| Titel: | Dampfvertheilung bei variabler Drehgeschwindigkeit des Kreisexcenters, System M. Deprez. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 20 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Dampfvertheilung bei
                           								variabler Drehgeschwindigkeit des Kreisexcenters, System M.
                              								Deprez.
                        Mit Abbildungen auf Taf. IV [a/1].
                        Deprez' Dampfvertheilungssystem.
                        
                     
                        
                           Man findet zuweilen in Kapiteln über Dampfvertheilung die
                              									alternirend wechselnde, ungleichförmige Bewegung des Kolbens und
                              									der Schieberplatte – eine specifische Eigenthümlichkeit
                              									des gebräuchlichsten Steuerungsmechanismus an Dampfmaschinen
                              									– als Vorzug der Schiebersteuerung dargestellt. Das
                              									Bewegungsgesetz für Kreisexcenter bedingt, daß bei der
                              									gebräuchlichen Anordnung der einfachen Schiebersteuerung die
                              									Schieberplatte das Maximum der Bewegungsgeschwindigkeit dann
                              									erreicht, wenn der Dampfkolben in den todten Punkten nahezu
                              									stillsteht; dann soll ein Wechseln der Dampfwege stattfinden,
                              									und jener Umstand ist Grundbedingung von dessen Anwendbarkeit.
                              									Befindet sich hingegen der Kolben nahe der Mitte seines Laufes,
                              									wobei die Schieberplatte fast stillstehen muß, um die
                              									Cylindercanäle geöffnet zu halten, so wechselt gleichzeitig die
                              									Schieberkurbel, und der Schieber scheint einige Zeit still zu
                              									stehen. Es hat daher seine Berechtigung, die Excenterbewegung in
                              									gewissem Maße dem Zwecke der Dampfvertheilung entsprechend
                              									darzustellen. Für eine ideale Dampfvertheilung müßte die
                              									Bewegung der Schieberplatte ruckweise stattfinden, indem beim
                              									Wechseln des Kolbens momentan die Function der
                              									Ausströmungscanäle vertauscht und gleichzeitig die Einströmung
                              									eröffnet werden soll. Das Schließen der Einströmung muß an
                              									passender Stelle des Kolbenlaufes gleichfalls rasch erfolgen.
                              									Dies bedingt offenbar eine gesonderte Einströmung und
                              									Ausströmung, welche auch aus andern Gründen wünschenswerth
                              									erscheint. Die ideale Dampfvertheilung wurde bis nun am nächsten
                              									durch die Corlißsteuerung erreicht, und es gewinnt
                              									diese trotz scheinbarer ökonomischer Nachtheile immer mehr an
                              									Verbreitung.
                           Der vorliegende Steuerungsmechanismus behält die Anordnung der
                              									Cylindercanäle und das Profil des Muschelschiebers bei und
                              									nähert sich nur insofern der idealen Dampfvertheilung, als die
                              									Bewegung der Schieberplatte bei den Stellungen der Dampfkurbel
                              									in den todten Punkten noch mehr beschleunigt, bei dessen
                              									Mittelstellungen hingegen verzögert wird. Das Zulassen und
                              									Abschneiden des Arbeitsdampfes erfolgt danach rascher als unter
                              									gewöhnlichen Verhältnissen, die Periode der vollen Eröffnung wird vergrößert und die
                              									Ausströmung gleichfalls beschleunigt. Dieses
                              									Dampfvertheilungssystem vermindert die durch Drosseln des
                              									Dampfes an schleichend abschneidenden Kanten verursachten
                              									Arbeitsverluste, wie auch den durch verspätete oder langsame
                              									Entfernung verursachten Gegendruck.
                           Marcel Deprez, der Erfinder dieser
                              									Umsteuerungsvorrichtung (système
                                 									elliptique) mit einem festen Excenter, über welche in
                              									diesem Journal, *1876 221 97 bereits
                              									berichtet wurde, hat die Anwendbarkeit und Nützlichkeit einer
                              									derartigen Anordnung von Bewegungsmechanismen durch praktische
                              									Versuche an Locomotiven erwiesen; so soll z.B. die Locomotive
                              									Nr. 2430, welche vor der Umwandlung 10k,1 Kohle für 1km verbrauchte, mit der
                              									„elliptischen Steuerung“, wie sie der
                              									Erfinder nennt, nur 8k,2 für die gleiche Strecke aufgewendet haben.
                           Die Anordnung der äußern Steuerung dieser Locomotive ist in Figur
                                 									1 dargestellt. Der Schieber wird durch eine
                              									Deprez-Coulisse von der Steuerungswelle A aus angetrieben. Die Kurbelwelle M trägt ein Kreisexcenter C
                              									oder eine Uebertragungskurbel, welche auf die Stange BN einwirkt, deren Ende bei N geradegeführt ist. Die Kurbel F der Steuerungswelle wird von einem
                              									Punkte der Stange BN aus durch
                              									die Schiene EF erfaßt und
                              									dadurch die Drehbewegung der Uebertragungskurbel auf die
                              									Steuerungswelle fortgepflanzt. Die beiden Kurbeln und somit die
                              									beiden Wellen M und A werden sich jedoch nicht mit der
                              									gleichen Geschwindigkeit bewegen, obwohl deren Stellungen für
                              									vier Drehwinkel genau übereinstimmen. Die Bewegung der
                              									Steuerungswelle wird beschleunigt, während die
                              									Uebertragungskurbel die todten Punkte durchläuft, erfährt
                              									hingegen einen zweiten todten Punkt, während die
                              									Uebertragungskurbel auf der Richtung der Stange BN senkrecht steht.
                           Es bedeute in Figur 2
                              									AB = R die Uebertragungskurbel auf der Maschinenwelle, CE = r
                              									die Kurbel auf der Steuerungswelle C, DE = a die Gelenkschienen der Stange BF = L. Zunächst folgen aus dem geometrischen Zusammenhange
                              									einige Beziehungen zwischen den einzelnen Constructionsdetails. Wird DF = l gesetzt, so muß für die
                              									Stellung im todten Punkt b die
                              									Entfernung der beiden Wellen AC = R + L – (l + r + a) sein, oder, weil R = r + a ist,
                              									AC = L – l. Sobald die
                              									Uebertragungskurbel aus dem todten Punkte tritt, verläßt die
                              									Gelenkschiene DE gegen die
                              									Steuerkurbel CE die gestreckte
                              									Lage und schließt mit dieser einen Winkel ein, welcher immer
                              									kleiner wird, bis diese beiden Richtungen DE und CE schließlich in C E
                              									' und D ' E '
                              									zusammen fallen, sobald die Uebertragungskurbel AM auf der Stange MN senkrecht steht. Dann befindet
                              									sich der Mechanismus in der mit punktirten Linien verzeichneten
                              									Lage, und es ist für die Steuerwelle ein neuer todter Punkt
                              									eingetreten, indem die Kurbel CE' in diesem Momente still steht. Nachdem die
                              									Uebertragungskurbel auf der Dampfkurbel senkrecht steht, tritt
                              									dieser Zeitpunkt des Stillstandes bei der vollen Eröffnung der
                              									Cylindercanäle ein. Dabei muß offenbar die Relation D 'C/AM = D 'F/MN bestehen, oder
                              									(r – a)/R = l/L. Dies bedingt die Relation r = R/L (L + l)/2, während a = R/L (L – l)/2 ist. Die Steuerwelle erreicht nach
                              									dieser Anordnung eine größere Drehgeschwindigkeit, während die
                              									Kurbel die todten Punkte durchläuft; deren Bewegung verzögert
                              									sich bis auf Null, während der Kolben sich nahezu in der Mitte
                              									seines Laufes befindet. Es wird also die im Vorhergehenden
                              									angedeutete Annäherung an die ideale Dampfvertheilung erreicht.
                              									Selbstverständlich kann die Steuerwelle je zwei Excenter für
                              									Stephenson- oder Gooch-Coulissen erhalten, oder, wie in Figur
                                 									1 dargestellt, ein Excenter für Deprez-Coulissen, deren
                              									Wirkungsweise bereits ausführlich erörtert worden ist. Bei
                              									gekuppelten Maschinen ist die Anordnung der äußern Steuerung
                              									bedeutend vereinfacht. Die Uebertragungskurbel muß mit der
                              									Kolbenkurbel einen rechten Winkel einschließen, weshalb eine
                              									Kurbel direct zum Antrieb der Steuerwelle für die andere
                              									Maschine verwendet werden kann. (Vgl. auch *1875 219 9.)
                           
                              V. S.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
