären, durch Schneefall, Regen etc. die eben erst entstandene Bahn. Der Gedanke, durch Kunst zu ersetzen, was die Natur versagt, lag daher nahe; doch erforderten die bisher angewendeten beräderten Schlittschuhe nicht geringe Uebung und Gewandtheit, weshalb sie eine ganze beschränkte Anwendung z.B. zu Theatervorstellungen u. dgl. gefunden haben. Ein speculativer Amerikaner hat nun die Sache weiter verfolgt, und es ist ihm gelungen, die Eisfläche durch einen ebenen und glatten künstlichen Boden zu ersetzen und Schlittschuhe mit Rollen zu construiren, welche durch ihre Elasticität dem Fuße nicht nur keine Beschwerden verursachen, sondern jedem auch wenig Geübten gestatten, sich auf ebener, glatter Bahn mit nahezu derselben Geschwindigkeit zu bewegen wie auf dem Eise; es können dabei überdies mit Leichtigkeit jene Bogen und Schlangenlinien beschrieben werden, welche dem Eislaufe seinen großen Reiz verleihen. Die künstliche Bahn wird aus Portlandcement oder Asphalt hergestellt; es ist wesentlich, daß sie von Staub und Verunreinigungen frei gehalten und von Personen ohne Schlittschuhe nicht betreten wird. Selbstverständlich conservirt sich ein solcher Boden, der übrigens auch aus Holz bestehen kann, am besten, wenn er sich unter einem gedeckten Raum befindet. Für einen Breterboden müssen die Rollen der Schuhe aus Kautschuk bestehen. Die neuen Schlittschuhe (Plimpton's Patent) sind nun so construirt, daß die Fußfläche derselben auf zwei kleinen horizontalen Stahlachsen ruht, deren jede an den Enden zwei Röllchen aus Buchsholz trägt. Die Lagerung dieser Stahlachsen ist aber keine starre, sondern elastisch und zwar in der Weise, daß, wenn der Fuß des Läufers sich nach der Seite neigt, die darunter liegenden Achsen eine nach dieser Neigungsrichtung hin convergirende Stellung einnehmen, wie die Vorderachse eines Straßenfuhrwerkes, welches sich am Boden bewegt. Dadurch, daß jeder Fuß von vier Rollen getragen, werden die Fesseln des Fußes nicht in dem Grade in Anspruch genommen, wie dies bei Schlittschuhen mit Laufschienen der Fall ist. Solche Rollschlittschuhe sind von dem Fabrikanten Albert Stotz in Stuttgart zu beziehen. Diese Erfindung hat bereits in England in einer Reihe größerer Städte zu lucrativen Unternehmungen geführt, und es ist zu wünschen, daß dieselbe auch in Deutschland die verdiente Beachtung finde. Man findet z.B. in Manchester im Alexandra Park einen zeltartigen Bau, 14 bis 16m breit und 30 bis 60m lang. Längs der mit Segeltuch bespannten Wände laufen etwas erhöhte Wege für Zuschauer; der mittlere Raum ist ausschließlich für die Schlittschuhläufer reservirt. An einem Ende des Baues ist ein Orchester, am andern ein Buffet angebracht, und durch eine mäßige Eintritts- und Leihtaxe eine sehr zahlreiche Betheiligung des Publicums ermöglicht. Diefenbach.