Titel: Die Einwirkung von Malzauszug auf Stärke.
Autor: Grießmayer
Fundstelle: Band 225, Jahrgang 1877, S. 175
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Die Einwirkung von Malzauszug auf Stärke. Grießmayer, über die Einwirkung von Malzauszug auf Stärke. C. O'Sullivan (Journal of the Chemical Society, August 1876), welcher der Wiederentdecker der Maltose genannt zu werden verdient (vgl. 1874 214 339) 1876 220 39), hat unsere Kenntnisse über den Verzuckerungsproceß neuerdings bereichert. Die Resultate, zu welchen er gelangte, verdankt er einer glücklichen Combination der chemischen mit der optischen Methode. Da die specifische Drehung der Maltose zu 150 und des Dextrins zu 214 festgesetzt ist, so läßt sich aus einem Gemenge beider Substanzen der Procentgehalt an denselben leicht berechnen. So kommt O'Sullivan zu folgenden Sätzen: 1) Maltose und Dextrin sind die einzigen Producte der Einwirkung von Malzauszug auf Stärke. 2) In der Kälte findet keine Einwirkung des Malzauszuges auf unverkleisterte Stärke statt. 3) Malzauszug beginnt Stärke in Lösung zu bringen bei der Verkleisterungstemperatur oder einige Grade unter derselben. 4) Kleister wird schon in der Kälte (10 bis 20°) von Malzauszug in Lösung gebracht; ist die Verkleisterung der Stärke vollendet, so wird auch die Saccharification vollständig. 5) Wird Stärke bei einer Temperatur unter 63° mit Malzauszug digerirt und die Flüssigkeit nach 5 bis 10 Minuten abgekühlt und filtrirt, so enthält dieselbe immer Maltose und Dextrin in dem constanten Verhältnisse von 67,85 Proc. Maltose zu 32,15 Proc. Dextrin: (αj) = 170,57°. Es treffen also hier auf 1 Maltose 0,47 Dextrin. Zur Beurtheilung der optischen Probe möge obiges Verhältniß durchgerechnet werden. Durch Behandlung von 5g Stärke mit 15cc Malzauszug mit einem Gehalte von 0g,436 Trockensubstanz erhielt man eine Flüssigkeit mit dem Gehalte von 3g,7841 Trockensubstanz in 100cc. Diese Flüssigkeit, beobachtet in einer 200mm langen Röhre des Soleil'schen Saccharimeters, drehte α = + 58,75°; der Malzauszug selbst aber drehte α = + 1,64°, also bleibt für die optische Activität der Stärkmehlproducte nur mehr 57,11°. Hieraus berechnet sich nun die specifische Rotation, wie folgt: 3,7841 – 0,463 = 3,3481 und 3,3481 : 10 = 57,11 : x, woraus x = 170,57°. Wenn nun x = Maltose und y = Dextrin ist, wenn ferner x + y = 10, so ist y = (10 – x). Nun dreht aber 1g Maltose in 100cc = 15° und 1g Dextrin in 100cc = 21,4°. Man hat daher 15 x + 21,4 y = 170,57 oder 15 x + 21,4 (10 – x) = 170,57, woraus x = 6,785, somit y = 3,215 oder 67,85 Proc. Maltose und 32,15 Proc. Dextrin. Dieses Verhältniß läßt sich durch folgende Gleichung ganz genau ausdrücken: (I) C₁₈H₃₀O₁₅ + H₂O = C₁₂H₂₂O₁₁ + C₆H₁₀O₅ Stärke. Maltose. Dextrin. Würde die Digestion mit dem Malzextracte längere Zeit fortgesetzt oder würden größere Mengen davon zur Verwendung gezogen, so würde sich freilich – auch bei gleich bleibender Temperatur – dieses Verhältniß ändern und auf Kosten des Dextrins durch fortgesetzte Wasseraufnahme noch mehr Maltose gebildet werden, wie ich dies bereits (1876 220 80) ausgeführt habe. Die divergirenden Anschauungen von Bondonneau und Petit werden als Mißverständniß zurückgewiesen. Ihr ɣ-Dextrin resp. Glucosan sei nur die Differenz zwischen der Kupferoxyd reducirenden Kraft der Maltose und der Reductionskraft der Dextrose. Es bleibt daher auch meine früher (1876 220 30) aufgestellte dritte Gleichung: 2 (C₆H₁₀O₅) + H₂O = C₁₂H₂₂O₁₁ Dextrin. Maltose. in Kraft. 6) Wird Stärke mit Malzextract bei einer Temperatur von 64 und 68 bis 70° digerirt, nach eingetretener Lösung sofort abgekühlt und filtrirt, so enthält das Product immer 34,54 Proc. Maltose und 65,46 Proc. Maltose, oder auf 1 Maltose 1,92 Dextrin und (αj) = 191,89°. Dieses Verhältniß entspricht genau der Gleichung: (II) C₁₈H₃₀O₁₅C₁₈H₃₀O₁₅ + H₂O = C₁₂H₂₂O₁₁ + 4 (C₆H₁₀O₅). Dieses Verhältniß ändert sich auch nicht bei längerer Digestion von 2 bis 3 Stunden, außer wenn überschüssiger Malzauszug vorhanden, oder wenn dieser stark sauer ist. Im erstern Falle entsteht mehr Maltose, im letztern aber wird die Maltose theilweise in ein Gemenge von 2 Dextrosen [(αj) = 67°] invertirt. Dieser Proceß findet natürlich in den Maischen der Praxis immer statt. Es enthält daher jede Würze etwas Dextrose. Was das Bier betrifft, so hat O'Sullivan nachgewiesen, daß bei der Vergährung eines Gemenges von Dextrose und Maltose erstere immer schon total vergohren ist, bis letztere zum Zuge kommt. Nichtsdestoweniger wird sich auch im Biere, und zwar vornehmlich im Lagerbiere, Dextrose finden müssen, da sich die Maltose der vereinigten Einwirkung der schon bei der Hauptgährung gebildeten Säure nebst der bei der Nachgährung fortschreitenden Acidität nicht wird entziehen können. Läßt man Ueberschuß von Malzauszug längere Zeit bei Temperaturen von 10 bis 70° einwirken, so kann man durch successive Hydratation des Dextrins 80 bis 90 Proc. Maltose erhalten. 7) Wird Stärke mit Malzauszug bei einer Temperatur von 68 bis 70° behandelt, nach 5 bis 10 Minuten abgekühlt und dann filtrirt, so erhält man constant 17,4 Proc. Maltose und 82,6 Proc. Dextrin oder auf 1 Maltose 4,74 Dextrin und (αj) = 202,9°. Dieses Verhältniß entspricht der Gleichung: (III) C₁₈H₃₀O₁₅C₁₈H₃₀O₁₅C₁₈H₃₀O₁₅C₁₈H₃₀O₁₅ + H₂O = C₁₂H₂₂O₁₁ + 10 (C₆H₁₀O₅). Bei der Würzebereitung der Praxis gestalten sich diese Verhältnisse anders, je nach dem betreffenden Maischverfahren oder den verschiedenen Stärkesorten. So erhielt man im Extract von Maltose. Dextrin. Verhältniß vonMaltose zu Dextrin. Decoctions-Würze   7,63 Proc. 3,294 Proc. 1 : 0,43           „     -Bier   1,61 3,29 1 : 2,04 Reismalz-Würze   7,44 3,65 1 : 0,49        „     -Bier   1,5 3,65 1 : 2,43 Stärkemehl-Würze   7,5 3,87 1 : 0,51         „       -Bier   0,54 3,87 1 : 7,17 Maismalz-Würze   6,27 4,56 1 : 0,72         „     -Bier   1,72 3,7 1 : 2,15 Gecmen-Malz-Würze   4,59 1,66   1 : 0,362 Pale Ale-Würze   6,66 3,44 1 : 0,51    „    „   -Bier   1,53 3,44 1 : 2,27 In neuester Zeit hat Märker (Landwirthschaftl. Jahrb., Bd. 6 Supplementheft 1877) Bedenken gegen die Maltose-Formel erhoben und statt derselben C₁₈H₃₄O₁₇ vorgeschlagen. Er stützt seine Ansicht darauf, daß nach der alten Formel aus 100 Th. Stärke 103,7 Th. Zucker und Dextrin entstehen müssen, während nach seiner neuen 105,5 gebildet werden. Nun hat er in einem Versuche mit 10g,068 Kartoffelstärke eine Ausbeute von 105,3 Proc. wirklich erhalten und zieht daraus die Gleichung: 4 C₆H₁₀O₅ + 2 H₂O = C₁₈H₃₄O₁₇ + C₆H₁₀O₅. Stärke. Maltose. Dextrin. 648 36 522 162 Nun berechnen sich hieraus 76,3 Proc. Maltose, also (648 + 36): 522 = 100 : x, woraus x = 76,3 Proc. Maltose und 23,7 Proc. Dextrin. Ferner fand Märker, daß bei Gährungsversuchen 73,8 und 76 Proc. des Würzextractes vergohren, obwohl man die Diastase durch Aufkochen oder durch Milchsäure vorher zerstört hatte. O'Sullivan hat in zahlreichen Versuchen die Wasseraufnahme der Stärke bei der Saccharificirung variirend zwischen 2,5 und 5 gefunden, so daß über diesen Punkt noch nicht die hinreichende Zahl genauer Angaben vorliegen, um hieraus eine Formel zu bestimmen. Abgesehen davon aber ist eine Ausbeute von 76 Proc. auch noch kein Gegenbeweis, da ja bei Ueberschuß von Diastase, gehöriger Temperatur und Zeit 90 bis 92 Proc. Maltose erhalten wurden. Was aber die Resultate O'Sullivan's besonders werthvoll und beweiskräftig macht, das ist die Uebereinstimmung der chemischen mit der optischen Probe. Die zahlreichen saccharimetrischen Belege O'Sullivan's können nicht mit Deductionen beseitigt werden, man muß sie auf optischem Wege widerlegen. Dr. Grießmayer.