Titel: Ueber die Bestandtheile des Invertzuckers und über ihre Anwesenheit im Handelszucker; von E. J. Maumene.
Autor: V. G.
Fundstelle: Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 547
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Ueber die Bestandtheile des Invertzuckers und über ihre Anwesenheit im Handelszucker; von E. J. Maumene. Maumene, über die Bestandtheile des Invertzuckers etc. Schon im J. 1869 zeigte Maumene, daß die allgemeine Meinung, wonach der Invertzucker aus gleichen Aequivalenten Glucose und Chylariose (unpassend Levulose genannt) besteht, sich nie nachweisen lasse, und daß diese beiden Substanzen stets von einer größern oder kleinern Menge optisch neutraler Producte begleitet seien, welche bald die Fehling'sche Lösung reduciren, bald aber auch nicht darauf reagiren. Diesen Resultaten wurde lebhaft widersprochen: Dubrunfaut negirte meine Auffassung formell, konnte aber nicht umhin, zuzugestehen, daß man die Behandlung des Invertzuckers mit Kalk bei 0° vornehmen müsse, wenn man gleiche Aequivalente Glucose und Chylariose erhalten wolle, woraus, wie er glaube, dieser Zucker besteht. Da bisher Niemand diese Eigenthümlichkeit hervorgehoben hatte, so war es zweifellos, daß meine Versuche mich die Wahrheit hatten finden lassen. Berthelot jedoch bestritt das Vorkommen optisch neutraler Producte noch schärfer und stellte die Behauptung auf, ich hätte die Verwandlung der Glucose in Glucinsäure nicht vermieden, welche allein die Ursache eines optisch neutralen Körpers sei. Müntz hat soeben der Pariser Akademie eine Arbeit vorgelegt, woraus hervorgeht, daß der Invertzucker, wenn man ihn von dem Rohrzucker des Handels getrennt hat, niemals eine constante Drehkraft aufweist. Weit entfernt davon variirt diese Drehung zwischen — 0°,6 und — 37°,1, während die des von Biot definirten Invertzuckers über — 26° nicht hinausgeht. (Vgl. 1876 220 463.) Müntz scheint meine Arbeiten nicht zu kennen, ebenso die HH. Girard und Laborde, die zur selben Zeit eine Abhandlung der Akademie überreicht haben (vgl. 1876 220 257), in der sie nachweisen, daß im Rohrzucker ein optisch neutraler, aber reducirender Zucker vorkomme, in Uebereinstimmung, wie sie sagen, mit einer schon ältern Meinung Dubrunfaut's. Girard, dem ich sofort einen Protest hiegegen erklärt habe, bezieht sich hierbei auf eine Stelle in der Sucrerie indigène vom 5. November 1869, wo es heißt: „Die Glucosearten, die im Rohrzucker vorkommen, sind entweder optisch neutral, oder aber sie finden sich in solchen Verhältnissen vor, daß ihre specifische Drehkraft als Invertzucker sich der Messung des Saccharimeters entzieht.“ Wenn man dies für sich liest, so kann man glauben, daß Dubrunfaut von einer optisch neutralen Glucose spricht, welche im Handelszucker vorkomme und noch nicht aufgefunden worden sei. Aber diese Phrase steht in dem betreffenden Artikel nicht allein, sondern es geht eine ganz verständliche Erklärung voraus. Dubrunfaut sagt nämlich S. 198: „Wir haben anderswo festgestellt, daß dieser neutrale Zucker nichts anders ist als alterirter Invertzucker — in der Art, daß seine entgegengesetzten Drehungen sich in optisch gleichen Verhältnissen vorfinden, und das ist sehr häufig, wenn nicht immer der Fall bei den Glucosearten, die man, sei es in den Melassen, sei es im Handelszucker, begegnet, selbst wenn diese Producte aus dem Zuckerrohre herstammen.“ Angesichts dieses fast unmittelbar vorausgehenden Satzes begreift man die Hartnäckigkeit Girard's nicht, wenn er sagt: „Einerseits hat Dubrunfaut schon seit langem die Meinung ausgesprochen, daß dieser reducirende Zucker keine Rotationskraft besitzt — mit Ausnahme in den exotischen Melassen.“ Der Gedanke Dubrunfaut's ist durchaus nicht dieser. Es handelt sich nicht um einen Zucker, um eine Glucose; denn Dubrunfaut hat obigen Satz nur geschrieben, um eine Meinung Mitscherlich's zu bekämpfen, welcher den neutralen Zucker, der seinen Namen trägt, für einzig, d. h. für eine einzige Species hielt. Dubrunfaut meint, die Glucosearten fänden sich im alterirten Invertzucker in optisch gleichen Verhältnissen sehr häufig, wenn nicht immer, in den Rohrzuckern vor, und zwar selbst in denen, welche aus dem Zuckerrohre kamen, und das stimmt durchaus nicht mit der eben citirten Behauptung der HH. Girard und Laborde. — Dubrunfaut bestätigt vielmehr, daß der von Mitscherlich angekündigte specielle Zucker von Fensky ein doppelter ist: er ist gebildet aus zwei Glucosen von gleichen optischen Verhältnissen, selbst im Zuckerrohre (aber nicht mit Ausnahme der exotischen Melassen). Girard und Laborde begehen daher einen Irrthum, wenn sie von einem einzigen Zucker sprechen, um dessen Entdeckung Dubrunfaut zuzuschreiben. Dieser Zucker, welchen Fensky, Soubeiran, Jodin in der Hand gehabt haben, kennt man erst seit meiner Abhandlung vom 9. Mai 1870 (Comptes rendus, t. 70 p. 1023 und Journal des Fabricants de sucre, 12. Mai 1870). Ist dieser Zucker ein Handelszucker, oder ist er nur eine einfache Mischung von zwei Glucosen, deren optische Kraft sich ausgliche, wie Dubrunfaut gelehrt hat? Unter den gewöhnlichen Verhältnissen der Zuckerfabrikation kann der neutrale Zucker Dubrunfaut's nicht vorkommen, denn da derselbe aus alterirtem Invertzucker herstammt, so kann er erst auftreten nach der totalen Invertirung des normalen Zuckers. Weder Dubrunfaut noch Girard und Laborde haben daran gedacht. Der im Zucker des Handels vorkommende neutrale Zucker kann kein anderer sein als der, welchen ich entdeckt habe; es ist der, welcher durch eine Alteration nicht des Invertzuckers, sondern des normalen Zuckers entsteht, wodurch seine Drehung von 100° nur bis 0° des Saccharimeters herabgeht, bevor nur irgend eine Spur Invertzucker gebildet ist. Diese Alteration wird veranlaßt durch das Wasser in Folge einer unvermeidlichen und um so mehr hervortretenden Einwirkung, als die Eindampfungen länger dauern und bei höherer Temperatur vorgenommen werden. Im Zucker des Handels existiren, wie gesagt, zwei Varietäten dieses neutralen Zuckers: die eine reducirt die Fehling'sche Lösung; es ist diejenige, welche in den Proben vorherrschte, die von Girard und Laborde analysirt wurde; — die andere verhält sich gegen dieses Reagens ebenso neutral wie gegen das polarisirte Licht. Diese zweite Varietät habe ich in mehreren Sorten des Handelszuckers gefunden und erst neulich bei einer solchen Analyse 11 Proc. davon constatirt. Die Analysen von Girard und Laborde zeigen Abweichungen, welche einzig und allein der Gegenwart dieser zweiten Varietät zuzuschreiben sind, in dem Falle nämlich, wo die Kupferlösung mehr Zucker anzeigt als das Saccharimeter. Dieser optisch neutrale Zucker wird von der Kupferlösung an und für sich ebenso intact gelassen wie der Rohrzucker. Aber nach der Inversion, welcher er ebenso unterliegt wie der normale Zucker, wird er natürlich durch jene Lösung angezeigt und wie normaler Zucker titrirt. Nichts ist verwickelter als die Inversion des normalen Zuckers. Die Producte sind viel zahlreicher, als man ursprünglich annahm; außer der Glucose und Chylariose existirt auch noch neutraler Zucker und dieser zum Mindesten in zwei Varietäten. Sind diese vier Körper beständig? Man kann es von keinem derselben behaupten, es wäre denn von der Glucose. Auch hat man noch nicht die Einwirkung des Wassers auf diese Körper geprüft; ich bin bestrebt, diese Lücke durch Versuche auszufüllen, welche bereits sehr zahlreich sind. Die ersten Resultate berechtigen mich zu der Hoffnung, die Aufmerksamkeit der betreffenden Kreise später in Anspruch nehmen zu dürfen. V. G.