Titel: Universal-Drehbank. Patent von Richard Koch und Hermann Müller.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 394
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Universal-Drehbank. Patent von Richard Koch und Hermann Müller. Mit Abbildungen auf Taf. VIII [b. d/3]. Koch und Müller's Universaldrehbank. Arbeitsstücke von unrundem Querschnitt können auf Drehbänken nach zweierlei Art gedreht werden. 1) Man ertheilt dem Drehstahl während der unveränderten Rotation der Spindel mit dem Arbeitsstück eine bestimmte hin- und hergehende Bewegung senkrecht zur Spindelachse. Eine solche von der „Elsäßischen Maschinenbau-Gesellschaft“ in Grafenstaden im August 1868 patentirte (seither noch verbesserte) sehr einfache Drehbank ist in diesem Journal, * 1869 192 445. 193 169 beschrieben. 2) Der Drehstahl bleibt wie gewöhnlich senkrecht zur Spindelachse unbeweglich, dagegen erhält das Arbeitsstück außer der rotirenden noch eine alternirende Bewegung senkrecht zur Drehachse. Nach diesem System ist die von Richard Koch, Bureauvorstand der Maschinenverwaltung der Köln-Mindener Eisenbahn, und Hermann Müller, Werkführer, in Dortmund patentirte und in Fig. 11 bis 13 dargestellte Drehbank construirt. Der Spindelstock derselben enthält zwei in einander steckende, verschieden schnell rotirende Spindeln W und W'; von der äußern Spindel W erhält das Arbeitsstück die Drehung, von der innern Spindel W' wird das sich drehende Arbeitsstück gleichzeitig senkrecht zur Drehachse hin und her bewegt. Die äußere Spindel W wird durch eine Stufenscheibe R und ein Vorgelege z bis z₃ in bekannter Weise angetrieben. Das Zahnrad Z auf der äußern Spindel W betreibt durch das Zahnrad Z₁ eine Zwischenwelle w, von welcher die innere Spindel W' durch die Zahnräder Z₂ und Z₃ gedreht wird. Am vordern Ende der innern Spindel W' sitzt ein Versetzkopf E, eine gegen die innere Spindelachse excentrisch verstellbare, kreisrunde Scheibe, auf welcher sich die von der äußern Spindel W durch den Mitnehmer M mitgenommene Planscheibe P mit dem aufgespannten Arbeitsstück dreht. Je nach der Räderübersetzung Z₂: Z₃ und der Größe der Excentricität des Versetzkopfes E wird daher das Arbeitsstück während einer Umdrehung verschiedene Male dem Drehstahle genähert und von demselben entfernt und dabei die Querschnitte Fig. 14 bis 21 erzielt. Für die ovalen Querschnitte Fig. 14 und 15 ist das Zahnrad Z₃ halb so groß wie das Rad Z₂, der Versetzkopf E dreht sich zweimal, während die Planscheibe sich einmal umdreht. Die Querschnitte Fig. 16 bis 21 bedingen eine 3, 4 und mehrfache Uebersetzung der Räder Z₂ und Z₃. Gibt man dem Kopfe der Schraube S, welche die Versetzscheibe E mit der innern Spindel W' verbindet und zugleich das Abgleiten der Planscheibe P verhindert, die Form eines Körners, so dient derselbe beim Abdrehen von Bolzen, Wellen etc. in bekannter Weise als solcher. Hierbei muß aber auf der Drehbank ein Reitstock angebracht werden, dessen Reitnagel eine ähnliche Einrichtung wie die innere Spindel W' besitzt. Der mit V (Fig. 11) bezeichnete Kopf der äußern Spindel W dient zum Aufsetzen eines Rades, welches in bekannter Weise den Selbstgang des Supports vermittelt. Ueber die Eigenthümlichkeiten der beschriebenen Drehbank und der auf derselben herstellbaren Arbeiten entnehmen wir dem Circular der Patentinhaber folgendes. Es ist ein sehr großer Vortheil der Drehbank, allen bekannten Ovaldrehbänken etc. gegenüber, daß die Stellung des Drehstahls zu dem Arbeitsstücke eine stets günstigere ist als dort. Die Abweichung des Drehstahls von der normalen Stellung ist beispielsweise für eine Ellipse aus Figur 32 zu ersehen; in derselben bezeichnen die punktirten Linien die Stellung des Stahls bei den bisher gebräuchlichen Schablonen-Drehbänken und die ausgezogenen Linien die Stellung desselben bei unserer Drehbank. Eine weitere Eigenthümlichkeit der Bank ist die, daß der Stahl, abweichend von sonstigen Constructionen, an den Stellen b weit langsamer schneidet als an den Stellen a. Die Verwendbarkeit der Bank in der Praxis, sowohl zur Bearbeitung von Metallen, als auch von Holz etc. wird voraussichtlich eine sehr mannigfaltige werden, sobald die Constructeure sich erst an die Benützung der neuen mit ihr herstellbaren Formen, welche früher gar nicht, oder doch nur mit großen Kosten anzufertigen waren, gewöhnt haben werden. Wir können uns hier nur darauf beschränken, diese Verwendbarkeit an einzelnen Beispielen nachzuweisen. Die Fig. 23 bis 25 bezeichnen ein Locomotivachslager und ein gewöhnliches Lager für Wellen. Mit Hilfe unserer Bank können beide Lagerkasten sowohl, als auch die zugehörigen Lagerschalen in gezeichneter Weise vor der Planscheibe vollständig und ohne Nachhilfe eines Bankarbeiters so gedreht werden, daß ein weiteres Ineinanderpassen dieser Theile unnöthig wird. Bewirkt man die Verstellung der Versetzscheibe E unserer Drehbank vor dem Kopfe der innern Spindel W' durch eine Schraube in derselben Weise, wie man einen Support bewegt, so kann man die Lagerschalen, sowie die in Fig. 26 und 27 gezeichnete Stopfbüchse vor der Planscheibe fertig drehen. Vertauscht man den meist viereckigen Querschnitt der Kuppelstangen und Kurbelstangen bei Locomotiven mit der ovalen Form, so ist diese für die Beanspruchung jener Theile natürlicher und vortheilhafter und wird außerdem die Herstellung derselben bedeutend billiger. – Sollen Kurbeln, Riemenscheiben oder Räder auf Wellen befestigt werden, so macht die Anwendung von viereckigen, jedoch mit einer nur geringen excentrischen Verstellung der Scheibe E unserer Bank hergestellten Querschnitten der Welle die Anwendung von Keilen unnöthig. – Wenn man die Scheibe E mit einer geringen Excentricität zu der innern Spindel W' mit dieser aus einem Stück herstellt, so ist anzunehmen, daß die Genauigkeit der Arbeit der Bank genügt, um auch das Aufpressen von Locomotivrädern ohne besondere Keile zu bewirken. Läßt man in dem Reitstock den mit W' gleichen Reitnagel sich nicht drehen, so geht die an der andern Seite gedrehte Figur nach und nach in einen Kreis über. Entfernt man bei dieser Einrichtung die Reitnagelspitze von dem Drehstahle halb so weit, wie man die Versetzscheibe E excentrisch zur innern Spindel W verstellt hatte, so ist der Durchmesser des so entstehenden Kreises eben so groß, wie der größte Durchmesser der auf dieser Seite gedrehten Figur. Die so erhaltenen Formen eignen sich in hervorragendem Maße zur Herstellung von Reibahlen und Gewindebohrern. Die Figuren 28 und 31 stellen die Querschnitte von Reibahlen dar, wie sie bisher und wie sie mit Hilfe unserer Bank hergestellt werden. Um die Reibahle Figur 28 herzustellen, werden zunächst in den runden punktirt angedeuteten Stab die mit a bezeichneten Vertiefungen gefräst, und bringt darauf ein Bankarbeiter die mit b bezeichneten Theile mittels einer Feile auf die gezeichnete Form. Dieser letzte Theil der Arbeit muß mit der größten Sorgfalt ausgeführt und darf nur den geschicktesten Arbeitern anvertraut werden, wenn die Reibahle brauchbar sein soll. Ein einziger ungeschickter Feilstrich an den Schneiden s läßt diese gegen einen Theil der Fläche b zurücktreten, wodurch ein Schneiden des Werkzeuges unmöglich wird. Bei dem mit Hilfe unserer Bank hergestellten dreieckigen Querschnitte des Stahls (die punktirte Kreislinie ist nur gezeichnet, um die dreieckige Form besser hervortreten zu lassen) ist nur ein Fortfräsen der mit a bezeichneten Stellen nothwendig und fällt die Bearbeitung mit der Feile ganz fort. Es kann auch die Arbeit des Fräsens auf unserer Bank dadurch erspart werden, daß man die excentrische Stellung des Versetzkopfes E vergrößert und vor dem weitern Drehen den Drehstahl zurück zieht. Geht der gezeichnete dreieckige Querschnitt der Reibahle nach und nach in einen Kreis über, so wird ihre Führung in dem zu erweiternden Loche immer vollkommener, und wird dieses, wenn die Reibahle das Loch passirt hat, vollkommen rund ausfallen. Für die Gewindebohrer Fig. 30 und 31 gilt dasselbe, was wir von der Reibahle gesagt haben, nur hat noch der mit unserer Bank hergestellte Gewindebohrer (Fig. 31) dem andern (Fig. 30) gegenüber den in die Augen fallenden Vortheil, daß nicht nur die Spitze des Gewindes b, sondern auch der Grund desselben, von der Schneide s an gerechnet, zurücktritt, was dort nicht der Fall war. Wenn man die Zähnezahlen der Räder Z₂ und Z₃ nicht genau in den Verhältnissen von 1 : 2, 1 : 3, 1 : 4 etc. zu einander anordnet, so laufen die erhaltenen Figuren schraubenförmig um die eingespannte Welle; macht man die Umdrehungszahlen der innern Spindel W' und des Reitnagels verschieden, so erhält man auf beiden Seiten der abzudrehenden Welle verschiedene Querschnittsfiguren, welche nach und nach in einander übergehen. Gibt man den Rädern Z und Z₁ verschiedene Größen und macht die Räder Z₂ und Z₃ elliptisch, so erhält man neue interessante Figuren. Man kann also, wie ersichtlich, mit Leichtigkeit allerlei neue, nützliche und complicirte Formen herstellen, deren Verwendbarkeit im Baufache, der Kunsttischlerei, der Schirm- und Stockfabrikation etc. keinem Zweifel unterliegt. Da der Mitnehmer sich um einen festen Punkt, die Planscheibe dagegen um einen Zapfen dreht dessen Mittelpunkt sich in einer Kreislinie bewegt, so ist die Umdrehungsgeschwindigkeit der Planscheibe nicht ganz gleichförmig, die erhaltenen Figuren sind nur nach einer durch ihre Mitte gehenden Linie symmetrisch. Diese Unregelmäßigkeit der Figuren tritt nur in bemerkbarer Weise auf, wenn die Excentricität im Verhältniß zur Länge des Mitnehmers sehr groß wird (bei den Verhältnissen unserer Zeichnung ist sie nur bei ganz sorgfältigen Nachmessungen erkennbar); man kann sie zur Herstellung neuer Formen benützen. Ist das Verhältniß der Umdrehungszahlen der beiden Spindeln gleich 1 : 2, so bildet die Drehbank Figuren, welche je nach dem Winkel, unter welchem man den Mitnehmer zum Excenter, der ganz nach oben zeigen möge, aufkeilt, aus der Eiform nach und nach in eine ovale Form übergehen, bei welcher jedoch die eine Hälfte schlanker ist als die andere. Wollte man, statt wie in unserer Zeichnung, den Zapfen der Planscheibe durch eine Schleppkurbel mit dem Zapfen des Mitnehmers zu verbinden, diesen letztern gegen eine vorspringende Leiste der Planscheibe drücken lassen, so würde er bei jeder Umdrehung der Planscheibe um die doppelte Excentricität an dieser Leiste hin und her gleiten. Die so entstehenden Figuren gleichen den eben beschriebenen. Ordnet man die betreffende Leiste der Planscheibe nicht gerade und radial an, so kann man, wenn auch nur in engen Grenzen, beliebige Formen mit der Bank drehen. Durch Vermehrung der Mitnehmer und der Leisten der Planscheibe, gegen welche diese sich legen, kann man auch bei kurzen Mitnehmern die Umdrehungsgeschwindigkeit der Drehbank bis zu beliebigem Grade gleichmäßig machen. Ist der Zapfen des Mitnehmers M bei der gezeichneten Anordnung der Bank in diesem verschiebbar, so kann man durch Regulirung seiner Stellung die Umdrehungsgeschwindigkeit der Planscheibe in ihren einzelnen Lagen beliebig vergrößern oder verkleinern und so in weitern Grenzen, als es oben möglich war, bestimmt vorgeschriebene Figuren herstellen. Macht man die excentrische Verstellung der Scheibe E noch größer als den Querschnittsfiguren 16 bis 21 entspricht, so bilden sich an den Ecken derselben Schleifen, der Drehstahl arbeitet demnach nicht continuirlich. Die so gedrehten Stäbe bekommen ganz scharfe Ecken unter überall günstiger Stellung des Drehstahls.