Titel: Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch, Hauptmann a. D. in Berlin.
Autor: F. Hentsch
Fundstelle: Band 222, Jahrgang 1876, S. 225
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Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch, Hauptmann a. D. in Berlin. Mit Abbildungen auf Taf. VI [c.d/1]. (Fortsetzung von S. 133 dieses Bandes.) Hentsch, über neue Handfeuerwaffen. Gewehrsystem Dreyse, Modell 1876. Im Anfange dieses Jahres ist vielfach von einer Waffe die Rede gewesen, welche sich durch ihre Einfachheit und Solidität vor allen andern Gewehren derselben Gattung auszeichnen sollte. Diese Waffe ist von dem kgl. Geh. Commissionsrathe Franz v. Dreyse in Sömmerda construirt worden, augenblicklich wohl als das vollkommenste Modell der Cylinderverschlüsse anzusehen und zeigt mit dem Mauser-Systeme im großen Ganzen viele Verwandtschaft. Was die Construction der Waffe betrifft, so finden wir bei dem Laufe eine besonders originelle, von allen andern Handfeuerwaffen abweichende Einrichtung, welche zuerst von Nicolaus v. Dreyse, dem Erfinder der Cylinderverschlußgewehre, vorgeschlagen und praktisch zur Ausführung gebracht worden ist. Vor etwa 20 Jahren wurde nämlich die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt nöthig sei, den Lauf seiner ganzen Länge nach mit Zügen zu versehen, und ob nicht ein kurzer gezogener Theil mit sehr scharfem Dralle am hintern Ende der Seele, dort wo das Projectil seinen Weg antritt, genüge, um letzterm eine ausreichende Rotationsgeschwindigkeit zu geben. Es war der niemals rastende und begabte Commissionsrath Nicolaus v. Dreyse, welcher auf diese Idee kam und den Gedanken weiter verfolgte, um hieraus Nutzen für sein Vaterland zu ziehen. Derselbe suchte nämlich das alte, werthvolle Material der ehemaligen glatten Infanteriebewaffnung nutzbar zu machen; da indessen in Folge der Verwendung der besten Waffen zur Umänderung nach dem Minnié-Systeme nur die schlechtesten und bereits stark abgenützten Gewehre zur Ausführung seines Planes, sie nach dem Zündnadelsysteme umzuändern, übrig geblieben waren, diese aber ein Einschneiden von Zügen wegen ihrer geringen Eisenstärke nicht gestatteten, so suchte sein erfinderischer Geist nach einem Auswege in dieser Verlegenheit, und man kann wohl sagen, daß er ihn gefunden hat, obgleich seine Idee aus andern Gründen bei der Bewaffnung der preußischen Armee nicht zur Ausführung gelangt ist. N. v. Dreyse stellte 1855 die Behauptung auf, daß es nur nöthig sei, den Läufen einen sehr starken Drall auf etwa 26mm Länge zu geben, daß der andere Theil der Seele aber glatt sein könne und dennoch mindestens ebenso gute Resultate als mit ganz gezogenen Läufen erzielt würden. Er stützte diese seine Behauptung auf die in Sömmerda gemachte Erfahrung, daß sich anscheinend das Geschoß des Zündnadelgewehres von dem Spiegel bereits im Rohre und zwar in seinem ersten Drittel trenne. Dreyse bestritt anfangs die Richtigkeit dieser Behauptung, stimmte ihr indessen später bei; dennoch war seine ursprüngliche Ansicht die richtige. Nachdem er aber einmal obiger Ansicht beigetreten, folgerte er weiter hieraus, daß, wenn das Projectil sich so zeitig vom Spiegel trenne und, wie alle Versuche ergeben hatten, dennoch durch letztern in der kurzen Zeit seines Zusammenbleibens hinreichende Rotationsfähigkeit erlangt habe, es unnöthig sei, die Züge durch den ganzen Lauf zu führen, und dasselbe erreicht werden müsse, wenn man sie nur so lang mache, als das Geschoß und Spiegel zusammen haften. Deshalb gab Dreyse den Läufen auf etwa 78mm Länge einen sehr scharfen Prall und ließ den übrigen Theil der Seele glatt. Wenngleich dieser Construction eine falsche Idee zu Grunde lag, da sich Spiegel und Geschoß erst außerhalb des Laufes trennten, so fiel das Endresultat doch sehr gut aus, und waren die mit diesen so eingerichteten Gewehren erlangten Schießergebnisse vorzüglich, ja sie übertrafen sogar in Bezug auf Gestrecktheit der Flugbahn, Percussionskraft etc. die mit ganz gezogenen Läufen gewonnenen. Diese Idee ist nun von dem Sohne Franz v. Dreyse bei dem in Rede stehenden Modelle (Fig. 22 bis 34) wieder aufgenommen und in den hintern Theil des glatten Laufes A ein kurzes Rotationsstück a mit sehr steilen Zügen eingesetzt worden, welches durch die Hülse B auf seinem Platze erhalten wird. Hinter den Zügen befindet sich im Rotationsstücke die zur Aufnahme der Metallpatrone bestimmte glatte Bohrung, das Patronenlager, welches im hintern Theile eine Ausfräsung besitzt; letztere ist nicht allein zur Aufnahme des Patronenbodens, sondern auch des vordern Theiles des Verschlußcylinders bestimmt und an der untern Seite, links von der Verticalebene der Seelenachse mit einer Auslassung zur Aufnahme des Extractorhakens J versehen. Auf das hintere Ende des Laufes A ist die cylindrische Hülse B aufgeschraubt, welche im Allgemeinen derjenigen des preußischen Zündnadelgewehres entspricht; dieselbe dient zur Aufnahme der andern Schloßtheile und bringt sie in Verbindung mit dem Laufe. Hinter ihrem auf den Lauf geschraubten Kopfe ist sie auf ihrer obern und rechten Seite geöffnet, und zwar reicht diese Oeffnung, die Patroneneinlage, nach rechts bis auf den Schaft hinunter, während die linke Hülsenwand stehen geblieben ist. Die Grenze der Patroneneinlage nach hinten bildet ihre rechte Seitenwand, deren vordere Fläche im untern Theile senkrecht abgeschnitten, im obern abgerundet ist. Durch letztere Einrichtung soll bewirkt werden, daß bei dem Schließen des Gewehres die Führungswarze der Kammer C sich leicht in den für sie bestimmten Einschnitt legt, zugleich aber auch der Verschlußkopf D vor und fest in den Lauf A gepreßt wird. Von der Patroneneinlage nach rückwärts geht im obern Theile ein gebrochener Gang zum Bewegen und Herausnehmen des Kammeransatzes. Das Knie des Ganges begrenzt die Rückwärtsbewegung des letztern bei dem Oeffnen des Gewehres. Die Hülse B besitzt der Länge nach eine cylindrische Bohrung. Dieselbe hat im vordern Theile eine geringere Weite als im hintern und dient ersterer zur Aufnahme des vordern Theiles des Verschlußkopfes D. Der engere Theil ist etwa 30mm lang, 17mm weit und geht nach hinten unter abgerundetem Absatze in die 23mm weite, zur Aufnahme des Verschlußcylinders C, auch Kammer genannt, dienende Bohrung über. Unmittelbar hinter der rückwärtigen Rotationsstückfläche ist die engere Bohrung mit einer weitern, 10mm langen Ausdrehung y versehen, um bei etwa eintretendem Springen einer Patronenhülse das Entweichen der nach hinten ausströmenden Pulvergase zu ermöglichen und für den Schützen unschädlich zu machen. Endlich finden wir in diesem engern Theile der Hülsenbohrung noch in der untern Wand zur linken Seite einen Gang für den Extractor J, dessen untere Fläche in derselben Ebene wie die Wand der hintern weitern Bohrung liegt. In letzterer ist an der rechten Seite eine mit ihrer hintern Begrenzungsfläche etwa 7mm von dem hintern Hülsenende entfernte Auslassung angebracht, von welcher in ihrem obern Theile ein Gang nach rückwärts herausführt, und welche den erforderlichen Raum zum Bewegen des an dem Spannstücke E befindlichen Ansatzes e schafft. Während die rechte Hülsenwand hinten senkrecht zur Seelenachse abgeschnitten ist, verläuft die linke unter einer Curve f nach dieser Richtung, und hat dies den Zweck, daß mit Hilfe eines an der Kammer C befindlichen, gleichfalls mit einer Abschrägung f' versehenen Ansatzes z die Kammer C bei dem Aufdrehen zugleich etwas zurückgeführt und dadurch die Patronenhülse in ihrem Lager gelockert wird. Diese Einrichtung entspricht der Abrundung der hintern Hülsenkopffläche des deutschen, französischen, holländischen u.a. Ordonnanz-Gewehres. An der untern Seite der Hülse ist mittels einer Schraube die Abzugsfeder H mit dem Abzugsfederstollen, welcher durch eine Oeffnung der Hülse in deren Inneres tritt, und dem Abzuge befestigt. Die Kammer C entspricht im Allgemeinen dem entsprechenden Theile der andern Gewehre dieser Gattung. Dieselbe tritt nicht selbst in den Lauf, zum Verschluß desselben, sondern hat zu diesem Zwecke einen beweglichen, von ihr getrennten Verschlußkopf D erhalten; sie besitzt cylindrische Gestalt, auf ihrer Außenfläche einen Ansatz (durch welchen sie bei dem Schusse in ihrer Lage erhalten wird, indem derselbe sich in die rechtsseitige Auslassung der Hülse legt), einen Knopf zur Handhabung und an der untern Seite eine Längs- und Querauslassung v resp. w zum Eintreten des Abzugsfederstollens. Diese Auslassungen stehen senkrecht zu einander, gehen aber nicht, wie allgemein üblich, unter scharfem Winkel in einander über, sondern es ist die innere Ecke x entsprechend der hintern Abschrägung f der linken Hülsenwand abgeschrägt. An dem hintern Ende in der Richtung der Kammerwarze ist eine etwa 21mm lange, schmale, durch die ganze Wandstärke hindurchgehende, geradlinige Auslassung u angebracht, welche an ihrem vordern Ende unter rechtem Winkel in einen nach rechts gerichteten, 15mm langen Quergang t übergeht. Dieser ist in seinem untern Ende mit einer nach hinten gerichteten abgerundeten Auslassung s versehen. Die ganze Auslassung dient zur Aufnahme eines Ansatzes e des Spannstückes E; speciell in die letztere Ausrundung s legt sich derselbe bei gespanntem Gewehre und wird darin durch den Druck der Spiralfeder erhalten. Da der Ansatz e genau in diese Auslassung s paßt, so wird ein Drehen des Spannstückes E in der Kammer C dadurch verhindert und muß dasselbe die Bewegung des letztern mitmachen. Rechts von der Kammerwarze befindet sich in der innern Wandfläche der Kammer der Länge nach eine 42mm lange Nuth r behufs Aufnahme eines Ansatzes c des Verschlußkopfes D und Schlagbolzens F. Etwa 8mm von dem vordern Ende mündet in diese Auslassung r eine ringförmige, senkrecht zu ihr stehende Ausdrehung von gleicher Breite, in welche der Verschlußkopfansatz c eintritt, sobald die Kammer in der Hülse liegt, und wird derselbe durch die erstere Nuth in letztere eingeführt. Während somit der Verschlußkopf D in der Kammer C sich frei und unabhängig von der letztern um seine Achse drehen kann, muß der Schlagbolzen F die Drehung der Kammer mitmachen. Letztere ist mit einer der Länge nach durch sie hindurchgehenden, cylindrischen und durchweg gleich weiten Bohrung versehen. Der hintere Theil der Kammer endlich besitzt einen nach oben hervorragenden Ansatz z, welcher in der Richtung und zwar hinter der Warze liegt und dessen vordere Fläche f' nach links abgeschrägt ist. Diese Abschrägung gleitet bei dem Aufdrehen der Kammer an der hintern schiefen Fläche f der linken Hülsenwand entlang, und wird dadurch die Kammer C zurückgezogen. In diesem über dem Gange u für den Ansatz e des Spannstückes oder Schlößchens E liegenden Ansatze z befindet sich eine Auslassung zum Durchlassen des letztern. Der den Verschluß des Laufes und das Spannen des Gewehres bewirkende Verschlußkopf D besitzt in seinem über die vordere Fläche der Kammer hervorstehenden Ende denselben Durchmesser wie letztere und vergleicht sich mit derselben. An dem vordern Ende geht er unter senkrechtem Absatze in den kurzen, cylindrischen, eigentlichen Verschlußtheil über, welcher in die Laufbohrung tritt. Die dadurch entstehende senkrechte Fläche legt sich gegen die hintere Rotationsstückfläche, und dienen erstere und letztere somit als eigentliche Verschlußflächen. Nach hinten geht der Kopf absatzartig in einen ebenfalls cylindrischen, aber geringern und zwar den Durchmesser der Kammerbohrung besitzenden, 15mm langen Theil über, welcher in letztere tritt. Auf diesem Theile, rechts von dem Ansatze b des vordern Theiles, ist ein anderer quadratischer Ansatz c angebracht, welcher in die ringförmige Auslassung der Kammerbohrung tritt, den Verschlußkopf an der Kammer festhält, ihm aber eine Drehung in letzterer gestattet. An dem hintern Ende besitzt dieser geringern Durchmesser habende Verschlußkopftheil eine 12mm hervorstehende Verlängerung q. Dieser die Hälfte des Umfanges breite Ansatz q ist an der rechten Seite mit einer schiefen Fläche versehen, welche sich gegen eine entsprechende Fläche des Schlagbolzens F legt, zum Spannen des Gewehres dient und den schiefen Flächen des ältern Systemes Friedrich entspricht. Hinten ist dieser Ansatz gerade abgeschnitten, und legt sich gegen diese Fläche bei dem Oeffnen des Gewehres die vordere Fläche des Schlagbolzens F. Der vordere Theil des Verschlußkopfes ist auf dem hintern Ende mit einem Ansatze b versehen, dessen linke Seite sich gegen die linke Hülsenwand legt und ein Drehen des Verschlußkopfes D bei dem Auf- und Linksdrehen der Kammer C verhindert. An der nach unten gerichteten, in der vordern engern Hülsenbohrung liegenden Seite ist der Verschlußkopf entsprechend diesem Hülsentheile geschwächt und legt sich gegen die untere Fläche dieser Abschwächung der Extractor J. Der Verschlußkopf besitzt der Länge nach eine centrale Durchbohrung zur Aufnahme des Bolzenrohres N, dessen Vierkant die hintere Fläche des Verschlußkopfansatzes noch um etwa 3mm überragt. Der Extractor J besteht aus einem federnden, nach vorn mit einem Haken hervorstehenden Stahlstäbchen, welches am hintern Ende mit einem daselbst befindlichen, nach hinten sich verbreiternden, schwalbenschwanzartigen Fuße in eine entsprechende Auslassung des vordern Theiles des Verschlußkopfes geschoben ist und darin durch eine Schraube festgehalten wird. Letztere könnte indessen auch weggelassen werden, da der Extractor durch die schwalbenschwanzartige Gestalt des Fußes an einem Herausfallen nach oben verhindert wird, nach vorn nicht heraustreten kann, weil sich die Auslassung für den Fuß nach hier verjüngt, und nach hinten nicht auszuweichen vermag, weil sich gegen seine hintere Fläche die vordere Seite der Kammer C legt. Das Schlößchen E (Fig. 33 und 34) besteht aus einem der Weite der Kammerbohrung entsprechend dicken und in letzterer liegenden Cylinder, welcher nach hinten mit einer kurzen, ringförmigen Verstärkung endigt. Letztere legt sich mit ihrer vordern, senkrechten Fläche gegen die hintere Kammerfläche bei gespanntem Gewehre und ist mit einem Griffe, dem Daumstollen, zur Handhabung versehen. 3mm vom vordern Ende sitzt auf dem Schlößchen ein cylindrischer Ansatz e, welcher in die oben angegebenen Auslassungen u, t und s der Kammer und Hülse tritt und das Schlößchen festhält. Die cylindrische Bohrung des letztern nimmt das hintere Ende der Spiralfeder und des Schlagbolzens F auf, besitzt etwa 17mm von ihrem vordern Ende eine ringartige Verengung p, gegen welche sich die Spiralfeder stützt. Hinter dieser Verengung erweitert sich die Bohrung wieder und ist dann nach hinten geschlossen. Der Schlagbolzen F tritt somit nicht nach hinten heraus, und obgleich dadurch das Eindringen von Schmutz und Staub und bei etwaigem Springen einer Patronenhülse das Ausströmen von Pulvergasen nach hinten verhindert wird, so hat diese Einrichtung doch den Nachtheil, daß der Schütze von außen nicht mehr erkennen kann, ob die Waffe gespannt ist oder nicht. In der innern ringförmigen Verengung befindet sich ein Gang o, welcher zum Durchlassen eines an dem hintern Ende des Schlagbolzens F angebrachten Ansatzes d (Fig. 22) dient. Dieser legt sich gegen die hintere Fläche der Verengung p, und wird dadurch die Spiralfeder und der Schlagbolzen in dem Schlößchen festgehalten. Der Schlagbolzen F entspricht im Allgemeinen demjenigen des preußischen Zündnadelgewehres, besitzt cylindrische Gestalt, zwei Köpfe, von denen der hintere zum Spannen des Gewehres dient, und nimmt den Schlagstift g in sich auf. Der vordere Schlagbolzenkopf hat einen nach vorn hervorstehenden Ansatz n erhalten, welcher an der linken Seite eine der schiefen Fläche des Verschlußkopfansatzes entsprechend abgeschrägte Fläche besitzt. Beide schiefen Flächen liegen bei abgeschossenem und geschlossenem Gewehre an einander. Außen besitzt der vordere Kopf einen Ansatz m, welcher in die oben angegebene Nuth r der Kammerbohrung tritt und ein Drehen des Schlagbolzens F in der Kammer C verhindert. Endlich hat er der Länge nach eine Auslassung l erhalten, um über den Abzugsfederstollen bei dem Oeffnen des Gewehres hinweggleiten zu können. In dem Schlößchen wird der Schlagbolzen, wie schon erwähnt, durch einen an seinem hintern Ende befindlichen Ansatz d (Fig. 22) gehalten. Der aus einem Stücke gefertigte kräftige Schlagstift G (Fig. 26) besitzt im vordern, aus dem Schlagbolzen nach vorn hervorstehenden Ende conische Gestalt, an seinem hintern Ende ein Schraubengewinde, mit dem er in den Schlagbolzen geschraubt wird. Vorgeschleudert wird er durch eine Spiralfeder, welche sich um den hinter dem rückwärtigen Kopfe liegenden Theil des Schlagbolzens F legt. Was das Zusammenwirken der Schloß- und Verschlußtheile betrifft, so steht bei abgeschossenem Gewehre (Fig. 25) der Schlagstift G etwas über die vordere Fläche des Verschlußkopfes D hervor und zwar mit seiner Spitze dort, wo er die am hintern Ende im Boden der Patrone befindliche Zündmasse getroffen hat. Der vordere Schlagbolzenkopf liegt an der hintern Fläche des Bolzenrohres N, die schiefe Fläche seines Ansatzes n an der schiefen Fläche des Verschlußkopfansatzes q, der Ansatz e des Schlößchens E in der Querauslassung s der Kammer C, und wird darin durch den Druck der etwas angespannten Spiralfeder gehalten. Der Daumstollen des Schlößchens E ist nach rechts gerichtet, der Extractor J mit seinem Haken vor den Patronenbodenrand getreten. Behufs Ladens wird die Kammer C nach links gedreht, welche Bewegung der Schlagbolzen F mitmachen muß, weil sein Ansatz m in der betreffenden Nuth r der Kammerbohrung liegt. Ebenso wird auch das Schlößchen E durch seinen Ansatz e gezwungen, die Drehung auszuführen. Dagegen verharrt hierbei der Verschlußkopf D in seiner Lage und wird an dem Drehen durch seinen an der rechten Hülsenwand liegenden Ansatz b und den Extractor J verhindert. Da ferner sein in der Kammer liegender Ansatz c in der ringförmigen Auslassung der letztern sich befindet, so kann die Kammer C sich um den hintern Theil des Verschlußkopfes D drehen. Bei dem Aufdrehen der Kammer wird sie aber zugleich auch etwas zurückgeführt; denn die schiefe Fläche f' ihres an dem hintern Ende befindlichen Ansatzes z gleitet an der linken Hülsenwandabschrägung f entlang, muß somit nach hinten ausweichen, und wird dies dadurch ermöglicht, daß die die Patroneneinlage hinten begrenzende Fläche der rechten Hülsenwand im obern Theile abgerundet ist, die Kammerwarze somit auch nach hinten ausweichen kann. Der Verschlußkopf D macht diese kurze Rückwärtsbewegung mit, ebenso der mit ihm verbundene Extractor J, und wird dadurch die Patronenhülse in ihrem Lager gelockert. Da nun, wie wir oben gesehen haben, die schiefe Fläche q des Verschlußkopfes D in ihrer Lage verharrt, die an ihr liegende schiefe Fläche n des Schlagbolzens F aber die Drehung des letztern mitmacht, so gleiten die schiefen Flächen an einander entlang, der Nadelbolzen wird dadurch zurückgedrückt und die Spiralfeder, welche an einem Ausweichen nach hinten durch das Schlößchen E verhindert wird, gespannt. Sobald die schiefen Flächen an einander vorbei gegangen sind, legen sich bei fortgesetzter Drehung die geraden Flächen der resp. Ansätze n und q gegen einander und halten den Schlagbolzen und die Spiralfeder in der gespannten Stellung fest. Hierdurch ist der Schlagbolzen so weit zurückgedrückt, daß sich der Abzugsfederstollen vor den hintern Schlagbolzenkopf legt. Alsdann zieht man die Kammer so weit zurück, bis ihre Warze das Hülsenknie trifft und die Patroneneinlage frei gemacht ist. Die Schloßtheile verharren dabei in obiger Stellung, und obgleich der Abzugsfederstollen hierbei bis in die Auslassung l im vordern Schlagbolzenkopfe gleitet, so verharrt der Schlagbolzen doch in seiner Lage und die Spiralfeder in gespanntem Zustande, trotzdem der Widerstand des Abzugsfederstollens fortfällt, weil, wie oben angegeben, die vordere Fläche des Bolzens sich gegen die hintere des Verschlußkopfansatzes q legt. Der Verschlußkopf D hat die Rückwärtsbewegung mitmachen müssen, weil sein Ansatz c in der ringförmigen Querauslassung der Kammer liegt und nicht nach vorn ausweichen kann. Ebenso ist auch der mit ihm fest verbundene Extractor J zurückgegangen und hat hierbei die Patronenhülse bis in die Patroneneinlage zurückgezogen. Zur gänzlichen Entfernung derselben aus letzterer muß das Gewehr nach rechts gedreht werden. Nach dem Einführen der neuen Patrone wird die Kammer C vorgeschoben, hierbei zugleich die Patrone gänzlich in den Lauf gebracht; der Extractor J springt mit seinem Haken über den Rand des Patronenbodens hinweg und legt sich vor ihn. Hierauf wird die Kammer C nach rechts gedreht. Da hierbei nun die geraden Flächen des Schlagbolzens F und Verschlußkopfes D von einander getrennt werden, so würde ersterer vorschnellen, wenn ihn nicht der Abzugsfederstollen hieran hinderte. Bei dieser Drehung gleitet die hintere Fläche der Kammerwarze an der Abrundung der die Patroneneinlage hinten begrenzenden Hülsenfläche entlang, wird vorgedrückt, mit ihr die Kammer und der Verschlußkopf, und pressen sich in Folge dessen die Verschlußflächen fest gegen einander. Zieht man mittels des Abzuges den Abzugsfederstollen nieder, so wird der Schlagbolzen frei, durch die Spiralfeder vorgeschnellt und erfolgt die Entzündung der Patrone. Um das Gewehr in Ruhe zu setzen, wird der SchlößchenbaumstollenSchlößchendaumstollen etwas vorgeschoben, der Widerstand der etwas gespannten Spiralfeder überwunden, der Daumstollen nach links gedreht, der Ansatz e des Schlößchens E in die Längsnuth u der Kammer und Hülse geführt und das gänzliche Heraustreten des Schlößchens nach hinten durch den am vordern Nadelbolzenkopfe befindlichen, in der Kammernuth r liegenden Ansatz m verhindert. Hierbei ist noch zu bemerken, daß ein Aufschlagen der Kammer in der Ruhestellung nicht möglich ist, weil alsdann der Schlößchenansatz in die nach hinten durchgehende horizontale Nuth der Hülse getreten und somit eine Drehung der Kammer verhindert ist. Es ist daher ein Oeffnen und Laden des Gewehres aus der Ruhestellung nicht möglich. Das Gewehr erfordert somit drei Griffe, nämlich 1) Aufdrehen und Zurückziehen der Kammer, 2) Herauswerfen der Patronenhülse, 3) Vorschieben und Zudrehen der Kammer. Die Zahl der Schloßtheile ist gering und besonders geringer als die des Reichsgewehres, Modell 1871. Es existiren nämlich nur folgende Theile: 1) Hülse 7) Extractor mit Schraube (welche indessen 2) Abzugsfeder mit Schraube             überflüssig ist) 3) Abzug 8) Schlößchen 4) Kammer 9) Schlagbolzen 5) Verschlußkopf 10) Schlagstift 6) Bolzenrohr 11) Spiralfeder. Das Deutsche Gewehr, Modell 1871 besitzt außer diesen Theilen aber noch folgende: 12) die Kammerscheibe mit Halteschraube 13) Sicherung mit Haltestift 14) die Schlagbolzenmutter. Auch in der Beziehung zeigt sich das vorliegende Modell dem letztern sowohl, als auch dem französischen Gewehre von Gras und den andern Cylinderverschlußwaffen gegenüber erheblich überlegen, als zu seiner Auseinandernahme nicht wie bei diesen ein besonderes Instrument erforderlich ist, sondern der Schütze mit den Fingern allein die Zerlegung des Mechanismus auszuführen im Stande ist. Behufs Auseinandernahme wird die Kammer C mit eingeschobenem Schlößchen E nach links gedreht, der Abzug zurück, dadurch der Abzugsfederstollen aus der Hülsenbohrung nieder- und hierauf die Kammer ganz aus der Hülse B herausgezogen, alsdann das Schlößchen E vorgeschoben, nach links gedreht und sein Ansatz e in die nach hinten herausführende Nuth u der Kammer C gelegt. Nunmehr kann der Verschlußkopf D gedreht werden, und geschieht dies so weit, bis sein Ansatz c in die Längsnuth r der Kammerbohrung tritt, worauf er aus der Kammer 2mm nach vorn entfernt wird. Hierauf erfaßt man Kammer C und Verschlußkopf D fest mit der linken Hand so, daß der Daumen und Zeigefinger das Herausfliegen des Verschlußkopfes bei dem demnächstigen Freiwerden der Spiralfeder verhindert. Sodann wird das Schlößchen E wieder vorgeschoben, wobei der Daumen und Zeigefinger den Verschlußkopf behufs seines gänzlichen Entfernens aus der Kammer langsam vorgleiten läßt. In Folge des Vorschiebens hat nun der Schlagbolzenansatz d eine solche Stellung angenommen, daß er nach dem Entfernen des Verschlußkopfes D den Gang o (Fig. 34) in der ringförmigen Verengung p der Schlößchenbohrung passiren kann, worauf der Schlagbolzen F mit Schlagstift G nach vorn und das Schlößchen E nach hinten aus der Kammer C entfernt wird. Schließlich schraubt man den Schlagstift G aus dem Schlagbolzen F heraus. Das Zusammensetzen geschieht in folgender Weise: 1) Einführen des Schlagbolzens F von vorn in die Kammer C; – 2) Einstecken des Schlößchens E mit der Spiralfeder von hinten in die Kammer C und Vorschieben des erstern wie im gespannten Zustande; – 3) Aufsetzen des Verschlußkopfes D auf die Kammer C so, daß der schmale hintere Ansatz c des erstern in die Nuth r der letztern eintreten kann; hierauf kräftiges Herunterdrücken des Verschlußkopfes D, bis die hintere Fläche desselben auf der Kammer aufsitzt, und alsdann Drehen des Verschlußkopfes nach links, bis dessen schiefe Fläche q hörbar eintritt. Nachdem dies ausgeführt ist, erfolgt 4) das Wiedereinführen der Kammer C in die Hülfe B, wozu es folgender Handgriffe bedarf: a) das Schlößchen E muß in der Kammer, wenn dies nicht schon der Fall ist, im vorgeschobenen Zustande sich befinden, eventuell vorgeschoben werden. – b) Hierauf wird die Kammer mit ihrem Inhalte in die Hülse etwa 30mm tief bis an die vordere Seite der Kammerknopfwarze (die dies übrigens auch nicht tiefer gestattet) hineingesteckt und zwar so, daß der vordere, äußere, breite Ansatz b des Verschlußkopfes D nach oben steht, mithin der Kammerknopf quer nach rechts liegt, und dieser Ansatz in den Gang der Hülse tritt, darauf die Kammer an ihrem Knopfe erfaßt und unter Anwendung von Gewalt so weit nach links gedreht, daß der Knopf senkrecht über der Kammer steht, hierauf der Abzug so weit als möglich zurückgezogen und die Kammer vollends in die Hülse geführt. Behufs Herausnahme des Rotationsstückes aus dem Laufe ist erforderlich: 1) das Abschrauben der Hülse B von dem Laufe A mittels eines dazu passenden Schlüssels; 2 a) das Einführen eines den hintern Theil des Patronenlagers im Rotationsstücke dicht ausfüllenden messingenen Cylinders in das Patronenlager; b) das Aufstecken und Festschrauben des Rotationsschlüssels auf den aus dem Laufe hinten heraus reichenden Theil des Rotationsstückes; c) Herausziehen, dabei aber nicht Drehen des Rotationsstückes aus dem Laufe, eventuell mittels einiger Hammerschläge gegen den Hebelarm des Rotationsschlüssels. Nach Obigem bestehen somit die Hauptvorzüge dieser Waffe vor den andern Cylinderverschlußgewehren in Folgendem. 1) Das Auseinandernehmen und Zusammensetzen des Mechanismus erfordert kein besonderes Instrument, sondern kann mit Leichtigkeit in kürzester Zeit von dem Schützen unter alleiniger Anwendung seiner Finger ausgeführt werden; denn wir finden nur eine Schraube (die Extractorschraube) vor, welche indessen auch, wie wir nachgewiesen haben, überflüssig ist und in Fortfall kommen kann. 2) Die Ruhestellung ist vollständig gesichert und übertrifft in dieser Beziehung das Dreyse'sche Modell sowohl das Deutsche Gewehr, Modell 1871, als auch das französische Gewehr, System Gras, Beaumont und die sonstigen zur Einführung gelangten Cylinderverschlußsysteme bei Weitem; denn während bei diesen ein besonderes, nur diesem Zwecke und oft sogar nur mangelhaft dienendes Anhängsel dem Mechanismus hinzugefügt werden mußte, ist die Ruhestellung bei dem in Rede stehenden Modelle in der Construction selbst begründet. 3) Die Anzahl der Schloßtheile ist gering und die einzelnen Theile sind solide, compact und widerstandsfähig, so daß sie wenig Veranlassung zu Reparaturen bieten. Als Uebelstände sind zu bezeichnen, daß 1) der Schütze von außen nicht sehen kann, ob das Gewehr gespannt oder abgeschossen ist, ein Uebelstand, welcher indessen durch die Anbringung einer Oeffnung im Boden des Schlößchens behufs Heraustretens des Schlagbolzens bei gespanntem Gewehre leicht beseitigt werden kann; 2) das Auswerfen der Patrone nicht automatisch erfolgt, sondern hierzu ein Drehen des Gewehres und Anwendung der Hand unter besondern Umständen erforderlich ist. Allein auch dieser Uebelstand dürfte leicht zu beseitigen sein, wie durch die Einrichtung des französischen Gras-Gewehres bewiesen worden ist. Das Gesammturtheil muß hiernach dahin gefällt werden, daß das Dreyse'sche Rotationsgewehr, Modell 1876 in Bezug auf seine Schloß- und Verschlußconstruction als das vollkommenste Gewehr mit Cylinderverschluß zu betrachten und in jeder Beziehung als durchaus kriegsbrauchbar zu bezeichnen ist. (Fortsetzung folgt.).

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