Titel: | Ueber Concentration von Schwefelsäure aus 60° B. und über Denitrirung der nitrosen Schwefelsäure des Gay-Lussac'schen Apparates; von Friedr. Bode, Civilingenieur in Hannover. |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 393 |
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Ueber Concentration von Schwefelsäure aus
60° B. und über Denitrirung der nitrosen Schwefelsäure des
Gay-Lussac'schen Apparates; von Friedr. Bode, Civilingenieur in Hannover.
Mit Abbildungen.
(Fortsetzung von S. 300 dieses
Bandes.)
Bode, über Concentration von Schwefelsäure.
B) Beschreibung und kritische
Vergleichung der Methoden zum Denitriren der nitrosen (Thurm-)
Schwefelsäure.
In dem Plane sind nur zwei verschiedene Apparate zur Zersetzung der nitrosen
Schwefelsäure angegeben, die hier eingehender zu vergleichen sind, nämlich
Kochtrommeln und Cascaden. Hierbei ist abgesehen erstens von dem Gloverthurme, von
welchem später besonders zu reden ist; sodann zweitens von einer Vorrichtung ältern
Datums, welche, in gewissem beschränkten Sinne ein Vorläufer des Gloverthurmes,
gegenwärtig wohl kaum noch irgendwo in Anwendung sein dürfte, aber in manchen neuern
und neuesten Werken, welche Abbildungen zur Schwefelsäurefabrikation geben, noch
immer dargestellt ist. Bevor ich auf die Kochtrommeln und Cascaden näher eingehe,
dürfte es sich verlohnen, zu untersuchen, weshalb diese Apparate (der in Wagner's chemische Technologie, 7. Aufl. S. 211
beschriebene – ich will ihn Thurmapparat nennen – und der in Knapp's Lehrbuch der chemischen Technologie, 3. Aufl. 1.
Band 2. Abth. S. 326 und 392 zu findende – ich will ihn Etagenapparat nennen)
sich nicht bewährt haben und nicht bewähren konnten, und ferner darzulegen,
inwiefern man sie Vorläufer des Gloverthurmes nennen kann.
Der Etagenapparat bildet eine kleine Bleikammer von nur wenigen Cubikmetern Inhalt,
in welche der Höhe nach über einander fünf verschiedene Bleiböden eingelöthet sind.
Dieselben lassen abwechselnd an entgegengesetzten Seiten der Kammer den Durchgang
für die unter dem untersten Boden eintretenden schwefligsauren Gase frei, welche den
Apparat somit im Zickzack durchstreichen und oberhalb des obersten Bodens durch ein
Rohr nach der ersten eigentlichen Schwefelsäurekammer abgeführt werden. Die nitrose
Schwefelsäure gelangt durch die Decke des Apparates mittels eines Hahnes, regulirt
durch einen Welter'schen Trichter, auf den obersten und nach und nach auf den
zweiten, dritten . . . Boden, nimmt hier große Oberflächen und langsam abwärts
gehende Bewegung an, kommt dabei reichlich mit den schwefligsauren Gasen in
Berührung und ist am Fuße des Apparates denitrirt, so daß sie entweder direct
abgezogen oder in die erste Säurekammer übergeführt werden kann. Der Thurmapparat
bildet einen im
Grundriß quadratischen oder kreisförmigen, aus Bleiblech hergestellten Thurm, in
welchen unten die Röstgase eintreten und sich unter einem Roste ausbreiten, auf
welchem eine Kokesfüllung ruht. Die nitrose Schwefelsäure wird mittels einer Brause
über die Kokes ausgespritzt, rieselt abwärts dem aufsteigenden Gasstrome entgegen
und geht denitrirt am Boden des Thurmes ab.
Bis hierhin würde man in beiden Fällen durchaus blos Abänderungen des Glover'schen
Apparates vor sich haben, da zur Zersetzung der nitrosen Schwefelsäure nur die
Wirkung der schwefligen Säure in Anspruch genommen wäre. Aber diese Meinung muß doch
sofort aufgegeben werden, sobald man sieht, daß man beiden Apparaten Wasserdampf
zuführte. In dem Etagenapparat tritt unten ein besonderer Wasserdampfstrahl ein, und
wenn auch die Abbildung des Thurmapparates bei R. Wagner
keine besondere Dampfzuströmung hat, so ist in der Beschreibung doch gesagt, daß die
schwefligsauren Gase, bevor sie in den Thurm gelangen, zuvor durch mit Wasser
gefüllte Tröge streichen. Die Gase werden sich darin, ihrer Temperatur gemäß, mit
Wasserdampf sättigen und also immerhin auch sehr feucht in den Denitrificator
treten. Man wird kaum fehlgehen, wenn man behauptet, daß diese Combination und
Häufung der Mittel zur Zersetzung der nitrosen Schwefelsäure, nämlich der Anwendung
von schwefliger Säure und gleichzeitig von Wasser oder von Wasserdampf, diese
älteren Denitrificatoren zu wenig dauerhaften und darum wohl völlig verdrängten
Apparaten gemacht hat. So wie erfahrungsmäßig bei kleinen Bleikammern und Tambouren,
wie sie früher gewissermaßen als Vorapparate für Bleikammersysteme sehr beliebt
waren, der Verschleiß am Blei größer ist als bei geräumigen Bleikammern, so hat
jedenfalls auch bei diesen Denitrificatoren eine starke Abnutzung stattgefunden.
Diese schnellere Zerstörung des Bleies aber dürfte aus folgender Betrachtung
erhellen, welche ebenso für diese Denitrificatoren, wie für kleine Kammern und
Tamboure am Anfange von Kammersystemen anwendbar ist.
Von dem Wasserdampf, welchen man in die Bleikammern einströmen läßt, sättigen sich zu
einem Theile die Gase entsprechend ihrer Temperatur, während der andere Theil in
Form von kleinen Bläschen als Nebel sich vertheilt. Die entsprechendste Vertheilung
des Wasserdampfes in einer Bleikammer findet offenbar dann statt, wenn diese
Nebelbildung den ganzen Raum gleichmäßig ausfüllt. Es wird dann die gebildete
Schwefelsäure am vollständigsten von den Nebelbläschen aufgenommen, die sich langsam
niedersenken und in der Bodensäure der Kammer aufgehen. Trifft nun der ausströmende
Dampf auf eine feste Wand, so findet an derselben eine reichliche Condensation statt. In einer
Bleikammer würde so an den Wänden herabrinnendes Wasser oder (herabrinnende schwache
Säure), ganz abgesehen von der Wirkung auf das Blei, die Bodensäure verdünnen,
folglich zu einer Verminderung des in Bläschenform vorhandenen Wassers nöthigen,
folglich, da das letztere die mechanische Condensation
der Schwefelsäure befördert, die Niederschlagung der Schwefelsäure erschweren.
Offenbar läßt sich nun in kleinen Kammern und Tambouren (was ja die älteren DenitrificatorenDenitrifactoren sind) nur schwierig verhindern, daß, auch bei nur einer Dampfeinströmung und bei geringer Dampfspannung, nicht eine ziemlich
starke Portion von Wasserdampf an den Wänden sich condensirt und als schwache Säure
herabrinnt. Da diese schwache Säure, oder vielmehr das Wasser derselben,
Salpetergase als Salpetersäure aufnimmt, welche in verdünntem Zustande noch viel
schneller das Blei auflöst als in verstärktem, so resultirt schon hieraus eine
rasche Abnutzung der Wandungen.
Gewöhnlich tritt aber ein anderer Umstand hinzu, welcher das Uebel noch
verschlimmert. Die geringe Zuführung an Wasserdampf nämlich, sowie auch der Umstand,
daß von diesem Wasserdampf ein relativ großer Antheil sich an den reichlich
vorhandenen Oberflächen als flüssiges Wasser niederschlägt, sind Ursache, daß sich
die gar nicht völlig zu vermeidenden Wechsel im Kammergange in ungewöhnlich hohem
Grade bei so kleinen Räumen bemerklich machen in der Stärke der gebildeten
Schwefelsäure, über welche die bekannten Tropfapparate dem Beobachter Auskunft
geben. Fällt durch derlei Wechsel im Kammergange die gebildete Säure stärker als
normal, d.h. als etwa 50° B. oder 1,5 spec. Gew., so findet schon bei etwas
höherer Concentration der Säure Aufnahme von salpetriger Säure seitens der erzeugten
Schwefelsäure stattMan kann Kammersäure von 53° B. haben, welche noch nach schwefliger
Säure riecht, also jedenfalls – wenn überhaupt – nur wenig
Salpetergase enthalten kann. F. B. 1876., und der Proceß, welcher sonst erst im Gay-Lussac-Thurme vor
sich gehen sollte, geht theilweise bereits in der Kammer, sehr am unrechten Orte,
vor sich. Ich möchte nun nicht sagen, daß die in dieser Weise in der Bleikammer
erzeugte Nitrose Schwefelsäure schon an sich den Bleiwandungen wesentlichen Schaden
zufügt. Kenne ich doch Gay-Lussac-Thürme, welche seit 1866 mit
nitroser Schwefelsäure von 60° B. arbeiten, ohne daß das Blei wesentlich
angegriffen wäre. Wohl aber findet eine energische Beschädigung statt, wenn nach
natürlicher oder künstlicher Beseitigung der Umstände, welche die Bildung der zu
starken, nitros gewordenen Schwefelsäure veranlaßt hatten, die Säure wieder
schwächer fällt und hierdurch die den Bleiwandungen immer noch adhärirende nitrose
Schwefelsäure verdünnt, mithin zersetzt und ihrer salpetrigen Säure gänzlich oder
zum Theil beraubt wird.
Betrachtet man das Innere einer im Gange gewesenen Bleikammer, so bemerkt man an den
Wänden gleichmäßig einen dünnen, weißen und schmierigen Ueberzug von Bleisulfat.
Derselbe ist nicht etwa eine Folge von fehlerhaftem Kammerbetriebe, sondern auch bei
den bestbetriebenen Kammern vorhanden. Wie ein Niederschlag völlig durchtränkt ist
mit der Flüssigkeit, in welcher er dargestellt wurde, so ist dieser Ueberzug
imprägnirt mit der an den Wänden herabgegangenen Schwefelsäure. Wenn die letztere
nun von mehr als normaler Stärke, somit nitros war, so kann man diese Durchtränkung
besonders auffällig daran wahrnehmen, daß eine Portion von solchem Bleisulfat,
obgleich scheinbar mit wenig Gehalt an Flüssigkeit, auf Zusatz von Wasser doch rothe
Dämpfe ausgibt. Ja, wenn die Stärke der Säure und ihr Gehalt an salpetriger Säure
hoch war, so lassen sich an solchem schwefelsauren Bleioxyd bei vorsichtigem Zusatz
von Wasser sogar die prachtvollen grünen und blauen Färbungen wahrnehmen, welche R.
Weber zuerst beschrieben und als in Wasser aufgelöste
freie salpetrige Säure erkannt hat.
Es möchte wohl nur wenige Schwefelsäurefabrikanten geben, welche noch nicht die
Beobachtung gemacht haben, daß der in Rede stehende weiße Ueberzug der innern
Kammerwände zuweilen an den Tropfapparaten, welche die Stärke der erzeugten
Schwefelsäure angeben, in großen Mengen zum Vorschein kommt. Wenn nun aber der
Ueberzug immer vorhanden ist, so entsteht die Frage:
weshalb werden Theile davon nicht constant von der austropfenden Säure weggeschwemmt
und am Tropfloch zum Vorschein gebracht, und warum erscheint die austropfende Säure
nicht constant mindestens milchig? Hierauf wird meistens mit dem Hinweise auf die zu
starke Säure geantwortet, welche diese unangenehme Erscheinung verursachen soll.
Dieser Hinweis ist aber zu unbestimmt und er läßt die sehr nahe liegende Frage
offen, warum man aus dem Gay-Lussac-Apparat, in welchem constant und
absichtlich starke Säure nitros herab gelassen wird, nicht ebenso constant milchig
und trübe abfließende Säure erhält. Nicht die starke Säure an sich kann also Ursache
sein, daß der Ueberzug von Bleisulfat losgelöst und von den Kammerwänden
herabgeschwemmt wird, sondern es ist vielmehr erst die Verdünnung der zu stark und
nitros gewordenen Schwefelsäure. Durch diese Verdünnung wird in dem weißen Ueberzuge
durch und durch eine Gasentwicklung hervorgerufen,
die gebundene salpetrige Säure entweicht, und wenn sie auch nicht – was dahin
gestellt sein mag – im Momente des Freiwerdens das Blei angreift und zur
sofortigen Neubildung von Bleisulfat mitwirkt, so lockert sie doch, in vielen
kleinen Bläschen entweichend, den Zusammenhang des Ueberzuges und befähigt ihn
nunmehr, reichlich von der niederrinnenden Säure abgeschwemmt zu werden.
Diese Erklärung ist auch mit der Thatsache in Uebereinstimmung, daß das Erscheinen
von milchiger Säure sich erst bemerklich macht, wenn die Tropfsäure in der
Concentration wieder rückwärts geht. Also nicht sowohl die Erzeugung von zu starker
Säure ist nachtheilig für das Blei, als vielmehr der
Wechsel in der Erzeugung von zu starker und normaler und noch mehr von zu
starker und zu schwacher Säure. Je öfter man durch solche Wechsel die Kammerwände
abspült, desto öfter bildet sich der erwähnte Ueberzug wieder neu, desto schneller
ist das Kammerblei löcherig. Da nun aber derlei Wechsel sich bei kleinen Räumen
besonders leicht einstellen, so muß man auch eine schnellere Zerstörung des zu
denselben verwendeten Bleies erwarten, und dies ist durch die Erfahrung im
Allgemeinen bestätigt.
Aus der vorangehenden Darstellung dürfte erhellen, daß, wie gesagt, ein Zuviel in den
Mitteln zur Zersetzung der nitrosen Schwefelsäure die angeführten ältern
Denitrificatoren zu Falle gebracht hat. Zur Vermeidung der ihnen anhaftenden
Mißstände schlug man in der Folge den einfachern Weg ein, indem man zunächst von der
Mitwirkung der schwefligen Säure zur Zersetzung Abstand nahm (dies war ein
Rückschritt) und nur mehr Wasser oder Wasserdampf anwendete. Um nicht neuerdings dem
Verderben schnell ausgesetzte Apparate zu haben, mußte das Blei alsdann möglichst
ausgeschlossen bleiben, wie es bei den Kochtrommeln der Fall ist. Oder man nahm
schon vorher gebrauchte Apparate, Cascaden aus Steinzeug, die bereits zur Zersetzung
der Salpetersäure bekannt waren. Auf dem andern Wege, von der alleinigen Anwendung
der schwefligen Säure zum Zersetzen der nitrosen Schwefelsäure ist John Glover zur Construction des nach ihm benannten Thurmes
gelangt, mit welchem ein wesentlicher Fortschritt in der Schwefelsäurefabrikation zu
verzeichnen ist.
Ich gehe nunmehr zur Beschreibung und Betrachtung der Kochtrommeln und Cascaden
über.
1) Kochtrommeln.
Die üblichste Form einer Kochtrommel findet man abgebildet in Bolley's Handbuch der chemischen Technologie
(Abschnitt Schwefelsäure). Das daselbst mitgetheilte Bild stellt eine Trommel
dar, wie sie an den Bleikammersystemen der k. sächsischen Hütten bei Freiberg
ausgeführt sind.
Dieselbe genügt einem System, welches bis zu 125 Ctr. Schwefelsäure von
66° B. in 24 Stunden erzeugt. Es ist versucht worden, Kochtrommeln in der
Weise, wie die genannte, aber mit Weglassung des Bleimantels zu bauen. Von
einigen derartigen Versuchen kann ich berichten, daß sie mißglückt sind –
nicht in erster Linie, weil sich das Mauerwerk nicht dicht herstellen ließe, als
vielmehr, weil der verwendete Mörtel (sei es Theermörtel oder Asphalt) in der
Wärme nachgiebig wird und sodann das Mauerwerk, der äußern Umhüllung ermangelnd,
ins Wanken kommt und undicht wird.
In Figur
34 Tafel IX [d/1] ist noch eine
Kochtrommel skizzirt, welche in der Wahl der dazu benutzten Materalien völlig
von den sonst gebräuchlichen abweicht. Sie ist ausgeführt von Dr. C. Gilbert auf den
Werken der Firma E. Güssefeld in Hamburg. Der lichte
Durchmesser ist etwa 40cm, die Höhe
etwa 4m. a,
a sind zwei Gasretorten, welche an der Stoßfuge mit Asphalt gedichtet
sind. Es werden zu diesem Zweck die Enden der Retorten, welche an einander
gestoßen werden sollen, erwärmt, dann die untere Retorte am obern Rande mit
Asphalt begossen und die obere Retorte darauf gesetzt. Den Boden b und den Deckel c
bilden runde Chamotteplatten; der Deckel ist mit einer Oeffnung versehen, in die
das Thonrohr d paßt, welches die entbundenen
Salpetergase und den überschüssigen Wasserdampf nach der Bleikammer abführt. Die
Stücke a, a sind schon vor ihrer Aufstellung mit
Oeffnungen versehen für den Eintritt der nitrosen Schwefelsäure bei e, des Wasserdampfes bei f und für den Abfluß der denitrirten Schwefelsäure bei g. Man bringt um die Retorten die gußeisernen, etwa
13mm starken Cylinder h, h, die ebenfalls mit Bohrungen für e, f und g versehen
sind, welche mit denen in den Wandungen der Retorten correspondiren. Der untere
Cylinder h ist mit der kreisförmigen gußeisernen
Bodenplatte verschraubt, ebenso beide Cylinder unter sich. Man führt nunmehr die
Rohre in die Kochtrommel ein, für e ein weites
Glasrohr, in welches das schwächere Trichterrohr später eingeschoben und
verkittet wird, das Dampfrohr und das Ablaufrohr von Blei. Man erwärmt nunmehr
die Trommel gelinde von innen und vergießt sodann den ganzen Zwischenraum
zwischen a und h, der
etwa 4cm stark ist, mit bereit
gehaltenem geschmolzenem Asphalt. Die Trommel ist mit Quarzbrocken ausgefüllt
und die Mündung des Dampfrohres am Boden durch überdeckte Steine geschützt,
welche Spalten zwischen sich lassen. Der Asphalt, welcher verwendet wurde, war
schwer schmelzbar und von hohem Siedepunkte. Von Auswechslungen des Thonrohres
d abgesehen, die bei andern Kochtrommeln
ebenfalls vorkommen, ist dieser Apparat 5 Jahre lang ohne Anstände in Thätigkeit gewesen
– ein Lob, welches man sonst nicht vielen Kochtrommeln ertheilen kann. Er
gehört zu einem Bleikammersystem, das in 24 Stunden 120 Ctr.
66°-Schwefelsäure erzeugt.
Eine bestimmte Regel zur Bestimmung der Größenverhältnisse von Kochtrommeln ist
mir nicht bekannt und wüßte ich auch nicht recht abzuleiten. Man wählt allgemein
die Dimensionen ziemlich willkürlich und zwar, wie mir gelegentlich klar wurde,
zu groß. Ich fand nämlich an einem Bleikammersysteme von etwa 80 Ctr. Leistung
an 66°-Säure an Stelle der Kochtrommel einfach einen mit
Quarzbrocken gefüllten Thontopf von der Art, wie man sie als Vorlagen bei der
Condensation von Salpetersäure und Salzsäure anzuwenden pflegt. Die Denitrirung
war eine vollkommene.
In Fig. 35
bis 37
Tafel V [b/3] ist ein Denitrificator dieser Art zur
Anschauung gebracht. Man läßt die Töpfe (von etwa 250l Inhalt) am besten mit zwei Stutzen
a und b am Boden
versehen; einen für den Ablauf der verdünnten Säure, den andern für das
Dampfrohr. Die freigemachten Salpetergase entweichen durch die beiden
Entbindungsrohre c nach der Bleikammer und sind
dieselben im Tubulus des Topfes entweder mit Kitt gedichtet, wie c₁, oder mit hydraulischem Verschluß versehen
wie c₂. Durch Anordnung zweier Rohre hat man
den Vortheil, daß dieselben sich weniger stark erwärmen als ein einziges und
somit dauerhafter sind. An der Kammerwand sind zur Aufnahme der Rohre
Bleistutzen angelöthet, über welche das Rohr selbst mehrere Centimeter
hinausragen muß. Mündet das Rohrende bereits im Stutzen selbst aus, so wird
derselbe sehr bald zerstört, weil sich aus den Salpetergasen bei Gegenwart von
Wasser, das sich an den kälteren Theilen der Rohre niederschlägt, Salpetersäure
bildet, welche das Blei energisch angreift. Aus demselben Grunde ist es
überhaupt zweckmäßig, dem Rohre Fall nach der Kammer zu geben und entweder den
untern Theil desselben mit einer Schneppe zum Abtropfen zu versehen, so daß die
abtropfende Flüssigkeit nicht mehr am Rohre selbst zurücklaufen und die
Kammerwand erreichen kann, oder an der Abtropfstelle, wie dies in der Zeichnung
bei d angedeutet ist, einige gebogene Glasröhren in
das Rohr zu legen, an denen die Tropfen abfallen. Der Topf steht in einer
Thonschale e auf einem Sockel von gut gebrannten
Thonsteinen. Die nitrose Schwefelsäure tritt durch den Trichter f in den Topf, und derselbe Tubulus, welcher diesen
Trichter aufnimmt, kann nöthigenfalls noch einen zweiten (g) fassen, durch welchen man Wasser zutreten läßt. Auf den Boden des
Gefäßes muß man einige größere Quarzstücke oder Thonsteine derart legen, daß die
Bleirohre geschützt sind.
Kochtöpfe dieser Art sind wesentlich billiger als Kochtrommeln; es läßt sich
daher auch leicht ein Reserveapparat halten oder ein neuer anfügen, wenn man
erkennt, daß die gewünschte Leistung für einen Topf zu groß ist. Daß in diesem
Falle die entbundenen Gase nicht durch eine, sondern durch eine Anzahl von
Oeffnungen in die Kammer eintreten, dürfte eher als ein Vortheil, denn als
Nachtheil zu betrachten sein, weil dabei eine gleichmäßigere Vertheilung dieser
Salpetergase im Kammerquerschnitt stattfindet (dieselben auf der kurzen, nicht
auf der langen Kammerseite einströmend gedacht), welche Vertheilung alsdann
nicht mehr allein der Wirkung der Diffusion überlassen ist.
2) Cascaden.
Stohmann und Engler
(Handbuch der technischen Chemie, 1872 1. Band S. 249) bilden für die Zersetzung
von Salpetersäure eine Cascade ab, welche ich weder für diesen Zweck, noch für
die Zersetzung von nitroser Schwefelsäure zur Nachahmung empfehle. Sie besteht
aus einer Reihe von Thonröhren, die unten geschlossen
sind und oben sich schalenartig erweitern. Sie leidet an dem Fehler, daß die
Theile wenig stabil sind – um so weniger, je höher sie werden, und daß,
wenn man die Rohre ziemlich weit nehmen wollte, um die Stabilität zu vermehren,
ein kleines Kapital von Salpetersäure hineingesteckt werden müßte, welches nur
langsam, vielleicht gar nicht mehr zur Wirkung kommt, weil am Boden der Rohre
sich voraussichtlich schwere Schwefelsäure ansammeln wird, die einen Theil der
Stickstoffverbindungen als salpetrige Säure bindet.
Als Unterlagen für die Schalen wende ich nur noch Thoncylinder mit solider Basis
an, die sich gut bewährt haben. In Fig. 38 und 39 Tafel
IX [a/4] ist eine Cascade abgebildet, wie ich sie
zuletzt ausgeführt habe. Die Schalen haben 68 bis 70cm obern Durchmesser und 8cm Höhe. Der Abflußschnabel ist so tief
eingeschnitten, daß der Säurestand kaum 4cm hoch ist. Als Untersätze für die Schale dienen Thoncylinder von
drei verschiedenen Durchmessern, und ihre Höhen sind stets so gewählt, daß man
für die einzelnen Schalen den erforderlichen Niveauunterschied erhält. Die erste
Sorte der Cylinder hat 30cm
Durchmesser, und die einzelnen Stücke haben Höhen von bez. 36, 44, 48 und 56cm. Diese Cylinder sind beiderseits
ohne Boden. Die zweite Sorte hat 40cm
Durchmesser, und die Höhen sind: 28, 32, 40, 44, 48, 52, 56, 60 und 64cm. Bei der dritten Sorte von 50cm Durchmesser sind die Höhen: 28, 36,
44 und 52cm; sie ist, wie auch Sorte 2,
einseitig mit einem
Boden versehen, in welchem einige kleine Löcher angebracht sind, damit die
eingeschlossenen Gase circuliren können.
Die Gefäße für Wasser und für nitrose Schwefelsäure stehen auf einem Podium,
welches womöglich etwas höher als die oberste Schale der Cascade hergestellt
sein muß. Das Gefäß für nitrose Schwefelsäure ist hier als eine Schluckflasche
von Blei (Mariotte'sche Flasche) gedacht, welche den Ausfluß der Säure in
constanter Menge gibt. Die Schluckflasche wird aus einem darüber stehenden
Gefäße wieder gefüllt, sobald sie sich nahezu entleert hat. Der Wasserkasten a ist von dünnem Eisenblech und mit Auslaufhahn
versehen; er wird ebenfalls aus einem höher stehenden Gefäße gespeist, und zwar
unter Benutzung eines durch eine hohle Schwimmerkugel von Messing regulirten
Hahnes. In den Kasten a taucht ein von der
Hauptleitung für die Bleikammern abgezweigtes schwaches Dampfrohr, in welches
oberhalb des Kastens ein Hahn eingeschaltet ist. Man kann so das Wasser beliebig
erwärmen.
Bei Bleikammern, welche ohne Bedachung im Freien stehen, erhält man, auch wenn
die Dampfrohre eingehüllt sind, selbst im Sommer, mehr Condensationswasser aus
der Dampfleitung, als man zur Zersetzung der nitrosen Schwefelsäure bedarf.
Führt man dieses Wasser in den Wasserkasten zurück und versieht denselben mit
einem Ueberlauf, so kann man die Regulirung durch Schwimmer entbehren, da der
Ausfluß dann ohnehin bei constanter Druckhöhe erfolgt. Auch bei in Gebäuden
stehenden Bleikammern gibt die Dampfleitung, wenn sie nicht sehr sorgsam umhüllt
ist, meistentheils genug Wasser zur Zersetzung der nitrosen Schwefelsäure, und
man kann dann, wofern man die Condensationswässer zu dem Kasten zurückführt,
sowohl das separate Pumpen von Wasser, als auch das Wasserreservoir sparen,
welches sonst oberhalb des Wasserkastens a vorhanden
sein muß.
Wasser und nitrose Schwefelsäure gehen durch Glasrohre, welche hydraulische
Verschlüsse bilden, in die Bleikammer (die Stutzen in der Kammerwand sind etwas
nach innen geneigt und werden nach Einsetzung des Glasrohres mit Theerkitt
ausgefüllt), wo sie sich in eine größere Porzellanschale c ergießen und mengen. Dieselbe steht, von einigen Steinbrocken
umgeben, in der obersten Cascadenschale und ist ihre Anwendung der Vorsicht
wegen zu empfehlen, damit durch die Hitze, welche bei der Mengung von Wasser und
starker Säure entsteht, das Material der Steinzeugschale nicht leidet. Aus der
tiefsten Schale tritt die verdünnte Säure in einen Topf d aus dickem Blei, der durch ein Rohr mit einem zweiten Topfe e, welcher außerhalb der Kammer steht, verbunden
ist. Man kann somit Proben anstellen und sich von dem Grade der Verdünnung und
Zersetzung überzeugen. Auch bei sehr langen Cascaden mit zahlreichen Schüsseln
enthält nun aber die verdünnte Säure noch Luftbläschen, welche den Uebergang der
Säure aus d nach e
verlangsamen oder ganz unterbrechen könnten, wenn sie in dem Verbindungsrohre
Gelegenheit finden, sich in größern Blasen anzusammeln. Man versieht dasselbe
daher absichtlich mit einer Biegung nach oben, setzt auf dieselbe ein Luftrohr
f, durch welches die Gasblasen entweichen
können. Aus e geht die Säure in die Kammer zurück;
das Rücklaufrohr ist zu einem Wasserverschluß gebogen und trägt ebenfalls ein
Luftrohr g. Die schwefligsauren Gase treten durch
das Rohr h in die Kammer, und ist die Cascade so
gestellt, daß die Gase die ganze Länge derselben möglichst bestreichen und zwar
die letzten Schalen zuerst. Wenn in dieser Beziehung die allgemeine Disposition
eine solche Einrichtung nicht gestattet, so kann man sich durch Anbringung eines
Vorhanges a (Fig. 40 Tafel III
[d/3]) helfen, der ein oberhalb des
Eingangsrohres b angebrachtes Dach hat, so daß eine
Art Schilderhaus entsteht. Die besprochene Cascade würde für eine Bleikammer von
100 bis 150 Ctr. Leistung an 66°-Schwefelsäure in 24 Stunden
genügen.
Die Thonwaarenfabrik von Chr. Fikentscher in Zwickau
liefert Cascaden für Salpetersäure in der Manier der Figur 41 Tafel III
[d/4], die auch für nitrose Schwefelsäure
angewendet werden können und wegen der großen Oberflächen, welche die Säure
einnimmt, sowie auch wegen der häufigen Bewegung, welcher sie unterworfen ist,
jedenfalls von einer recht guten Wirkung sind.
(Fortsetzung folgt.)