Titel: Ueber Deacon's Chlorbereitung; von Dr. Konrad Jurisch.
Autor: Konrad Jurisch
Fundstelle: Band 222, Jahrgang 1876, S. 567
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Ueber Deacon's Chlorbereitung; von Dr. Konrad Jurisch. Jurisch, über Deacon's Proceß der Chlordarstellung. Auf die Bemerkungen des Hrn. Robert Hasenclever (S. 256 dieses Bandes) über meine Arbeit habe ich Folgendes zu erwiedern: Als Hr. Hasenclever im Februar 1875 nach England kam und die ersten Mittheilungen über seine Ansichten in Betreff der schädlichen Reactionen der Schwefelsäure in Gasform machte, war ich in Folge meiner Analysen der die Thonkugeln überkleidenden Substanzen bereits ebenfalls zu der Ansicht gelangt, daß die Schwefelsäure einen schädlichen Einfluß ausübe, und zwar auf die Activitätsdauer der Thonkugeln. Durch die gegenseitigen Mittheilungen kürzlich gewonnener Ansichten war in mir die irrthümliche Vorstellung der Gleichzeitigkeit entstanden, welche erst durch Hasenclever's Anspruch auf Priorität berichtigt worden ist. Ebenso scheine ich in einem gänzlichen Irrthum befangen gewesen zu sein in Betreff der Mitwirkung des Hrn. Sartori bei der Entwicklung der Ansichten Hasenclever's. Daß ich in der von mir analysirten rohen Salzsäure eine beträchtliche Menge Schwefelsäure fand, wird Hr. Hasenclever begreiflich finden, wenn er berücksichtigt, daß ich die Probe am Ende einer Activitätsdauer des Processes zog, und zwar aus den ersten Kühltrögen, in welchen sich die noch heißen Gase nur theilweise verdichteten, so daß die Salzsäure von mehreren Tagen sich darin ansammeln konnte, ich also sicher war, nicht blos eine gute Durchschnittsprobe zu erhalten, sondern auch alle die Substanzen zu finden, welche überhaupt aus dem Zersetzungsapparate sich verflüchtigt hatten. Die Beobachtungen von Hasenclever, nach denen die unzersetzt aus Deacon's Proceß entweichende Salzsäure frei von Schwefelsäure ist, stehen übrigens andern Beobachtungen gegenüber, nach denen dies nun für eine ganz kurze Zeit im Anfange einer Periode der Fall ist, und zwar auch nur dann, wenn die Thonkugeln zum ersten Male benützt werden, während in der überwiegend größern Zeit die Salzsäure sich schwefelsäurehaltig zeigt, wie dies ja auch von Hrn. Hasenclever auf S. 254 zugegeben wird. Hasenclever bestreitet meine Aussage, daß man es in England vorgezogen hat, die Schwefelsäuredämpfe auf nassem Wege, durch partielle Condensation der Dämpfe, ehe sie in den Erhitzungsapparat eintreten, aus dem Gasgemenge zu entfernen, indem er behauptet, daß kein Fabrikant bisher die Absicht hatte, die Schwefelsäure als schädlich zu beseitigen. Angenommen die Zeitbestimmung „bisher“ bezeichne das Ende des J. 1874, so mag Hr. Hasenclever vielleicht recht haben, obgleich ich über die Absichten des verstorbenen Henry Deacon nicht so genau unterrichtet bin, um darüber ein Urtheil zu geben. Sicher ist nur, daß Deacon oft bestimmte Absichten verfolgte, ohne irgend Jemanden in sein Vertrauen zu ziehen. Die Thatsache, daß man bei Benützung der Ofengase eine schlechtere – und namentlich kürzere Zeit dauernde – Production von Chlor erzielte, als wenn man nur die Pfannengase allein anwendete, ist schon 1873 oder Anfang 1874 beobachtet worden; aber man schrieb dies hauptsächlich dem Arsen zu. Da fand nun Dr. Hurter, daß das Arsen schon größtentheils von der Pfanne aus sich verflüchtigte, daß also die schädliche Wirkung der Ofengase in einem andern Körper ihre Ursache haben müsse. Es ist mir nicht bekannt, ob Dr. Hurter oder Henry Deacon nicht schon damals den naheliegenden Schluß auf die Schädlichkeit der Schwefelsäure gemacht haben. Bezeichnet die Zeitbestimmung „bisher“ aber das Ende des J. 1875, so muß ich meine Aussage, welche von den Informationen des Hrn. Hasenclever abweicht, aufrecht erhalten. In der Fabrik von James Muspratt and Sons in Widnes wurde im März oder April 1875 zwischen Pfanne und Erhitzer ein Sandsteintrog eingeschaltet in der ausgesprochenen Absicht, wenigstens einen Theil der Schwefelsäure zu condensiren, wobei man zugleich den Vortheil im Auge hatte, die Gase zu trocknen, wenn dabei auch ein Theil der Salzsäure sich verdichtete. In der Fabrik der Hrn. Gaskell, Deacon und Comp. schaltete man sogar die eine Hälfte der Kühltröge zwischen Pfanne und Erhitzer ein in der erklärten Hauptabsicht, die Gase zu trocknen, aber wohl auch mit der Nebenansicht, die Schwefelsäure zu condensiren. Denn in dieser Zeit nahm Henry Deacon ein Patent auf Reinigung der Gase von einer großen Zahl von Verunreinigungen, unter denen auch Schwefelsäure sich befand; und zwar war dieses Patent in so allgemeinen Ausdrücken abgefaßt, daß es verschiedene Methoden deckte. Als einfachste Methode bot sich natürlich die partielle Condensation dar. In einer Fabrik bei Manchester wurden ebenfalls lange Kühlwege und Kühltröge angewendet. Was schließlich die großen Veränderungen betrifft, welche in der Construction der Apparate stattgefunden haben, und die Hr. Hasenclever genauer specificirt wünscht, so möchte ich mir erlauben, dieselben nur in allgemeinen Umrissen anzudeuten. Von der ursprünglichen Form des Zersetzungsapparates, bestehend aus 10 senkrechten Abtheilungen mit quadratischem Querschnitt, wobei der Gasstrom auf- und absteigend alle 10 Behälter nach einander passirte, ging man zunächst zu wenig augenfälligen Veränderungen über; durch Oeffnen der Seitenwände an zweckentsprechenden Stellen verwandelte man den früheren Kasten mit 10 Behältern in zwei Kästen mit je 5 Behältern; man ließ den Gasstrom beim Eintritt sich gabeln und dann die Zweigströme beim Austritt sich wieder vereinigen. Dabei ließ man den Zweigstrom entweder auf- und abgehend die fünf Behälter nach einander passiren, oder man ließ ihn diagonal sich ausbreiten. Oder endlich, man machte den ganzen Kasten zu einem einzigen Behälter, in welchem der Gasstrom, über die ganze Breite und Höhe sich ausdehnend, langsam vom obern Eintritt nach dem untern Austritt diagonal sich fortbewegte. Darauf ließ Deacon einen fast kugelförmigen Apparat construiren mit kegelförmig aufgestelltem Rost und besondern permanenten Füllungs- und Entleerungsvorrichtungen, um denselben in kürzester Zeit mit neuem Material zu beschicken. Eine Fabrik bei Manchester stellte Ende 1875 zwei cylindrische Behälter von 10 bis 12 Fuß engl. (3,05 bis 3m,66) Durchmesser und etwa 15 Fuß (4m,57) Höhe in einen Ofen, und hat seit Anfang dieses Jahres noch einen zweiten solchen Apparat aufgestellt. An einer andern Stelle hat man mit ausgezeichnetem Erfolg einen einzigen cylindrischen Zersetzungsapparat benützt. In einer Fabrik in Lancashire hat man einen viereckigen Kasten mit geneigten Roststäben und Füllvorrichtung zum leichtern Entleeren und Beschicken angewendet. Ferner hat man einen cylindrischen Apparat construirt mit einem jalousieartig angeordneten innern Mantel von ringförmigen Roststäben, so daß der Gasstrom radial durch einen cylindrischen Mantel von zersetzendem Material durchzugehen hat. Mit allen diesen neuen Constructionen des eisernen Behälters gingen die Veränderungen der Erhitzungsvorrichtungen Hand in Hand. Manche dieser Constructionen machen den bisher üblichen Erhitzer überflüssig, indem sie Erhitzer und Zersetzer in einen Körper vereinigen. Wo aber ein getrennter Erhitzer erforderlich ist, sind für denselben ebenfalls verbesserte Constructionen vorhanden. Welche Construction für den Deacon'schen Proceß unter dieser großen Auswahl die beste ist, ist bis jetzt noch nicht festgestellt. Widnes in Lancashire, 11. November 1876.